Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 02.09.1999) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 2. September 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin der für pharmazeutische Erzeugnisse eingetragenen Marke „Berodual”, unter der sie gegenwärtig in Deutschland ein Mittel zur Behandlung von chronischen Atemwegserkrankungen in der Verpackungsgröße N 3 vertreibt.
Die Beklagte hat „Berodual” in den Größen 10 ml und 15 ml aus Spanien und Portugal importiert, in neu hergestellte, mit der Marke „Berodual” versehene Packungen der Größe N 3 (3×10 ml und 2×15 ml) umgepackt und in Deutschland vertrieben. Seitdem sie von der Klägerin abgemahnt worden ist, bringt sie das importierte Mittel in Bündelpackungen in den Verkehr.
Die Klägerin sieht in der Verwendung der neu hergestellten Verpackungen eine Markenverletzung. Sie hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie mit „Berodual” bezeichnete Arzneimittel aus Ländern der Europäischen Union und/oder des Europäischen Wirtschaftsraums in Deutschland in nicht von der Originalherstellerin stammenden Verpackungen angeboten und/oder in den Verkehr gebracht hat und/oder zu diesen Zwecken besitzt, durch Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses, aus dem sich ergeben muß: Lieferzeitpunkt, Liefermenge, Abgabepreis gegenüber allen etwaigen gewerblichen Abnehmern sowie der bei Auskunftserteilung vorhandene Bestand der solchermaßen verpackten Ware und sonstiger solchermaßen gekennzeichneter Verpackungsmaterialien;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen gemäß Ziffer I. entstanden ist und noch entstehen wird;
- die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen und in Ziffer I. bezeichneten Verpackungsmittel an einen von der Klägerin zu bestimmenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in den angegriffenen Handlungen der Beklagten eine Markenverletzung gesehen, die die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Vernichtung auslöse. Hierzu hat es ausgeführt:
Das angegriffene Verhalten sei unbeschadet einer gemeinschaftsrechtlichen Erschöpfung des Markenrechts oder eines Verstoßes gegen (jetzt) Art. 28, 30 EG eine Markenverletzung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Eine Erschöpfung des Markenrechts sei nicht eingetreten, weil sich die Markeninhaberin der Benutzung ihrer Marke aus berechtigten Gründen widersetzen dürfe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gehöre zu den notwendigen Voraussetzungen für den Eintritt der Erschöpfung, daß das Umpacken in eine neue äußere Verpackung erforderlich sei, um das Arzneimittel im Einfuhrland vertreiben zu können. Sei es dem Parallelimporteur möglich, eine im Einfuhrmitgliedstaat vertriebsfähige Packung zu schaffen, indem er auf der Originalpackung neue Etiketten anbringe, könne sich der Markeninhaber weitergehenden Maßnahmen, wie sie in einer neuen äußeren Verpackung lägen, widersetzen. Hieraus sei der Grundsatz zu entnehmen, daß der Parallelimporteur gehalten sei, so wenig wie möglich in das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers einzugreifen.
Das Umpacken in die neue äußere Verpackung „Berodual” zu Packungsgrößen N 3 mit dem Inhalt von entweder 2×15 ml oder 3×10 ml sei nicht erforderlich, weil die Originalpackungen sich unbedenklich zu Doppel- oder Dreier-Packungen bündeln ließen. Eine derartige Bündelung sei nicht „unordentlich”, sie werde von der Beklagten auch seit der Abmahnung tatsächlich praktiziert. Eine neu hergestellte Verpackung möge in gewisser Hinsicht ansprechender sein. Das erhebliche wirtschaftliche Interesse der Beklagten, sich mit einer solchen Verpackung als Vertriebsunternehmen besser darstellen zu können, sei gegenüber den Interessen des Markeninhabers nicht vorrangig, es betreffe nicht den der Beklagten zu gewährleistenden freien Warenverkehr als solchen.
Es sei wahrscheinlich, daß der Klägerin durch den Vertrieb des Arzneimittels in der neu hergestellten Verpackung ein Schaden entstanden sei. Die Meinung der Beklagten, nur im Fall echter Herkunftstäuschungen seien markenrechtliche Sekundäransprüche gegeben, habe im Gesetz keinen Ausdruck gefunden.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
1. Die Rüge, das Berufungsgericht habe gegen § 543 Abs. 2 ZPO a.F. verstoßen, indem es den Tatbestand des Berufungsurteils so kurz gefaßt habe, daß ihm der zugrunde liegende Streitstoff nicht entnommen werden könne, bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand in zulässiger Weise auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen und sich im Übrigen in den Entscheidungsgründen mit dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz in einer Weise auseinandergesetzt, daß der Streitstoff für das Revisionsgericht ohne weiteres erkennbar ist.
2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein mit einer Marke identisches Zeichen für Waren zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt. Diesen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht die Beklagte dadurch, daß sie das importierte Präparat „Berodual” nach der Vornahme bestimmter Veränderungen, insbesondere dem Umpacken in neu hergestellte äußere Verpackungskartons, als „Berodual N 3” vertreibt (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 MarkenG).
