Entscheidungsstichwort (Thema)
Police für grenzüberschreitende Transporte von Fremdunternehmern nach der CMR
Leitsatz (amtlich)
Fremdunternehmer und damit Versicherter im Sinne der von der Oskar Schunck KG betreuten Police für grenzüberschreitende Transporte von Fremdunternehmern nach der CMR (Fassung 1. Januar 1980) ist nur der Frachtführer oder Fixkostenspediteur, der in direkten vertraglichen Beziehungen zum Versicherungsnehmer steht, unabhängig davon, ob und inwieweit er den Transport selbst ausführt.
Art. 41 CMR steht Vereinbarungen, wonach der Absender für die Eindeckung der CMR-Haftpflicht des Frachtführers zu sorgen hat, dann nicht entgegen, wenn eine in diesem Zusammenhang gebotene Gesamtbetrachtung ergibt, daß sich die Abreden wirtschaftlich ebenso auswirken, als hätte der Frachtführer den Versicherungsschutz selbst beschafft.
Normenkette
CMR Art. 17 Abs. 1, Art. 41
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Aktenzeichen 15 U 123/95) |
LG Mannheim (Aktenzeichen 24 O 207/94) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Juli 1996 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine deutsche Versicherungsgesellschaft, nimmt das beklagte türkische Transportunternehmen aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen eines von ihr ersetzten Transportschadens in Anspruch.
Die B. AG in L. /Rhein erteilte der Mannheimer Niederlassung der Spedition D. GmbH (im folgenden: D.) im Sommer 1993 zu festen Kosten den Auftrag, im Straßengüterverkehr Farbstoffe von L. nach Teheran/Iran zu befördern. D. beauftragte – ebenfalls zu festen Kosten – die A. Speditions GmbH in München (im folgenden: A.) mit dem Transport, zu der sie bereits seit mehreren Jahren Geschäftsbeziehungen unterhielt. Entsprechend der zwischen D. und A. üblichen Handhabung sorgte D. für die CMR-Versicherung, die sie über einen Versicherungsmakler bei einer Gruppe von Versicherern nahm, zu der auch die Klägerin gehört. A. betraute die Beklagte mit der Transportdurchführung. Im CMR-Frachtbrief sind D. als Absenderin und die Beklagte als Frachtführerin vermerkt. Dem Frachtführervermerk ist in Klammern der Zusatz „A. München” beigefügt.
Der mit dem Transportgut beladene LKW der Beklagten erlitt in der Türkei einen schweren Verkehrsunfall, bei dem ein Großteil der Ladung zu Schaden kam. Die Klägerin hat an die B. AG wegen des streitgegenständlichen Transportschadens insgesamt 189.949,77 DM Ersatz geleistet.
In der „Police für grenzüberschreitende Transporte von Fremdunternehmern nach der CMR”, die von dem Versicherungsmakler O. Schunck KG in Vollmacht der beteiligten Versicherer und D. unterzeichnet wurde, heißt es u.a.:
„Zwischen den … Versicherern und D. … – im folgenden Versicherungsnehmer genannt – wird für Rechnung der vom Versicherungsnehmer im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr beauftragten Fremdunternehmer (Versicherte) dieser Versicherungsvertrag … geschlossen.”
Die dazugehörigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestimmen ergänzend u.a. folgendes:
„1.1. Gegenstand des Versicherungsvertrages ist die Haftung des Versicherten aus mit dem Versicherungsnehmer geschlossenen Verträgen über entgeltliche Beförderungen von Gütern mit Kraftfahrzeugen nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR).
Der Versicherungsschutz ist auf die angemeldeten Frachtverträge beschränkt.
