Entscheidungsstichwort (Thema)
Einordnung des Rechtsmittels eines Streithelfers
Normenkette
ZPO § 67; BGB § 2287
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Oktober 1984 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und die im Revisionsrechtszug entstandenen Kosten der Nebenintervention - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Eltern der Klägerin hatten sich durch notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 10. Januar 1922 gegenseitig zu Erben eingesetzt und Vermächtnisse zugunsten ihrer Abkömmlinge ausgesetzt. Die Eltern betrieben eine Bäckerei. Wegen dieses Geschäfts kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der (einzigen) Schwester der Klägerin und dem Ehemann der Schwester (Eltern des Beklagten) einerseits und den Eltern der Klägerin andererseits. Der Streit endete am 12. Juli 1963 mit einem gerichtlichen Vergleich, aufgrund dessen die Eltern der Klägerin ihre Bäckerei samt Haus und Grundstück auf die Eltern des Beklagten übertrugen. Darauf änderten die Eltern der Klägerin den Ehe- und Erbvertrag von 1922 am 8. August 1963. Dabei beließen sie es bei der gegenseitigen Erbeinsetzung, bestimmten aber nunmehr die Klägerin zur Alleinerbin des überlebenden Elternteils. Weiter ist in dem "Erbvertragsnachtrag" verfügt:
"Ausdrücklich ergänzen wir den Erbvertrag noch dahin, daß dem Überlebenden von uns freigestellt wird, nach seinem Ermessen nach dem Tode des Erstversterbenden abändernde Bestimmungen zu treffen, also insbesondere zugunsten der ausfallenden Tochter ... oder deren Kinder Vermächtnisse zu Lasten der Erbin anzuordnen oder sonstige Auflagen zu bestimmen."
Demgemäß wurde die im Jahre 1967 verstorbene Mutter vom Vater allein beerbt.
Im Jahre 1971 entzweiten sich die Klägerin und ihr Vater (Erblasser). Dieser errichtete am 8. Februar 1972 ein eigenhändiges Testament, demzufolge die Klägerin nur geringfügige Zuwendungen hätte erhalten sollen. Am 17. Februar 1973 übertrug er einen großen Teil seines Grundbesitzes auf den Beklagten. Mit notariellem Testament vom 17. November 1977 hob der Erblasser seine Verfügungen von Todes wegen vom 8. August 1963 und vom 8. Februar 1972 auf und setzte seine beiden Töchter zu Erben je zur Hälfte ein; daneben verfügte er mehrere Vermächtnisse. Die Klägerin hält sich aufgrund des Erbvertrages von 1963 für die Alleinerbin ihres Vaters; der Beklagte ist der Meinung, sie sei aufgrund des Testaments von 1977 nur Miterbin neben seiner Mutter.
Die Klägerin hält die Übertragung der Grundstücke auf den Beklagten aufgrund des Vertrages vom 17. Februar 1973 für eine benachteiligende Schenkung im Sinne von § 2287 BGB. Die übertragenen Grundstücke hätten, so hat sie vorgetragen, einen Wert von 420.200,- DM. Demgemäß hat sie den Beklagten auf Zahlung von 210.100,- DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 102.000,- DM nebst Zinsen stattgegeben und hat sie im übrigen abgewiesen. Im Berufungsverfahren ist der Notar, der die Grundstücksübertragung von 1973 und das Testament von 1977 beurkundet hat, dem Beklagten als Streithelfer beigetreten. Das Berufungsgericht hat sowohl die Berufung des Beklagten als auch diejenige seines Streithelfers zurückgewiesen. Der Beklagte und auch der Streithelfer haben Revision eingelegt; beide erstreben die völlige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Zu entscheiden ist nicht über zwei Revisionen, sondern nur über eine einzige, nämlich über diejenige des Beklagten.
