Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Kartellsenats des Kammergerichts vom 22. Januar 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht eine Weiterbelieferungsverpflichtung der Beklagten festgestellt hat.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 15. Januar 1996 wird auch insoweit zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin versorgt im Berliner Stadtgebiet auf Flughäfen, U- und S-Bahnhöfen insgesamt 78 Läden und Kioske, in denen neben Tabak, Süßwaren und Getränken auch Presseerzeugnisse angeboten werden. Von den Verkaufsstätten auf U- und S-Bahnhöfen betreibt sie 48 mit eigenem Personal. Ihren Bedarf an Presseerzeugnissen deckt sie u.a. bei der Beklagten, einem Verlagsunternehmen mit umsatzstarken Presseerzeugnissen im eigenen Verlagsprogramm, zu Bahnhofsbuchhandelsbedingungen.
Der Bahnhofsbuchhandel nimmt insoweit eine Sonderstellung ein, als er im Gegensatz zu den übrigen Vertreibern von Presseerzeugnissen, die ihre Ware über Pressegrossisten beziehen, direkt beliefert wird. Dabei wird ihm ein Rabatt eingeräumt, der in etwa dem entspricht, den die Verlage dem Großhandel und dem Einzelhandel insgesamt gewähren (Einzelhandel: 19 %; Großhandel: 15 %).
Mitte 1993 faßte der Verband Deutscher Zeitungsverleger (VDZ) die "Kriterien für den Bahnhofsbuchhandel" neu und machte die Belieferung zu Bahnhofsbuchhandelsbedingungen für "eine Bahnhofsbuchhandlung, die als Nebenbetrieb der Deutschen Bundesbahn geführt wird und damit die gesetzlich vorgeschriebene Versorgungsfunktion für Reisende (§ 41 Bundesbahngesetz) erfüllt und einem gesetzlichen Betriebszwang unterliegt" von erhöhten Anforderungen u.a. an Betriebszeiten, Sortiment und Ladeneinrichtung abhängig. So wurde festgelegt, daß die Buchhandlung an sämtlichen Tagen einschließlich Feiertagen mit einer Regeldauer von mindestens 100 Stunden wöchentlich geöffnet sein müsse. Dem äußeren Erscheinungsbild nach müsse sie sich eindeutig als Verkaufsstätte mit Schwerpunkt Presseerzeugnisse darstellen und ein verkäufliches Presse-Vollsortiment, mindestens aber 1000 tatsächlich im Angebot befindliche Titel führen. Für Verkaufsstellen, die die genannten Anforderungen nicht erfüllten, war eine Übergangsregelung vorgesehen, die den Nachweis einer entsprechenden Anpassung bis zum 30. Juni 1996 vorsah. Sollte der Nachweis bis zu diesem Zeitpunkt nicht erbracht sein, sah die Verbandsempfehlung eine Kündigungsmöglichkeit für die Direktbelieferung zum 31. Dezember 1997 vor.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1993 kündigte die Beklagte - ebenso wie andere Presseunternehmen im selben Zeitraum - der Klägerin die Direktbelieferung mit Wirkung zum 30. Juni 1995 für sämtliche Verkaufsstellen, soweit diese nicht als Nebenbetriebe der Deutschen Bundesbahn geführt oder als Flughafenverkaufsstellen den Nebenbetrieben der Deutschen Bundesbahn gleichgestellt seien. Für die weitere Belieferung verwies sie die Klägerin auf den zuständigen Grossisten. Ihre Kündigung hat die Beklagte wie folgt begründet:
"Die tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der Wiedervereinigung haben eine Überarbeitung der 'Kriterien für den Bahnhofsbuchhandel' des VDZ erforderlich gemacht. Die nunmehr geltende Fassung vom 7. Juni 1993 (Anlage), die unter Beteiligung und Billigung des Bundeskartellamtes entstanden ist und auch die Definition des Bahnhofsbuchhandels in unseren Lieferungs- und Zahlungsbedingungen ersetzt, sieht als zentrale Voraussetzung für eine Direktbelieferung durch die Verlage vor, daß 'die Bahnhofsbuchhandlung als Nebenbetrieb der Deutschen Bundesbahn geführt wird und damit die gesetzlich vorgeschriebene Versorgungsfunktion für Reisende (§ 41 Bundesbahngesetz) erfüllt und einem gesetzlichen Betriebszwang unterliegt'.
