Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.12.1990) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 2) und 3) wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1990 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind Testamentsvollstrecker nach H. (Erblasser). Sie verlangen gemäß § 2219 BGB Schadensersatz, und zwar jetzt noch von den Beklagten zu 2) und 3), die durch Beschluß des Nachlaßgerichts aus ihrem Amt als Testamentsvollstrecker entlassen worden sind.
Im notariellen Testament vom 29. Januar 1969 hatte der Erblasser in Abschnitt IV. auf sein Angebot Bezug genommen, dem C.-verband für den R.-Kreis e.V. Grundstücke an der S.-Straße in M. unter der Auflage zu schenken, dort „Einrichtungen oder Bauten für in Not befindliche Kinder und in Not befindliche Ehepaare oder Alleinstehende … aller Konfessionen zu errichten”. Hierfür sollten die Testamentsvollstrecker, wenn die Auflage erfüllt werde, einen Betrag bis zu 300.000 DM nach Gutdünken zur Verfügung stellen. Wenn dieses Projekt nicht verwirklicht werde, sollten die Testamentsvollstrecker die Grundstücke einer anderen Wohlfahrtsorganisation übertragen und dieser den genannten Betrag zahlen. Ferner hatte der Erblasser in Abschnitt VI. des Testaments angeordnet, seine übrigen unbebauten Grundstücke zu veräußern und das Barvermögen sowie den Reinertrag seiner bebauten Grundstücke hilfsbedürftigen Menschen in M. nach dem Gutdünken der Testamentsvollstrecker zukommen zu lassen. Durch notarielles Testament vom 21. April 1970 hob der Erblasser die Bestimmung auf, dem C.-verband bzw. einer anderen Wohlfahrtsorganisation bis zu 300.000 DM für die Errichtung eines Heims in der S.-straße zur Verfügung zu stellen. Eine Begründung für diese Änderung ist dem Testament nicht zu entnehmen.
Noch zu seinen Lebzeiten übertrug der Erblasser die Grundstücke an der S.-straße auf den C.-verband. Nach seinem Tod am 15. Januar 1973 bat die Caritas, ein Architektenhonorar für Vorplanungsarbeiten auf diesem Gelände in Höhe von 81.598,43 DM zu begleichen. Die Beklagten zu 2) und 3) überwiesen den Betrag aus Nachlaßmitteln. Das Projekt wurde aber nicht verwirklicht.
Das Landgericht hat die Klage auf Erstattung der 81.598,43 DM nebst Zinsen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt. Mit der Revision erstreben sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Nach seiner Auffassung läßt sich zwar nicht mehr aufklären, was den Erblasser bewogen hat, die Bestimmung über die Zahlung von 300.000 DM aufzuheben. Wenn der Erblasser der C. aber keinen Zuschuß zu der Errichtung des Heims habe zukommen lassen wollen, hätten die Testamentsvollstrecker ihr diesen Zuschuß auch nicht auf dem Umweg über die Anordnung in Abschnitt VI. des Testaments von 1969 geben dürfen, die sie ganz allgemein zur Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen verpflichtete. Dort gehe es um eine andere Aufgabe als die der Errichtung des Helms in der S.-straße; für beide Aufgaben seien unterschiedliche Mittel vorgesehen worden. Daß Abschnitt VI. des Testaments von 1969 die Testamentsvollstrecker ermächtigt, die Mittel „nach ihrem Gutdünken” einzusetzen, bedeute nicht, daß sie den Nachlaß umschichten und etwa das gesamte Barvermögen sowie die Erträge aus den bebauten Grundstücken ausschließlich zur Errichtung des Heims verwenden dürften. Im übrigen habe der Erblasser zu Lebzeiten zum Ausdruck gebracht, daß er Gelder für den Bau nur geben wolle, wenn die C. das Heim tatsächlich errichte („Ich tue noch mehr dazu, aber fangt erst mal an”). Daher hätte er jedenfalls nichts für die Vorplanung gegeben, zumal das Risiko bestand, daß diese Kosten nutzlos aufgewandt wurden. Dies hätten die Beklagten zu 2) und 3) auch erkennen können.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
I. 1. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO dem Vorbringen der Beklagten nicht nachgegangen ist, der Erblasser habe mit der Aufhebung seiner Bestimmung über die Zahlung von 300.000 DM nicht beabsichtigt, Zuschüsse an den C.-verband zum Bau des Heims aufgrund der Anordnung in Abschnitt VI. des Testaments von 1969 zu verbieten. Zum Beweis haben sich die Beklagten auf das Zeugnis des die Testamente beurkundenden Notars berufen (Bl. 186, 203 GA). Diesen Beweis hätte das Berufungsgericht erheben müssen, selbst wenn es seine Auslegung der Testamente für eindeutig hielt (vgl. BGHZ 86, 41, 45 ff.).
