Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchte Anstiftung zum Mord
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bückeburg vom 3. Juli 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Kosten dieses Rechtsmittels sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Eröffnungsbeschluß ist insoweit fehlerhaft, als er die Sache der Großen Strafkammer anstelle der tatsächlich zuständigen Schwurgerichtskammer (§ 74 Abs. 2 Nr. 4 GVG (vgl. Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 74 Rdn. 8)) zuwies. Darin liegt zwar ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit nach § 74 e GVG. Dieser ist aber nicht gerügt, § 338 Nr. 4, § 6 a StPO.
Mit ihren Revisionen rügen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte erhebt darüber hinaus mehrere Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, das Rechtsmittel des Angeklagten hat dagegen Erfolg.
Revision der Staatsanwaltschaft
Mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die mildernde Berücksichtigung der Tatsache, daß der Zeuge B. von vornherein nicht bereit war, an einer Straftat des Angeklagten teilzunehmen und die Tat des Angeklagten deshalb von Anfang an objektiv betrachtet nicht gefährlich gewesen sei. Das Rechtsmittel ist unbegründet. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hin, daß bei Taten nach § 30 StGB neben dem Gewicht der verabredeten Tat sowohl der Grad der objektiven Rechtsgutsgefährdung als auch die subjektiv aufgewendete kriminelle Energie des Täters berücksichtigt werden muß (vgl. BGHR StGB § 30 Abs. 1 Satz 2 Strafzumessung 1). Zu Recht hat daher die Strafkammer neben anderen Strafzumessungserwägungen das in der Tat enthaltene geringe Bedrohungspotential strafmildernd berücksichtigt.
Revision des Angeklagten
1. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge der Verletzung des letzten Wortes, § 258 Abs. 2 2. Halbs., Abs. 3 StPO, Erfolg. Auf die übrigen Verfahrensrügen und die Sachrüge kommt es daher nicht an. Der Rüge liegt ausweislich der Sitzungsniederschrift folgender Verfahrensablauf zugrunde:
In der Hauptverhandlung vom 30. Juni 2000 hielten die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger ihre Schlußvorträge. Die Staatsanwaltschaft beantragte dabei, den Haftverschonungsbeschluß aufzuheben und den Haftbefehl in Vollzug zu setzen. Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Nach Beratung erließ die Strafkammer einen den Antrag der Staatsanwaltschaft ablehnenden Beschluß, bejahte inzidenter den dringenden Tatverdacht und verschärfte die Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO. Dem Angeklagten wurde aufgegeben, seinen Bundespersonalausweis und seinen Reisepaß bei der Polizei Stadthagen zu hinterlegen. Zur Begründung führte die Strafkammer an, mit den Auflagen werde die Fluchtgefahr ausreichend herabgemildert. Anschließend wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Sie wurde am 3. Juli 2000 mit der Verkündung des Urteils fortgesetzt.
Dieses Verfahren war rechtsfehlerhaft. Nach Verkündung des Beschlusses am 30. Juni 2000 hätte dem Angeklagten erneut das letzte Wort gewährt werden müssen, weil die Strafkammer damit wieder in die Verhandlung eingetreten war. Zwar kann die Haftentscheidung grundsätzlich auch nach dem Urteil oder außerhalb der Hauptverhandlung verkündet werden. Wählt aber die Strafkammer das vorliegende Vorgehen, so liegt ein Wiedereintritt in die Verhandlung jedenfalls dann vor, wenn das Gericht in der verkündeten Zwischenentscheidung den dringenden Tatverdacht inzidenter bekräftigt und eine Verschärfung der Haftauflagen anordnet (vgl. BGHR StPO § 258 III Wiedereintritt 8 m.w.Nachw.).
Der Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung des Urteils. Der Senat kann nicht ausschließen, daß der den Tatvorwurf bestreitende Angeklagte sich im Falle der Gewährung des letzten Wortes anders zu den Tatvorwürfen eingelassen, ggf. ein Geständnis abgelegt hätte, um eine Strafmilderung zu erreichen.
2. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung auf folgendes hin: Kommt es für die Verwertung einer Urkunde auf deren genauen Wortlaut an, so ist sie, auch wenn sie bereits in Augenschein genommen worden ist, grundsätzlich durch Verlesung gemäß § 249 StPO in die Hauptverhandlung einzuführen (vgl. BGH NStZ 2001, 161; StV 1999, 359).
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Boetticher, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 584454 |
StV 2001, 438 |
StV 2002, 120 |