Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusätzlicher Effekt zur bestehenden energistischen Wirkung mehrerer Stoffe keine erfinderische Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden. War die Kombination dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination allein nicht zu begründen.
Normenkette
EPÜ Art. 56
Tenor
Die Berufung gegen das am 5. November 1998 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 555 460 (Streitpatents), das am 25. August 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der französischen Patentanmeldung vom 29. August 1991 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Französisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 692 02 759 geführt wird, betrifft ein „Kosmetisches Sonnenschutzmittel” und umfaßt 23 Patentansprüche.
Die Patentansprüche 1 und 23 in der erteilten Fassung lauten in deutscher Übersetzung:
„1. Kosmetische Filter-Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und mindestens einen aus fettlöslichen Polymeren mit Kohlenwasserstoffstruktur und aus Polymeren mit Siloxan-Struktur polymeren Träger mindestens einer ultraviolette Strahlungsanteile absorbierenden Gruppierung enthält.
23. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm, dadurch gekennzeichnet, daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 1 bis 22 aufträgt.”
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 22 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat gegen die Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 Teilnichtigkeitsklage erhoben, soweit diese kosmetische Zusammensetzungen betreffen, die als polymeren Träger allein ein Polymer mit Siloxan-Struktur enthalten. Die Klägerin hat geltend gemacht, in diesem Umfang seien die Gegenstände des Streitpatents nicht neu und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eine neue Fassung der angegriffenen Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 überreicht.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig zu erklären, als sie über den Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 und 12 bis 23 hinausgehen.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und das Streitpatent hilfsweise in beschränktem Umfang verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat der Teilnichtigkeitsklage stattgegeben und das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dieses über die Ansprüche in der neuen Fassung hinausgeht.
Mit ihrer Berufung hat die Beklagte das Streitpatent entsprechend ihren bisherigen Hilfsanträgen im Umfang ihrer (neu formulierten) Ansprüche 24 bis 38 verteidigt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abweisung der Klage im übrigen das europäische Patent 0 555 460 im Umfang der neuen Patentansprüche 1 bis 38 aufrechtzuerhalten, und zwar die Ansprüche 24 bis 38 in folgender Fassung:
24. Kosmetische Filter-Zusammensetzung,
dadurch gekennzeichnet, daß sie, in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium, mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden, ausgewählt aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm,
und mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur, das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile-absorbierende Gruppierung trägt, enthält,
wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist:
worin gilt:
R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C(1-30)-Kohlenwasserstoffgruppe, eine halogenierte C(1-8)-Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsilyloxygruppe,
a = 1 oder 2,
X = -A-Y,
worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und
Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UV-Strahlung filtert, welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder an einem der aromatischen Kerne C(1-8)-Alkyl-, C(2-8)-Alkenyl-, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxy- oder Amino-Substituenten aufweist.
25. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24,
dadurch gekennzeichnet, daß die Nanopigmente der Metalloxide einen Durchmesser von 5 bis 50 nm aufweisen.
26. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 24 oder 25,
dadurch gekennzeichnet, daß das Metalloxid Titanoxid ist.
27. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 26,
dadurch gekennzeichnet, daß das Nanopigment der Metalloxide ein umhülltes Pigment ist, das einem oder mehreren Oberflächenbehandlungsverfahren chemischer, elektronischer, mechanochemischer oder mechanischer Art mit Verbindungen unterzogen worden ist, die aus Aminosäuren, Bienenwachs, Fettsäuren, Fettalkoholen, anionischen oberflächenaktiven Mitteln, Lecithinen, Natrium-, Kalium-, Zink-, Eisen- oder Aluminiumsalzen von Fettsäuren, Metallalkoxiden, Polyethylen, Siliconen, Proteinen, Alkanolaminen, Siliziumoxiden, Metalloxiden und aus Natriumhexametaphosphat ausgewählt sind.
28. Kosmetische Zusammensetzung gemäß Anspruch 27,
dadurch gekennzeichnet, daß das umhüllte Nanopigment aus Metalloxiden ein Pigment aus Titanoxid ist, das mit Kieselsäure, Kieselsäure und Aluminiumoxid, Kieselsäure und Eisenoxid, Aluminiumoxid und Silicon, Aluminiumoxid, Aluminiumoxid und Aluminiumstearat, Aluminiumoxid und Aluminiumlaurat, Eisenoxid und Eisenstearat, Zinkoxid und Zinkstearat, Kieselsäure und Aluminiumoxid und Silicon, Kieselsäure und Aluminiumoxid und Aluminiumstearat und Silicon, Triethanolamin, Stearinsäure oder mit Natriumhexametaphosphat umhüllt ist.
29. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 28,
dadurch gekennzeichnet, daß sie 0,1 bis 15 vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines Nanopigments aus Metalloxiden enthält.
30. Kosmetische Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 24 bis 29,
dadurch gekennzeichnet, daß das Diorganopolysiloxan zusätzlich Einheiten mit der Formel umfaßt:
worin R' und a die in Anspruch 12 angegebenen Bedeutungen haben, b eine ganze Zahl gleich 1, 2 oder 3 ist, Z = -O-Y, worin Y dieselbe Bedeutung wie in Anspruch 12 hat, und wobei mindestens 40 % der Anzahl der Reste R' den Methylrest bedeuten.
31. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 30,
dadurch gekennzeichnet, daß sie ein Polydimethylsiloxan mit gepfropfte(m)(n) 2-(3'-Trimethylen-5'-methyl-2'-hydroxyphenyl)benztriazol-Rest(en) enthält.
32. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Anprüche 24 bis 31,
dadurch gekennzeichnet, daß sie 0,1 bis 15 vorzugsweise 0,5 bis 10 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht der Zusammensetzung, mindestens eines polymeren Filterstoffes mit Siloxan-Struktur enthält.
33. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 32,
dadurch gekennzeichnet, daß das Gewichtsverhältnis Nanopigment(e)/polymere(r) Filterstoff(e) 0,1 bis 10 und vorzugsweise 0,5 bis 5 beträgt.
34. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33,
dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Zusammensetzung zum Schutz der menschlichen Haut oder ein Sonnenschutzmittel darstellt und in Form einer Lotion, verdickten Lotion, eines Gels, Öls, einer bläschenartigen Dispersion, einer Creme, Milch, eines Puders, Feststoffstäbchens, Schaums oder eines Spray-Produkts vorliegt.
35. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33,
dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Zusammensetzung zum Schminken der Wimpern, Augenbrauen oder der Haut darstellt und in fester oder pasteuser, wasserfreier oder wässriger Form einer Emulsion, Suspension oder bläschenartigen Dispersion vorliegt.
36. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 33 zur Verwendung zum Schutz der Haare vor ultravioletten Strahlen,
dadurch gekennzeichnet, daß sie in Form eines Shampoo, einer Lotion, eines Gels oder einer Zusammensetzung zur Spülung, zur Aufbringung vor oder nach einer Shampoonierung, vor oder nach einer Färbung oder Entfärbung, vor, bei oder nach einer Dauerwelle oder einem Ausfrisieren, in Form einer Lotion oder eines Gels zum Frisieren oder Behandeln, einer Lotion oder eines Gels zum Bürsten oder zur Wellengebung, eines Lacks für die Haare, einer Zusammensetzung zur Dauerwelle oder zum Ausfrisieren, zur Färbung oder Entfärbung der Haare vorliegt.
37. Kosmetische Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 36,
dadurch gekennzeichnet, daß sie zusätzlich kosmetische Hilfsstoffe enthält, ausgewählt aus Fettkörpern, organischen Lösungsmitteln, Siliconen, Verdickungsmitteln, weichmachenden Mitteln, solaren Filterstoffen für UV-A, UV-B oder eine lange Wellenbande, Antischaummittelen, hydratisierenden Mitteln, Parfüm-Produkten, Konservierungsstoffen, oberflächenaktiven Mitteln, Beladungsmitteln, Sequestriermitteln, anionischen, kationischen, nicht-ionischen oder amphoteren Polymeren oder aus deren Mischungen, Treibmitteln, alkalisch oder sauer machenden Mitteln, Färbemitteln und aus Pigmenten von Metalloxiden mit einer Korngröße von 100 bis 20000 nm.
