Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungszusammenhang
Leitsatz (amtlich)
a) Die nähere Bestimmung der Verletzungshandlung, für deren Begehung eine Vertragsstrafe versprochen wird, unterliegt der Parteidisposition. Der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ist daher im Rahmen einer Vertragsstrafevereinbarung grundsätzlich zulässig und verbindlich.
b) Der Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ist zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr regelmäßig nicht erforderlich; er kann aber Bedeutung für die Höhe der zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderlichen Vertragsstrafe gewinnen.
Der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs hat im Zivilrecht einen eindeutigen Sinngehalt, nämlich den einer Zusammenfassung hierfür geeigneter Einzelhandlungen ohne Rücksicht auf einen verbindenden Gesamtvorsatz auch bei nur fahrlässiger Begehung. Ein in einer Vertragsstrafevereinbarung uneingeschränkt erklärter Verzicht auf die Geltendmachung der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs kann daher im Wege der Auslegung nicht dahin eingeschränkt werden, daß von ihm nur vorsätzliche Verletzungshandlungen erfaßt werden.
Der uneingeschränkte Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist mit wesentlichen Grundgedanken des Vertragsstraferechts nicht zu vereinbaren; er stellt im Regelfall eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners im Sinne des § 9 Abs. 2 AGBG dar.
Zur Frage, ob das regelmäßige Verlangen eines Verbands im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 UWG, der Unterlassungsschuldner möge in seinem Vertragsstrafeversprechen den Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs erklären, einen Mißbrauch der Verbandsbefugnisse darstellen kann, wenn ein solcher Verzicht zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht erforderlich ist.
Normenkette
BGB §§ 339, 157; AGBG § 9; UWG § 13 Abs. 2 Nrn. 2-3
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts Schleswig vom 3. Juli 1990 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Vereinigung zur Wahrung der gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder, insbesondere zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, nimmt die beklagte Immobilienmaklerin auf Zahlung von Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung in Anspruch. Die Beklagte hatte sich am 25. März 1987 der Klägerin gegenüber verpflichtet, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs nicht hinreichend auf die gewerbliche Tätigkeit in der Immobilienbranche hinzuweisen, beispielsweise wie folgt zu werben: „U., 1-Fam. Hs. … 169.000, –, S. RDM, 0…/…”. Außerdem hatte sie für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung, auch wenn diese durch einen Erfüllungsgehilfen verschuldet werden sollte, Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,– DM an die Klägerin „unter Verzicht auf die Geltendmachung der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs” versprochen.
Die Klägerin wirft der Beklagten vor, sie habe im H.-Abendblatt in den Ausgaben vom 25. April 1987 zweimal, vom 2. Mai 1987 zweimal, vom 9. Mai 1987 zweimal, vom 23. Mai 1987 zweimal, vom 30. Mai 1987 zweimal und vom 13. Juni 1987 dreimal, also insgesamt dreizehnmal gegen die schriftliche Unterlassungserklärung vom 25. März 1987 in gleicher Weise verstoßen, wie dies in der genannten Verpflichtungserklärung beispielhaft aufgeführt worden sei. Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne von der Beklagten daher den 13-fachen Betrag der Vertragsstrafe, mithin also 65.000,– DM verlangen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 65.000,– DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (24. Juli 1987) zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat gemeint, daß sie allenfalls zur einmaligen Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000,– DM verpflichtet sei. Ihre verschiedenen Anzeigen stellten wegen Fortsetzungszusammenhangs nur eine einzige Handlung im Rechtssinne dar. Der in der Vertragsstrafeverpflichtungserklärung enthaltene Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs sei nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) unwirksam; außerdem fechte sie ihn wegen arglistiger Täuschung und wegen Irrtums an, weil die Klägerin ihr vorgespiegelt habe, daß ihre Unterwerfung nur bei Einbeziehung des Verzichts wirksam sei.
