Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendbarkeit des § 584 b BGB nach Beendigung eines Kiesausbeutungsvertrages.
Normenkette
BGB § 584b
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 20 U 1839/96) |
LG Landshut (Aktenzeichen 73 O 2105/94) |
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten werden das Schlußurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Mai 1997 im Kostenpunkt und das Teilurteil des vorgenannten Senats vom 20. November 1996 insoweit aufgehoben, als die Beklagte in Nr. I, 1. Absatz des Entscheidungssatzes über den Betrag von 1.627,25 DM nebst Zinsen hinaus zur Zahlung verurteilt worden ist, sowie soweit die Berufung der Beklagten gegen Nr. II und die einen Betrag von 114.826,76 DM nebst Zinsen übersteigende Verurteilung in Nr. I des Teilurteils der 7. Zivilkammer des Landgerichts Landshut vom 21. Dezember 1995 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin hat der Beklagten eine Kiesgrube zur Ausbeutung überlassen. Die Parteien streiten um die sich hieraus ergebenden Ansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks, auf dem sich die Kiesgrube befindet. Sie hatte dieses Grundstück zunächst dem A. als Vorpächter zur Ausbeutung überlassen. Unter dem 22. April/4. Mai 1991 schlossen die Parteien einen Vertrag „zur Restausbeute und zur Auffüllung der genehmigten Kiesgrube”. Darin heißt es unter anderem:
„1. Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem genehmigten Abbauplan von Herrn Georg A. ab 1.05.91 an Herrn Anton F. .
…
4. Frau R. erklärt, daß Herr Anton F. ab 1.05.91 alleiniger Betreiber der Grube ist und daß Anfragen über Sand- und Kiesentnahmen, sowie über das Abkippen von Aushub und Bauschutt nur von Herrn F. beantwortet und erlaubt werden können.
…
7. Herr F. zahlt für 1,000 m³ abgebauten Sand DM 1,50 (feste Masse). Für den Erlös aus eventuellen Kippgebühren wird die Rekultivierung der Abbaufläche durchgeführt.
…”
Die Beklagte teilte der Klägerin die von ihr abgebaute Sandmenge nicht mit. Sie leistete bis auf einen Betrag von 90.000 DM im Jahre 1991 auch keine Zahlungen. Im Jahre 1994 ermittelte ein Vermessungsbüro im Auftrag der Klägerin eine Abbaumenge von 164.617 m³. Ausgehend hiervon stellte die Klägerin der Beklagten – unter Berücksichtigung des Sandabbaus durch A. sowie der Zahlung von 90.000 DM – einen Betrag von 141.925,50 DM in Rechnung. Die Beklagte bestritt diese Berechnung sowohl im Hinblick auf die angesetzte Gesamtabbaumenge als auch hinsichtlich des Abzugs für den durch A. bereits entnommenen Sand. Entgegen ihrer Ankündigung legte sie jedoch keine eigene Aufstellung ihrer Abbaumenge vor; sie leistete auch keine weitere Zahlung. Mit Schreiben vom 8. August 1994 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis fristlos unter anderem mit der Begründung, die Beklagte habe trotz ständiger Mahnungen über den Betrag von 90.000 DM hinaus keine Zahlungen geleistet, tatsächlich aber mehr Sand abgebaut, als sie einräume; dadurch sei das Vertrauensverhältnis der Parteien zerstört worden.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin unter anderem Zahlungsansprüche wegen abgebauten Sands sowie wegen der durch die fristlose Kündigung entstandenen Anwaltskosten geltend gemacht, die Räumung und Herausgabe der Kiesgrube verlangt und eine monatliche Entschädigung für die Vorenthaltung des Grundstücks nach der erfolgten Kündigung begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Durch Teilurteil des Landgerichts ist die Beklagte unter anderem verurteilt worden, für den von ihr abgebauten Sand – unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung von 90.000 DM sowie einer von der Klägerin erklärten Aufrechnung gegen Forderungen der Beklagten – 114.826,76 DM nebst Zinsen zu zahlen, für die Dauer der Vorenthaltung des Grundstücks nach der fristlosen Kündigung bis einschließlich September 1995 76.875 DM (monatlich 5.625 DM sowie 3.750 DM für den Restmonat August 1994) nebst Zinsen (Nr. I des Entscheidungssatzes) sowie für die weitere Zeit der Vorenthaltung pro Kalendervierteljahr 16.875 DM, beginnend mit dem 2. Januar 1996, bis zur Rückgabe des Grundstücks zu entrichten (Nr. II des Entscheidungssatzes) und dieses zu räumen und an die Klägerin herauszugeben (Nr. III des Entscheidungssatzes).