Vor diesem Hintergrund können wir unsere bisherigen Liefervereinbarungen nicht mehr unverändert aufrechterhalten ...
Wir bitten um Verständnis für diese aus Gründen der Gleichbehandlung notwendig gewordene Entscheidung."
Die Klägerin beansprucht, von der Beklagten zu den Bedingungen des Bahnhofsbuchhandels weiter beliefert zu werden. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte behandle sie ohne sachlich gerechtfertigten Grund im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB gegenüber den Bahnhofsbuchhandlungen auf Fernbahnhöfen ungleich. Zumindest sei die Beklagte verpflichtet, bis zu dem in den "Kriterien für den Bahnhofsbuchhandel" von 1993 genannten Endzeitpunkt (31. Dezember 1997) die Direktbelieferung fortzusetzen. Zudem beruhe das Vorgehen der Beklagten auf einer durch § 1 GWB verbotenen Absprache der Verlage mit dem Ziel, den Betrieb der Klägerin dem unter dem Einfluß von Großverlagen stehenden Pressegrosso einzuverleiben.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, mit den von ihr vertriebenen Presseerzeugnissen die Klägerin auch nach dem 1. Juli 1995 weiter zu beliefern, und zwar zu den Bedingungen, die sie Bahnhofsbuchhändlern gewährt;
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, mit den von ihr vertriebenen Presseerzeugnissen die Klägerin auch nach dem 1. Juli 1995 weiter zu beliefern, und zwar zu den Bedingungen, die sie Bahnhofsbuchhändlern gewährt;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der bei der Klägerin durch Einstellung der Belieferung mit den von der Beklagten vertriebenen Presseerzeugnissen zu den Bedingungen entsteht, die Bahnhofsbuchhändlern gewährt werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihren Antrag u.a. damit begründet, die Klägerin sei dem "klassischen Bahnhofsbuchhandel" im Sinne der Definition der Verbandsempfehlungen nicht zuzurechnen. Da sich die Kriterien, von denen nach der Verbandsempfehlung die Direktbelieferung des Bahnhofsbuchhandels künftig abhängig sein solle, nicht auf sie bezögen, müsse der Klägerin keine Umstellungsfrist eingeräumt werden. Ganz überwiegend könne sie ihre Verkaufsstellen auch gar nicht der Verbandsempfehlung entsprechend ausstatten.
Das Landgericht hat die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit insgesamt als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und hat - hinsichtlich der von der Klägerin selbst betriebenen Verkaufsstellen - festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, mit den von ihr vertriebenen Presseerzeugnissen die Klägerin zur Deckung des Bedarfs von deren Verkaufsstellen auf S- und U-Bahnhöfen zu beliefern, und zwar zu den Bedingungen, die sie Bahnhofsbuchhändlern gewähre. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen, die Klage im übrigen abgewiesen.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte den Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
I. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1, § 35 Abs. 1 GWB verpflichtet, die Klägerin für die von ihr auf S- und U-Bahnhöfen betriebenen Verkaufsstätten, wie bisher, direkt zu beliefern, hält - wie der Senat bereits in dem Parallelverfahren KZR 30/96 für einen gleichgelagerten Sachverhalt entschieden hat - revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte als ein nach § 16 GWB zur Preisbindung berechtigtes Unternehmen Normadressatin des § 26 Abs. 2 GWB ist.
2. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist die Wertung des Berufungsgerichts, die Direktbelieferung mit Presseerzeugnissen sei ein Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im vorgenannten Urteil vom 17. März 1998 - KZR 30/96, WuW/E DE-R 134 - Bahnhofsbuchhandel - verwiesen.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision indessen gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, in der Weigerung der Beklagten, die Klägerin für ihre Verkaufsstätten auf U- und S-Bahnhöfen auch in Zukunft mit den von ihr vertriebenen Druckerzeugnissen direkt zu beliefern, liege eine unterschiedliche Behandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund.
Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, nach dem Wegfall hoheitlich begründeter Versorgungspflichten im Bereich der Bundesbahn bestünden bei zunehmender Angleichung von Eisenbahn- und Stadtbahnverkehr und bei einer vergleichbaren Kostenstruktur und Vertriebsleistung der Einzelhändler auf den jeweiligen Bahnhöfen zwischen der Klägerin und dem auch künftig direkt belieferten Bahnhofsbuchhandel auf Fernbahnhöfen keine wesentlichen Unterschiede. Diese Einschätzung sei von der Beklagten bislang geteilt worden, da sie die Klägerin seit Jahren in gleicher Weise wie Buchhandlungen auf Fernbahnhöfen beliefert habe. Die von der Beklagten angeführte Sondersituation Berlins vor der Vereinigung Deutschlands biete für dieses Verhalten keine hinreichende Erklärung.
Diese Beurteilung begegnet rechtlichen Bedenken.
Die Beendigung einer langjährigen Geschäftsbeziehung, wie sie hier zwischen den Parteien bestanden hat, erfordert aus kartellrechtlicher Sicht grundsätzlich keine besondere Rechtfertigung (BGH, Urt. v. 21.2.1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983 - Kfz-Vertragshändler). Die Änderung einer bislang geübten Geschäftspraktik eines Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB bedarf nur unter dem Gesichtspunkt, daß mit ihr eine unterschiedliche Behandlung gleichartiger Unternehmen verbunden ist, der sachlichen Rechtfertigung. Diese ist nach einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 81, 322, 331 - Original-VW-Ersatzteile II; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl., § 26 Rdn. 196 m.w.N.). Im vorliegenden Fall kann bei dieser Abwägung die Bedeutung nicht außer Betracht bleiben, die der Versorgung der Bevölkerung mit Reisebedarf, hier mit Presseerzeugnissen, zukommt.
Die Gewährung von Vorzugskonditionen für den Bahnhofsbuchhandel in ganz Deutschland ist auf mit den Vertriebswegen im Zusammenhang stehende historische Besonderheiten zurückzuführen, die auch bei der Belieferung der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin eine Rolle gespielt haben mögen, inzwischen aber entfallen sind. Eine Sondersituation, die eine gegenüber dem übrigen Presseeinzelhandel bevorzugte Belieferung rechtfertigte, ergab sich für Bahnhofsbuchhandlungen auf Bahnhöfen der Deutschen Bundesbahn im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, auf das hier entgegen der Auffassung der Klägerin abzustellen ist, aber nicht nur aus diesen historischen Besonderheiten, sondern auch daraus, daß sie als Nebenbetriebe der Deutschen Bundesbahn an der gesetzlich vorgeschriebenen Versorgungsfunktion für Reisende teilhatten und einem gesetzlichen Betriebszwang mit entsprechenden Vertriebsanforderungen unterlagen. Mit der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 - ENeuOG - (BGBl. I S. 2378) sind die entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen zwar entfallen. Mit Recht verweist die Revision jedoch darauf, daß der Gesetzgeber gleichwohl von einer fortbestehenden besonderen Versorgungsnotwendigkeit für Reisende auf Personenbahnhöfen ausgeht. Diese Sicht kommt darin zum Ausdruck, daß in dem durch Art. 6 Abs. 88 ENeuOG neugefaßten § 8 Abs. 1 LSchlG Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen, soweit sie den Bedürfnissen des Reiseverkehrs zu dienen bestimmt sind, nach wie vor nahezu unbeschränkte Öffnungszeiten zugestanden werden. Die Vorschrift gilt nur für Bahnhöfe, die dem Eisenbahnverkehr dienen, nicht hingegen für Omnibusbahnhöfe, U-Bahnhöfe, Autobahntankstellen etc. (vgl. Zmarzlik/Roggendorff, LSchlG, 2. Aufl., § 8 Rdn. 7, 8 m.w.N.; OLG Hamburg WRP 1991, 35 f.). Wettbewerbsvorteile, die § 8 Abs. 1 LSchlG mit erweiterten Öffnungszeiten gegenüber dem übrigen Einzelhandel in dieser Vorschrift mittelbar einräumt, kommen damit ausschließlich Verkaufsstellen auf Bahnhöfen des Eisenbahnverkehrs zugute.