…
6.1. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die mit Fremdunternehmern abgeschlossenen CMR-Frachtverträge einzeln in das vorgeschriebene Anmeldeformular einzutragen und dieses … den Versicherern einzureichen.”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der von der Beklagten verursachte Transportschaden falle nicht unter den Versicherungsschutz der CMR-Versicherung, weil allein die A., mit der D. in vertraglichen Beziehungen gestanden habe, Versicherte sei. Die Versicherung decke lediglich die eigene Haftung von D. sowie deren Vertragspartner ab. Die Beklagte als weiteres mit dem Transport befaßtes Unternehmen habe keinen Versicherungsschutz erlangt, zumal D. auf deren Beauftragung auch keinen Einfluß habe nehmen können.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie den zum Gegenwert am Tage des Urteils in DM umzurechnenden Betrag von 62.447,51 Sonderziehungsrechten des internationalen Währungsfonds sowie 40.201,41 DM, jeweils nebst näher bezeichneten Zinsen, zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich auf eine unzulässige Rechtsausübung der Klägerin berufen. Eine Schadensersatzverpflichtung bestehe für sie nicht, weil von dem Begriff des (versicherten) Fremdunternehmers im Sinne der von der D. genommenen Police auch der Frachtführer erfaßt werde, der das Gut tatsächlich befördere. Die A., bei der es sich um eine bloße Fixkosten-Spedition ohne eigene Fahrzeuge handele, habe ihr bei Auftragserteilung zudem zugesichert, daß ihre, der Beklagten, Haftung durch die CMR-Versicherung gedeckt sei. Die Klägerin sei in früheren vergleichbaren Fällen im übrigen selbst davon ausgegangen, daß der ausführende Unternehmer Versicherungsschutz genieße, da sie auf die Geltendmachung von Regreßansprüchen verzichtet habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat zur Klagabweisung geführt.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten gewesen. Die Klägerin hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte als Fremdunternehmerin im Sinne der zwischen der Klägerin und D. abgeschlossenen CMR-Versicherung anzusehen sei und deshalb als Versicherte Versicherungsschutz genieße. Dazu hat es ausgeführt:
Für die Beurteilung, ob die Beklagte als Fremdunternehmerin im Sinne der streitgegenständlichen CMR-Police und damit als Versicherte zu gelten habe, seien ausschließlich die zwischen der Klägerin und D. als Versicherungsnehmerin abgeschlossenen vertraglichen Abreden maßgeblich. Danach zählten zu den Versicherten die vom Versicherungsnehmer beauftragten Fremdunternehmer. Sowohl der in der Police enthaltene Begriff „Fremdunternehmer” als auch der in den Versicherungsbedingungen verwendete Begriff „Frachtverträge” wiesen, jeweils für sich genommen, bereits darauf hin, daß sich die in Rede stehenden Regelungen auf den Unternehmer bezögen, der den jeweiligen Transport mit eigenen Fahrzeugen unmittelbar durchführe, ihn also als eigentlicher Frachtführer ausführe. Insbesondere mit der Bezeichnung „Frachtvertrag” werde auf die Tätigkeit des eigentlichen Frachtführers und nicht auf einen – zwischengeschalteten, weiteren – Fixkosten-Spediteur abgestellt. Die CMR-Fremdunternehmer-Police diene als Vertragsform gerade dazu, CMR-Versicherungsschutz für die Fälle sicherzustellen, in denen nicht von vornherein vom Bestehen einer solchen Versicherung ausgegangen werden könne, was vor allem bei der Beauftragung eines ausländischen Frachtführers mit einem CMR-Transport der Fall sei. Bei Zugrundelegung dieses Vertragszwecks müsse angenommen werden, daß der Begriff des Fremdunternehmers hauptsächlich den mit der Durchführung des Transports beauftragten ausländischen Frachtführer erfasse.
Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, daß die Beklagte als Frachtführerin nicht in unmittelbaren Vertragsbeziehungen zur D. als Versicherungsnehmerin gestanden habe. D. habe, wie die von ihr veranlaßten Frachtbriefeintragungen zeigten, die Beklagte als ihren eigentlichen Frachtführer angesehen. In Feld Nr. 16 – Frachtführer – des streitgegenständlichen CMR-Frachtbriefes sei in erster Linie die Beklagte eingetragen, während die A. lediglich in einem Klammerzusatz erwähnt werde. Überdies habe die Klägerin selbst die Beklagte als – zumindest mittelbar – von D. beauftragten Frachtführer behandelt, da sie sich die im CMR-Frachtbrief vermerkte Gerichtsstandsvereinbarung im Verhältnis zur Beklagten zu eigen gemacht habe.
Das Verständnis der Parteien des Versicherungsvertrages von dem Begriff des Fremdunternehmers erschließe sich ferner aus dem – unstreitigen – wiederholten Verzicht der Klägerin, in vergleichbaren Fällen gegenüber den eingesetzten Frachtführern Regreßforderungen geltend zu machen. Dieses Verhalten könne – selbst wenn dafür rein wirtschaftliche Überlegungen maßgeblich gewesen sein sollten – im Rahmen der Vertragsauslegung berücksichtigt werden, weil die unbestrittene Handhabung auch Einfluß auf das Verständnis der Vertragsparteien (des Versicherungsvertrages) haben müsse; dies gelte zumindest unter dem Gesichtspunkt des insoweit maßgeblichen Empfängerhorizontes von D. (§§ 157, 133 BGB).
