Leitsatz (amtlich)
Ein im Rahmen eines Werkförderungsvertrages geschlossener Mietvertrag zwischen dem Darlehensgeber und dem Bauherrn über von diesem zu errichtende Wohnungen, die bestimmungsgemäß an die Bediensteten des Darlehensgebers untervermietet werden sollen, ist kein Mietvertrag über Wohnraum im Sinne des § 29 a ZPO.
Normenkette
ZPO § 29a
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 05.11.1979) |
LG München I (Urteil vom 10.01.1979) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. November 1979 und das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 10. Januar 1979 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren – an das Landgericht München I zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 1. Dezember 1969 eine als Werkförderungsvertrag bezeichnete Vereinbarung. In dieser verpflichteten sich die Kläger, in der A. –R. –Straße Nr. 70, 72, 72 a und 74 in M. eine Wohnanlage zu errichten. Diese vermieteten sie der Beklagten auf die Dauer von zehn Jahren. Die Beklagte gewährte den Klägern für den
Neubau ein unverzinsliches Darlehen von 500 000 DM, § 6 Nr. 1 des Werkförderungsvertrages lautet, der Bauherr vermiete die Wohnanlage einschließlich Hof- und Tiefgaragen in seiner Gesamtheit an die Beklagte zur Nutzung als Wohnungen und Wohnraum für ihre in- und ausländischen Betriebsangehörigen. Als Mietzins vereinbarten die Parteien jährlich 495 180 DM. In § 7 Nr. 1 des Vertrages ist ausgeführt, bei der Mietfeststellung sei berücksichtigt worden, daß die Beklagte einen mietzinsmindernden Beitrag zur Finanzierung leiste, die Lasten für die Hausmeisterei übernehme und durch die Globalanmietung u. a. auch das Mietrisiko für den Bauherrn ausschalte.
In § 7 Nr. 2 b ist vereinbart:
„Jeweils am 1.10.1973, 1.10.1976 und 1.10.1979 hat eine Neufestsetzung der Miete zu erfolgen, die am 1. Januar des Folgejahres wirksam wird. Die Neufestsetzung der Miete erfolgt dabei in der Weise, daß der in § 7 Abs. 1 vereinbarte Mietzins in dem Verhältnis erhöht oder ermäßigt wird, in welchem sich seit Abschluß des Vertrages oder seit der letzten Neufestsetzung der Miete der Lebenshaltungskostenindex des Statistischen Bundesamtes für mittlere Arbeitnehmerhaushalte erhöht oder ermäßigt hat. Jeder Vertragsteil ist berechtigt – wenn die Neufestsetzung zu den genannten Terminen nicht erfolgt –, die Neufestsetzung auch jeweils nachträglich mit Wirkung von den jeweiligen Änderungsterminen ab zu verlangen.”
Aus dieser vor der Landeszentralbank in Bayern genehmigten Wertsicherungsklausel machen die Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 30. September 1979 eine Mietzinserhöhung von monatlich 7 867 DM, insgesamt 259 611 DM, nebst Zinsen geltend.
Das Landgericht und das Berufungsgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger den Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Landgerichts, hier sei erstinstanzlich die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 29 a ZPO gegeben. Es meint, die Klage sei auf Erfüllung eines Mietvertrages über Wohnraum gerichtet. Zwar werde in der Rechtsprechung und im Schrifttum die Auffassung vertreten, ein Mietvertrag, den eine juristische Person in der Absicht schließe, die Räume Angehörigen ihres Betriebes zu Wohnzwecken zu überlassen, sei als Mietvertrag über Geschäftsräume anzusehen. Diese Auffassung sei aber unrichtig. Geschäftsraummiete könne in einem solchen Fall nur dann angenommen werden, wenn unmittelbar aus der Weitervermietung ein Gewinn erzielt werde, nicht aber, wenn der Mieter durch die Weitervermietung nur eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Position erstrebe. Hier habe bereits bei Beginn des Mietverhältnisses festgestanden, daß die Weitervermietung an die Angehörigen des Betriebes der Beklagten zu einem niedrigeren Mietzins erfolgen werde, als ihn die Beklagte habe zahlen müssen. Die Annahme von Geschäftsraummiete sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Kläger im Hinblick auf den sozialen Zweck der Wohnraumschutzgesetze keinen Anspruch darauf hätten, wirtschaftlich besser gestellt zu werden, als wenn sie die Wohnungen direkt an die Arbeitnehmer der Beklagten vermietet hätten.
2. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a) Der Begriff des Wohnraums im Sinne des § 29 a ZPO entspricht dem des Wohnraums im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das ist nicht nur deswegen anzunehmen, weil § 29 a ZPO auf Bestimmungen des BGB verweist (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 12. Aufl. § 29 a Rdn. 4), sondern vor allem deshalb, weil das Dritte Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1248), durch welches die Bestimmung neu in die Zivilprozeßordnung eingeführt wurde, zugleich Vorschriften des BGB geändert hat, in denen ebenfalls der Begriff des Wohnraums verwendet wurde, ohne daß ein Unterschied in der Begriffsbestimmung gemacht wurde. Auch die diesem Gesetz nachfolgende Mieterschutzgesetzgebung (das Erste und Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz) versteht den Begriff nicht anders. Das ist auch die einhellige Meinung in der Rechtsprechung und im Schrifttum.
b) Die Auffassungen darüber, ob Werkförderungsverträge, die ausgestaltet sind wie im vorliegenden Fall, als Mietverträge über Wohnraum anzusehen sind, sind geteilt.
aa) Roquette (Das Mietrecht des BGB, § 535 Rdn. 148) meint, der Gegenstand solcher Verträge sei nicht Wohnraum, weil auf den von den Vertragsteilen gewollten Zweck abgestellt werden müsse, dieser aber nicht darauf gerichtet sei, dem Mieter die Räume als Wohnung zu überlassen, sondern darauf, daß der Mieter die Räume aus geschäftlichem Interesse weitervermiete. Daß letzteres zu Wohnzwecken geschehe, könne dem Mietvertrag nicht den Charakter eines solchen über Wohnraum verleihen, weil es auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Mieter und dem Dritten nicht ankomme. Roquette lehnt sich mit seiner Auffassung an die Entscheidung RGZ 124, 4 an, in welcher das Reichsgericht in einem Fall, in dem Läden zum Betrieb von Filialen je mit einer für die Filialleiterin bestimmten Wohnung vermietet worden waren, angenommen hat, die zum Wohnen genutzten Räume unterlägen nicht dem nur für Mietverträge über Wohnraum damals geltenden Mieterschutz, weil der vom Gesetz gewährte Schutz nur das Vertragsverhältnis der Vertragsparteien erfasse, ein als Wohnung zu benutzender Raum deshalb nur dann als Wohnraum bezeichnet werden könne, wenn er nach dem Verhältnis der Vertragschließenden zueinander als solcher bestimmt sei, d. h. dem Mieter selbst als Wohnung dienen könne. Das Reichsgericht hat in diesem Fall die Auffassung vertreten, das Wohnen durch den Mieter sei objektiv unmöglich, weil er eine juristische Person sei, vor allem aber sei, worauf es entscheidend ankomme, im Vertrag zum Ausdruck gekommen, daß die zum Wohnen bestimmten Räume dem mit dem Mietvertrag verfolgten Geschäftszweck des Mieters dienen sollten. Dieser Entscheidung hat sich auch das Landgericht Frankfurt am Main angeschlossen (ZMR 1971, 225).
bb) Demgegenüber stellen Schmitt-Futterer/Blank (Wohnraumschutzgesetze, 3. Aufl. Rdn. B 9) bei Erörterung des geltenden Kündigungsschutzes unter Berufung auf das Landgericht München (ZMR 1974, 49, 51) nicht auf den vom Mieter mit der Anmietung verfolgten Zweck, sondern; darauf ab, wie die Räume nach dem Willen der Vertragsteile letztlich genutzt werden sollen. Sie meinen deshalb, ein Mietvertrag über Wohnräume sei auch dann anzunehmen, wenn eine juristische Person ein Haus oder eine Wohnung anmiete, um die Räume ihren Betriebsangehörigen als Wohnung zu überlassen. Diese Ansicht teilen Staudinger/Emmerich (BGB, 12. Aufl. vor §§ 535, 536 Rdn. 25) und Sternel (Mietrecht, 2. Aufl. S. 13, 735). Auch Gelhaar (BGB-RGRK, 12. Aufl. vor § 535 Rdn. 21), der sich ebenfalls auf das Landgericht München bezieht, ist offenbar dieser Ansicht. Das Landgericht München (aaO) führt aus, für den Wohnraumbegriff im Sinne des Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes sei darauf abzustellen, woran der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache bestehe Als vertragsgemäßen Gebrauch sieht es das Wohnen auch dann an, wenn vorgesehen ist, daß nicht der Mieter, sondern ein Arbeitnehmer des Mieters die Räume als Dienstwohnung nutzt. Es meint, diese Auslegung sei auch nach dem gesetzgeberischen Ziel, das mit dem Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz habe erreicht werden sollen, geboten.
cc) Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Reichsgerichts, daß ein Mietvertrag, nach dem nicht der Mieter, sondern Bedienstete des Mieters zur Nutzung der Räume als Wohnung berechtigt sind, nicht als Wohnungsmietvertrag bezeichnet werden kann.