a) Im Einklang mit dieser gesetzgeberischen Wertung bevorzugt die Beklagte Bahnhofsbuchhandlungen, die den Bedürfnissen des Reiseverkehrs dienen, gegenüber dem übrigen Zeitschriftenhandel durch eine Fortsetzung der Direktbelieferung mit entsprechenden Rabatten, macht dies aber vom Nachweis hoher Vertriebsleistungen abhängig. Zu einer Fortsetzung der Gleichbehandlung des Zeitschrifteneinzelhandels auf Fern- und Nahverkehrsbahnhöfen unter dem Gesichtspunkt einer vergleichbaren Versorgungsfunktion der jeweiligen Verkaufsstätten ist die Beklagte angesichts der vom Gesetzgeber insoweit vorgenommenen unterschiedlichen Bewertung auch aus kartellrechtlicher Sicht nicht verpflichtet. Vielmehr kann die Beklagte für sich in Anspruch nehmen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur BGHZ 38, 90, 102 - Grote-Revers; BGH, Beschl. v. 25.10.1988 - KVR 1/87, WuW/E 2535, 2540 - Lüsterbehangsteine) auch ein preisbindendes oder marktstarkes Unternehmen durch § 26 Abs. 2 GWB nicht grundsätzlich gehindert ist, sein Absatzsystem nach eigenem Ermessen so zu gestalten, wie es dies für wirtschaftlich richtig und sinnvoll hält. Dies schließt auch eine Umgestaltung zum Nachteil einzelner Nachfrager nicht aus, sofern hierfür ein sachlich berechtigtes Interesse besteht und die Handlungsfreiheit des benachteiligten Unternehmens nicht unangemessen beeinträchtigt wird. Auch Umstände, die außerhalb der konkreten Lieferbeziehung zu dem abhängigen Unternehmen liegen, können für ein preisbindendes Unternehmen Anlaß für eine Umgestaltung seines Absatzsystems, insbesondere die Beendigung einer nicht mehr gerechtfertigten Vorzugsbehandlung gegenüber dritten Unternehmen sein.
Ein sachliches Interesse, die unmittelbare Vorzugsbelieferung der Klägerin einzustellen, ergibt sich für die Beklagte daraus, daß sie andernfalls - insbesondere für den Ostteil Berlins - fürchten müßte, weitere Zeitschriftenhändler würden unter Hinweis auf die Sonderstellung der Klägerin ebenfalls eine Direktbelieferung durchzusetzen suchen. Neben Presseeinzelhandelsunternehmen auf Nahverkehrsbahnhöfen im Ostteil Berlins und in anderen Großstädten kämen hierfür auch Verkaufseinrichtungen im Bereich von Omnibus- und Straßenbahnhaltestellen oder Tankstellen in Betracht, die sämtlich der Versorgung von "Reisenden" im weiteren Sinne dienen und von Zuschnitt und spezifischer Vertriebsleistung der Klägerin ähneln. Ohne daß es darauf ankäme, ob durch eine solche Ausweitung - wie von der Revision behauptet - der Bestand des etablierten Pressevertriebssystems über den Großhandel beeinträchtigt würde, braucht sich die Beklagte einer solchen Gefahr nicht auszusetzen. Vielmehr darf ein Unternehmen, das, der Wertung des Gesetzgebers entsprechend, einer bestimmten Gruppe von Nachfragern eine Sonderstellung einräumt, den Kreis der hierfür in Betracht kommenden Unternehmen klar abgrenzen.
