Leitsatz (amtlich)
Hat ein Darlehensnehmer in einer vorformulierten notariellen Grundschuldbestellungsurkunde zur Sicherung der Ansprüche des Darlehensgebers auch die persönliche Haftung „für den Betrag der Grundschuld” übernommen und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen, so wird diese Zwangsvollstreckung nicht unzulässig, wenn mit einer Eintragung der Grundschuld nicht mehr zu rechnen ist.
Normenkette
BGB § 780
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 09.01.1991) |
LG Münster |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Januar 1991 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin wollte sich Ende 1983 an einem Bauherrenmodell beteiligen. Durch notarielle Erklärung vom 20. Dezember 1983 nahm sie das Angebot zum Abschluß eines Treuhandvertrags an und erteilte dem Treuhänder eine umfassende Vollmacht. Am 21. Dezember 1983 schloß der Treuhänder mit der G.-GmbH einen notariellen Kaufvertrag über das Baugrundstück; es stand damals noch im Eigentum der GF.-GmbH; zugunsten der G.-GmbH war eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Der Treuhänder stellte zugleich im Namen der Klägerin einen Darlehensantrag bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der H. Bank (im folgenden: Beklagte), und erteilte ihr Überweisungsaufträge zu Lasten der zu eröffnenden Kreditkonten. In notarieller Verhandlung vom 22. Dezember 1983 bestellte die GF.-GmbH zugunsten der Beklagten zwei Grundschulden über 192.250 DM und 202.250 DM; die G.-GmbH bewilligte deren Eintragung im Rang vor ihrer Auflassungsvormerkung. Unter Nr. IV der beiden Grundschuldbestellungsurkunden übernahm die Klägerin, vertreten durch den Treuhänder, jeweils die persönliche Haftung „für den Betrag der Grundschuld” und unterwarf sich deswegen zugleich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen mit dem Zusatz: „Dies gilt auch schon vor der Eintragung der Grundschuld im Grundbuch und vor der Vollstreckung in das belastete Grundeigentum”. Nach der als Ergänzung zur Grundschuldbestellung vom 22. Dezember 1983 abgegebenen Zweckerklärung sollten „Grundschuld und die unter IV genannten Rechte” zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Gläubigerin gegen die Klägerin dienen.
Die Eintragung der Grundschuld wurde beantragt, aber abgelehnt. Der Initiator des Bauherrenmodells und seine Gesellschaften gerieten in Vermögensverfall. Da eine Fertigstellung des Bauobjekts nicht mehr möglich war, einigten sich Bauherren und Beklagte auf eine Veräußerung des Grundstücks; der Erlös wurde den Kreditkonten der Bauherren gutgeschrieben. Wegen der danach noch verbleibenden Restforderung betreibt die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1983 gegen die Klägerin. Diese hat die dem Treuhänder erteilte Vollmacht angefochten. Sie hält alle Vereinbarungen für unwirksam und will dem Anspruch der Beklagten eigene Schadensersatzforderungen entgegensetzen. Ihre Vollstreckungsabwehrklage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben; das Urteil ist in WM 1991, 783 abgedruckt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die Vollstreckung aus den notariellen Urkunden vom 22. Dezember 1983 mit folgender Begründung für unzulässig erklärt: Die Regelung über die persönliche Haftung der Klägerin gemäß Nr. IV der Urkunden gehe als selbstverständlich davon aus, daß die Grundschuld später eingetragen werde. Wenn – wie hier – endgültig feststehe, daß es dazu nicht mehr kommen werde, entfalle die persönliche Haftung. Diese Auslegung ergebe sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Urkunden. Der Schuldner könne damit rechnen, daß sich seine persönliche Haftungsübernahme auf den Betrag beschränke, der im Wege der Zwangsvollstreckung in das Grundstück nicht zu realisieren sei. In anderer Auslegung sei die AGB-Regelung für ihn überraschend im Sinne von § 3 AGBG.
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
II.
1. Die Übernahme der persönlichen Haftung stellt ein abstraktes Schuldversprechen gemäß § 780 BGB dar (BGHZ 98, 256, 259 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 2. Oktober 1990 – XI ZR 306/89 = WM 1990, 1927). Auch wenn es vorformuliert in eine Grundschuldbestellungsurkunde aufgenommen ist, hält ein solches Schuldversprechen der Inhaltskontrolle nach §§ 9–11 AGBG stand, sofern es – wie hier in der Zweckerklärung festgelegt – nicht der Sicherung fremder, sondern eigener Verbindlichkeiten des Schuldners dienen soll (BGHZ 99, 274, 283; Senatsurteile vom 2. Oktober 1990 a.a.O. und vom 5. März 1991 – XI ZR 75/90 = WM 1991, 758, 759 zu II 4 a, zur Veröffentlichung in BGHZ 114, 9 bestimmt).
