Leitsatz (amtlich)
a) Sind in einer Bankgarantie auf erstes Anfordern für die Garantie-Inanspruchnahme bestimmte Angaben vorgesehen, deren Wortlaut aber nicht vorgeschrieben, so können die Angaben auch durch Bezugnahme auf die Garantie-Urkunde gemacht werden.
b) Zum Einwand des Rechtsmißbrauchs bei der Inanspruchnahme einer Rückgarantie auf erstes Anfordern.
c) Zur Bedeutung einer gegen den Garantie-Begünstigten ergangenen einstweiligen Verfügung für die Frage des Rechtsmißbrauchs bei der Inanspruchnahme einer Bankgarantie auf erstes Anfordern.
Normenkette
BGB §§ 305, 765
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19. November 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind Banken. Sie streiten um die Zahlungspflicht der Beklagten aus einer der Klägerin erteilten Rückgarantie auf erstes Anfordern. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die W. Bauträger GmbH (im folgenden: W.) hatte der A. GmbH & Co Metallguß KG (künftig: A.) zur Sicherung der Restkaufpreisforderung in Höhe von 1,9 Millionen DM aus einem Grundstückskaufvertrag eine Bankbürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen. Zu diesem Zweck wandte die W. sich an die Beklagte. Diese beauftragte die Klägerin, zugunsten von A. eine unwiderrufliche Bankgarantie auf erstes Anfordern in Höhe von 1,9 Millionen DM zu erteilen. Zugleich übernahm sie gegenüber der Klägerin die Rückgarantie. Darin verpflichtete sie sich, der Klägerin – auf deren schriftliche oder fernschriftliche Mitteilung, eine mit den Garantiebedingungen übereinstimmende Zahlungsaufforderung der Begünstigten erhalten zu haben, – jeden Betrag bis zur Höhe von 1,9 Millionen DM zu ersetzen.
Die Klägerin stellte auftragsgemäß ihre Zahlungsgarantie auf erstes schriftliches Anfordern über 1,9 Millionen DM der A. zur Verfügung. Darin war die Auszahlung an die Voraussetzung geknüpft, daß „Sie uns bei Inanspruchnahme bestätigen, daß
- Sie alle Anlagen und Maschinen vom Baugelände entfernt haben
- W. … im Besitz der Baugenehmigung vom 10.06.1996 des Bauamtes C. ist
- W. … mit den Bauarbeiten begonnen hat, und daß
- die Fa. W. … Ihren Zahlungspflichten (…) nicht nachgekommen ist.”
Die Zahlungsgarantie war bis zum 25. Juni 1997 befristet.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1997, das bei der Klägerin am 25. Juni 1997 als Telefax und am Folgetage im Original einging, nahm die A. die Klägerin aus deren Garantie auf Zahlung von 1,9 Millionen DM in Anspruch. In dem Anforderungsschreiben heißt es unter anderem: „…unter Bezugnahme auf die eingangs rubrizierte Zahlungsgarantie vom 24.07.96 bestätigen wir Ihnen das Vorliegen der unter Ziffer 1) bis 4) aufgeführten Voraussetzungen…”.
Am 26. Juni 1997 erwirkte die W. eine einstweilige Verfügung des Landgerichts C., durch die der A. verboten wurde, die Klägerin aus ihrer Zahlungsgarantie in Anspruch zu nehmen. Die Entscheidung wurde der A. am 27. Juni 1997 zugestellt. Am selben Tage ließ die W. der Klägerin die einstweilige Verfügung sowie Ablichtungen der Antragsschrift nebst Anlagen zukommen. Nachdem die A. ihr am 30. Juni 1997 für den Fall weiterer Verzögerung Schadensersatzansprüche angedroht hatte, zahlte die Klägerin die Garantiesumme aus. Mit der Klage nimmt sie die Beklagte aus der Rückgarantie auf Zahlung von 1,9 Millionen DM nebst Zinsen in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus der Rückgarantie bejaht und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte könne der Klageforderung nicht mit Erfolg den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten. Die Inanspruchnahme der Klägerin aus deren Garantie durch die A. sei formell ordnungsgemäß gewesen. Die fristgerechte Übermittlung der Zahlungsanforderung mit Telefax am 25. Juni 1997 habe die vertragliche Schriftform gewahrt und zudem die erforderliche unzweideutige Bestätigung der Zahlungsvoraussetzungen unter Ziffer 1 bis 4 der Garantieurkunde enthalten. Deren wörtliche Wiederholung sei nicht ausdrücklich vorgeschrieben worden und daher auch nicht notwendig gewesen.