Hierfür bedarf es generalisierender Abgrenzungsmerkmale. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen Verkaufsstätten auf Bahnhöfen der Deutschen Bahn AG einerseits und solchen des S- und U-Bahnverkehrs andererseits stellt eine ebenso klare wie sachgerechte Abgrenzung dar, weil sich nicht nur die von den jeweiligen Verkaufsstellen wahrgenommene Versorgungsfunktion im Nah- und Fernreiseverkehr unterscheidet, sondern auch der generelle Zuschnitt der jeweiligen Verkaufsstätten in bezug auf Geschäftsausstattung, Sortimentsgestaltung und Vielfalt der Presseerzeugnisse typischerweise verschieden ist. Daß im Einzelfall, etwa für die vom Berufungsgericht hervorgehobene Verkaufsstelle der Klägerin auf einem U-Bahnhof, der ein zentraler Umsteigebahnhof im Berliner U- und S-Bahnnetz ist, etwas anderes gelten mag, steht der generellen Tauglichkeit des von der Beklagten gewählten Kriteriums nicht entgegen.
b) Dem Interesse der Beklagten, den Kreis der nach Bahnhofsbuchhandelsbedingungen mit erhöhtem Kosten- und Verwaltungsaufwand ohne Beteiligung des Großhandels direkt zu beliefernden Unternehmen einzugrenzen und überschaubar zu halten, steht ein gleich- oder höherwertiges Interesse der Klägerin am Fortbestand der Lieferbeziehungen nicht gegenüber. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, daß die Klägerin keiner generellen Liefersperre ausgesetzt ist, sondern die von der Beklagten vertriebenen Verlagserzeugnisse über den Großhandel weiterhin beziehen kann. Zudem wird die Klägerin durch den Wegfall des Direktbelieferungsrabatts in ihrer wettbewerblichen Stellung ausschließlich gegenüber den wenigen Bahnhofsbuchhandlungen auf Berliner Fernbahnhöfen benachteiligt, nicht aber gegenüber dem sonstigen Zeitschrifteneinzelhandel, zu dem sie ganz überwiegend im Wettbewerb steht.
Auch die Behauptung der Klägerin, ohne eine Direktbelieferung zu Vorzugskonditionen könne sie ihre Verkaufsstätten auf U- und S-Bahnhöfen nicht mehr wirtschaftlich betreiben, ändert nichts an dieser Beurteilung. Selbst wenn man den Verlust der Existenz der Klägerin unterstellte, könnte die Interessenabwägung im Ergebnis nicht dazu führen, der Klägerin einen zeitlich unbegrenzten Anspruch auf Fortsetzung der Direktbelieferung zuzuerkennen. Denn der Umstand allein, daß das abhängige Unternehmen für seine Fortexistenz auf den Normadressaten des § 26 Abs. 2 GWB angewiesen ist, kann nicht dessen Verpflichtung begründen, die bisherige Vertriebspraxis fortzusetzen, wenn ihm dadurch der Übergang auf ein für ihn betriebswirtschaftlich sinnvolles Vertriebskonzept erschwert oder unmöglich gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1987 - KZR 6/86, WuW/E 2360, 2367 f. - Freundschaftswerbung). Zwar ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung auch das offenkundige Interesse der Klägerin am Erhalt der erhöhten Rabatte zu berücksichtigen. Der Bestimmung des § 26 Abs. 2 GWB kommt aber nicht die Funktion eines einseitigen Sozialschutzes zu (BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 20/86, WuW/E 2491, 2495 - Opel-Blitz).
