Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Sowie wegen zwei rechtlich zusammentreffender Vergehen der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über halbautomatische Selbstladewaffen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten B. wegen rechtlich zusammentreffender Vergehen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, des unerlaubten Erwerbs und des unerlaubten Besitzes solcher Mittel zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die Revision des Angeklagten Sch. erhebt zahlreiche Verfahrensrügen und die allgemeine Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ebenso wie die auf den Strafausspruch beschränkte, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten B. ohne Erfolg.
A. Revision des Angeklagten Sch.
I. Verfahrensrügen
1. Die mit Schriftsatz des Rechtsanwalts H. vom 6. August 1984 vorgebrachten Beanstandungen greifen nicht durch.
a) Die auf eine Verletzung der §§ 45 Abs. 2, 77 Abs. 1 GVG gestützte Besetzungsrüge ist unbegründet. Den Anforderungen an die Herstellung von Öffentlichkeit bei der Schöffenauslosung ist genügt worden.
Die Auslosung der Schöffen fand im Dienstzimmer des Landgerichtspräsidenten statt. Zwar war die zum Gang führende Tür dieses Zimmers verschlossen; an ihr befand sich aber ein Hinweis, wonach der Zugang über das unmittelbar daneben liegende Vorzimmer vorgesehen war. Am Vorzimmer wiederum war ein besonderer Aushang angebracht, durch den auf die öffentliche Auslosung der Schöffen hingewiesen wurde. Sowohl diese Tür als auch die Tür zwischen Vor- und Präsidentenzimmer standen während des Auslosungsvorgangs offen. Damit war jedermann der Zugang zu der Auslosung, die auch in einem ausreichend großen Zimmer stattfand, ohne weiteres möglich.
Die Revision meint, der Auslosungstermin hätte außerdem den Bediensteten an der Pforte des Gerichts mitgeteilt werden müssen; nur so sei gewährleistet, daß jedermann sich ausreichend über den Termin hätte informieren können. Damit stellt die Revision indes zu hohe Anforderungen an die Herstellung der Öffentlichkeit. Das Gesetz schreibt nicht ausdrücklich vor, in welcher Weise dafür Sorge getragen werden muß, daß aedermann die Möglichkeit erhält, an einer Sitzung teilzunehmen, für die Öffentlichkeit vorgeschrieben ist. Nach der Rechtsprechung sind derartige Termine vorher durch Aushang bekannt zu geben (BGH NStZ 1984, 89, vgl. auch KK-Mayr § 169 GVG Rdn. 7 m.w.N.). Das ist hier durch den Aushang am Vorzimmer des Landgerichtspräsidenten geschehen. Eine Unterrichtung der Wachtmeister an der Pforte, wie sie für Gerichtsverhandlungen vielfach üblich ist, empfiehlt sich zwar, da sie den Zugang des Publikums erleichtert; vorgeschrieben ist sie jedoch nicht. Jeder Interessierte kann sich ohne weiteres bei den Geschäftsstellen über anstehende Termine unterrichten, hier durch Anfrage bei der SchÖffengeschäftsstelle, die mindestens drei Tage zuvor vom Termin unterrichtet war.
b) Die Rüge der Verletzung der §§ 250, 251, 168, 168 a StPO durch Verlesung der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen C., aufgenommen beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Seattle/USA am 3. März 1983, hat ebenso keinen Erfolg.
Die Beanstandung, aus dem Vernehmungsprotokoll gehe nicht hervor, welcher Urkundsbeamte anwesend war und daß dieser der englischen Sprache mächtig ist, geht schon deshalb fehl, weil es gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 KonsG der Zuziehung eines Urkundsbeamten nicht bedurfte. Im übrigen kann offen bleiben, ob es einen allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts gibt, daß einem Zeugen - auch ohne ausdrückliche Zusicherung - freies Geleit als gewährt gilt, wenn er in einer Strafsache aus dem Ausland vorgeladen wird (vgl. KK-Engelhardt § 295 Rdn. 12), und wie er über einen derartigen Grundsatz im Ladungsschreiben zu belehren wäre. Es bedarf ferner keiner Entscheidung darüber, ob die Verteidigung in der Hauptverhandlung ausdrücklich auch hätte beanstanden und zum Gegenstand ihres Widerspruchs gegen die Verlesung hätte machen müssen, daß Angeklagter und Verteidiger über Ort und Zeit der Vernehmung des Zeugen C. nicht unterrichtet worden seien. Jedenfalls ist die verlesene Aussage des Zeugen C. im Urteil nicht zum Nachteil des Angeklagten verwertet worden. Das Urteil beruht auf der Verlesung nicht. Für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen B. ist die Aussage C. ohne jede Bedeutung.
c) Der Zeuge Co. ist am 16. Dezember 1982 durch die damaligen berufsrichterlichen Mitglieder der 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth kommissarisch in nichtöffentlicher Sitzung vernommen worden. Hierdurch ist das Gebot öffentlicher Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht verletzt; es erstreckt sich nicht auf prozessual zulässige richterliche Amtshandlungen außerhalb der Hauptverhandlung. Die Beanstandung, auch Schöffen hätten bei der kommissarischen Vernehmung mitwirken müssen, ist offensichtlich unbegründet.
d) Die Revision trägt nicht vor, daß die Verteidigung der Verlesung der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen M. in der Hauptverhandlung widersprochen hat. Die Rüge unterbliebener Benachrichtigung vom Vernehmungstermin bleibt daher ohne Erfolg (vgl. KK-Mayr § 251 Rdn. 19; vgl. auch KK-Treier § 224 Rdn. 12).