38. Kosmetisches Verfahren zum Schutz der menschlichen Haut und der Haare vor ultravioletter Strahlung von Wellenlängen von 280 bis 400 nm,
dadurch gekennzeichnet, daß man auf die Haut oder die Haare eine wirksame Menge einer kosmetischen Zusammensetzung gemäß jedem der Ansprüche 24 bis 37 aufträgt.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Prof. Dr. L. …, …, hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Dr. J. F. sowie Versuchsprotokolle vorgelegt.
Entscheidungsgründe
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die von der Beklagten neu formulierten Patentansprüche 24 bis 38 des Streitpatents. Sie waren Gegenstand der im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gestellten Hilfsanträge der Beklagten und sind gegenüber dem Ausspruch der Teilnichtigerklärung des Bundespatentgerichts weiter eingeschränkt. Soweit die Beklagte das Urteil des Bundespatentgerichts nicht angefochten hat, verbleibt es bei der Teilnichtigerklärung des Streitpatents. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.1. Das Streitpatent betrifft eine kosmetische Zusammensetzung, die ultraviolette Strahlung filtert und die in Abmischung mindestens ein Nanopigment eines Metalloxids sowie mindestens ein fettlösliches Polymer enthält.
Die nicht sichtbare ultraviolette Strahlung der Sonne (UV-Licht) schädigt bei längerer Einwirkung die Haut. Für die typische Erscheinung des „Sonnen-brandes” (Hautrötung, Erythem) sind in erster Linie die kürzerwelligen, energiereichen UV-B-Strahlen verantwortlich (280 bis 320 nm). Das längerwellige, energieärmere UV-A-Licht (320 bis 400 nm) kann allerdings auf Grund seiner höheren Intensität zu Langzeitschäden führen, die kurzfristig nicht offenbar werden, wie Hautalterung, chronische Lichtschäden und Hautkrebs. Seit langem wird hoher Schutz im UV-B-Bereich gefordert, da durch die Verringerung der Ozonschicht UV-Strahlen verstärkt auf die Erdoberfläche auftreffen und auch UV-B-Strahlen Langzeitschäden verursachen können. Zum Schutz gegen UV-A-Strahlen waren bisher organische Filter bekannt. Es wurde befürchtet, daß diese organischen Substanzen bei einer Konzentrationserhöhung zum Zwecke eines verstärkten Schutzes in merklichen Mengen die Haut passieren und vom Gesamtorganismus resorbiert werden könnten. Mögliche unerwünschte Wirkungen für den Anwender waren nicht auszuschließen.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift (S. 2 Z. 3 bis 8 der deutschen Übersetzung) sind Sonnenschutzmittel auf der Basis polymerer siloxanischer Trägerstoffe bekannt, die den ultravioletten Anteil absorbieren und den Vorteil aufweisen, das Eindringen der Filterstoffverbindungen in den Organismus herabzusetzen und sogar zu unterdrücken. Ebenso bekannt sind kosmetische Zusammensetzungen, die Metalloxide wie z.B. Titanoxid enthalten (S. 2 Z. 9 bis 11) und infolge ihrer Diffusions- und Reflexionseigenschaften über einen großen Bandbereich als Sonnenschutzmittel geeignet sind. Solche Zusammensetzungen haben jedoch den Nachteil, daß ihre Wirksamkeit gegen ultraviolette Strahlungen bei empfindlicher oder kontinuierlich der Sonnenstrahlung ausgesetzter Haut unzureichend ist (S. 2 Z. 11 bis 17).
2. Das Streitpatent will eine kosmetische Zusammensetzung zur Verfügung stellen, die eine verbesserte Schutzwirkung gegenüber ultravioletter Strahlung in einem Wellenlängen-Bereich von 280 bis 400 nm (UV-B- und UV-A-Bereich) aufweist, und ein Verfahren hierzu.