Das Landgericht hat die Beklagte – unter Annahme zweier Verstöße gegen die Vertragsstrafeverpflichtung – zur Zahlung von 10.000,– DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit ihrer Berufung hat die Klägerin Zahlung weitere 55.000,– DM begehrt; die Beklagte hat im Wege der Anschußberufung Abweisung der Klage hinsichtlich 5.000,– DM beantragt. Beide Rechtsmittel sind erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Zahlung zusätzlicher 55.000,– DM weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die Vertragsstrafeverpflichtung im ganzen als wirksam angesehen. Es ist des weiteren von der Wirksamkeit des Verzichts auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs ausgegangen, hat diese Verzichtsklausel, jedoch einschränkend dahin ausgelegt, daß damit lediglich eine Zusammenfassung von Vorsatztaten habe ausgeschlossen werden sollen, so daß die vorliegend allein gegebenen fahrlässigen Verletzungshandlungen der Beklagten von ihr nicht erfaßt würden. Demgemäß sei lediglich von zwei Verletzungshandlungen im Rechtssinne auszugehen, durch die somit zweimal 5.000,– DM verwirkt seien. Die einschränkende Auslegung der Klausel rechtfertige sich nach Sinn und Zweck der Vertragsstraferegelung sowie aus der Zweideutigkeit des Begriffs des Fortsetzungszusammenhangs, der nach seinem aus dem Strafrecht stammenden Bedeutungsgehalt ursprünglich nur bei Vorsatztaten anwendbar gewesen sei. Diese Mehrdeutigkeit müsse die Klägerin sich mindestens nach der Unklarheitenregelung des § 5 AGBG entgegenhalten lassen, weil die Vorschriften dieses Gesetzes auf die für eine Vielzahl gleichartiger Fälle vorformulierte Unterwerfungserklärung der Klägerin anzuwenden seien.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht in jedem der sechs Anzeigenaufträge jeweils eine natürliche Handlungseinheit gesehen. Selbst wenn ihre Beanstandung berechtigt wäre, stünden die vom Berufungsgericht als Handlungseinheiten angesehenen Aufträge vom jeweils selben Tage miteinander in Fortsetzungszusammenhang. Damit unterfielen sie uneingeschränkt den nachfolgenden Erwägungen, aus denen sich die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels insgesamt ergibt.
2. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Vertragsstrafevertrag in seiner grundsätzlichen Wirksamkeit weder von der durch die Beklagte erklärten Anfechtung noch von etwaigen Bedenken nach dem AGBG berührt werde, da hiervon allenfalls die Wirksamkeit der Klausel über den Ausschluß des Fortsetzungszusammenhangs betroffen sein könne und deren Unwirksamkeit – weil der Beklagte günstig und von der Klägerin eher hinnehmbar als die Unwirksamkeit im ganzen – nicht zum Wegfall der Gesamtverpflichtung führe (§ 6 Abs. 3 AGBG; § 139 BGB). Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revisionserwiderung nicht beanstandet.