Dem dargelegten Verständnis des Begriffs des Fremdunternehmers stünden schützenswerte Interessen der Klägerin als Versicherer nicht entgegen. Die Gefahr, daß bei einer längeren Transportkette nicht vom Versicherungsnehmer ausgewählte – möglicherweise unzuverlässige – Unterfrachtführer Versicherungsschutz in Anspruch nehmen könnten, bestehe im Streitfall nicht. Denn lediglich die im Frachtbrief eingetragene Beklagte, die bereits bei der Auftragsvergabe an D. als Frachtführerin festgestanden habe und mit deren Billigung tätig geworden sei, könne als beauftragte Fremdunternehmerin angesehen werden.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet (stillschweigend) davon ausgegangen, daß sich die Haftung der Beklagten für den vorliegenden Transportschaden grundsätzlich nach dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) richtet. Dieses ist für die Türkei zwar erst am 31. Oktober 1995 (vgl. Bekanntmachung v. 22.11.1995, BGBl. 1996 II S. 12) – also nach Abschluß des Beförderungsvertrages mit der Beklagten und Eintritt des streitgegenständlichen Schadens – in Kraft getreten. Bei entgeltlichen Güterbeförderungen auf der Straße findet die CMR – unabhängig von Wohnsitz und Staatsangehörigkeit der Parteien – jedoch stets Anwendung, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art. 1 Abs. 1 CMR). Letzteres ist im Streitfall gegeben.
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei als Fremdunternehmerin im Sinne der zwischen der Klägerin und D. abgeschlossenen CMR-Versicherung anzusehen mit der Folge, daß sie als Versicherte für den streitgegenständlichen Transportschaden Versicherungsschutz genieße, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen läßt sich allerdings nicht abschließend beurteilen, ob die von der Klägerin geltend gemachte Regreßforderung auch durchsetzbar ist oder ob die Beklagte ihrer Inanspruchnahme den Arglisteinwand (§ 242 BGB) entgegenhalten kann.
1. Die Beklagte fällt nicht unter den Begriff des Fremdunternehmers im Sinne des in Rede stehenden CMR-Versicherungsvertrages.
a) Die Auslegung dieses Vertrages einschließlich der zum Vertragsinhalt gewordenen Versicherungsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt in vollem Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung, da beide Schriftstücke keine atypischen, individuellen Willenserklärungen, sondern Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des § 1 Abs. 1 AGBG enthalten, die nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts Anwendung finden und von mehreren Oberlandesgerichten beurteilt werden könnten (vgl. BGHZ 131, 288, 292 f.). Letzteres folgt bereits daraus, daß die streitgegenständliche CMR-Fremdunternehmer-Police von einem bundesweit tätigen Versicherungsmakler, der O. Schunck KG, in Vollmacht der beteiligten Versicherer angeboten und vereinbart wird (vgl. dazu Lenz, Straßengütertransportrecht, 1988, Rdn. 881 und Anh. S. 414 f.). Unter solchen Umständen beschränkt sich die rechtliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht nicht darauf, ob der Tatrichter gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt hat oder ob ihm im Zusammenhang mit der Auslegung ein Verfahrensfehler unterlaufen ist. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr.; vgl. BGHZ 98, 256, 258; 102, 384, 389 f.; 129, 297, 300; 131, 288, 292 f.).
b) Eine Würdigung des Gesamtzusammenhangs der in Rede stehenden Regelungen im Versicherungsvertrag und in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen – dort insbesondere Nr. 1.1 – ergibt, daß begünstigte Dritte (Versicherte) des Versicherungsvertrages grundsätzlich nur solche Fremdunternehmer sein können, die von der Versicherungsnehmerin (D.) direkt mit der Transportausführung beauftragt werden. Das ist im Streitfall die A. und nicht die Beklagte.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vermag die Verwendung der Begriffe „Fremdunternehmer” und „Frachtverträge” in den Versicherungsunterlagen nicht die Annahme zu rechtfertigen, Versicherter sei jeweils der den Transport mit eigenen Fahrzeugen unmittelbar ausführende Unternehmer.
Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht die Begriffe „Fremdunternehmer” und „Frachtverträge” unzulässig aus dem Textzusammenhang der Versicherungsvertragsurkunde und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen herausgelöst und jeweils isoliert gewürdigt hat. Insbesondere hätte es bei der Auslegung dieser Begriffe nicht unberücksichtigt lassen dürfen, daß es im Vertragstext ausdrücklich heißt, daß der Versicherungsvertrag für Rechnung der vom Versicherungsnehmer (D.) im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr beauftragten Fremdunternehmer geschlossen wird. Hiermit korrespondiert die in Nr. 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltene Formulierung, wonach „Gegenstand des Versicherungsvertrages … die Haftung des Versicherten aus mit dem Versicherungsnehmer geschlossenen Verträgen …” ist. Nach dem Wortlaut des Versicherungsvertrages und der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist „Versicherter” nur der von dem Versicherungsnehmer unmittelbar beauftragte Transportunternehmer.
bb) Das Berufungsgericht hat sein Auslegungsergebnis ferner maßgeblich darauf gestützt, daß die CMR-Fremdunternehmer-Police als Vertragsform dazu diene, den CMR-Versicherungsschutz für solche Transportgeschäfte einzudecken, bei denen nicht von vornherein mit einer Eigenversicherung des beauftragten Frachtführers gerechnet werden könne, was insbesondere bei der Beauftragung ausländischer Transportunternehmer der Fall sei. Diese Annahme entspricht zwar der wohl einhelligen Auffassung in der Literatur (vgl. Helm in GroßkommHGB, 4. Aufl., Anh. I § 429 Rdn. 48; Heuer in Gütertransport und Versicherungen, S. 60 f.; Lenz aaO Rdn. 879 ff.; de la Motte, VersR 1988, 317, 323 f.). Dieser allgemeine Vertragszweck rechtfertigt jedoch nicht den vom Berufungsgericht vorgenommenen Schluß, auch innerhalb einer längeren Subunternehmerkette sei der mit der tatsächlichen Transportdurchführung befaßte auswärtige Frachtführer der jeweils versicherte Fremdunternehmer. Eine derartige Auslegung wird den Interessen der Parteien des Versicherungsvertrages in aller Regel nicht gerecht.
Der Versicherungsnehmer, bei dem es sich gewöhnlich um einen Spediteur handeln wird, ist gesetzlich verpflichtet und deshalb erfahrungsgemäß bemüht, für seinen Auftraggeber und sich die Rückgriffsrechte gegen den von ihm selbst eingesetzten Unternehmer zu wahren und die Erfüllung von dessen möglichen Schadensersatzverpflichtungen abzusichern. Das folgt vor allem daraus, daß denjenigen, der einen Transportauftrag an ein nicht versichertes Unternehmen vergibt, ein haftungsbegründendes Auswahlverschulden treffen kann (vgl. Helm aaO Rdn. 49; Lenz aaO Rdn. 881). Für den Versicherungsnehmer ist demgegenüber im allgemeinen ohne Bedeutung, ob alle nachfolgenden Unterfrachtführer ihre CMR-Haftung ebenfalls gehörig eingedeckt haben.
Für die beteiligten Versicherer verschlechtert sich das von ihnen übernommene Risiko zudem nicht unerheblich, wenn der ausführende Frachtführer stets zu den Versicherten zählte. Eine längere Transportkette mit mehreren Unterfrachtführern, auf deren Auswahl im einzelnen weder der Versicherungsnehmer noch sein CMR-Versicherer hinreichenden Einfluß hat, kann über Art. 3 CMR im Ergebnis zwar auch dazu führen, daß der Versicherer für einen Transportschaden einstehen muß, der von einem nicht direkt von dem Versicherungsnehmer eingesetzten Unterfrachtführer verursacht wurde. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist dem Versicherer aber der Regreß gegen die nachfolgenden mit der Transportausführung befaßten Unternehmer der Transportkette, insbesondere der Rückgriff gegen den mit der tatsächlichen Beförderung befaßten Frachtführer, grundsätzlich nicht verwehrt.