3. Patentanspruch 24 beschreibt eine kosmetische Filterzusammensetzung,
(1) |
die in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium mindestens ein Nanopigment von Metalloxiden enthält, |
(1.1) |
das ausgewählt ist aus Oxiden des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, |
(1.2) |
mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm und |
(2) |
die mindestens ein Polymer mit Siloxanstruktur enthält, |
(2.1) |
das mindestens eine ultraviolette Strahlungsanteile absorbierende Gruppierung trägt, |
(2.2) |
wobei das Polymer mit Siloxan-Struktur ein Diorganpolysiloxan ist, |
(2.3) |
das in seinem Molekül mindestens eine Einheit der Formel aufweist |
|
|
|
worin gilt: |
(2.3.1) |
R' bedeutet eine gesättigte oder ungesättigte C(1-30)-Kohlenwasserstoffgruppe, eine halogenierte C(1-8)-Kohlenwasserstoffgruppe oder eine Trimethylsi-lyoxygruppe, |
(2.3.2) |
a = 1 oder 2, |
(2.3.3) |
X = -A-Y, |
(2.3.3.1) |
worin A ein aliphatischer oder aromatischer zweiwertiger Kohlenwasserstoffrest mit mindestens zwei Kohlenstoffatomen ist, der gegebenenfalls ein oder mehrere Sauerstoffatome aufweist, und |
(2.3.3.2) |
Y den Rest eines Moleküls darstellt, das die UV-Strahlung filtert, |
(2.3.3.2.1) |
welcher ein 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazolrest ist, der nicht substituiert ist oder |
(2.3.3.2.2) |
an einem der aromatischen Kerne C(1-8)-Alkyl-, C(2-8)-Alkenyl-, Halogen-, Alkoxy-, Carboxy-, Hydroxy- oder Amino-Substituenten aufweist. |
4. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erkannte der Durchschnittsfachmann, ein Diplomchemiker, Pharmazeut oder Diplom-Biologe, der sich in das spezielle Fachgebiet der Kosmetik (Kosmetologie) intensiv eingearbeitet hat, daß Patentanspruch 24 des Streitpatents das technische Problem eines erwünschten hohen UV-Schutzes durch Kombination von zwei Komponenten löst: Als (anorganischer) UV-B-Filter werden partikuläre Metalloxide, z.B. Oxide des Titans, Zinks, Cers, Zirkons, Eisens oder aus deren Mischungen, mit einem mittleren Durchmesser von weniger als 100 nm (Nanopigmente) in einem kosmetisch geeigneten Trägermedium eingesetzt. Derartige Metalloxide zählen zu den Substanzen, die nicht in gelöster, sondern in partikulärer Form den Lichtschutz erbringen. Die hochdispersiven Metalloxide bewirken Reflexion, Absorption und Streuung der UV-Strahlen, wobei Teilchengrößen über 100 nm zur Reflexion des einstrahlenden Lichts und Teilchengrößen von weniger als 100 nm zur Absorption oder Streuung führen. Wie der Gutachter Dr. F. in seinem Gutachten (S. 5 f. der deutschen Übersetzung) verdeutlicht hat, verändert eine Verminderung der Teilchengröße die Absorptionskurve. Mit verringerter Teilchengröße vermindert sich die Absorption des sichtbaren Lichts; die UV-A-Absorption nimmt ab und die UV-B-Absorption zu. Titandioxid, wie im Streitpatent beschrieben, ist deshalb als überwiegendes UV-B-Sonnenschutzmittel mit Breitbandspektrumschutz zu klassifizieren.
Als zweite Komponente wird ein (organischer) Polymer-Sonnenschutzfilter mit Siloxan-Struktur (C-Si-O) vom Typ des Diorganopolysiloxan eingesetzt, das z.B. als chemisch daran gebundenen Chromophor das UV-Filtermolekül 2-(2'-Hydroxyphenyl)benztriazol oder Derivate davon (im folgenden als Benztriazol bezeichnet) trägt. Der organische Polymer-Sonnenschutzfilter ist ebenfalls ein Breitbandsonnenschutzmittel in den UV-A- und UV-B-Wellenlängenbereichen; er ist aufgrund seiner Polymerstruktur in öligen, lipophilen Trägern einschließlich Silikonölen löslich und erreicht die volle UV-Absorption nur in gelöstem Zustand. Er zeigt eine gute Haftung auf der Haut und wird vom Körper nicht resorbiert.
Durch das Mischen der beiden Breitbandsonnenschutzmittel kommt es zu einer Überlagerung der beiden Absorptionsbereiche und infolgedessen zu einer Verstärkung der Schutzwirkung. Gleichzeitig wird durch die spezielle Wahl der organischen Polymere mit Siloxan-Struktur eine unerwünschte Resorption weitgehend vermieden. Die organischen Polymere werden infolge ihrer Molekülgröße auch in gelöstem Zustand nicht durch die Haut resorbiert. Nanopigmente von Metalloxiden werden ebenfalls nicht vom Organismus aufgenommen.