Der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs gegenüber der Klägerin komme hiernach nur dann in Betracht, wenn für sie bei Auszahlung der Garantiesumme an die Letztbegünstigte der Nichteintritt des materiellen Garantiefalls im Verhältnis zwischen A. und W. aufgrund liquider Beweismittel offensichtlich gewesen sei. In diesem Falle stünde ihr hinsichtlich des gezahlten Betrages kein Rückgriffsanspruch gegen die Beklagte aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Parteien zu, so daß sich die Inanspruchnahme der Rückgarantie ihrerseits als rechtsmißbräuchlich darstelle. An diesen Voraussetzungen fehle es jedoch, weil für die Klägerin ein Mißbrauch ihrer Zahlungsgarantie durch die A. nicht offensichtlich gewesen sei:
Die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Zahlungsgarantie lasse sich nicht allein aus einem Verstoß der A. gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts C. vom 26. Juni 1997 herleiten. Der Ungehorsam gegenüber einer gerichtlichen Entscheidung habe mit der materiellen Rechtslage im Valutaverhältnis nichts zu tun. Unabhängig davon liege ein Ungehorsamsfall ohnehin nicht vor. Die Verbotsverfügung sei gegenüber der Antragsgegnerin A. erst mit Zustellung am 27. Juni 1997 und damit zwei Tage nach der Garantieanforderung wirksam geworden. Eine Verpflichtung zur Rücknahme der Anforderungserklärung habe sich aus der gerichtlichen Anordnung nicht ergeben.
Die einstweilige Verfügung habe für die Klägerin auch keinen Rückschluß darauf nahegelegt, daß die A. mangels Fälligkeit des Restkaufpreisanspruchs in mißbräuchlicher Weise aus der Garantie vorgehe. Es könne offenbleiben, ob und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine im Eilverfahren ergangene gerichtliche Entscheidung ein liquides Beweismittel für die offensichtliche Begründetheit oder Unbegründetheit eines materiellen Anspruchs darstelle. Die Aussagekraft einer einstweiligen Verfügung über die materielle Rechtslage im Valutaverhältnis hänge in ihrer Reichweite stets vom Inhalt der betreffenden Anordnung ab. Jedenfalls die einstweilige Verfügung des Landgerichts C. vom 26. Juni 1997 sei nicht geeignet gewesen, Dritten die Überzeugung zu vermitteln, daß der A. offensichtlich kein Anspruch gegen die W. zugestanden habe. Der im Beschlußwege ohne Anhörung der Antragsgegnerin ergangenen, keine Begründung enthaltenden Entscheidung habe die Klägerin nur entnehmen können, daß die W. das Nichtvorliegen der materiellen Garantievoraussetzungen schlüssig behauptet und glaubhaft gemacht habe. Daraus folge nicht, daß die betreffenden Tatsachen offensichtlich gegeben seien. Daß die W. im Eilverfahren liquide Beweismittel vorgelegt habe, aus denen der Nichteintritt des materiellen Garantiefalls offensichtlich hervorgehe, lasse sich weder dem landgerichtlichen Beschluß entnehmen noch ergebe sich dies aus dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nebst beigefügten Anlagen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus deren Rückgarantie auf erstes Anfordern ein Anspruch auf Zahlung von 1,9 Millionen DM zu. Die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin nicht mit Erfolg den Einwand des Rechtsmißbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten.
