Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Dem liegt nicht ein mit einem Mittäter begangenes Geschäft über 11,5 Kilogramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von 5.483,45 Gramm HHC zugrunde. Die gegen das Urteil gerichtete, auf mehrere Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

II.

Die Verfahrensrügen versagen.

1. Die von der Revision behaupteten unbedingten Revisionsgründe liegen nicht vor.

a) Zu Recht hat das Landgericht dem Ablehnungsgesuch vom 23. Januar 1997 nicht stattgegeben. Der Vorsitzende hat weder durch den Hinweis auf die weiteren, der deutschen Sprache ebenfalls nicht mächtigen Beteiligten noch durch die Mutmaßung über die Beendigung des Mandats zweier Wahlverteidiger für einen verständigen Angeklagten (vgl. BGHSt 24, 336, 337) Grund für die Annahme gegeben, er werde ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könne. Gleiches gilt für die Belehrung über das Schweigerecht und den Hinweis auf die Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung. Erkennbar hat der Vorsitzende zum Ausdruck gebracht, daß ein Geständnis vor Durchführung der Beweisaufnahme ein besonderes Gewicht habe; dies ist rechtlich unbedenklich (vgl. BGHSt 42, 191, 195; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Drn. 208 m.w.N.). Die Äußerung hat der Vorsitzende - wie die Revision selbst vorträgt - mit der Einschränkung versehen, ein Geständnis sei dann vorteilhaft, "wenn die Beweismittel zuträfen". Durch den dabei gegebenen Hinweis, der Angeklagte werde nach Aktenlage durch andere - in der Hauptverhandlung noch nicht verwertete - Beweismittel belastet, hat der Vorsitzende nicht den Eindruck erweckt, er werde eine der Aktenlage widersprechende Einlassung des Angeklagten nicht mehr unbefangen würdigen können. Gleiches gilt für die wegen dieser Mitteilung ebenfalls abgelehnten Schöffinnen. Auch ihnen ist bekannt, daß eine Hauptverhandlung gegen einen Angeklagten nur stattfindet, wenn die Strafkammer zuvor aufgrund der den Angeklagten belastenden Beweismittel nach Aktenlage einen hinreichenden Tatverdacht (§ 203 StPO) bejaht und das Hauptverfahren eröffnet hat. Über diesen Umstand ging die Erklärung des Vorsitzenden der Sache nach nicht hinaus.

b) Das gegen die beiden Schöffinnen gerichtete, auf den Inhalt einer zwischen ihnen in einer Sitzungspause geführten Unterhaltung gestützte Ablehnungsgesuch vom 4. Februar 1997 ist zu Recht abgelehnt worden. Grundlage für die Beurteilung, ob der Angeklagte Befangenheit besorgen mußte, ist der dem Angeklagten bekannte Sachverhalt unter Einschluß der dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Schöffinnen. Hierauf hat der Beschluß des Landgerichts zutreffend abgestellt. Das Verständnis, das der Verteidiger dem Gespräch beigegeben hat, ist durch die dienstlichen Erklärungen entkräftet worden. Danach bezog sich die bedenkliche Äußerung, gewisse Menschen seien "Schrott", nur auf bestimmte Personen, die in einer näher beschriebenen Weise mit Wohnungen und deren Einrichtung umgingen und die keine Ausländer waren. Der Angeklagte war durch diese Äußerung auch nicht mittelbar betroffen.

c) Auch die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO dringt nicht durch. Nach dem Vortrag der Revision hat sich der die Revision begründende Wahlverteidiger, Rechtsanwalt H., während der Vernehmung eines Mitangeklagten und eines Zeugen am 2. Verhandlungstag für 10 Minuten und am 3. Verhandlungstag für (die letzte) fünf Minuten aus der Hauptverhandlung entfernt. Anwesend war jeweils der ursprünglich als Wahlverteidiger aufgetretene, später vom Vorsitzenden zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt S.. Der Fortbestand dieser Verteidigung war bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen gewesen. Noch vor der Hauptverhandlung war ein Antrag des Angeklagten auf Entpflichtung von Rechtsanwalt S. zurückgewiesen worden. Am 1 Hauptverhandlungstag hatte Rechtsanwalt S. selbst seine Entpflichtung beantragt und Rechtsanwalt H. hatte nach Ablehnung dieses Antrags durch den Vorsitzenden (unnötigerweise, vgl. BGHSt. 39, 310, 312; NStZ 1995, 296) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die Revision rügt nun, der Angeklagte sei für die Dauer der Abwesenheit seines Wahlverteidigers unverteidigt gewesen, da die bloße körperliche Anwesenheit von Rechtsanwalt S. mangels Vertrauensverhältnisses keine wirksame Beistandsleistung sei.

Nach dem Revisionsvortrag erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Wahlverteidiger den Angeklagten zweimal bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung verlassen hat, obwohl nach seiner Auffassung eine Verteidigung des Angeklagten danach nicht mehr gegeben war, ohne den Angeklagten oder das Gericht auf diesen Umstand hinzuweisen. Der Angeklagte hat dem Verhalten seines Wahlverteidigers aus dann nicht fernliegenden Gründen widersprochen. Dies könnte dazu führen, die Verfahrensrüge als verwirkt anzusehen (vgl. BGH NStZ 1997, 451; BGH, Beschl. vom 7. Juli 1997 - 5 StR 307/97; Basdorf, StV 1997, 488, 492).