Die vorgeschlagene Kombination verbessert den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge den Schutz mit organischen Polymeren. Da die optimale UV-A-Absorption nur von gelösten Molekülen erreicht wird, können mit dem beanspruchten Polymer höhere Konzentrationen und damit eine verbesserte Schutzwirkung erzielt werden. Als Folge können in Zusammensetzungen die beiden Filtersubstanzen in ihrer Konzentration herabgesetzt werden. Die Kombinationspräparate besitzen eine besonders hohe Effektivität.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 24 des Streitpatents ist neu (Art. 52 EPÜ). In keiner der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird die erfindungsgemäße Lehre vollständig beschrieben.
2. Die Lehre des Patentanspruchs 24 beruht allerdings nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Der Senat ist aufgrund des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterung sowie dessen Ergänzungen, des Gutachtens von Dr. F., aufgrund des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, daß die Kombination von zwei bekannten Breitbandsonnenschutzmitteln mit Sonnenschutzwirkung sowohl im UV-B- als auch im UV-A-Wellenbereich, nämlich eines anorganischen UV-Filters mit kolloidalen Metalloxiden und eines organischen UV-Absorbers gemäß Patentanspruch 24, dem einschlägigen Fachmann am Prioritätstag ohne erfinderisches Bemühen nahegelegt war.
a) Metalloxide, vornehmlich Titandioxid mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von 200 nm oder mehr, die auf der Haut eine weiße Schicht zurücklassen, wurden viele Jahre als Sonnenschutz verwendet. Der Fachwelt war am Prioritätstag des Streitpatents aus dem Stand der Technik bekannt, daß die bekannte, aber kosmetisch nicht akzeptable Weißfärbung durch Verringerung der mittleren Teilchengröße der Metalloxid-Pigmente vermieden werden kann.
Die US-amerikanische Patentschrift 5,032,390 beschreibt kosmetische Mittel gegen Sonnenbräune mit Metalloxid-Pigmenten des Zinks und Titans. Dabei wird hervorgehoben, daß „feines” Zinkoxid mit mittlerer Teilchengröße von 70 bis 300 nm und Titanoxid mit mittlerer Teilchengröße von 30 bis 70 nm als UV-Absorber geeignet sind und zugleich in Zubereitungen den Vorteil der Transparenz bieten. Es wird ausgeführt (S. 7 der Übersetzung), das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm zeige zusätzlich zum Schutz im UV-B-Bereich eine erhöhte Absorption und Streuung der Strahlen im UV-A-Bereich nahe 320 nm. Dies wird in Figur 5 der US-Druckschrift bestätigt. Wenn die dargestellten Kurven auch nicht mathematisch exakt seien, wie der gerichtliche Sachverständige dargelegt hat, so könne der Fachmann Figur 5 doch das Prinzip entnehmen, daß bei zunehmender Teilchengröße (von 15 nm bis 75 nm) der Höchstpunkt der Absorption aus dem UV-B-Bereich in den UV-A-Bereich verlagert werde. Bei einer Teilchengröße von 75 nm liegt nämlich der Höchstpunkt der Absorption bereits im UV-A-Bereich; bei kleineren Partikelgrößen, die ebenfalls von den geltenden Patentansprüchen des Streitpatents umfaßt sind, liegen die Maxima noch im Bereich von weniger als 320 nm Wellenlänge und damit im UV-B-Bereich. Diese Abhängigkeit der Absorption von der Teilchengröße des Titandioxids und die Verschiebung der Aktivitätspeaks vom UV-B-Bereich zum UV-A-Bereich bei zunehmender Teilchengröße wird in Figur 3 des Gutachten von Dr. F. bestätigt (S. 6 der Übersetzung).