1. Die Klägerin als aus der Erst- oder Hauptgarantie in Anspruch genommene Bank macht, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, keinen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB geltend, sondern geht unmittelbar aus der Rückgarantie auf erstes Anfordern gegen die Beklagte vor. Dem Zahlungsanspruch aus der Rückgarantie könnte die Beklagte den Einwand des Rechtsmißbrauchs nur dann entgegensetzen, wenn die Klägerin mit der Inanspruchnahme der Rückgarantie ihrerseits rechtsmißbräuchlich handelte. Diese Voraussetzung ist entgegen dem rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts nicht identisch mit der Frage nach der mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Erstgarantie durch die Letztbegünstigte:
a) Für die Garantie auf erstes Anfordern vertritt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz, daß Einwendungen gegen die materielle Berechtigung der Ansprüche des Begünstigten erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Begünstigten geltend gemacht werden können. Nur in Fällen, in denen die mißbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung klar erkennbar, d.h. offensichtlich oder liquide beweisbar ist, entfällt die Zahlungspflicht des Garantiegebers. Streitfragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind dagegen in einem eventuellen Rückforderungsprozeß zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten auszutragen (BGHZ 90, 287, 291 ff.; 94, 167, 170; 140, 49, 51 ff.; BGH, Urteile vom 29. September 1986 – II ZR 220/85, WM 1986, 1429, 1430, vom 17. Januar 1989 – XI ZR 65/88, WM 1989, 433, 434 und vom 25. September 1996 – VIII ZR 76/95, WM 1997, 13, 17).
b) Diese für Direktgarantien auf erstes Anfordern entwickelten Regeln gelten grundsätzlich auch für eine Rückgarantie auf erstes Anfordern. Beim Mißbrauchseinwand muß jedoch den Besonderheiten der Rückgarantie Rechnung getragen werden.
aa) Eine Rück- oder Gegengarantie auf erstes Anfordern liegt vor, wenn im Rahmen eines mehrstufigen – indirekten – Garantieverhältnisses die vom Garantieauftraggeber eingeschaltete (Erst-)Bank die Garantie gegenüber dem (Letzt-)Begünstigten nicht selbst erteilt, sondern damit eine weitere Bank (Zweitbank) beauftragt und dieser Erstattung der aus deren Garantieübernahme entstehenden Aufwendungen „auf erstes Anfordern” verspricht. Im Verhältnis der beteiligten Banken zueinander handelt es sich um eine selbständige direkte Garantie zur Sicherung und Ergänzung des vertraglichen Aufwendungsersatzanspruchs (§§ 675, 670 BGB) der Zweitbank gegen die Erstbank (vgl. Canaris in: Großkomm. HGB 4. Aufl. Bankvertragsrecht Rdn. 1117 f.; Nielsen, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 121 Rdn. 137 f.; von Westphalen, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr 2. Aufl. S. 42, 234 ff.; Mülbert, Mißbrauch von Bankgarantien und einstweiliger Rechtsschutz S. 81 ff.; Dohm, Bankgarantien im internationalen Handel Rdn. 49, 105 ff., 274 ff.; Kleiner, Bankgarantie 4. Aufl. S. 177 ff.). Der „auf erstes Anfordern” zu begleichende Anspruch aus der Rückgarantie ist daher vom tatsächlichen Eintritt der Zahlungsvoraussetzungen der Garantie der Zweitbank gegenüber dem Letztbegünstigten grundsätzlich unabhängig. Ebensowenig setzt er voraus, daß die Zweitbank die Zahlung an den Letztbegünstigten für erforderlich (§ 670 BGB) halten durfte; diese Frage ist vielmehr erst in einem Rückforderungsprozeß zwischen Erst- und Zweitbank zu klären (vgl. Canaris aaO Rdn. 1118; Mülbert aaO S. 83, 86 f.; ders. ZIP 1985, 1101, 1111).
