Verfahrensgang
OLG Bamberg (Urteil vom 25.04.1989) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 25. April 1989 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein „Institut für Partnervermittlung und Eheanbahnung” mit einer Reihe von Filialen im Bundesgebiet unter der aus den Anfangsbuchstaben dieser Bezeichnung gebildeten Firma „…”. Am 27. März 1987 unterschrieb der damals 27 Jahre alte, von seiner Ehefrau getrennt lebende Beklagte in dem Filialbüro des Klägers in … einen als „diskreter Vermittlungsauftrag” bezeichneten Formularvertrag des Klägers. Darin heißt es:
Hiermit beauftrage ich das Institut …, mir bei der Auswahl eines Partners behilflich zu sein, und ich trete deshalb dem Klientenkreis des Instituts als Mitglied bei.
Ich erwerbe mit meiner Mitgliedschaft das Recht, bis zum Erfolg, längstens 6 Monate, Partner aus dem Klientenkreis ausgewählt und bekannt gegeben zu erhalten.
Die ersten vier der auf der Rückseite des Formulars abgedruckten insgesamt 13 „Mitgliedsbedingungen” lauten:
- Das Institut … verpflichtet sich, den ersten Partnervorschlag ohne Aufforderung durch das Mitglied vorzubereiten und herauszugeben.
- Die weiteren Partnervorschläge sind von mir einzeln und schriftlich in der Zentrale in … anzufordern.
- Sämtliche Partnerpost werde ich innerhalb von zehn Tagen beantworten, und ich werde das Institut … über aufgenommene Kontakte auf dem Laufenden halten.
- Ich bin ernsthaft interessiert, mir Partner vermitteln zu lassen. Eine Partnerbindung werde ich dem Institut sofort mitteilen.
Auf der Vorderseite wurden als Vergütung 5.990 DM zuzüglich 833,60 DM Mehrwertsteuer, insgesamt 6.828,60 DM (richtig: 6.823,60 DM) eingesetzt und „Teilzahlung” mit 0,8 % pro Monat Teilzahlungsgebühren angekreuzt. Der Beklagte unterschrieb 40 Blanko-Wechsel. Der Kläger behauptet, es sei monatliche Fälligkeit beginnend am 15. April 1987 bei gleichbleibenden Wechselsummen von 220 DM bis auf die Schlußrate am 15. Juli 1990 von 433,75 DM vereinbart worden. Demgemäß reichte der Kläger 40 Wechsel über einen Gesamtbetrag von 9.013,75 DM zur Einlösung bei der eingeschalteten Bank ein.
Am 2. April 1987 teilte der Kläger dem Beklagten die erste Adresse auf einem als „Partner-Vorschlag” bezeichneten Vordruck mit; weitere Adressen folgten jeweils Anfang Mai, Juni und Juli 1987. Der Beklagte löste die ersten sieben Wechsel bis einschließlich Oktober 1987 zu einem Gesamtbetrag von 1.540 DM ein. Mit Anwaltsschreiben vom 27. Oktober 1987 lehnte er die Einlösung der restlichen Wechsel ab und verlangte Rückzahlung.
Der Kläger hat 880 DM – die Raten vom 15. November 1987 bis 15. Februar 1988 – eingeklagt. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und die Rückzahlung der von ihm gezahlten 1.540 DM sowie die Herausgabe der 33 nicht eingelösten Wechsel verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger zur Herausgabe der vom Beklagten nicht eingelösten Wechsel verurteilt. Die Widerklage auf Rückzahlung der vom Beklagten gezahlten 1.540 DM hat es rechtskräftig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es nimmt an, daß auf den Vertrag der Parteien § 656 BGB entsprechend anwendbar sei. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht meint, der Vertrag vom 27. März 1987 sei nicht wegen Wuchers nichtig. Offen bleiben könne, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Mißverhältnis bestehe. Freilich dürfe nicht allein auf die vom Beklagten in Anspruch genommenen lediglich vier Adressenmitteilungen, vielmehr müsse auf die größere Anzahl von Vorschlägen abgestellt werden, die der Beklagte während des Vertragszeitraums hätte in Anspruch nehmen können. Jedenfalls liege angesichts des Vertrages des Beklagten dazu keine Ausbeutung seiner Unerfahrenheit oder einer Zwangslage vor. Diese tatrichterliche Würdigung ist nicht zu beanstanden und wird von der Revisionserwiderung auch nicht angegriffen (vgl. auch BGHZ 87, 309, 314–318).
2. Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag wird im Berufungsurteil als Dienstvertrag angesehen. Maßgeblich dafür sei die Erfolgsunabhängigkeit der Vergütungsverpflichtung des Kunden und die Tatsache, daß der Vermittler nicht ein bloßes Tätigkeitsergebnis schulde, sondern für die Vertragsdauer immer wieder Dienste durch Übersendung weiterer Vorschläge erbringen müsse. Das entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. das grundlegende Urteil BGHZ 106, 341, 343 ff. m.w.N.).