Schließlich darf nicht außer acht bleiben, daß bei Versicherungsverträgen der vorliegenden Art üblicherweise beide Seiten mit der transport- und versicherungsrechtlichen Terminologie näher vertraut sind. Als Versicherungsnehmer werden im allgemeinen – wie im Streitfall – größere Speditionsunternehmen auftreten, die für ihre Kunden gerade im Bereich der grenzüberschreitenden Güterbeförderung in bedeutendem Umfang Aufträge vergeben. Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die Beteiligten des Versicherungsvertrages unter solchen Umständen die Bezeichnung „ausführender Frachtführer” oder einen ähnlich präzisen Begriff verwendet hätten, wenn dieser versicherter Fremdunternehmer hätte sein sollen. Für diese Annahme spricht auch, daß andere CMR-Policen, die den Versicherungsschutz mit der persönlichen Frachtführertätigkeit verknüpfen, dies durch Zusätze wie „sofern diese Beförderungen vom Versicherten mit eigenen Kfz ausgeführt werden” (vgl. OLG Bremen TranspR 1997, 388 = VersR 1998, 450) oder „wenn und soweit er selbst fährt” (vgl. de la Motte in Thume, CMR, Anh. VI Rdn. 25) deutlich zum Ausdruck bringen.
cc) Unter den vorstehend dargelegten Gegebenheiten kommt es bei der Beurteilung, welcher an der Transportausführung Beteiligte als beauftragter Fremdunternehmer (Versicherter) anzusehen ist, grundsätzlich maßgeblich auf die unmittelbare Beauftragung durch den Versicherungsnehmer an. Davon ist auch im Streitfall auszugehen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es ohne Bedeutung, daß D. die Beklagte „als ihren eigentlichen Frachtführer” angesehen hat. Aus dem streitgegenständlichen CMR-Frachtbrief läßt sich für die Beantwortung der Frage, wer versicherter Fremdunternehmer ist, nichts Entscheidendes herleiten. Ein Frachtbrief erbringt zwar, wenn er ordnungsgemäß ausgestellt und unterschrieben ist, gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR den widerleglichen Beweis für Abschluß und Inhalt des Beförderungsvertrages (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 251/94, TranspR 1998, 21 = VersR 1998, 79; Herber/Piper, CMR, Art. 9 Rdn. 1 m.w.N.). Eine fehlende Parteivereinbarung kann dadurch aber nicht ersetzt werden. Im Streitfall ist zwischen den Prozeßparteien unstreitig – was das Berufungsgericht an sich auch nicht verkannt hat –, daß D. der Beklagten keinen direkten Transportauftrag erteilt hat. Dieser wurde vielmehr an die Spedition A. vergeben, die anschließend die tatsächliche Transportdurchführung der Beklagten übertragen hat. Der streitgegenständliche CMR-Frachtbrief wurde mithin offensichtlich unrichtig ausgefüllt. Das Berufungsgericht hat auch nicht festgestellt, daß D. von der Klägerin ermächtigt gewesen sein könnte, den Versicherungsschutz aus der CMR-Fremdunternehmer-Police über deren Wortlaut hinaus auf andere Unternehmer als ihre unmittelbaren Vertragspartner zu erstrecken.
Eine Erstreckung des hier in Rede stehenden CMR-Versicherungsschutzes auf die Beklagte läßt sich auch nicht aus dem Umstand herleiten, daß die Klägerin sich bei ihrer Rechtsverfolgung auf die im Frachtbrief enthaltene Gerichtsstandsklausel gestützt hat. Die Klägerin geht aus abgetretenem Recht der A. vor, deren Beziehungen zur Beklagten im Frachtbrief nicht dokumentiert werden. Die bloße Weitergabe des Auftrags seitens der A. hat auf die Selbständigkeit der jeweiligen Rechtsverhältnisse zwischen D. und A. einerseits sowie zwischen letzterer und der Beklagten andererseits keinen Einfluß gehabt. Ebensowenig kann angenommen werden, daß die Beklagte dem erstgenannten Vertragsverhältnis nach Maßgabe des Art. 34 CMR beigetreten ist. Hierfür fehlt es im Streitfall zumindest an der Ausstellung eines durchgehenden, vom ursprünglichen Absender stammenden und auf den Hauptfrachtführer bzw. den ersten Fixkostenspediteur lautenden Frachtbriefes. Diesem kommt im Rahmen der CMR-Bestimmungen über die Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer aber konstitutive Wirkung zu (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1990 - I ZR 234/88, TranspR 1990, 418, 419 = VersR 1991, 238; Herber/Piper aaO, Art. 34 Rdn. 8 und 10; Koller, Transportrecht, 3. Aufl., CMR Art. 34 Rdn. 3 f., jeweils m.w.N.).