Der Streithelfer kann gemäß § 67 ZPO alle Prozeßhandlungen vornehmen und also auch Rechtsmittel einlegen und begründen, soweit er sich damit nicht in Widerspruch zu den Erklärungen und Handlungen der von ihm unterstützten Partei setzt. Er wird dadurch aber nicht selbst Partei oder Rechtsmittelkläger; vielmehr gilt das Rechtsmittel nach den Grundsätzen der §§ 66, 67 ZPO als für die unterstützte Partei eingelegt (BGHZ 49, 183, 196). Daher handelt es sich, wenn sowohl der Streithelfer als auch die unterstützte Partei Revision einlegen, nicht um zwei verschiedene Rechtsmittel, sondern um ein einziges (nämlich um dasjenige der Hauptpartei), über das nur einmal entschieden werden kann. Das ist bei der Revision nicht anders als bei der Berufung (Senatsurteil vom 23.4.1986 - IVa ZR 97/85 - m.w.N.).
II.
1.
Das Berufungsgericht hält die Klägerin für die vertragsmäßig eingesetzte Alleinerbin ihres Vaters. Die Vorbehaltsklausel in dem Erbvertragsnachtrag von 1963 habe dem Erblasser nicht die Möglichkeit eröffnet, neben der Klägerin noch eine andere Person (gerade) als (Mit-)Erben einzusetzen. In diesem Sinne sei die Klausel nicht auszulegen. Es sei zwar zulässig, dem Erblasser im Erbvertrag das Recht vorzubehalten, neben dem Vertragserben zu einem bestimmten Bruchteil nachträglich auch noch einen weiteren Erben einzusetzen. Wenn dem Erblasser dagegen das Recht eingeräumt werde, andere Personen zu beliebigen Quoten als weitere Erben einzusetzen, dann werde der Erbvertrag damit im Sinne von BGHZ 26, 204, 208 seines eigentlichen Wesens entkleidet, was unzulässig sei. Dafür, daß die Eltern der Klägerin dem Längstlebenden von ihnen ein so weitgehendes Recht hätten vorbehalten wollen, ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte.
2.
Die Revision des Beklagten greift diese Ausführungen als rechtsfehlerhaft an. Der Erblasser könne sich nachträgliche Vermächtnisse und Auflagen beliebigen Umfangs vorbehalten. Deshalb sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum nicht auch eine entsprechende spätere Beschränkung der Erbteilsquote zugelassen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei ein Vorbehalt möglich, wenn nach Ausübung des Vorbehalts wenigstens eine vertragsmäßige Verfügung erhalten bleibe. Das sei im Hinblick auf die gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern der Klägerin hier der Fall.
Der Streithelfer meint, das Berufungsgericht habe verkannt, daß es sich um einen Ehegattenerbvertrag im Sinne von § 2280 BGB handele. In solchen Fällen seien die Ehegatten bei der Vereinbarung eines Vorbehalts zugunsten des Überlebenden freier gestellt. Diesem könne ohne weiteres das Recht eingeräumt werden, die Schlußerbeneinsetzung zu widerrufen. Der Vorbehalt lasse sich nur in diesem Sinne auslegen. Deshalb sei die Klägerin von vornherein nicht Vertragserbin ihres Vaters. § 2287 BGB finde hier keine Anwendung.
3.
Wenn das Berufungsgericht meint, der Erbvertrag von 1963 wäre "seines eigentlichen Wesens entkleidet", wenn er dem Erblasser das Recht einräumte, andere Personen zu beliebigen Quoten als Erben einzusetzen, dann vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.
Der Erbvertrag von 1963 erneuerte die gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern, hob das vertragsmäßige Vermächtnis zugunsten der Abkömmlinge des Erstversterbenden (ein Drittel des schuldenfreien Gesamtvermögens in Geld) auf, ordnete Testamentsvollstreckung an und fügte die Vorbehaltsklausel hinzu. Danach bleibt von dem Erbvertrag von 1963 - auch bei einem Vorbehalt zugunsten des überlebenden Teils, die Erbfolge nach ihm völlig neu zu ordnen - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts noch einiges übrig: die beiderseitige Erbeinsetzung der Eltern und die Aufhebung des Vermächtnisses aus dem Ehe- und Erbvertrag von 1922. Von einer unzulässigen Außerkraftsetzung des Erbvertrages von 1963 mit Hilfe der Vorbehaltsklausel kann daher keine Rede sein.