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht durch Teilurteil das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin über den in Nr. I des landgerichtlichen Urteils bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 69.127,25 DM nebst Zinsen (Anwaltskosten: 1.627,25 DM; Entschädigung für die Zeit der Vorenthaltung von Oktober 1995 bis September 1996: 4 × 16.875 DM) zu zahlen. Die Verurteilung zur Leistung künftiger Entschädigungszahlungen hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß diese – im Hinblick auf die insoweit bereits erfolgte bezifferte Verurteilung – erst beginnend mit dem 2. Januar 1997 bis zur Rückgabe des Grundstücks zu erbringen seien. Die weitergehende Berufung der Klägerin gegen Nr. I und II des Teilurteils sowie die Berufung der Beklagten, mit der diese Klageabweisung erstrebt hat, soweit sie über den Betrag von 114.826,76 DM nebst Zinsen hinaus verurteilt worden ist, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Durch Schlußurteil hat das Berufungsgericht weiteren Klageanträgen – teilweise – stattgegeben und über die Kosten des Berufungsverfahrens entschieden.
Die Beklagte hat gegen das Teil- und gegen das Schlußurteil Revision eingelegt. Der Senat hat die Revision gegen das Teilurteil angenommen, soweit die Beklagte für die Dauer der Vorenthaltung zur Zahlung von Entschädigung nach § 584 b BGB verurteilt worden ist. Die Revision gegen das Schlußurteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung angenommen worden. Durch Beschluß des Senats vom 25. August 1999 sind beide Revisionsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel sind im Umfang der Annahme begründet.
1. Das Berufungsgericht, das den von den Parteien abgeschlossenen Vertrag als Pachtvertrag qualifiziert hat, hat die Klägerin für berechtigt gehalten, für die Dauer der Vorenthaltung des Grundstücks gemäß § 584 b BGB Entschädigung zu verlangen. Zur Begründung hat es sich zunächst auf das Teilurteil des Landgerichts bezogen, in dem insofern ausgeführt ist: Nach § 584 b BGB seien für die Bemessung der Anspruchshöhe die Nutzungen entscheidend, die der Pächter habe ziehen können; der Betrag sei gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Nach den getroffenen Feststellungen habe die Beklagte in 40 Monaten Pachtzeit Nutzungen im Wert von 225.000 DM ziehen können. Es sei deshalb davon auszugehen, daß sie im Monat durchschnittlich Nutzungen im Wert von 5.625 DM gezogen habe. Für den Restmonat August 1994 könnten daher 3.750 DM beansprucht werden; für die Folgezeit seien als Entschädigung monatlich 5.625 DM bzw. pro Quartal 16.875 DM anzusetzen.