Soweit die Klägerin darauf verweist, daß sie sich auch als Grossistin betätige und in dieser Eigenschaft durch Wettbewerb mit den drei in Berlin tätigen Grossisten zur Aufrechterhaltung der grundgesetzlich geschützten Pressevielfalt beitrage, könnte dies allenfalls für die 24 von insgesamt 78 Verkaufsstätten gelten, die die Klägerin großteils an sogenannte Franchisenehmer unterverpachtet hat. Die Direktbelieferung dieser Verkaufsstätten zu Vorzugskonditionen ist jedoch nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, nachdem das Berufungsgericht einen Klageanspruch insoweit abgewiesen und die Klägerin hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hat. Für die übrigen Verkaufsstätten ist die Klägerin Einzelhändlerin. Soweit sie in dieser Eigenschaft eine Verteilerfunktion ausübt, unterscheidet sie sich nicht von anderen Filialisten des Presseeinzelhandels, die - mit Ausnahme der zahlenmäßig geringen Bahnhofsbuchhandlungen - ebenfalls nicht direkt beliefert werden. Soweit die Klägerin behauptet, mit der Einstellung des Direktvertriebs zu Vorzugskonditionen drohe für die Benutzer von S- und U-Bahn eine nennenswerte Beeinträchtigung des Presseangebots, da ohne Vorzugskonditionen Verkaufsstätten in diesem Bereich von keinem Unternehmen wirtschaftlich betrieben werden könnten, handelt es sich um eine nicht hinreichend mit Tatsachen belegte Vermutung. Der Hinweis auf die derzeitige Situation im Ostteil Berlins reicht insoweit nicht aus.
Schließlich kann auch die langjährige Geschäftsbeziehung einen Anspruch auf Fortsetzung der Lieferbeziehung zu Vorzugsbedingungen nicht rechtfertigen. Auch wenn die bisherige Direktbelieferung mit der politischen Sondersituation Berlins während der Teilung Deutschlands in keinem Zusammenhang gestanden hätte, ihre Einstellung vielmehr - entsprechend dem Vortrag der Klägerin - aus rein wirtschaftlichen Erwägungen erfolgt sein sollte, muß die Beklagte die Vorzugsbehandlung mangels vertraglicher Verpflichtungen nicht zeitlich unbegrenzt fortsetzen. Der Abbruch der Direktbelieferung für die von der Klägerin auf U- und S-Bahnhöfen betriebenen Verkaufsstellen wäre nur dann unbillig, wenn der Klägerin keine angemessene Umstellungsfrist eingeräumt worden wäre (BGH WuW/E 2360, 2366 - Freundschaftswerbung; Markert aaO Rdn. 222 m.w.N.). Dies trifft jedoch nicht zu. Indem die Beklagte der Klägerin ein Ende der Direktbelieferung zum 30. Juni 1995 in Aussicht gestellt hat, wurde der Klägerin eine Umstellungsfrist von über einem Jahr zugestanden. Ob die Beklagte darüber hinaus verpflichtet gewesen wäre, entsprechend den Verbandsempfehlungen die Direktbelieferung bis zum 31. Dezember 1997 fortzusetzen, kann dahingestellt bleiben, da die Beklagte die Klägerin dem übrigen Bahnhofsbuchhandel zumindest faktisch dadurch gleichgestellt hat, daß sie die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt weiter beliefert hat. Der Klägerin standen damit mehr als vier Jahre zur Verfügung, um sich auf die veränderten Lieferbedingungen einzustellen.
II. Aus einem Verstoß gegen § 1 GWB i.V.m. § 35 Abs. 1 GWB kann die Klägerin schon deshalb keinen Anspruch auf Fortsetzung der Vorzugsdirektbelieferung herleiten, weil es für die von ihr behauptete Absprache zwischen der Beklagten und weiteren Verlagen, die der Klägerin die Geschäftsbeziehung ebenfalls gekündigt haben, an einem hinreichend substantiierten Vorbringen fehlt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Geiß Melullis Ball Tepperwien Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.11.1998 durch Walz, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538434 |
WuW 1999, 160 |