3. Die Vorinstanzen haben auf diesen Dienstvertrag § 656 BGB entsprechend angewendet.
Der Senat hat die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Verträge, durch die sich der eine Vertragspartner zu einer auf Herbeiführung einer Eheschließung gerichteten Tätigkeit (Eheanbahnungsdienstverträge) verpflichtet, bereits bejaht (BGHZ 87, 309, 313, dazu Dehner in Anm. LM BGB § 656 Nr. 3; Urteil vom 4.12.1985 – IV a ZR 75/84 – NJW 1986, 927 = LM BGB § 656 Nr. 5 – FamRZ 1986, 240). Dagegen hat er noch nicht entschieden, ob § 656 BGB auch auf sogenannte Partnerschaftsvermittlungs- oder -anbahnungsverträge entsprechend anzuwenden ist. Diese Frage ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung umstritten (vor allem zur Rechtsprechung vgl. die Nachweise bei Erman/Werner, BGB 8. Aufl., § 656 Rdn. 12; zum Schrifttum siehe neben Erman/Werner, a.a.O. vor Rdn. 1 weiter etwa Staudinger/Reuter, 12. Aufl. Rdn. 6 und 1 einerseits und MünchKomm/Schwerdtner, 2. Aufl. Rdn. 1 und 4 und Palandt/Thomas, 49. Aufl. Anm. 4 insbesondere c, jeweils zu § 656 BGB andererseits).
Der Senat hält die entsprechende Anwendung dieser Gesetzesbestimmung nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck auch auf diese Verträge für geboten.
a) § 656 BGB ist erst von der Reichstagskommission in das BGB eingeführt worden. Entscheidend war dabei die Überlegung, daß „das Nehmen oder Geben eines Lohnes für Heiratsvermittlung” mit dem „sittlichen Charakter der Ehe” nicht vereinbar sei (Mugdan, Materialien Bd. 2 S. 1292 f.). Die Kommission stand ersichtlich auf dem Standpunkt, daß die Ehe eine nicht auf wirtschaftlichen Erwägungen, sondern auf persönlicher Zuneigung beruhende Verbindung sei, so daß man nicht einen gewerbsmäßig handelnden Dritten mit der Suche nach einem Partner, unter Umständen auch mit der Einwirkung auf dessen Entscheidung und mit dem Aushandeln der Bedingungen der Eheschließung beauftragen könne.
Daneben war für die Reichstagskommission die Überlegung maßgeblich, daß „die Prozesse wegen Heiratsvermittlung … zu den allergrößten Ärgernissen Anlaß” geben. Sie hat allerdings weniger beim Ausschluß der Klagbarkeit des Ehemäklerlohns, als vielmehr beim Verbot seiner Rückforderung eine Rolle gespielt (vgl. Mugdan, a.a.O.). Der Reichstagskommission ging es also um den Schutz des Privatbereichs. Das ist ein Gesichtspunkt, dem heute im Hinblick auf Art. 1, 2 GG verstärktes Gewicht zukommt.
b) Es kann auch keine Rede davon sein, daß das Ehe- und Partnerschaftsanbahnungsgeschäft heute völlig anders beurteilt würde als vom Gesetzgeber des Jahres 1900. Gerade in den letzten Jahren sind gegenüber dieser Geschäftsbranche kritische Stimmen laut geworden (vgl. dazu auch Gilles JZ 1972, 377 und NJW 1983, 361).
Im Schrifttum wird geltend gemacht, daß die heutigen Verhältnisse in der Eheanbahnung und Partnervermittlung mit denen, die um 1900 geherrscht haben, nicht vergleichbar seien. Längst gehe es nicht mehr um bloße Gelegenheitskuppler oder Kleinbetriebe vertraulich-individueller Prägung, sondern um wenige, kaufmännisch straff organisierte und hochtechnisierte Großunternehmen rein kommerziellen Zuschnitts, die mit beachtlichem Geschäfts-, Personal- und Werbeaufwand überregional oder sogar international mit beträchtlichem wirtschaftlichen Erfolg am Markt operierten. Sie seien es, die heute das Berufsbild bestimmen und dem Gewerbe der Eheanbahnung und Partnervermittlung den Stempel aufdrücken (so Gilles in: Eheanbahnung und Partnervermittlung 1985, einer Untersuchung, die auf ein Gutachten zurückgeht, das im Auftrag des Gesamtverbands der Eheanbahnungen und Partnervermittlungen e.V. erstellt worden ist, in Rdn. 28; vgl. auch Gilles, NJW 1983, 361, 362; gewerbsmäßige Ehevermittlung 1977 S. 4). Gerade diese Kommerzialisierung war es aber, die der Gesetzgeber befürchtete und der er mit § 656 BGB entgegentreten wollte.
c) Danach besteht kein Anlaß, § 656 BGB von Sinn und Zweck her als obsolet zu betrachten. Im Einklang damit behandeln das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 20, 31) und der Bundesgerichtshof (BGHZ 25, 124; 87, 309; 106, 341) § 656 BGB als nach wie vor geltendes Recht.