Aus alledem ergibt sich, daß rechtliche Beziehungen zwischen D. und der Beklagten auch nicht auf mittelbarem Weg zustande gekommen sind.
dd) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, aus dem wiederholten Verzicht der Klägerin in vergleichbaren Fällen gegenüber dem ausführenden Frachtführer Rückgriff zu nehmen, könne im Streitfall geschlossen werden, welches Verständnis die Parteien des Versicherungsvertrages der Bezeichnung „beauftragter Fremdunternehmer” beigemessen hätten.
Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend beachtet, daß die Klägerin eine Vergleichbarkeit der jeweiligen Sachverhalte in Abrede gestellt hat. Sie hat insoweit ausweislich des Tatbestandes der angefochtenen Entscheidung vorgebracht, daß es zu Schäden in der hier in Rede stehenden Größenordnung in der Vergangenheit nicht gekommen sei. Diesen Vortrag hätte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen.
Dem Berufungsgericht kann ferner nicht darin beigetreten werden, daß es bei der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin maßgeblich auf den Empfängerhorizont der D. ankomme. Zum einen fehlt es an Feststellungen, ob D. bei Abschluß des Versicherungsvertrages Kenntnis von der als unstreitig angenommenen Praxis der Klägerin hatte. Überdies kann ein Regreßverzicht durch Versicherer aber auch auf sehr unterschiedlichen, nicht nur rechtlichen, sondern vor allem rein wirtschaftlichen Überlegungen beruhen, worauf die Revision zutreffend unter Bezugnahme auf das Berufungsvorbringen der Klägerin hinweist. Dies ist den in größerem Umfang am Wirtschaftsverkehr teilnehmenden Kaufleuten wie der D. erfahrungsgemäß bekannt. Sie konnte deshalb schon aus Rechtsgründen nicht davon ausgehen, daß sich aus dem Verzicht der Klägerin auf mögliche Regreßansprüche Entscheidendes für die Auslegung des Begriffs „beauftragter Fremdunternehmer” herleiten lassen könnte.
Schließlich vermag auch der Umstand, daß D. im Streitfall auf die Bestimmung des ausführenden Frachtführers möglicherweise unmittelbaren Einfluß hatte, das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts nicht zu tragen. Bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist grundsätzlich ein objektivierter Maßstab anzulegen. Sie hat nicht unter dem Blickwinkel zu geschehen, ob sich aus der in Rede stehenden Klausel für den vorliegenden Einzelfall unter Berücksichtigung seiner Umstände ein vertretbares Ergebnis gewinnen läßt. Es kommt vielmehr im Gegensatz zur Auslegung einer individuell ausgehandelten Vereinbarung darauf an, ob das Auslegungsergebnis als allgemeine Lösung des stets wiederkehrenden Interessenkonflikts, der geregelt werden soll, dienen kann (vgl. dazu BGHZ 60, 377, 380; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 5 AGBG Rdn. 7). Wie bereits ausgeführt wurde, wird eine Ausdehnung des Fremdunternehmerbegriffs auf Personen, die keine unmittelbaren Vertragspartner des Versicherungsnehmers sind, dem Sinn und Zweck der streitgegenständlichen CMR-Fremdunternehmer-Police nicht gerecht.
2. Auch wenn der Beklagten danach kein Versicherungsschutz zuzubilligen ist, weil sie nicht begünstigte Fremdunternehmerin im Sinne der zwischen der Klägerin und D. abgeschlossenen CMR-Versicherung ist, ist der Senat nicht in der Lage, auf der bisherigen Tatsachengrundlage eine abschließende Sachentscheidung zu treffen. Das Berufungsgericht hat – aus seiner Sicht folgerichtig – keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte gegen die als Fremdunternehmerin versicherte A. einen Anspruch auf Freistellung von der gegenüber der Klägerin bestehenden Schadensersatzverpflichtung hat, der dem streitgegenständlichen Regreß der Klägerin möglicherweise im Wege des Einwandes einer mißbräuchlichen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB (vgl. BGHZ 66, 302, 305; 116, 200, 203) – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 406 BGB – entgegengehalten werden könnte. Nach dem Vorbringen der Beklagten könnte sich – sofern auf die Rechtsbeziehungen zwischen A. und der Beklagten deutsches Recht anwendbar ist, was ebenfalls noch einer näheren Prüfung in dem wiedereröffneten Berufungsrechtszug bedarf – ein derartiger Schadensersatzanspruch gegen die A. aus positiver Vertragsverletzung ergeben. Grundlage hierfür ist der unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten, die A. habe ihr bei Erteilung des in Rede stehenden Transportauftrags zugesichert, daß ihre, der Beklagten, Haftung durch eine CMR-Fremdunternehmer-Police gedeckt sei; andernfalls hätte sie den Transport selbst zur Versicherung angemeldet und die zu zahlende Prämie in die Frachtkosten einkalkuliert.
