Entscheidungsstichwort (Thema)
falsche Angaben und Betrug
Leitsatz (amtlich)
Geeigneter Täter des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG ist auch der faktische Geschäftsführer.
Normenkette
GmbHG § 82 Abs. 1 Nrn. 1, 3
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 21 KLs 950 Js 3511/96) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. September 1999 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Anstiftung zu falschen Angaben in zwei Fällen gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG sowie wegen Betrugs in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 9. Juni 1997 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen den nichtrevidierenden Mitangeklagten H. hat es wegen falscher Angaben in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf lediglich die Verurteilung wegen Anstiftung zu falschen Angaben in zwei Fällen.
1. Die vom Angeklagten im Zusammenhang mit der Gründung der Firma P. – und W. GmbH (im folgenden: P und W GmbH) begangene Straftat nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG ist nicht verjährt, so daß insoweit kein von Amts wegen zu berücksichtigendes Prozeßhindernis besteht. Die Verjährung, die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre beträgt, begann mit dem Eingang der Anmeldung zum Handelsregister beim Amtsgericht Hannover am 6. Januar 1993 zu laufen (§ 78 a StGB). Sie wurde durch die Beschuldigtenvernehmungen vom 14. und 27. Mai 1997 unterbrochen (§ 78 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB), deren Gegenstand auch Unregelmäßigkeiten bei der Gründung der P und W GmbH waren. Eine weitere Unterbrechung erfolgte gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 StGB durch den ihren Verfolgungswillen manifestierenden Auftrag der Staatsanwaltschaft vom 15. September 1997 an die Wirtschaftsreferentin der Staatsanwaltschaft Hannover, anhand der Geschäftsunterlagen als Sachverständige gutachterlich zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die bei der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister abgegebenen Erklärungen zutreffend waren (vgl. BGHSt 28, 381, 384; wistra 1986, 257, 258).
2. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte die O. AG (im folgenden: O. AG) mit dem Sitz in V. und die E. AG mit dem Sitz in C. /USA, die reine Domizilgesellschaften ohne eigenes Vermögen waren.
Am 8. Oktober 1992 gründete der Angeklagte zusammen mit dem Mitangeklagte H. sowie dem Zeugen G. die Firma P und W GmbH. Dabei trat er als Vertreter der ihm gehörenden Hauptgesellschafter O. AG und E. AG auf. Alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der P und W GmbH wurde der Mitangeklagte H.. Dieser fungierte lediglich als Strohmann des Angeklagten, dem bekannt war, daß er wegen seiner Vorstrafen nicht Geschäftsführer einer GmbH sein konnte und auch für sich persönlich keine Gewerbeerlaubnis nach § 34 c GewO erhalten würde. Tatsächlich leitete der Angeklagte die GmbH mit einer ihm von dem Geschäftsführer H. erteilten Generalvollmacht. Er nahm auf sämtliche Geschäftsvorgänge der P und W GmbH bestimmenden Einfluß und traf allein alle wesentlichen kaufmännischen und wirtschaftlichen Entscheidungen.
Der Angeklagte, der wußte, daß die vermögenslose O. AG und die vermögenslose E. AG nicht in der Lage sein würden, auf die Stammeinlagen die gemäß § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG erforderlichen Zahlungen zu leisten, wies den Geschäftsführer H. an, die nach seinen Vorgaben vorbereitete Anmeldung zum Handelsregister zu unterzeichnen, was dieser am 8. Oktober 1992 tat. In der am 6. Januar 1993 beim Amtsgericht Hannover eingegangenen Anmeldung wurde wahrheitswidrig versichert (§ 8 Abs. 2 GmbHG), daß von den Gesellschaftern jeweils die Hälfte der Stammeinlagen einbezahlt worden seien und sich diese Beträge endgültig in der freien Verfügung des Geschäftsführers befänden.
Am 3. März 1994 und am 10. November 1994 wurden von den Gesellschaftern der P und W GmbH Erhöhungen des Stammkapitals beschlossen und neue Gesellschafter zur Übernahme der Stammeinlagen zugelassen. Der Angeklagte, der mit einem hohen Stammkapital den Eindruck von Solvenz erwecken wollte, wies den Geschäftsführer H. an, auch die Kapitalerhöhungen zum Handelsregister anzumelden. Entsprechend dieser Anweisung gab der Geschäftsführer H. eine beim Amtsgericht Hannover am 24. November 1994 eingegangene Erklärung (§ 57 Abs. 2 GmbHG) über die von den Gesellschaftern auf die jeweils übernommenen Stammeinlagen erfolgten Zahlungen ab, die überwiegend falsch war. Statt der angemeldeten 275.000 DM waren tatsächlich von den Gesellschaftern nur insgesamt 167.750 DM einbezahlt worden. Teilweise waren in der Anmeldung auch falsche Einzahler und der Höhe nach falsche Beträge angegeben. Dies alles war dem Angeklagten als dem tatsächlichen Geschäftsführer der P und W GmbH bekannt.