Ergänzend hat das Berufungsgericht ausgeführt: Für die geschuldete Entschädigung sei es nicht von Bedeutung, ob die Beklagte nach dem 19. Mai 1994 (dem Tag der Begutachtung des Abbauzustandes durch den Sachverständigen) bzw. nach dem 10. August 1994 noch Sand abgebaut habe. Nach § 584 b BGB sei ausreichend, daß der Pächter die Nutzungen habe ziehen können. Daß die Beklagte nicht weiter abbaue, sei deshalb ihre Sache. Soweit sie behaupte, die Grube sei (nun) ausgebeutet, weitere Sandentnahmen seien nicht mehr möglich, sei dies von der Klägerin bestritten worden, ohne daß die Beklagte hierzu Beweis angetreten habe. Für die Bemessung der Entschädigung auf der Grundlage der wesentlich niedrigeren Werte für landwirtschaftliche Grundstücke sei kein Raum. Mit Rücksicht auf die durch Zeitablauf inzwischen fällige quartalsweise Entschädigung für die Zeit vom 1. Oktober 1995 bis zum 30. September 1996 erhöhe sich der zuzusprechende Betrag um (4 × 16.875 DM) 67.500 DM unter gleichzeitiger Verschiebung des Beginns der künftigen Entschädigung auf 2. Januar 1997.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a) Rechtlich zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß der von den Parteien abgeschlossene Vertrag als Pachtvertrag anzusehen ist. Vereinbarungen, durch die der Eigentümer eines Grundstücks einem anderen die Ausbeute von Bodenbestandteilen überläßt, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig Pachtverträge, wenn ihr Schwergewicht – wie hier – auf der Fruchtgewinnung durch den Abbauberechtigten liegt. Daß die Dauer der Ausbeutebefugnis nicht näher festgelegt ist und sich das Entgelt nach der ausgebeuteten Menge richtet, ist demgegenüber nicht entscheidend (Senatsurteil vom 26. April 1995 - XII ZR 105/93 - NJW 1995, 2548, 2549; BGH, Urteile vom 7. Dezember 1984 - V ZR 189/83 - NJW 1985, 1025 und vom 7. März 1983 - VIII ZR 333/81 - WM 1983, 531, 532).
b) Das Berufungsgericht hat weiterhin rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Beklagte die Pachtsache seit der Beendigung des Pachtverhältnisses durch die fristlose Kündigung der Klägerin im Sinne des § 584 b BGB vorenthält. Nachdem die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks – durch die Nichtannahme der Revision insoweit – in Rechtskraft erwachsen ist, kann sich die Beklagte gegenüber Ansprüchen, die daraus hergeleitet werden, daß sie nicht rechtzeitig geräumt habe, jedenfalls nicht mehr darauf berufen, sie sei nicht zur Herausgabe verpflichtet gewesen (BGH, Urteil vom 12. März 1969 - VIII ZR 97/67 - NJW 1969, 1064, 1065). Da die Beklagte das Grundstück nicht zurückgegeben hat, sondern gegen den Willen der Verpächterin in ihrem Besitz behalten und das Fortbestehen des Pachtverhältnisses geltend gemacht hat, liegt eine Vorenthaltung der Pachtsache vor (vgl. BGHZ 90, 145, 148; Senatsurteil vom 28. Februar 1996 - XII ZR 123/93 - NJW 1996, 1886, 1887).
c) Es begegnet allerdings durchgreifenden rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht der auf § 584 b BGB gestützten Verurteilung zur Zahlung von Entschädigung für die Dauer der Vorenthaltung die während der Vertragslaufzeit erfolgten durchschnittlichen Sandentnahmen zugrunde gelegt hat. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis zu Recht.
Der Verpächter kann nach § 584 b BGB für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Pachtzins nach dem Verhältnis verlangen, in dem die Nutzungen, die der Pächter während dieser Zeit gezogen hat oder hätte ziehen können, zu den Nutzungen des ganzen Pachtjahres stehen. Dadurch wird berücksichtigt, daß sich die Nutzungen vor allem bei Grundstücken und Saisonbetrieben häufig ungleichmäßig über das Pachtjahr verteilen (Staudinger/Sonnenschein BGB 13. Bearb. 1995 § 584 b BGB Rdn. 18).
Die Zahlung eines bestimmten einmalig zu entrichtenden oder nach Zeitabschnitten bemessenen Betrages als Pachtzins haben die Parteien indessen nicht vereinbart; vielmehr sollte sich das von der Beklagten zu entrichtende Entgelt nach der Menge des ausgebeuteten Sands richten. Ob die Beklagte in der Zeit ab 10. August 1994 noch Sand abgebaut hat, ist zwischen den Parteien streitig. Feststellungen hierzu sind in den Vorinstanzen nicht getroffen worden. Sie waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte weiterhin Sand hätte abbauen können.