2. Die von Rechtsanwalt M. angebrachte Rüge einer Verletzung des § 200 Abs. 1 StPO genügt nicht den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Es ist der Wortlaut weder des verlesenen Anklagesatzes noch des Einstellungsbeschlusses gemäß § 154 a Abs. 2 StPO mitgeteilt.
3. Zu den vom Angeklagten selbst zur Niederschrift der Rechtsantragsstelle des Landgerichts am 6. August 1984 erhobenen Verfahrensrügen ist zu bemerken:
a) Die Rüge, ein gegen den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts angebrachtes Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht verworfen worden, ist schon deshalb unzulässig, weil die Revisionsbegründung den Inhalt des Ablehnungsgesuchs nur unvollständig und den darauf ergangenen Gerichtsbeschluß überhaupt nicht mitteilt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
b) Gegen die Zurückweisung der Anträge auf Einholung eines psychiatrisch-medizinischen Gutachtens über den Zeugen L. sowie auf sofortige ärztliche Untersuchung des Zeugen, die das Gericht auf eigene Sachkunde gestützt hat, bestehen keine rechtliche Bedenken. Die Strafkammer hat sich bei ihrer Entscheidung an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze gehalten (vgl. BGH NStZ 1982, 432). Besonderheiten, die eine Begutachtung geboten hätten, liegen nicht vor.
Gleiches gilt hinsichtlich der Zurückweisung der Anträge auf Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Gutachtens über eine psychische Erkrankung des Zeugen B. und deren Einwirkung auf sein Entscheidungs-, Unterscheidungs- und Hemmungsvermögen sowie auf Einholung eines psychiatrisch-medizinischen Gutachtens über eine psychisch-physische Suchterkrankung des Zeugen, zumal der Tatrichter insoweit sachverständig beraten war.
c) Eine Verletzung des § 261 StPO durch die Erörterung der früheren Aussagen der Zeugin T. vor Polizei und Staatsanwalt im Urteil ist nicht erwiesen. Diese früheren Angaben sind der Zeugin bei ihrer richterlichen Vernehinung vorgehalten worden. Die Behauptung der Revision, die hierzu im Rechtshilfeersuchen enthaltene Frage sei "suggestiv" formuliert, trifft nicht zu.
d) Die weiter vorgebrachten Beanstandungen, insbesondere zur Vernehmung von Zeugen durch Polizei, Staatsanwalt und Vernehmungsrichter, zur Verletzung des Legalitätsprinzips durch die Anklageerhebung und zum Inhalt von Anklage und Eröffnungsbeschluß sind, soweit zulässig erhoben, offensichtlich unbegründet.
II. Auf die Sachbeschwerde hin hat der Senat das Urteil in vollem Umfang überprüft. Ein Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat sich hierbei nicht ergeben. Allerdings hat die Strafkammer zu Unrecht den gleichzeitigen Besitz der beiden Selbstladepistolen als zwei rechtlich zusammentreffende Vergehen der unerlaubten Ausübung der tatsächlichen Gewalt über halbautomatische Selbstladewaffen gewertet. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß der gleichzeitige Besitz mehrerer Schußwaffen nur ein Vergehen der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Schußwaffen darstellt (vgl. BGH NStZ 1984, 171). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Eines Hinweises gemäß § 265 StPO bedurfte es nicht; der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können. Der Strafausspruch ist von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt.
B. Revision des Angeklagten B.
Die vom Beschwerdeführer begehrte Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs hat keinen den Angeklagten B. beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
Zwar hat der Tatrichter die Vorschriften des § 11 Abs. 4 BetMG a.F. und des § 31 BtMG n.F. rechtsfehlerhaft miteinander kombiniert (vgl. BGH NStZ 1983, 80). Hierdurch ist der Beschwerdeführer jedoch nicht beschwert. Das Landgericht ist von einem bis auf das gesetzliche Mindestmaß reduzierten Strafrahmen ausgegangen und hat eine nicht an der Obergrenze, sondern an der unteren Grenze des Strafrahmens orientierte Strafe verhängt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 - 1 StR 82/83).
Fundstellen
Haufe-Index 2992798 |
NStZ 1985, 514 |