bb) Die Erfüllung der Rückgarantie auf erstes Anfordern darf die Erstbank deshalb nur verweigern, wenn die Zweitbank ihrerseits bei der Anforderung der Garantiesumme rechtsmißbräuchlich handelt. Rechtsmißbräuchliches Handeln der Zweitbank setzt in objektiver Hinsicht in der Regel voraus, daß offensichtlich oder liquide beweisbar ist, daß ihr ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 670 BGB gegen die Erstbank nicht zusteht, weil die Inanspruchnahme der Zweitbank durch den Letztbegünstigten rechtsmißbräuchlich war (sog. „doppelter Rechtsmißbrauch”; vgl. Nielsen aaO Rdn. 198 f., 217 f.; Canaris aaO Rdn. 1139 a; von Westphalen aaO S. 249 f.; Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 6. Aufl. Rdn. 9/118 ff.; Dohm aaO Rdn. 290 ff., 369; Kleiner aaO S. 219 f.).
cc) In subjektiver Hinsicht setzt der Mißbrauchseinwand voraus, daß die Zweitbank wider besseres Wissen die Inanspruchnahme ihrer Garantie zugelassen hat. Sie muß die Tatsachen gekannt haben, die die Garantieausübung durch den Letztbegünstigten als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen, und sie muß gewußt haben, daß sie aufgrund der ihr vorliegenden Beweismittel einen – hypothetischen – Prozeß mit dem Letztbegünstigten hätte gewinnen können. Denn der Geschäftszweck der Rückgarantie geht dahin, der unmittelbaren Garantin bei einer Zahlung auf die Erstgarantie über ihren Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB hinaus Ersatz zu verschaffen. Das entspricht der herrschenden Auffassung im Schrifttum (Mülbert, Mißbrauch… S. 85-88; ders., ZIP 1985, 1101, 1110 f.; Kleiner aaO S. 220; Heldrich, Festschrift Kegel 1987 S. 175, 193; ebenso im Ergebnis Nielsen aaO Rdn. 202, 217; weitergehend Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. Vorbem. zu §§ 765 ff. Rdn. 317 f., wonach auch grob fahrlässige Unkenntnis vom Mißbrauch der Erstgarantie schädlich sein soll). Auch der Bundesgerichtshof hat für die Rückbürgschaft in diesem Sinne entschieden (BGH, Urteil vom 24. November 1983 – IX ZR 2/83, WM 1984, 44, 45); in bezug auf die Rückgarantie kann nichts anderes gelten (vgl. insoweit OLG Saarbrücken WM 1981, 275, 278).
2. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den ihr obliegenden Nachweis einer rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme der Rückgarantie durch die Klägerin nicht erbracht.
a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bereits keine formal ordnungsgemäße Geltendmachung der Erstgarantie durch die A. annehmen dürfen.
Nach dem Inhalt der Erstgarantie hatte die Begünstigte bei der Inanspruchnahme vier im einzelnen aufgeführte Punkte zu „bestätigen”. Nähere Anforderungen an die Art und Weise der Bestätigung enthielt die Garantieurkunde nicht. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher die im Anforderungsschreiben der A. vom 24. Juni 1997 enthaltene pauschale Bezugnahme auf die Ziffern 1 bis 4 des Urkundentextes als wirksame Inanspruchnahme der Garantie genügen lassen.
Allerdings ist bei einer Garantie auf erstes Anfordern die Zahlungsaufforderung durch den Begünstigten formalisiert. Nach dem Grundsatz der Garantiestrenge muß er sie so abgeben, wie sie in der Garantieurkunde festgelegt ist (Senatsurteile vom 23. Januar 1996 – XI ZR 105/95, WM 1996, 393, 394 und vom 12. März 1996 – XI ZR 108/95, WM 1996, 770, 771). Einer wörtlichen Übereinstimmung mit dem Urkundeninhalt, wie sie die Revision hier für erforderlich hält, bedarf es indes nur, wenn das ausdrücklich vereinbart wurde. In allen anderen Fällen genügt es, wenn die garantievertraglichen Voraussetzungen der Zahlungspflicht in einer für den Garanten unmißverständlichen Weise zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 – IX ZR 297/95, WM 1997, 656, 659 f.).