Der mit der Verwendung von mikrofeinen Metalloxid verbundene Vorteil der Transparenz bei Sonnenschutzmitteln wird auch in der PCT-Anmeldung WO 90/11067 beschrieben, welche die Verwendung von Titandioxid mit einer mittleren Primärteilchengröße von etwa 15 nm und von mindestens einer weiteren Qualität Titandioxid mit einer mittleren Primärteilchengröße zwischen etwa 30 bis 50 nm in einem kosmetischen Träger vorschlägt: Diese Zusammensetzungen seien auf der Haut im wesentlichen transparent. Größere Partikel seien wegen der Erscheinung der „Weiße” ungeeignet. Das beschriebene Produkt liefere transparente Präparate (S. 1 und 3), die für den Verbraucher in ästhetischer Hinsicht akzeptabel seien. Sonnenschutzmittel mit einem relativ hohen Anteil an Titandioxid, beispielsweise zwischen 5 und 30 %, bewirkten einen ausreichenden Schutz gegen UV-A- und UV-B-Strahlen und seien sogar zur Behandlung von Patienten geeignet, die unter durch Lichteinwirkung bedingten Hautausschlägen litten (S. 9 f.). Ebenso schildert die Druckschrift „Degussa, Schriftenreihe Pigmente: Hochdisperse Metalloxide nach dem AEROSIL-Verfahren, Nr. 56”, Titandioxid P 25 mit einer mittleren Primärteilchengröße von etwa 21 nm besitze die Eigenschaften (S. 15), UV-Licht zu absorbieren und in Flüssigkeiten transparent zu sein. Es könne deshalb in kosmetischen und medizinischen Sonnenschutzpräparaten eingesetzt werden (S. 28).
b) Der Fachmann, der sich zur Vermeidung der nicht akzeptierten Weißfärbung für eine kleinere Teilchengröße der Metalloxide entschloß, konnte nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen aus den genannten Druckschriften ohne weiteres entnehmen, daß er mit dem Vorteil der Transparenz eines Sonnenschutzmittels zugleich einen verminderten Schutz gegen ultraviolette Strahlen einhandelte und daß er deshalb zur Verbesserung des Schutzes Maßnahmen ergreifen mußte. Schon wegen der erkannten Gefahr von Schäden durch UV-Strahlen sei der Fachmann veranlaßt gewesen, über eine Optimierung des Schutzes nachzudenken. Einen ersten Hinweis erhielt der Fachmann aus der US-amerikanischen Patentschrift 5,032,390. Aus dieser Druckschrift konnte er den Vorschlag entnehmen, Titanoxid und Zinkoxid zu kombinieren, um dadurch einen verbesserten Breitbandschutz im gesamten Bereich der UV-Strahlen zu erzielen. Während das Titanoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 40 bis 70 nm eine erhöhte Absorption der Strahlen im UV-B-Bereich nahe einer Wellenlänge von 320 nm zeigt, erreicht Zinkoxid mit einer mittleren Teilchengröße von 250 nm ein deutliches Absorptionsmaximum bei einer Wellenlänge nahe 370 nm im UV-A-Bereich (S. 7 der Übersetzung). Der Fachmann wird bei diesem Vorschlag allerdings auch den Nachteil erkannt haben, daß eine ausgesprochene UV-A-Filterwirkung erst ab höheren Teilchengrößen des Zinkoxids zu erwarten war, diese Teilchengröße aber wegen der Weißfärbung gerade nicht erwünscht war.
c) Verwarf der Fachmann diesen Weg wegen mangelnder Transparenz der Substanz, so erhielt er auf der Suche nach einem geeigneten Filter für den UV-A-Bereich aus der PCT-Anmeldung WO 90/11067 einen Hinweis dahin, daß sich andere Sonnenschutzmittel in die Zusammensetzungen mit Titanoxid einarbeiten lassen und daß als geeignete weitere Sonnenschutzmittel monomere organische Substanzen in Betracht kommen (S. 9), etwa Benzophenone. Einen entsprechenden Ansatz enthält auch die Degussa-Schrift, in der auf Kombinationen mit organischen UV-Absorbern hingewiesen wird (S. 16).