Durch § 584 b BGB soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß dem Verpächter bei nicht rechtzeitiger Rückgabe des Pachtgegenstandes grundsätzlich auch dessen Nutzungen entgehen, der Pächter andererseits aber nicht unbedingt in allen Zeiträumen den gleichen Nutzen an der Pachtsache hat (RGRK-BGB/Gelhaar § 597 BGB Rdn. 2). Die Bestimmung bezweckt deshalb, dem Verpächter auf einfache Art und Weise eine Mindestentschädigung einzuräumen und damit Streitigkeiten über die Höhe eines etwaigen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruchs in einfacher und angemessener Weise abzuschneiden (Staudinger/Sonnenschein aaO § 584 b BGB Rdn. 4). Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Pächter die Pachtsache während der Vorenthaltung nutzt (BGHZ 68, 307, 310; 90, 145, 151).
Eine andere Beurteilung hinsichtlich der Frage einer Nutzung ist jedoch dann geboten, wenn der Verpächter diese uneingeschränkt nachholen kann. In einem solchen Fall erleidet er jedenfalls keine Vermögenseinbuße in Form des Verlustes dieser Nutzungsmöglichkeit. Durch die Zubilligung einer diesen Umstand nicht berücksichtigenden Entschädigung würde er demzufolge besser gestellt, als er bei Fortbestand des Pachtvertrages gestanden hätte: Er erhielte insoweit Entschädigung für einen Verlust, den er tatsächlich nicht erlitten hat. Dieses Ergebnis widerspräche dem vom Gesetz angestrebten Interessenausgleich.
Hiervon ausgehend durfte der Klägerin Nutzungsentschädigung nicht mit der gegebenen Begründung zuerkannt werden. Das Pachtobjekt, eine Kiesgrube, ist zum Zweck des Sandabbaus nicht uneingeschränkt nutzbar, da sie nur einmal ausgebeutet werden kann. Soweit der Sandabbau nicht von der Beklagten vorgenommen worden ist, kann jeder Nachpächter die noch vorhandene Restmenge abbauen. Falls der Restabbau nicht schon während der Vorenthaltung erfolgt ist, kann für die Bemessung der Vermögenseinbuße der Klägerin nicht das im Pachtvertrag als Gegenleistung (für 1 m³ entnommenen Sand) vereinbarte Entgelt von 1,50 DM herangezogen werden. Vielmehr muß berücksichtigt werden, daß die Klägerin, wenn auch später und möglicherweise in geringerer Höhe, durch eigene Nutzung oder Überlassung an einen Nachpächter noch ein Entgelt aus der weiteren Ausbeutung der Grube erzielen kann. Dem kann § 584 b BGB nicht entgegengehalten werden. Diese Bestimmung ist hier vielmehr einschränkend anzuwenden, weil der vorliegende Abbauvertrag kaufrechtliche Elemente enthält, die gerade in der Berechnungsweise des vereinbarten Pachtentgelts zum Ausdruck kommen. Diese Abweichung des vorliegenden Vertrages von der für ein Pachtverhältnis typischen Gestaltung hindert es, die an den Pachtzins anknüpfende Regelung des § 584 b Satz 1 BGB ohne weiteres auf die Bemessung der Entschädigung für die Vorenthaltung anzuwenden.
3. Das Teilurteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache muß zur weiteren Aufklärung über die zwischen den Parteien streitige Frage der weiteren Nutzungen an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden.
4. Auf die Revision gegen das Schlußurteil des Oberlandesgerichts ist dieses im Kostenpunkt aufzuheben. Im Hinblick auf die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache auf die Revision gegen das Teilurteil kann der erfolgte Kostenausspruch nicht bestehenbleiben.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.11.1999 durch Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539598 |
NJW-RR 2000, 302 |
NZM 2000, 134 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 545 |
AgrarR 2000, 297 |
MDR 2000, 202 |
RdL 2000, 67 |