a) Der Wirksamkeit einer solchen Abrede steht nicht von vornherein Art. 41 Abs. 2 CMR entgegen. Soweit diese Bestimmung die Abtretung von Ansprüchen aus einer Versicherung des Gutes an den Frachtführer untersagt, sind damit nach ganz herrschender Meinung, der beizutreten ist, allein die Ansprüche aus Transportversicherungen des Absenders oder Empfängers gemeint (vgl. u.a. Österr. OGH VersR 1978, 980; TranspR 1985, 348; Herber/Piper aaO, Art. 41 Rdn. 6).
b) Es kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die von der Beklagten behauptete Zusicherung der A. wegen Verstoßes gegen Art. 41 Abs. 1 CMR nichtig ist. Ob eine Vereinbarung der Parteien des Frachtvertrages, die sich – wie hier – auf Versicherungsfragen bezieht, i.S. von Art. 41 Abs. 1 CMR verbotswidrig (direkt oder mittelbar) von den Bestimmungen des internationalen Übereinkommens abweicht, richtet sich nicht danach, wer den Versicherungsvertrag geschlossen und im Außenverhältnis die Prämie gezahlt hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Absprachen bei der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung eine Freizeichnung des Frachtführers von seiner unabdingbaren CMR-Haftung bewirken, weil dessen Einstandspflicht auf Kosten anderer Beteiligter eingedeckt wird (vgl. dazu insbesondere Piper, VersR 1988, 201, 204) und dem Frachtführer ein gegebenenfalls für die eigene Haftpflichtversicherung in die Frachtkosten bereits einkalkulierter Betrag als Gewinn verbleibt.
Davon kann bei einer Fremdunternehmerversicherung der hier vorliegenden Art grundsätzlich nicht ausgegangen werden. Denn der Spediteur oder Hauptfrachtführer, der für die Versicherung der CMR-Haftpflicht nachfolgender Unternehmer sorgt, erledigt damit ein fremdes Geschäft und kann von dem Begünstigten hierfür – zumindest wenn deutsches Recht anwendbar ist – Kostenersatz und Provision verlangen (§ 670 i.V. mit § 675 BGB; § 354 Abs. 1 HGB). Praktisch wird sich dies in aller Regel auf die Höhe der geschuldeten Fracht auswirken. Im Streitfall hat die Beklagte unter Beweisantritt auch dargelegt, die Zusicherung der A. in bezug auf die Eindeckung des CMR-Haftpflichtrisikos habe zu einer Minderung des vereinbarten Beförderungsentgelts geführt; sie hätte den Transport sonst selbst zur Versicherung angemeldet und die dafür fällige Prämie in die Frachtkosten einkalkuliert.
Das Berufungsgericht wird somit – wenn deutsches Recht auf das Vertragsverhältnis zwischen A. und der Beklagten zur Anwendung kommt – der von der Klägerin bestrittenen Behauptung der Beklagten nachzugehen haben, die A. habe ihr zugesichert, das CMR-Haftungsrisiko sei durch eine CMR-Fremdunternehmer-Police gedeckt. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß die Beklagte – etwa weil sie den von der D. abgeschlossenen Versicherungsvertrag kannte – auf ein derartiges Versprechen ihrer Auftraggeberin nicht vertrauen durfte.
III. Danach war auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Bornkamm, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.12.1998 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538524 |
BB 1999, 978 |
NJW 1999, 1711 |
BGHR |
EWiR 1999, 557 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 860 |
WuB 1999, 769 |
MDR 1999, 948 |
RIW 1999, 451 |
VRS 1999, 428 |
VersR 1999, 777 |
TranspR 1999, 155 |