3. Das Berufungsgericht ist – insoweit ohne nähere Prüfung – davon ausgegangen, daß die Parteien eines Vertragsstrafevertrags die Berücksichtigung eines „Fortsetzungszusammenhangs” zwischen einzelnen Verletzungshandlungen grundsätzlich wirksam ausschließen können. Auch dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Rechtsprechung und Literatur haben die Anwendbarkeit des im Strafrecht entwickelten Rechtsbegriffs der Fortsetzungstat im Bereich der zivilrechtlichen Vertragsstrafe von Anfang an davon abhängig gemacht, daß ihr kein gegenteiliger Parteiwille entgegensteht (vgl. BGHZ 33, 163, 168 – Krankenwagen II; BGH, Urt. v. 1.6.1983 – I ZR 78/81, GRUR 1984, 73, 74 = WRP 1984, 14 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; OLG Hamburg GRUR 1987, 561; OLG Hamm NJW-RR 1990, 1197; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., Einl. UWG Rdnr. 290; Großkomm/Köhler, Vor § 13 UWG, B., Rdnr. 116 f.; RGRK/Ballhaus, BGB, 12. Aufl., § 339 Rdnr. 29; Soergel/Lindacher, BGB, 12. Aufl., § 339 Rdnr. 20; Jauernig/Vollkommer, BGB, 6. Aufl., § 339 Anm. 4; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl. 1992, Kap. 8 Rdnr. 30-32 und Kap. 20 Rdnr. 17; Lachmann, BB 1982, 634; etwas abweichend, aber ähnlich, Körner, WRP 1982, 75, 78). Pastor (in Reimer/Pastor,. Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Bd., 4. Aufl. 1971, S. 161) hält dem zwar entgegen, daß die „fortgesetzte Handlung”, als Begriff der Rechtsanwendung der Parteidisposition entzogen sei; er überbewertet damit jedoch die Bedeutung des Begriffs als solchen im Rahmen von Parteivereinbarungen. Die Parteien sind aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit grundsätzlich berechtigt, den Umfang einer vereinbarten Verpflichtung frei zu bestimmen. Wenn und soweit sie sich dabei zur Vereinfachung der Umschreibung des Pflichtenumfangs eines Begriffs der Rechtsanwendung mit festem Bedeutungsgehalt bedienen, um auf einfache Weise auszudrücken, daß eine mit dem Begriff zum Ausdruck gebrachte Beschränkung von Sanktionsmöglichkeiten im konkreten Vertragsverhältnis der Parteien kraft Vereinbarung nicht gelten solle, so ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden, solange eine solche Erweiterung der vertraglichen Sanktionen nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.
4. Das Berufungsgericht hat die Ausschlußklausel des Vertrags einschränkend dahin ausgelegt, daß sie sich nur auf die Zusammenfassung vorsätzlicher Handlungen beziehe, einer Zusammenfassung lediglich fahrlässig begangener Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung aber nicht entgegenstehe. Dies hält der – insoweit zulässigen, weil auf die Verletzung allgemeiner Auslegungsgrundsätze beschränkten – revisionsrechltichen Nachprüfung nicht stand.
Die Auslegung einer Vertragssstrafeverpflichtungserklärung richtet sich nach den allgemein für die Vertragsauslegung gültigen Regeln (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 277/89, GRUR 1992, 61, 62 = WRP 1991, 654 – Preisvergleichsliste). Maßgeblich ist somit in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille, wobei sich im konkreten Fall allein die Frage stellt, wie die Parteien den einzigen auslegungsbedürftigen Begriff der Klausel, den „Fortsetzungszusammenhang”, gemeint und verstanden haben. Bei der Prüfung dieser Frage hat das Berufungsgericht vernachlässigt, daß dieser Begriff seit der Bekräftigung und Modifizierung seiner Übernahme in das Zivilrecht durch den Bundesgerichtshof hier einen eigenen, vom Strafrecht losgelösten und in Rechtsprechung und Literatur ganz einheitlich vertretenen Bedeutungsgehalt gewonnen hat, nämlich den einer Zusammenfassung hierfür geeigneter Einzelhandlungen ohne Rücksicht auf einen verbindenden Gesamtvorsatz auch bei nur fahrlässiger Begehung (vgl. schon BGHZ 33, 163, 168 – Krankenwagen II sowie zur ganz h. M. die vorstehend im Zusammenhang mit der Maßgeblichkeit der Parteidisposition genannten Zitate). Es bestand daher kein Anlaß, den im Vertragsangebot der Klägerin gebrauchten Begriff des Fortsetzungszusammenhangs anders als in diesem allgemein anerkannten Sinn zu verstehen, zumal außer dem Wortlaut auch das naheliegende und erkennbare (wirtschaftliche) Interesse der Klägerin, einen möglichst weitgehenden Einredeausschluß zu erhalten, einem – mit dem Sinngehalt nicht zu vereinbarenden – einschränkenden Verständnis des von ihr Erklärten entgegenstand. Die Beklagte, die – nach ihrem eigenen Vortrag – die Willenserklärung der Klägerin ohne richtige Erkenntnis der Tragweite der Ausschlußklausel im ganzen angenommen hat, ist – soweit nicht Anfechtungsmöglichkeiten bestehen – an deren objektiven Erklärungsgehalt gebunden (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1988 – V ZR 49/87, NJW 1988, 2879 m. w. N.). Ihre Annahmeerklärung bezog sich daher auf den zivilrechtlichen Begriff des Fortsetzungszusammenhangs und schloß demgemäß – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – die Zusammenfassung auch fahrlässig begangener Handlungen zu einer fortgesetzten Handlung aus. Da dieses Ergebnis im Wege der Auslegung eindeutig zu ermitteln ist, bleibt kein Raum für die Heranziehung der sogenannten Unklarheitenregelung in § 5 AGBG.