Näherer Aufklärung bedarf dies nicht, weil die Rüge auch unbegründet ist. Der Angeklagte war nicht ohne Verteidiger (BGHSt 39, 310, 313 f.). Die Revision behauptet nicht, daß Rechtsanwalt S. in der Zeit der Abwesenheit von Rechtsanwalt H. die Verteidigung nicht geführt hätte (vgl. BGH NStZ 1992, 503). Auch der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Revisionsgrund einer Verletzung von § 142 StPO und Art. 6 Abs. 3 c) MRK liegt nicht vor. Der Vorsitzende hat in Ansehung des Inhalts der Vorwürfe des Angeklagten ohne Rechtsfehler den begründeten Verdacht gehegt, der Angeklagte habe den Verteidiger nur deshalb verbal angegriffen, damit dieser eine Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet, um darauf gestützt dessen Entpflichtung zu betreiben. Dies stellt keinen wichtigen Grund für die Entpflichtung des Verteidigers dar (BGHSt 39, 310, 316).

2. Eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO durch die Fußfesselung des Angeklagten ist in der Revisionsbegründungsschrift nicht schlüssig dargetan.

3. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Strafkammer habe entgegen § 261 StPO bei der Überzeugungsbildung nicht alles verwertet, was Gegentand der Hauptverhandlung war.

Die Revision behauptet, der Angeklagte habe sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach der Angeklagte von seinem ihm zustehenden Recht zu schweigen Gebrauch gemacht habe (UA S. 11), doch zur Sache eingelassen. Sie beruft sich zum Beweis ihrer Behauptung auf das Protokoll der Hauptverhandlung. Die Niederschrift des ersten Hauptverhandlungstages enthält folgendes:

"Rechtsanwalt H." (Der Wahlverteidiger des Angeklagten) "erklärte: Mein Mandant ist zur Äußerung nicht bereit." Die Niederschrift des 6. Hauptverhandlungstages enthält im Zusammenhang mit der Vernehmung eines Zeugen folgendes: "Der Zeuge sagte weiter zur Sache aus. Der Angeklagte sagte weiter zur Sache aus. Der Zeuge überreichte ein Lichtbild, das ihn und seine schwangere Frau zeigt."

Nachdem die Berufsrichter der Strafkammer zu dieser Verfahrensrüge eine dienstliche Äußerung abgegeben hatten, hat der Verteidiger seinerseits ausgeführt, selbst wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung vollständig geschwiegen hätte und daher das Hauptverhandlungsprotokoll objektiv unrichtig wäre, sei dies für die Begründetheit der Revision unerheblich; nach seiner Einschätzung dürfte es "herrschende Meinung sein, daß sich der Verteidiger trotz seiner Kenntnis, daß einwandfrei verfahren worden ist, auf einen fehlerhaft protokollierten Verfahrensverstoß stützen darf".

Die Rüge ist zumindest unbegründet, da der behauptete Verfahrensverstoß nicht bewiesen ist. Der Sitzungsniederschrift kommt zur Frage des Aussageverhaltens des Angeklagten die Beweiskraft des § 274 StPO nicht zu, da sie insoweit - anders als in den Fällen, die den vom Generalbundesanwalt angeführten Entscheidungen (BGHR StPO § 274 Beweiskraft 11, 15; Beschl. vom 19. Juni 1996 - 3 StR 166/96) zugrunde lagen - unklar und mißverständlich ist. Durch die Sitzungsniederschrift ist bewiesen, daß der Angeklagte am 1. Verhandlungstag hat mitteilen lassen, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Für den weiteren Verlauf der Hauptverhandlung bis zum 6. Verhandlungstag enthält die Niederschrift keine Äußerung des Angeklagten. In den Fällen der vorliegenden Art, in denen sich der Angeklagte auf die entsprechende Belehrung zunächst dafür entschieden hat, nicht zur Sache auszusagen, ist die erstmalige Einlassung des Angeklagten zur Sache als wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 Abs. 1 StPO in die Niederschrift aufzunehmen (BGHR StPO § 274 Beweiskraft 11). Eine solche erstmalige Äußerung hätte danach beurkundet sein müssen, nachdem im Protokoll festgehalten ist, daß der Angeklagte am 6. Verhandlungstag "weiter" zur Sache ausgesagt hat (vgl. BGH, Urt. vom 10. April 1996 - 3 StR 5/96 - unter I., insoweit in BGHSt 42, 123 und NStZ 1996, 499 nicht abgedruckt). Wegen diese offensichtlichen Mangels des Protokolls konnte der Senat im Freibeweis den Verfahrensablauf klären und die dienstliche Äußerung der Berufsrichter berücksichtigen, der der Verteidiger zunächst mit der nicht näher substantiierten Behauptung entgegengetreten ist, sie gebe "nicht den vollen Inhalt der Angaben des Angeklagten in dieser Prozeßsituation wieder". Danach steht fest, daß der Angeklagte nur eine an einen Zeugen gerichtete Frage seines Verteidigers konkretisiert, nicht jedoch zur Sache ausgesagt hat.

III.

Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993510

NStZ 1998, 267

StV 1999, 189

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