Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.03.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf, gemeinsam mit weiteren Tätern am 24. Februar 2014 unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einen bewaffneten Raubüberfall auf das Juweliergeschäft P. im … -Z. in S. begangen zu haben, freigesprochen. Es konnte sich von einer Tatbeteiligung des Angeklagten nicht überzeugen. Mit ihrer gegen diesen Freispruch gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Rz. 2
Das Landgericht hat hinsichtlich des Überfalls folgende Feststellungen getroffen:
Rz. 3
Am 24. Februar 2014 gegen 12.00 Uhr betraten die gesondert Verfolgten Mi. B. und … V. zusammen mit einem weiteren Täter das Juweliergeschäft P. im … -Z. in S.. V. betrat als erster das Geschäft und richtete seine mitgeführte Pistole auf zwei im Geschäft arbeitende Mitarbeiter und gab ihnen sowie einer weiteren Angestellten zu verstehen, sich auf den Boden zu legen. Mi. B., der Bruder des Angeklagten M. B., trug eine Schiebermütze; er ging direkt zu den Uhrenvitrinen und schlug mit einer Axt die Scheiben ein. Er entnahm sodann Uhren der Marke Breitling und verstaute sie in seinem Rucksack. Zeitgleich schlug ein weiterer Täter, der mit einer Baseball-Kappe bekleidet war, die Schaufensterscheibe mit einer Axt von innen ein und entnahm aus der Auslage zahlreiche Uhren sowie Modeschmuck, die er in eine Umhängetasche packte. Die Täter erbeuteten Uhren und Schmuck im Gesamtwert von über 265.000 EUR. Sie flüchteten zu Fuß zu einer in der Nähe gelegenen Bundesstraße, wo ein Auto auf sie wartete, mit dem sie davonfuhren. Der dritte Räuber wies – so das Landgericht – Ähnlichkeiten mit dem Angeklagten und dessen Bruder, Mi. B., auf. Dass es sich tatsächlich um den Angeklagten handelte, war – trotz zahlreicher belastender Indizien – nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die Verfahrensbeanstandung nicht ankommt.
Rz. 5
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht hat überzeugen können, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie weist Lücken auf, weil nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise dargelegt ist, warum es dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch., der es als „wahrscheinlich” angesehen hat, dass der Angeklagte der (dritte) Täter mit der Adidas-Baseball-Kappe gewesen sei, nicht gefolgt ist.
Rz. 6
Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber zu einem anderen Ergebnis, so muss es sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinander setzen, um zu belegen, dass es über das bessere Fachwissen verfügt (vgl. BGH NStZ 2013, 55, 56). Es muss insbesondere auch dessen Stellungnahme zu den Gerichtspunkten wiedergeben, auf die es seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH NStZ 2000, 550) und unter Auseinandersetzung mit diesen seine Gegenansicht begründen, damit dem Revisionsgericht eine Nachprüfung möglich ist (vgl. BGH NStZ 1994, 503).
Rz. 7
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht teilt zwar die Einschätzung des Sachverständigen mit, der bei einem Vergleich von Bildern des Angeklagten mit Aufnahmen einer Überwachungskamera von der Tatbegehung keine erheblichen Abweichungen festgestellt, zudem diverse Merkmalsähnlichkeiten erkannt und es insoweit als „wahrscheinlich” angesehen hat, dass der Angeklagte mit dem Täter auf dem Überwachungsvideo identisch sei. Die Strafkammer legt auch noch dar, dass sie „dem nicht in vollem Umfang aus eigener Überzeugung zu folgen vermochte”, da die von dem Sachverständigen aus dem Videomaterial gewonnenen und für einen Vergleich herangezogenen Lichtbilder teilweise so unscharf gewesen seien, dass die Kammer die Konturen nicht mit der gleichen Sicherheit wie der Sachverständige als diejenigen des Angeklagten identifizieren konnte. Sie versäumt es aber, der eigenen Einschätzung von der mangelnden Qualität der Tatortbilder die Stellungnahme des Gutachters gegenüber zu stellen und zu erläutern, warum dieser in den Bildern (noch) eine hinreichende Grundlage für die Fertigung eines anthropologischen Gutachtens sieht und aus welchem Grund sie sich dem gleichwohl nicht anzuschließen vermag. Ohne nähere Kenntnis dieser Umstände ist es dem Senat – trotz einiger in Bezug genommener Lichtbilder, die die Strafkammer durchaus nachvollziehbar als „so verschwommen” bezeichnet hat, dass sie hierauf verlässlich einen Vergleich nicht stützen konnte – nicht möglich nachzuprüfen, ob der Einschätzung der Strafkammer die hierfür erforderliche Sachkunde zugrunde liegt.
Rz. 8
Dieser Darlegungsmangel führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei der gebotenen Würdigung des anthropologischen Gutachtens zu einer anderen Einschätzung gelangt und daraus die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte.
Rz. 9
Die Sache bedarf, zweckmäßigerweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen, neuer Verhandlung und Entscheidung.
Unterschriften
Appl, Krehl, Eschelbach, Bartel, Grube
Fundstellen
Haufe-Index 10764450 |
NStZ-RR 2017, 222 |
StV 2018, 789 |
RPsych 2017, 542 |