5. Das Berufungsgericht hätte somit an sich in die Prüfung eintreten müssen, ob die Ausschlußklausel des Vertrags als Folge der erklärten Anfechtung oder nach den Vorschriften des AGBG nichtig ist. Diese Prüfung hat es – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – unterlassen. Dies erweist sich jedoch im Ergebnis als unschädlich, weil das Revisionsgericht aufgrund der festgestellten Tatsachen selbst zu dem Ergebnis gelangen kann, daß die Ausschlußklausel des Vertrags gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG verstößt und deshalb gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.
6. a) Die Unterwerfungsvereinbarung erfüllt – was das Berufungsgericht zwar in anderem rechtlichen Zusammenhang und eher beiläufig, aber ohne Verfahrensverstoß festgestellt hat – die Voraussetzungen eines den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterfallenden (Formular-)Vertrags (§ 1 AGBG). Die Klägerin hat den von ihr vorformulierten Text der Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärung – dessen Zusendung verbunden mit der Aufforderung, diese Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen und zurückzusenden, hier bereits als Angebot zum Abschluß des inhaltlich voll fixierten Vertrags anzusehen ist – im Aufforderungsschreiben selbst als „Formular” bezeichnet. Dementsprechend ist sie auch dem spezifizierten Sachvortrag der Beklagten dazu, daß der Unterwerfungstext von der Klägerin für eine Vielzahl gleicher oder ähnlicher Fälle vorformuliert und in großer Zahl versandt worden sei (Schriftsatz vom 10.1.1990, GA Bl. 395 – 397), in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegengetreten; ihr Erwiderungsschriftsatz (GA Bl. 420 f.) beschränkt sich vielmehr lediglich auf eine rechtliche Stellungnahme zu den unbestritten hingenommenen Tatsachenbehauptungen.
b) Die Ausschlußklausel des Unterwerfungsvereinbarung weicht von Rechtsvorschriften ab (§ 8 AGBG) und ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG).
„Rechtsvorschriften” bzw. „gesetzliche Regelungen” im Sinne der genannten Vorschriften sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze (BGHZ 89, 206, 211), d.h. auch alle ungeschriebenen Rechtsgrundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten (Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 5 und § 9 Rdnr. 66, jeweils m. w. N.). Zu ihnen zählt daher auch die seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 1960 (BGHZ 33, 163 ff. – Krankenwagen II) auch für die zivilrechtliche Vertragsstrafe anerkannte Regel, wonach miteinander in Fortsetzungszusammenhang stehende Verletzungshandlungen grundsätzlich zu einer Handlung im Rechtssinne zusammenzufassen sind.