Eine Konkretisierung des organischen UV-Absorbers fand der Fachmann in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351. Diese schlägt als geeigneten organischen Filter kosmetische Zusammensetzungen mit Benztriazol vor. Aus dieser Druckschrift erfuhr der Fachmann, als Chromophor Benzophenon einzusetzen und chemisch mit dem Polymer Polysiloxan zu verknüpfen, sowie eine bessere Löslichkeit in lipophilen Trägern (Silikonöl) vorzusehen (S. 1, Z. 5). Ferner wird darauf hingewiesen, daß dieses Sonnenschutzmittel in Kombination mit anderen UV-Filtern verwendet werden kann, zum Beispiel in Kombination mit Titanoxid (Beispiel 2, S. 13, 14). Für den einschlägigen Fachmann lag es nahe, gerade diesen organischen Filter zu prüfen und eine Kombination mit Nanopigmenten von Metalloxiden in Erwägung zu ziehen. Wie der gerichtliche Sachverständige in Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, ist der Fachmann auf der Suche nach Verbesserung seiner Sonnenschutzmittel stets bestrebt, alle auf dem Markt erhältlichen, zugelassenen Hilfsstoffe, die als geeignete Filter in Frage kommen, zu überprüfen. Dazu habe er sich die Anforderungen vor Augen führen müssen, die an ein gutes Sonnenschutzpräparat gestellt werden: UV-Absorption im UV-A- und UV-B-Bereich, hohe Effektivität und geringe Gefahr der Resorption. Dem Fachmann sei bewußt gewesen, daß bei Vermeidung der Weißfärbung eine einzige Filter-Substanz diesen Anforderungen nicht genügen konnte und daß die Kombination von mehreren Filtern zusätzliche Vorteile bot, nämlich die Überlappung der UV-Absorptionsbereiche und damit bei niedrigerer Konzentration der Einzelkomponenten eine erhöhte Gesamteffektivität. Da bekannt gewesen sei, daß hohe Effektivität bei löslichen, d.h. nicht partikulären Zusammensetzungen erzielt werden könne, und zwar dann, wenn möglichst wenig Substanz ungelöst, d.h. in dispergierter Form vorliege, habe es auf der Hand gelegen, unter den organischen UV-A-Filtern (silikon-) öllösliche Substanzen auszuwählen. Zur Vermeidung unerwünschter Resorption des organischen Filters sei ein polymerer Filterstoff in Betracht gekommen, weil dieser infolge der Größe seiner Moleküle nicht durch die Haut dringe. Der Fachmann habe damit nach einem organischen Filter Ausschau halten müssen, der die erstrebten Eigenschaften vereinigte. Deshalb habe es für ihn nahe gelegen, als organischen Filter das in der französischen Offenlegungsschrift 2 657 351 offenbarte Benztriazol mit den als geeignete UV-Filter vornehmlich im UV-B-Bereich wirksamen, bekannten Metalloxiden mit einer Partikelgröße von weniger als 100 nm (Nanopigmenten) zu kombinieren.
d. Eine erfinderische Leistung folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einem „synergistischen” Effekt der nahegelegten Kombination.
aa) Die Beklagte hat zwar durch Vorlage von Versuchsprotokollen (Anlagen Jo1 und Jo5) einen synergistischen Effekt bei speziellen Filterkombinationen experimentell nachgewiesen. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sich in den untersuchten Fällen bei der erfindungsgemäßen Kombination ein überadditiver Effekt ergab. Er hat weiter ausgeführt, Effekte von Mischungen lägen zwar oftmals über den erwarteten Additionen der Einzelwirkungen der Komponenten. Hier sei aber eine deutliche Ausprägung vorhanden, die sich auch nicht aus der angewandten Methode erklären lasse. Deutlich werde dies aus den in der Anlage Jo1 Tabelle 2b beschriebenen Versuchen mit Titandioxid-Nanopigment (Metalloxid-Pigment 2 = 50 nm) und Siloxanpolymer 1 (Benztriazol) (B4) im Vergleich zum erfindungsgemäßen Siloxanpolymer 2 (Cinnamat) (B5). Danach erreicht die Zusammensetzung B1 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Pigment 2 allein einen Sonnenschutz-Wert (SPF) von 17,4 (+/- 2,3). Bei der Zusammensetzung B2 mit 12 % (erfindungsgemäßem) Siloxanpolymer 1 als alleiniger Wirksubstanz wird ein SPF-Wert von 6,2 (+/- 0,5) gemessen. Bei Zusammensetzung B3 mit 12 % (nicht erfindungsgemäßem) Polysiloxan 2 (Cinnamat) allein, wird ein SPF-Wert von 