Aufgrund dieses rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts hat das Landgericht den Angeklagten wegen Anstiftung zu falschen Angaben in zwei Fällen verurteilt, und zwar wegen der Gründungstäuschung (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten und wegen der Kapitalerhöhungstäuschung (§ 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Dabei hat es sich der Rechtsmeinung angeschlossen, daß ein faktischer Geschäftsführer nicht Täter einer Straftat gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG sein könne. Bei der Strafzumessung ist die Strafkammer von dem Strafrahmen des § 82 Abs. 1 GmbHG ausgegangen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht.
3. Für die Entscheidung kann offenbleiben, ob das Landgericht den Angeklagten rechtlich zutreffend lediglich wegen Anstiftung zur Gründungs- und Kapitalerhöhungstäuschung verurteilt hat oder ob sich der Angeklagte sogar als Mittäter oder mittelbarer Täter strafbar gemacht hat. Die Verurteilung nur wegen Anstiftung beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht. In jedem Fall hält die Strafzumessung sachlichrechtlicher Prüfung stand, da der Angeklagte als faktischer Gesellschafter, der die P und W GmbH beherrschte, geeigneter Täter im Sinne des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG ist und deshalb das strafbegründende persönliche Merkmal eines Geschäftsführers erfüllt.
a) Bei den Tatbeständen des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG handelt es sich um echte Sonderdelikte (Scholz/Tiedemann, GmbHG 8. Aufl. § 82 Rdn. 18; Fuhrmann/Schaal in Rowedder u.a., GmbHG § 82 Rdn. 8; Schaal in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 134. ErgLfg., GmbHG § 82 Rdn. 4 und 61; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 3. Aufl. § 82 Rdn. 2). Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher grundsätzlich nur der Geschäftsführer, im Falle des § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG zusätzlich auch ein Gesellschafter sein. Fehlt einem Teilnehmer dieses strafbegründende persönliche Merkmal, ist der Strafrahmen gemäß §§ 28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu mildern (BGH, Beschl. vom 14. August 1991 - 3 StR 159/91; Scholz/Tiedemann, aaO Rdn. 18; Fuhrmann/Schaal, aaO Rdn. 8; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO Rdn. 4; Lutter/Hommelhoff, aaO Rdn. 2).
b) Nach gefestigter Rechtsprechung, die vor allem zur Verletzung der Insolvenzantragspflicht gemäß §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG sowie zu anderen Strafvorschriften ergangen ist, die mit der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer GmbH im Zusammenhang stehen, ist als Geschäftsführer nicht nur der formell zum Geschäftsführer Berufene anzusehen, sondern auch derjenige, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen und ausgeübt hat (BGHSt 3, 32, 37; 21, 101, 103; 31, 118, 122; BGHR GmbHG § 64 I Antragspflicht 2 und 3; BGH NStZ 2000, 34, 35; StV 1984, 461 f. mit Anmerkung Otto; wistra 1990, 60, 61; vgl. auch Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11 m.w.Nachw.; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7; einschränkend Scholz/Tiedemann, aaO § 82 Rdn. 42; Samson in SK-StGB 7. Lfg. § 14 Rdn. 7 b; Lutter/Hommelhoff, aaO Rdn. 2; a.A. Schüppen DB 1994, 197, 203 f.; Joerden wistra 1990, 1, 4; vgl. zusammenfassend Löffeler wistra 1989, 121 ff.). Dieser Begriff des faktischen Geschäftsführers, der in der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend verwandt wird (vgl. BGHZ 41, 282, 287; 47, 341, 343; 75, 96, 106; 104, 44, 46) ist erfüllt, wenn sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen weitgehend von dem faktischen Geschäftsführer ausgehen und er im übrigen auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluß nimmt (BGHSt 31, 118, 121). Die Unternehmensführung darf nicht einseitig angemaßt, sondern muß mit dem Einverständnis der Gesellschafter, das als eine konkludente Bestellung zu werten ist, erfolgt sein (BGHSt 3, 33, 38; 31, 118, 122 m.w.Nachw.; BGH NStZ 2000, 34 ff., 35). Weitere Voraussetzung für einen faktischen Geschäftsführer ist, daß er gegenüber dem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (BGHSt 3, 32, 37; 31, 118, 122; BGHR GmbHG § 64 I Antragspflicht 3; BGH wistra 1990, 97 f.; vgl. zusammenfassend Löffeler wistra 1989, 121, 125).
Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „als Geschäftsführer”, daß nicht nur der formell bestellte, sondern auch der faktische Geschäftsführer Normadressat der §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG ist, dient dem Zweck dieser Vorschriften, die Allgemeinheit vor einer kriminellen Handhabung der Geschäftsführung einer GmbH zu schützen und die Wirtschaftskriminalität in diesem Bereich wirksam zu bekämpfen. Da dieser Zweck im Wortlaut der §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG auch hinreichend zum Ausdruck kommt, bestehen gegen die faktische Betrachtungsweise dieses Tatbestandsmerkmals keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verstößt weder gegen das Analogieverbot noch gegen den Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit des Art. 103 Abs. 2 GG (BGHSt 31, 118, 122; Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11 m.w.Nachw.; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7).
c) Die faktische Betrachtungsweise des Tatbestandsmerkmals „als Geschäftsführer” ist auf die Auslegung des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG zu übertragen (Kohlmann in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 82 Rdn. 19, 68; Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7; Löffeler wistra 1989, 121, 124). Auch bei diesen Tatbeständen ist geeigneter Täter nicht nur der formelle, sondern auch der faktische Geschäftsführer.
Diese Auslegung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG, da diese Straftatbestände in gleicher Weise wie die §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG darauf abzielen, die Allgemeinheit vor einer kriminellen Handhabung der Geschäftsführung einer GmbH zu schützen; auch hier gilt, daß derjenige, der die faktische Geschäftsführung innehat und die Führung der Geschäfte bestimmt, auch die Pflichten erfüllen muß, die den Geschäftsführer treffen, und daß er bei deren Verletzung die strafrechtlichen Folgen zu tragen hat, die das Gesetz an eine solche Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer knüpft (vgl. BGHSt 31, 118, 122 zu § 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG). Sie führt außerdem zu einer gleichmäßigen Auslegung des Begriffs des Geschäftsführers innerhalb der Strafvorschriften des GmbH-Gesetzes.
Für die Gründungstäuschung gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG folgt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers zusätzlich daraus, daß die GmbH im Regelfall bei der Anmeldung noch nicht im Handelsregister eingetragen ist und deshalb als solche noch nicht besteht. Somit kann derjenige, der „als Geschäftsführer” für die einzutragende GmbH tätig wird, ohnehin noch kein rechtswirksam bestellter GmbH – Geschäftsführer sein (Kohlmann, aaO Rdn. 19; Lutter/Hommelhoff, aaO § 82 Rdn. 2; Löffeler wistra 1989, 121, 122).
4. Der Angeklagte war faktischer Geschäftsführer der P und W GmbH, da bei ihm die dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Nach den Feststellungen bestimmte er sowohl nach innen als auch nach außen allein die Unternehmensleitung und traf alle wesentlichen wirtschaftlichen und kaufmännischen Entscheidungen. Innerhalb der P und W GmbH kam ihm die überragende Stellung zu. Er beherrschte den formellen Geschäftsführer H., der lediglich als „Strohmann” fungierte und eigenverantwortlich keine unternehmerische Entscheidung von Bedeutung treffen konnte, in vollem Umfang. Nach außen handelte der Angeklagte auf Grund einer ihm vom formellen Geschäftsführer erteilten Generalvollmacht. Er war Vertreter der ihm gehörenden Hauptgesellschafter O. AG und E. AG.
Danach fehlt beim Angeklagten das strafbegründende besondere persönliche Merkmal des Geschäftsführers nicht, so daß auch bei einer Verurteilung lediglich wegen Anstiftung zu falschen Angaben eine Milderung des Strafrahmens des § 82 Abs. 1 GmbHG gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt. Die Strafzumessung und die Gesamtstrafenbildung sind im übrigen frei von Rechtsfehlern.
Unterschriften
VRiBGH Kutzer befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan, Rissing-van Saan Miebach, Winkler, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 540448 |
BGHSt, 62 |
BB 2000, 2061 |
DB 2000, 1858 |
NJW 2000, 2285 |
GmbH-StB 2000, 236 |
NStZ 2000, 537 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 1515 |
ZAP 2000, 1181 |
ZIP 2000, 1390 |
wistra 2000, 307 |
JZ 2001, 309 |
NZI 2001, 98 |
ZInsO 2000, 391 |
GmbHR 2000, 878 |
StV 2000, 499 |
StraFo 2000, 351 |