Dies verkennt die Revision, wenn sie geltend macht, weder die Erstgarantie der Klägerin noch der Auftrag der Beklagten hätten eine Anforderungserklärung durch pauschalierende Bezugnahme auf den Text der Garantieurkunde vorgesehen. Da im Streitfall, wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, eine Bestätigung der Garantievoraussetzungen durch wörtliche Wiedergabe des Textes unter Ziffer 1 bis 4 der Urkunde nicht vereinbart war, durfte die A. ihre Erklärung in Form der Bezugnahme auf die betreffenden Ziffern abgeben. Die Klägerin konnte dies nicht anders als eine Bestätigung der darin näher beschriebenen Inanspruchnahme-Voraussetzungen verstehen.
Entgegen der Auffassung der Revision liegt hierin keine Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Zahlungsanforderung. Sofern es dem Garanten oder seinem Auftraggeber darum geht, die Hemmschwelle für unberechtigte Garantieanforderungen durch möglichst konkret gehaltene Eigenerklärungen des Begünstigten zu erhöhen (vgl. Nielsen in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 5/270), bleibt es ihnen unbenommen, die wörtliche Wiedergabe des Erklärungsinhalts ausdrücklich vorzusehen.
b) Aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts C. vom 26. Juni 1997, durch die der Begünstigten die Inanspruchnahme der Erstgarantie verboten worden war, vermag die Beklagte ebenfalls nichts für sich herzuleiten. Die Klägerin hätte aufgrund dieser Entscheidung der Zahlungsanforderung der A. nicht mit Erfolg den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten können.
aa) Die Garantie-Inanspruchnahme war unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die gerichtliche Verbotsverfügung nicht rechtsmißbräuchlich.
In Rechtsprechung und Schrifttum zur Bankgarantie ist für die Frage des Rechtsmißbrauchs bislang ausschließlich auf den materiellen Aspekt des offensichtlich oder liquide beweisbar fehlenden Garantiefalls abgestellt worden. Ob unabhängig davon bereits der formale Gesichtspunkt eines Verstoßes des Begünstigten gegen ein gerichtliches Verbot für die Garantiebank den Mißbrauchseinwand eröffnet, bedarf keiner Entscheidung, weil die A., wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, mit der Garantie-Inanspruchnahme nicht gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts C. verstoßen hat:
Die A. hatte mit ihrem der Klägerin am 25. Juni 1997 zugegangenen Telefax, das gemäß § 127 Satz 2 BGB dem Schriftformerfordernis des Garantievertrags genügte (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1998 – XI ZR 327/97, WM 1999, 72, 73 zum Fernschreiben), die Erstgarantie fristgerecht in Anspruch genommen. Hierdurch wurde die Zahlungspflicht der Klägerin ausgelöst (vgl. Mülbert, Mißbrauch… S. 156). Das einen Tag später beantragte und erlassene gerichtliche Inanspruchnahme-Verbot, das der A. gegenüber zudem erst mit Zustellung am 27. Juni 1997 wirksam wurde, mußte deshalb ins Leere gehen. Die Verbotsverfügung begründete für die A. keine Verpflichtung zur Rücknahme der zuvor erklärten Zahlungsaufforderung. Daß die A. mit der Wiederholung ihrer Zahlungsaufforderung am 30. Juni 1997 gegen das gerichtliche Verbot verstieß, ist für die schon durch die frühere Anforderung vom 25. Juni 1997 begründete Zahlungspflicht der Klägerin ohne Belang.
bb) Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht auch, soweit es weder die einstweilige Verfügung des Landgerichts C. als solche noch die zu ihrer Beantragung bei Gericht eingereichten Unterlagen als liquide Beweismittel für eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Erstgarantie hat ausreichen lassen.