2. Die Testamente sind Ihrem Wortsinne nach nicht eindeutig, sondern lassen die von den Beklagten vertretene Auslegung zu. Das unterliegt der Prüfung des Revisionsgerichts (BGHZ 32, 60, 63).
a) Die in den Abschnitten IV. und VI. des Testaments von 1969 umschriebenen Aufgaben sind eng miteinander verwoben. Die Personen, für die das Heim gebaut werden sollte, gehören auch zum Kreis derer, denen die Erträge der bebauten Grundstücke und das Barvermögen zugewandt werden sollten.
Die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen in Abschnitt VI. des Testaments von 1969 ist dem Gutdünken der Testamentsvollstrecker überlassen; damit ist eine Hilfe, die mittelbar über eine Organisation gewährt wird, nicht zwangsläufig ausgeschlossen. Unter den weit gefaßten Wortlaut des Abschnitts VI. kann mithin auch ein. Baukostenzuschuß an den C.-verband für ein Heim fallen, das den in Abschnitt VI. begünstigten Menschen helfen soll.
Nur die besondere Regelung, die 1969 im Abschnitt IV. des Testaments für Zuschüsse zum Bau des Helms in der S.-straße getroffen worden war, konnte vor Errichtung des Änderungstestaments im Jahr 1970 den Schluß rechtfertigen, daß jedenfalls für dieses Heim weitere Zuschüsse, als sie im Abschnitt IV. vorgesehen waren, auch nicht aufgrund des Abschnitts VI. geleistet werden durften.
b) Gerade diese Regelung ist durch das Testament von 1970 aufgehoben worden. Damit kann zwar der ursprüngliche Anwendungsbereich des Abschnitts VI. unberührt geblieben sein, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Der Revision ist aber zuzugeben, daß die Regelung in Abschnitt VI., wenn sie nicht mehr im Zusammenhang mit der zunächst in Abschnitt IV. getroffenen besonderen Bestimmung für Zuschüsse zum Bau des Helms verstanden werden muß, als Generalklausel aufgefaßt werden kann, die auch derartige Baukostenzuschüsse erlaubt. Es mag verwundern, daß der Erblasser nach der Behauptung der Beklagten den Willen, dem C.-verband nach Gutdünken der Testamentsvollstrecker auch Baukostenzuschüsse von mehr als 300.000 DM zu gewähren, gerade dadurch ausgedrückt haben sollte, daß er die Regelung über einen begrenzten Baukostenzuschuß in Abschnitt IV. seines Testaments von 1969 widerrief von vornherein auszuschließen ist ein solcher Wille des Erblassers aber nicht, zumal er durch den Notar, der die Testamente beurkundet hat, juristisch beraten war. Es ist vorstellbar, daß er den C.-verband zu eigenen Anstrengungen herausfordern wollte, indem er die Zusage eines Baukostenzuschusses widerrief, zugleich aber vermeiden wollte, daß das Heim wegen finanzieller Schwierigkeiten nicht gebaut wurde.
Aus dem Wortlaut der Testamente läßt sich der Wille des Erblassers mithin nicht eindeutig entnehmen. Das Berufungsgericht wird die Testamente also unter Berücksichtigung aller dazu vorgetragenen Umstände erneut auszulegen haben.
II. Auch wenn die Beklagten gemäß Abschnitt VI. des Testaments von 1969 Baukostenzuschüsse leisten durften, ist damit der von den Klägern erhobene Vorwurf der Pflichtwidrigkeit noch nicht ausgeräumt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten jedenfalls Vorplanungskosten, um die es sich hier handelt, nicht aus dem Nachlaß finanzieren dürfen, läßt sich indessen auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts nicht aufrechterhalten.
Soweit das Berufungsgericht auf die Formulierung in Abschnitt IV. des Testaments von 1969 abhebt, wonach ein Zuschuß nur „für die Errichtung der erforderlichen Bauten” in Betracht gekommen sei, und daraus schließt, Vorplanungskosten habe der Erblasser in keinem Fall unterstützen wollen, weist die Revision mit Recht darauf hin, daß sich die Aufhebung dieses Abschnitts im Testament von 1970 ausdrücklich auf die in Rede stehende Formulierung erstreckt. Nimmt man beide Testamente zusammen, läßt der Wortlaut selbst unter Berücksichtigung der Erklärung des Erblassers, „er werde noch mehr dazutun, wenn der C.-verband erst einmal angefangen habe”, auch den Schluß als möglich erscheinen, daß der Bau nicht nur mit mehr als 300.000 DM, sondern auch durch Übernahme von Vorplanungskosten unterstützt werden könne, wenn der C.-verband mit der Verwirklichung des Planes wenigstens begonnen habe.
III. Nach der bisherigen Sach- und Rechtslage kann ein Verschulden der Beklagten nicht ausgeschlossen werden. Daß sie von der Auslegung der Testamente, der das Berufungsgericht letzten Endes den Vorzug geben wird, möglicherweise abgewichen sind, gereicht ihnen allerdings nicht zum Verschulden, wenn sie nach sorgfältiger Ermittlung aller erkennbar erheblichen Anhaltspunkte für die Auslegung der Testamente zu einer Immerhin vertretbaren Auslegung gelangt sind.
Unterschriften
Bundschuh, Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Ritter, Römer, Dr. Schlichting
Fundstellen