Die Abweichung von dieser Regel betrifft auch – jedenfalls in der vorliegenden Form, die allein zur Beurteilung steht – einen wesentlichen Grundgedanken im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 AGBG. Die Zusammenfassung bestimmter, eng zusammengehöriger Handlungen nach bestimmten Kriterien zu nur einer Handlung im Rechtssinne soll – im Zivilrecht ebenso wie im Strafrecht, wo sie entwickelt worden ist – der Gefahr unangemessener Bestrafungen durch die Vervielfachung der im Gesetz oder im Vertrag für Einzelverstöße vorgesehenen Sanktionen begegnen; sie ist daher Ausdruck eines allgemeinen Gerechtigkeitsgebots. Rechtsprechung und Literatur tragen dem – wie bereits in anderem Zusammenhang (vorstehend II, 3) ausgeführt und mit Zitaten gestützt – seit langem dadurch Rechnung, daß sie nahezu einheitlich von der grundsätzlichen Beachtlichkeit des Fortsetzungszusammenhangs auch im Zivilrecht ausgehen. Mit Recht folgert hieraus die in der Literatur vorherrschende Meinung, daß ein den AGBG-Vorschriften unterfallender Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG grundsätzlich unwirksam sei (vgl. Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 6. Aufl., § 11 Nr. 6 Rdn. 18; Wolf a.a.O. § 11 Nr. 6 Rdn. 28; Palandt/Heinrichs, BGB, 52. Aufl., § 11 AGBG Rdn. 33; Lachmann, BB 1982, 1634, 1636 f.).
c) Allerdings könnte eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 Abs. 2 AGBG dann nicht angenommen werden, wenn die Abweichung von der wesentlichen Grundregel durch besondere Umstände, insbesondere durch eine aus bestimmten Gründen gegebene Notwendigkeit oder durch besondere Interessen der Gläubigerseite oder durch Gemeinschaftsinteressen zu rechtfertigen wäre (vgl. dazu Wolf a.a.O. § 9 Rdn. 80 f.). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
aa) Der Gesichtspunkt eines erleichterten Ersatzes auch solcher Schäden, die durch fortgesetzte Handlungen entstehen können, scheidet aus, da der Klägerin als Verband eine eigener Schaden aus Verletzungshandlungen nicht entstehen kann (vgl. BGHZ 41, 314, 318 – Lavamat; BGHZ 48, 12,15 – Anwaltsverein; BGHZ 52, 393, 397 – Fotowettbewerb) und die Vertragsstrafe daher hier die ihr sonst auch zukommende Funktion eines pauschalierten Schadensersatzes nicht hat.
bb) Die Ausschlußklausel war im Streitfall in der vorliegenden Form auch nicht erforderlich, um das hauptsächliche Ziel einer strafbewehrten Unterwerfung, die Beseitigung der Wiederholungsgefahr, sicherzustellen. Der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 31.5.1990 – I ZR 285/88, GRUR 1990, 1051, 1052 = WRP 1991, 27 – Vertragsstrafe ohne Obergrenze; weitere Nachweise bei Teplitzky a.a.O. Kap. 8 Rdnr. 49 mit Fn. 76) für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche ernstliche Unterlassungswille, der in der Unterwerfungserklärung und deren Strafsicherungsangebot sichtbaren Ausdruck finden muß, wird regelmäßig nicht allein schon dadurch in Frage gestellt, daß der Schuldner eine Ausschlußklausel der hier vorliegenden Art ablehnt. Das Anliegen eines Schuldners, auf eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gewährte Vergünstigung bei der Strafbemessung nicht schlechthin verzichten zu müssen, läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, der Schuldner habe keinen hinreichend ernsthaften Unterlassungswillen. Zum einen wird die Vergünstigung des Fortsetzungszusammenhangs im Zivilrecht seit der mehrfach genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (a.a.O. – Krankenwagen II) auch für fahrlässig begangene Handlungen gewährt, zu deren Begehung es unabhängig von einem entsprechenden Willen des Schuldners kommen kann; und zum anderen kann selbst der Verweigerung des Ausschlusses für Vorsatztaten allein die Befürchtung zugrunde liegen, der Schuldner werde den dann nach der Beweisregel des Vertragsstraferechts (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1972 – II ZR 101/70, NJW 1972, 1893, 1895 – K-Rabatt-Sparmarken; BGH, Urt. v. 13.5.1982 – 1 ZR 205/80, GRUR 1982, 688, 691 = WRP 1982, 634 – Seniorenpaß; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast, Bd. 1, 2. Aufl. 1991, S. 339 BGB Rdnr. 4 m. w. N. in Fn. 11 und 12) ihm obliegenden und hinsichtlich einer subjektiven Voraussetzung nicht immer leicht zu führende Beweis für ein nicht vorsätzliches Verhalten nicht erbringen können.