2. Die Auslegung, die das Berufungsgericht der Haftungsübernahmeklausel und der Zweckerklärung gegeben hat, ist vom Senat als Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen, da die Regelung nach den Feststellungen im Berufungsurteil Bestandteil eines im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Formulars des DG-Verlages ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1984 – VIII ZR 188/83 = NJW 1985, 1220).
3. Die Auslegung des Berufungsgerichts widerspricht der des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 2. Oktober 1990 (a.a.O.). Zwar war im damals entschiedenen Fall die Grundschuld zunächst durch Eintragung wirksam entstanden und erst später in der Zwangsversteigerung erloschen, ohne daß der Gläubiger daraus Befriedigung erlangt hatte. Im vorliegenden Fall ist es dagegen überhaupt nicht zur Eintragung der Grundschuld gekommen. Dieser Unterschied im Sachverhalt rechtfertigt aber keine unterschiedliche rechtliche Behandlung des Schuldversprechens. Nach der Begründung des Senatsurteils vom 2. Oktober 1990 kommt es entscheidend darauf an, daß das Schuldversprechen seinen Rechtsgrund nicht in dem Grundschuldanspruch findet, sondern als zusätzliche Sicherung der Kreditforderung selbständig neben der Grundschuld steht. Dieses Nebeneinander beider Sicherungsmittel wird im vorliegenden Fall sogar durch die – im früheren fehlende – ausdrückliche Zweckerklärung eindeutig klargestellt. Zwar kann der Gläubiger den für die Grundschuld angegebenen Betrag aus der Urkunde nur einmal fordern und vollstrecken; soweit die Bank aus der Grundschuld Befriedigung erlangt, kann sie aus dem Schuldversprechen nicht mehr vorgehen. Ist die Grundschuld aber mangels Eintragung gar nicht entstanden, so ist das – ebenso wie im Fall des Erlöschens der Grundschuld ohne Befriedigung – kein Grund, der Gläubigerin auch noch die andere Sicherung, das Schuldversprechen, zu verweigern; das würde seinem Sinn als zusätzliche Sicherheit widersprechen. Wenn der Gläubigerin die Befriedigungsmöglichkeit aus der Grundschuld fehlt, ist sie ganz besonders darauf angewiesen, aus dem abstrakten Schuldversprechen auf das gesamte Vermögen des Schuldners zugreifen zu können (Rehbein EWiR § 780 BGB 1/91,46 a.E.). Die ausdrückliche Bestimmung, die persönliche Haftung gelte auch schon vor der Eintragung der Grundschuld im Grundbuch, spricht nicht wie das Berufungsgericht meint – gegen den Willen des Schuldners, eine selbständig neben der Grundschuld stehende Haftungsverpflichtung zu begründen, sondern ist gerade Ausdruck dieses Willens.
4. In dieser Auslegung war die streitige Regelung für die Klägerin auch nicht überraschend im Sinne des § 3 AGBG Sie konnte nicht damit rechnen, persönlich nur auf den aus dem Grundstück nicht realisierbaren Betrag in Anspruch genommen zu werden; denn als Schuldnerin des gesicherten Darlehens haftete sie gegenüber der Bank ohnehin in vollem Umfang. Das abstrakte Schuldversprechen mit der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung sollte der Beklagten nur den Zugriff auf das Vermögen der Klägerin erleichtern.
Im vorliegenden Fall hat sich im übrigen auch der Umfang der persönlichen Haftung der Klägerin dadurch, daß die Grundschuld nicht eingetragen wurde, nicht vergrößert; denn unstreitig ist der Wert des einverständlich veräußerten Grundstücks zur Tilgung der Kreditschulden verwandt worden, der Klägerin also anteilig zugute gekommen.
III.
Über die sonstigen Einwendungen der Klägerin kann der Senat noch nicht abschließend entscheiden. Das Berufungsgericht hat hierzu bisher keine Feststellungen getroffen, sondern eine Beweisaufnahme für notwendig erachtet. Deswegen war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Siol, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen
Haufe-Index 1934431 |
NJW 1992, 971 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1992, 104 |
DNotZ 1992, 657 |
ZBB 1992, 58 |