Wenn das Landgericht München meint, entscheidend sei darauf abzustellen, worin der vertragsgemäße Gebrauch liege, so ist dieser Gesichtspunkt richtig. Es verkennt aber, daß die Frage nach dem vertragsmäßigen Gebrauch nach dem Vertragsgegenstand gewordenen Zweck zu beurteilen ist, den der Mieter mit der Anmietung verfolgt, und daß bei der Anmietung von Räumen, die nach dem Mietvertrag Angestellte des Mieters als Dienstwohnung nutzen sollen, der vertragsmäßige Gebrauch durch den Mieter für die Vertragsteile gerade nicht im Wohnen, sondern im Weitervermieten liegt. Der Vertragszweck für den Mieter ist es in einem solchen Fall, Räume für seine Angestellten zur Verfügung zu haben, um damit seinem Geschäftsbetrieb zu dienen. Das aber ist ein wirtschaftlicher und kein Wohnzweck. Nach § 6 Nr. 1 des Werkförderungsvertrages hat die Beklagte die Räume zur Nutzung als Wohnungen und Wohnheim für ihre in- und ausländischen Betriebsangehörigen gemietet. Mögen auch, wie die Revisionserwiderung vorträgt, soziale Gesichtspunkte mitbestimmend für die Beklagte gewesen sein, den Vertrag abzuschließen, so liegt es aber doch auf der Hand und wird von ihr auch nicht bestritten, daß die Anmietung der Unterstützung ihrer Geschäftsinteressen diente. Sie wollte mietzinsgünstige Wohnungen zur Verfügung haben, um auf diese Weise am – jedenfalls seiner Zeit – angespannten Arbeitsmarkt einen Wettbewerbsvorsprung zu haben. Daß die Beklagte durch die Weitervermietung als solche keinen Gewinn erzielt, steht der Annahme, daß sie die Wohnanlage zur Förderung ihres Geschäftsbetriebes mietete, nicht entgegen. Damit scheidet aber die Annahme von Wohnraummiete aus.
Da bereits aus den dargelegten Gründen hier ein Wohnungsmietvertrag nicht angenommen werden kann, bedarf es keiner Erörterung, ob für die Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Senats auch die vom Bundesfinanzhof vertretene Ansicht spricht, an Betriebsangehörige zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke eines Wirtschaftsunternehmens gehörten zu dessen Betriebsvermögen dann, wenn für die Vermietung der Wohnungen gerade an Betriebsangehörige betriebliche Gründe maßgebend gewesen seien (vgl. BFH Urteil vom 1. Dezember 1976 – I R 73/74 = BStBl 1977 Teil 2 S. 315). Jedenfalls steht sie der hier vorgenommenen Auslegung des Begriffs des Wohnraummietvertrag es nicht entgegen.
3. Da demnach § 29 a ZPO nicht anwendbar ist, war nicht das Amtsgericht, sondern auch § 71 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Nr. 1 GVG das Landgericht zur Entscheidung in erster Instanz zuständig. Es liegt deshalb ein absoluter Revisionsgrund nach § 551 Nr. 4 ZPO vor.
Das Berufungsurteil mußte demnach aufgehoben werden. Die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung hatte an das Landgericht zu erfolgen. Nach § 538 Nr. 2 ZPO liegt ein Fall vor, in dem die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht an das Landgericht notwendig ist. Zu einer solchen Entscheidung über die Berufung ist das Revisionsgericht selbst in der Lage (vgl. für den Fall des § 539 ZPO das nicht veröffentlichte Senatsurteil vom 8. Oktober 1980 – VIII ZR 268/79).
Dem Landgericht war auch die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelinstanzen zu übertragen, weil der endgültige Erfolg der Rechtsmittel von der Entscheidung in der Hauptsache abhängt.
Unterschriften
Braxmaier, Dr. Hiddemann, Wolf, Dr. Skibbe, Treier
Fundstellen
Haufe-Index 542376 |
Nachschlagewerk BGH |