d) Die in der Literatur vorherrschende Meinung, derzufolge ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht erforderlich ist (Vgl. dazu Teplitzky a.a.O. Kap. 8 Rdn. 30-33; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl., Einl. UWG, Rdn. 290; Großkomm/Köhler a.a.O. Rdn. 45) erweist sich somit im Grundsatz als zutreffend. Einzuschränken wäre sie aber in dem Fall, daß der Gläubiger den Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs lediglich für solche Handlungen verlangt, deren vorsätzliche Begehung er dem Schuldner nachweist, und der Schuldner selbst ein solches – nicht unangemessenes – Verlangen ablehnt; denn in diesem Falle könnte mit einiger Berechtigung an der Ernstlichkeit des Unterlassungswillens gezweifelt werden. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, so daß es einer abschließenden Beurteilung dieser Ausnahmefrage nicht bedarf. Desgleichen bietet der vorliegende Fall keinen Anlaß zur Vertiefung der Frage der Wechselwirkung, die zwischen einem Einredeverzicht bzw. dessen Ablehnung durch den Schuldner einerseits und der Höhe der zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr im Einzelfall erforderlichen Vertragsstrafe besteht (vgl. dazu Großkomm/Köhler, Vor § 13 UWG, B., Rdn. 45 und Teplitzky a.a.O. Rdn. 33).
7. Das Berufungsurteil erweist sich somit schon deshalb als im Ergebnis zutreffend, weil die Ausschlußklausel wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam ist. Ungeachtet dessen bietet der Fall Anlaß zu dem Hinweis, daß das systematische Abverlangen uneingeschränkter Verzichtsklauseln durch Verbände im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG in Zukunft auch dann auf Bedenken stoßen könnte, wenn die Unterwerfungsverträge im Wege individueller Vereinbarungen geschlossen werden und daher nicht den Einschränkungen der AGBG-Vorschriften unterfallen. Der erkennende Senat hat schon im Urteil vom 5. Oktober 1989 (I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 285 = WRP 1990, 255 – Wettbewerbsverein IV) die auch dort in Rede stehende Praxis eines Verbands, Unterwerfungsschuldner regelmäßig zum Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs zu bewegen, als fragwürdig bezeichnet. Diese Fragwürdigkeit verdichtet sich für die Zukunft, nachdem mit der vorliegenden Entscheidung klargestellt ist, daß ein solcher (uneingeschränkter) Verzicht gegenüber einem Verband unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erforderlich ist, zu Bedenken, die sich einerseits aus den Aufgaben solcher Verbände, andererseits aus dem Verbot des Mißbrauchs der Verbandstätigkeit für die vorwiegende Erzielung von Einkünften ergeben (vgl. dazu BGH a.a.O., GRUR 1990, 282, 286 – Wettbewerbsverein IV). Denn wenn – und soweit – triftige, mit der satzungsgemäßen Zielsetzung der Unterbindung von Wettbewerbsverstößen hinreichend eng in Zusammenhang stehende Gründe für das regelmäßige Verlangen uneingeschränkter Verzichtserklärungen nicht (mehr) bestehen, tritt naturgemäß der Zweck, mittels gehäufter Strafsanktionen für – im Rechtssinne – eine einzige Verletzungshandlung möglichst hohe (und obendrein in der Regel unangemessene) Einnahmen zu erzielen, deutlich und möglicherweise auch ungebührlich in den Vordergrund.
III.
Die Revision der Klägerin war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609436 |
BGHZ, 13 |
BB 1993, 683 |
NJW 1993, 721 |
ZIP 1993, 292 |