d) Es ist bereits ausgeführt, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 656 BGB auch auf die Eheanbahnungsdienstverträge anwendet, weil das dessen Sinn entspricht. Dagegen bezieht sich § 656 BGB nach seinem ursprünglichen Sinn nicht auf solche Verträge, durch die lediglich eine Vergütung für Bemühungen um die Herbeiführung einer außerehelichen Partnerschaft versprochen wird. Für den Gesetzgeber des BGB bestand keine Veranlassung, diesen Fall ausdrücklich zu regeln. Die entgeltliche Anbahnung außerehelicher sexueller Beziehungen war nach dem damaligen § 180 Abs. 1 StGB eine strafbare Handlung; sie konnte daher nach § 134 BGB nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages sein. Die Möglichkeit, daß außereheliche Partnerschaften von der Rechtsordnung jedenfalls in Teilbereichen toleriert und gesellschaftlich anerkannt werden würden, konnte der Gesetzgeber vor fast 100 Jahren nicht in seine Überlegungen einbeziehen.
Hätte er dies aber vorausgesehen, so hätte er die Vorschrift seinen oben dargelegten Intentionen folgend erst recht auf solche Verträge erstreckt.
e) Mit Recht meinen die Befürworter einer entsprechenden Anwendung, auch bei der Partnerschaftsvermittlung bestehe wie bei der Ehevermittlung und Eheanbahnung ein schützenswertes Diskretionsbedürfnis des Kunden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gedanken, daß der Gesetzgeber mit § 656 BGB auch die Intimsphäre der Beteiligten schützen wollte, durchaus Gewicht beigemessen (BVerfGE 20, 31, 33 f.). Die vom Senat in seinem Urteil vom 4. Dezember 1985 (IV a ZR 75/84 – NJW 1986, 927 = LM BGB § 656 Nr. 5 = FamRZ 1986, 240) angestellten Erwägungen zu Peinlichkeiten und Unzumutbarkeiten einer bei Klagbarkeit häufig unumgänglichen Beweisaufnahme über Art und Umfang der Tätigkeit gelten mindestens ebenso bei der Vermittlung einer Partnerschaft. Das Grundgesetz schützt die Würde des Menschen und dessen freie Persönlichkeitsentfaltung ohne Rücksicht darauf, ob eine Eheschließung angestrebt wird oder nicht.
Damit ist bereits angesprochen, daß sich Ehe- und Partnerschaftsvermittlung praktisch nicht trennen lassen. Gerade der Kläger arbeitet unter einer Firma, die gleichermaßen Partnervermittlung und Eheanbahnung umfaßt. Ob eine Bekanntschaft, die von einem Heiratsvermittlungsinstitut oder einer Partnerschaftsfirma vermittelt wird, zur Ehe oder zu einer außerehelichen Partnerschaft führt, hängt von Umständen ab, die sich bei Beginn der Tätigkeit des Vermittlers nicht übersehen lassen. Danach wäre die Umgehung des § 656 BGB, die dessen Absatz 2 gerade weitgehend eindämmen will, dann auf einfache Weise möglich, wenn Verträge klagbar wären, die die Anbahnung von außerehelichen Partnerschaften zum Gegenstand haben.
4. Zur Widerklage macht die Revision geltend, der Kläger sei nicht um den Besitz der Wechsel ungerechtfertigt bereichert, weil der Vergütungsanspruch – wenn auch unvollkommen – bestehe. Das trifft nicht zu. Die vom Beklagten gegebenen Wechsel sind nicht eine Leistung im Sinne des § 656 Abs. 1 Satz 2 BGB und können daher herausverlangt werden. Der Beklagte hat die Wechsel auf Anforderung des Klägers als Akzeptant unterzeichnet. Mit den Einlösungsbeträgen sollte die Schuld des Beklagten aus dem am 27. März 1987 zwischen den Parteien vereinbarten Geschäft beglichen werden. Alle Wechsel sollten also der Erfüllung eines Versprechens dienen, das gemäß § 656 BGB eine Verbindlichkeit nicht begründete. Da bei einem Wechsel Erfüllung erst mit dessen Einlösung eintritt, kann der Beklagte sich auf § 656 Abs. 2 BGB berufen und Herausgabe der nicht eingelösten Wechsel verlangen (RGZ 51, 357, 361; 77, 277, 281; BGHZ 86; 115, 117 ff. für eine Sicherheitsleistung; BGH Urteil vom 25.5.1981 – II ZR 172/80 – WM 1981, 758 = NJW 1981, 1898 = LM BGB § 762 Nr. 7 jeweils unter 2. für einen Scheck; RGRK/Dehner, 12. Aufl. § 656 Rdn. 4; RGRK/Seibert, 12. Aufl. § 762 Rdn. 8; MünchKomm/Schwerdtner, 2. Aufl. § 656 Rdn. 17 und MünchKomm/Pecher, 2. Aufl. § 762 Rdn. 20/22).
Fundstellen
Haufe-Index 1705482 |
BGHZ, 122 |
NJW 1990, 2550 |
ZIP 1990, 1002 |
JZ 1991, 95 |
JuS 1990, 935 |