4.
Wie weit der dem Erblasser verbliebene Spielraum für abändernde Testamente verblieb, ist eine Frage der Auslegung der Vorbehaltsklausel. Das Berufungsgericht hat die Frage nach der Stellung der Klägerin als alleiniger Vertragserbin und die Bedeutung der Vorbehaltsklausel des Nachtrages von 1963 hierfür eingehend erörtert. Indessen läßt sich das von ihm gefundene Auslegungsergebnis nicht mit der bisherigen Begründung rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht hat sich bei seiner Auslegung von einer unzutreffenden Sicht des mindestens verbleibenden - erbvertraglich bindenden - Gehalts des Nachtrags von 1963 leiten lassen. Deshalb kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.
5.
Dennoch sprechen gewisse Anhaltspunkte aus dem Testament dafür, daß der Erblasser nicht das Recht haben sollte, neben der Klägerin auch die Mutter des Beklagten zu seiner Erbin einzusetzen. Dazu gehört vor allem, daß die Mutter des Beklagten (sogar) in der Vorbehaltsklausel ausdrücklich als die Tochter bezeichnet ist, die (als Erbin) ausfällt ("ausfallende Tochter"); ferner daß die Klägerin dort als "die" Erbin genannt wird, die der Erblasser durch nachträgliche Anordnungen mit "Lasten" belegen können sollte. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß die in der Vorbehaltsklausel aufgeführten Beispiele für zugelassene nachträgliche Verfügungen des Erblassers anscheinend nicht abschließend gemeint, sondern nur hervorgehobene Beispiele sind ("insbesondere"). Das Berufungsgericht wird diese Fragen mit den Parteien gegebenenfalls nochmals zu erörtern und die Klausel erneut auszulegen haben.
III.
Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß der Schutz, den § 2287 BGB dem Vertragserben bietet, nicht weiterreichen kann als die vertragliche Bindung, die der Erblasser mit dem Erbvertrag eingegangen ist (BGHZ 82, 274, 278; 83, 44, 48; 88, 269, 272; Senatsurteil vom 2.12.1981 - IVa ZR 252/80 - NJW 1982, 441). Deshalb kann eine Schenkung des Erblassers Ansprüche gemäß § 2287 BGB nicht auslösen, wenn er die verschenkten Gegenstände dem Beschenkten trotz des Erbvertrages durch Verfügung von Todes wegen hätte zukommen lassen können (Johannsen, WM Sonderbeilage 2/1982 S. 13). Die lebzeitige Verfügung liegt dann außerhalb des Schutzbereichs der durch den Erbvertrag eingegangenen Bindungen und kann die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben daher nicht schmälern.
Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die Vorbehaltsklausel den Erblasser ermächtigte, unter anderem Vermächtnisse zugunsten des Beklagten auszusetzen. Davon hat der Erblasser durch die festgestellte gemischte Schenkung an den Beklagten - den Erbfall gewissermaßen vorwegnehmend - bereits durch lebzeitige Verfügung Gebrauch gemacht. Nach den Feststellungen des Tatrichters handelt es sich um eine gemischte Schenkung im Werte von 102.000,- DM. Mit dieser Zuwendung ist der Erblasser über den Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung nicht hinausgegangen. Eine Einschränkung der dem Erblasser vorbehaltenen Befugnisse, die hier zum Tragen kommen könnte, ist dem Erbvertragsnachtrag weder dem Wortlaut noch dem Sinne nach zu entnehmen.
Unter diesen Umständen muß der Tatrichter näher prüfen, ob die Klägerin ihre Klage mit Erfolg auf den bereits in der Klageschrift hilfsweise geltend gemachten Gesichtspunkt der Pflichtteilsergänzung stützen kann.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Ritter
Fundstellen