Allerdings soll nach einer Auffassung in der Literatur die gegen den Garantienehmer erlassene einstweilige Verfügung in aller Regel der Garantiebank als liquides Beweismittel für den Nachweis des Rechtsmißbrauchs dienen können (vgl. Nielsen, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch § 121 Rdn. 211; Heinze, MünchKommZPO § 935 Rdn. 213; Wagenknecht, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 4/1297; Goerke, Kollisionsrechtliche Probleme internationaler Garantien, S. 135, 139; Schütze, Bankgarantien S. 99, 101 f.; Jedzig WM 1988, 1469, 1473; einschränkend Zahn/Eberding/Ehrlich aaO Rdn. 9/132; Edelmann DB 1998, 2453, 2454). Nach anderer Ansicht belegt die einstweilige Verfügung als öffentliche Urkunde allein den Erlaß der in ihr enthaltenen Entscheidung, nicht jedoch deren inhaltliche Richtigkeit. Auch ergehe sie in einem summarischen Verfahren und entscheide den Streit regelmäßig nicht endgültig. Zum Nachweis des Rechtsmißbrauchs könnten daher lediglich die vom Antragsteller im Verfügungsverfahren vorgelegten Beweismittel dienen (Mülbert, Mißbrauch… S. 138 f.; im Ergebnis auch von Westphalen, Die Bankgarantie … S. 306).
Zu einer abschließenden Auseinandersetzung mit diesen Meinungen gibt der Streitfall keine Veranlassung. Jedenfalls eine einstweilige Verfügung, die – wie hier – gemäß §§ 921 Abs. 1, 936 ZPO ohne Anhörung des Antragsgegners im Beschlußwege ergangen ist und keine Begründung enthält, kommt als liquides Beweismittel für die rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme einer Bankgarantie nicht in Betracht. Der Begriff der liquiden Beweisbarkeit ist vor dem Hintergrund der Funktion der Bankgarantie auf erstes Anfordern zu sehen, alle Streitfragen tatsächlicher oder rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, in den Rückforderungsprozeß zu verweisen, soweit nicht ausnahmsweise die mißbräuchliche Ausnutzung der Garantie für jedermann klar erkennbar auf der Hand liegt. Diesem Zweck wird eine gerichtliche Entscheidung, die lediglich auf dem Vortrag einer der Parteien des streitigen Rechtsverhältnisses beruht und der sich die materiellen Grundlagen ihres Erlasses nicht entnehmen lassen, nicht gerecht.
Mit Recht hat das Berufungsgericht auch den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung vom 26. Juni 1997 nebst Anlagen nicht als liquides Beweismittel angesehen. Die Antragsschrift selbst enthielt nur die Darstellung des Sach- und Streitstandes aus Sicht der W. Sie kam als Beweismittel ebensowenig in Betracht wie die beigefügten eidesstattlichen Versicherungen. Diese stammten vom Geschäftsführer der Antragstellerin und – soweit die Funktion der betreffenden Personen nachvollziehbar ist – von Dritten, die mit ihr vertraglich verbunden waren. Für die Klägerin konnten sie deshalb keinen solchen Grad an Gewißheit für die Richtigkeit der Sachdarstellung der W. begründen, daß allein auf dieser Grundlage die Verweigerung der Garantieauszahlung zumutbar gewesen wäre. Die der Antragsschrift weiter beigefügte Fotodokumentation, die die Klägerin lediglich in Fotokopie erhalten hatte, schied schon deshalb als liquider Nachweis aus, weil nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts aus den Kopien nichts zu ersehen war.
c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten übergangen, die Klägerin habe zunächst ein Unterlassen der Auszahlung zugesagt, diese Zusage jedoch später gebrochen, muß bereits deshalb erfolglos bleiben, weil die Beklagte für die behauptete Zusage nur Zeugenbeweis angeboten hat. Von einer offensichtlich oder liquide beweisbar rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme der Rückgarantie kann schon aus diesem Grunde keine Rede sein. Das gilt besonders, da die Klägerin dem entsprechenden Vortrag der Beklagten bereits im Arrestverfahren mit eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter entgegengetreten war.
III.
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Unterschriften
Nobbe, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Joeres
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.10.2000 durch Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556473 |
BGHZ |
BGHZ, 286 |
BB 2001, 328 |
NJW 2001, 282 |
EWiR 2001, 59 |
IBR 2001, 19 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 2334 |
WuB 2001, 1251 |
ZAP 2001, 7 |
ZIP 2000, 2156 |
ZfIR 2001, 461 |
JuS 2001, 394 |
MDR 2001, 99 |
NZBau 2001, 136 |
ZBB 2000, 421 |