3,7 (+/- 0,6) gemessen. In der erfindungsgemäßen Mischung B4 mit 10 % Pigment 2 und 2 % Benztrialzol-Siloxanpolymer 1, d.h. mit einem Gesamtgewicht an Wirksubstanz von 12 %, liegt der SPF-Wert bei 28,7 (+/- 6,2); er ist viel höher als die SPF-Werte der Zusammensetzungen, welche die äquivalente Konzentration (d.h. 12 %) der einzelnen Wirkkomponenten enthalten. Rein additiv, so der gerichtliche Sachverständige, sei für diese Zusammensetzung ein Sonnenschutzfaktor (SPF) von etwa 15,5 zu erwarten gewesen. Nach der Tabelle 2b trete beinahe eine Verdoppelung der Wirkung ein, wenn nur ca. 2 % des Nanopigments in B1 durch erfindungsgemäßes Siloxanpolymer 1 (Benztriazol) ausgetauscht werde. Bei dem nicht-erfindungsgemäßen Siloxanpolymer vom Cinnamat-Typ (Siloxan-polymer 2) habe der gemessene SPF bei 16,9 und damit relativ nahe beim erwarteten additiven Wert von 15,2 gelegen. Verdeutlicht werde der Synergismus der speziellen Mischungen in Figur 7 des Gutachtens F. (S. 11 der deutschen Übersetzung), wobei davon auszugehen sei, daß bei kontinuierlichem Ansteigen und Abfallen der SPF-Kurve der gekennzeichnete Punkt in etwa den Maximalpunkt darstelle.
bb) Die Beklagte weist auch zutreffend darauf hin, nirgendwo im vorgelegten Stand der Technik finde sich ein Hinweis, daß ein derartiger synergistischer Effekt jemals beobachtet worden sei oder daß ein Auftreten eines solchen überadditiven Effekts hätte erwartet werden können. Gleichwohl kann im Streitfall ein solcher Effekt der erfindungsgemäßen Zusammensetzung die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 24 des Streitpatents nicht begründen.
Synergistische Effekte, die über die bloße Summenwirkung einer aus mehreren Stoffen zusammengesetzten Mischung hinausgehen, können als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden, wenn sie für den Fachmann unerwartet und überraschend sind (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 5. Aufl., § 4 Rdn. 74; Benkard/Bruchhausen, Patentgesetz, 9. Aufl., § 4 Rdn. 36; Benkard, Europäisches Patentübereinkommen, Art. 56 Rdn. 98). Dies setzt bei der Kombination bekannter Stoffe allerdings voraus, daß Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Kombination als solche nicht nahegelegt war. War die Kombination von zwei Wirkstoffen wie im vorliegenden Fall, dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überraschender Effekt die erfinderische Leistung der Kombination jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn – wie hier – für den Fachmann Anlaß bestand, von dem im Stand der Technik ausgelegten Maßnahmen Gebrauch zu machen. Da – wie dargelegt – die im Prioritätszeitpunkt neu gewonnenen Erkenntnisse zur Schädlichkeit von UV-Strahlen über den gesamten Bereich den Fachmann nach Möglichkeiten zu einer Verbesserung des Sonnenschutzes über das gesamte UV-Spektrum suchen lassen mußten, beschränkte sich die Leistung eher darauf, im Zuge dieser Suche von Kombinationsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, auf die er im Stand der Technik hingewiesen worden war. Der von der Beklagten in den Vordergrund ihrer Argumentation gerückte unerwartete Effekt ist lediglich eine zwangsläufige Folge dieser durch die im Stand der Technik veranlaßten und durch ihn nahegelegten Kombination der im Streitpatent unter Schutz gestellten Maßnahmen; in einem solchen Fall kann auch ein auf einer solchen Kombination beruhender unerwarteter und überraschender Effekt eine erfinderische Tätigkeit allein nicht begründen.
3. Die Lehre der auf den Patentanspruch 24 des Streitpatents unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Unteransprüche 25 bis 37 sowie des Verfahrensanspruch 38 ist nicht neu, jedenfalls aber durch den Stand der Technik dem Fachmann nahegelegt.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2. PatGÄndG weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 PatG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen
Haufe-Index 905845 |
BGHR 2003, 555 |
GRUR 2003, 317 |
Nachschlagewerk BGH |
BPatGE 2003, 277 |
Mitt. 2003, 207 |