Der markenrechtliche Schutz greift allerdings nicht durch, wenn das Markenrecht erschöpft ist (§ 24 Abs. 1 MarkenG). Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
a) Die Bestimmung des § 24 MarkenG beruht auf der entsprechenden Regelung in Art. 7 MarkenRL. Die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist deshalb zur Auslegung des § 24 MarkenG heranzuziehen (BGH, Urt. v. 19.10.2000 – I ZR 89/98, GRUR 2001, 422, 423 = WRP 2001, 549 – ZOCOR; Urt. v. 29.3.2001 – I ZR 263/98, GRUR 2002, 57, 58 = WRP 2001, 1326 – Adalat).
In der Entscheidung „Bristol-Myers Squibb” hat der Gerichtshof dem Re- oder Parallelimporteur von Arzneimitteln unter bestimmten Voraussetzungen zugestanden, die Ware um- oder neu zu verpacken und anschließend in den Verkehr zu bringen (EuGH, Urt. v. 11.7.1996 – verb. Rs. C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Slg. 1996, I-3457 = GRUR Int. 1996, 1144 = WRP 1996, 880; vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.10.1999 – Rs. C-379/97, Slg. 1999, I-6927, 6964 Tz. 27, 28 = WRP 1999, 1264 – Pharmacia & Upjohn). Danach ist der Eintritt der Erschöpfung des Rechts aus der Marke nur für solche bestimmten Waren (vgl. EuGH, Urt. v. 1.7.1999 – Rs. C-173/98, Slg. 1999, I-4103 Tz. 20 = GRUR Int. 1999, 870 = WRP 1999, 803 – Docksides/Sebago) anzunehmen, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung „unter dieser Marke” in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind und bei denen fünf Bedingungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, gegeben sind: (1) Die Geltendmachung der Rechte aus der Marke dient nicht einer künstlichen Abschottung der Märkte. (2) Der Originalzustand des Arzneimittels, zum Beispiel in einem Blisterstreifen, wird von den Veränderungen, die der Importeur oder sein Lieferant vornimmt, nicht berührt, was auch mittelbar dadurch geschehen kann, daß ein neuer Beipackzettel lückenhaft ist oder unrichtige Angaben enthält. (3) Auf der Verpackung müssen sowohl das die Umverpackung vornehmende Unternehmen als auch der Hersteller genannt sein. (4) Das umgepackte Arzneimittel darf nicht so aufgemacht sein, daß der Ruf der Marke geschädigt wird. (5) Der Importeur muß den Markeninhaber vorab vom Feilhalten des umgepackten Arzneimittels unterrichten und ihm auf Verlangen ein Muster liefern. Diese zuletzt genannte Voraussetzung soll den Markeninhaber in die Lage versetzen nachzuprüfen, ob die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im übrigen aufgestellten Voraussetzungen einer Erschöpfung vorliegen oder nicht (vgl. BGH GRUR 2001, 422, 423 – ZOCOR; BGH GRUR 2002, 57, 58 – Adalat).
b) Das Berufungsgericht hat eine künstliche Abschottung der Märkte durch die Klägerin verneint. Ob eine solche vorliegt, beurteilt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist (BGH, Urt. v. 11.7.2002 – I ZR 219/99 – Zantac/Zantic, Umdr. S. 13; EuGH Slg. 1996, I-3457 Tz. 57 – Bristol-Myers Squibb; vgl. auch EuGH Slg. 1999, I-6927, 6968 Tz. 39, 41 – Pharmacia & Upjohn). Dabei ist zu untersuchen, ob im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv dazu zwingen, eine neue äußere Verpackung zu verwenden, um die betreffende Ware im Einfuhrmitgliedstaat in den Verkehr bringen zu können.
c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein Umpacken des Arzneimittels in neue Kartons der Größe N 3 sei zum Vertrieb im Inland nicht erforderlich.
aa) Hier kann die Erforderlichkeit zwar nicht schon unter Hinweis darauf verneint werden, daß der Beklagten bereits mit den Packungsgrößen zu 10 ml oder zu 15 ml, die es in Spanien und Portugal gibt, ein ausreichender Marktzutritt zum deutschen Markt eröffnet sei. Denn es läge eine unzulässige Abschottung der Märkte vor, wenn der Importeur die Ware nur auf einem beschränkten Marktsegment vertreiben dürfte (vgl. EuGH Slg. 1996, I-3457, 3535 Tz. 54 – Bristol-Myers Squibb; Schlußanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs v. 12.7.2001 in den Rechtssachen C-443/99 – Merck, Sharp & Dohme ./. Paranova und C-143/00 – Boehringer Ingelheim ./. Swingward u.a., Tz. 116).
Entgegen der Ansicht der Revision führt der Umstand, daß es die Packungsgröße zu 30 ml in den Ausfuhrmitgliedstaaten Spanien und Portugal nicht gibt, aber auch nicht schon dazu, daß die Herstellung neuer äußerer Verpackungen für diese Verpackungsgröße jedenfalls als notwendig anzusehen wäre. Dies hängt vielmehr davon ab, ob und inwieweit die importierten Arzneimittel durch weniger einschneidende Maßnahmen in Deutschland verkehrsfähig gemacht werden können.
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, daß in Deutschland verkehrs- und vertriebsfähige Packungsgrößen N 3 ohne weiteres durch ein Bündeln zweier Originalpackungen zu 15 ml oder dreier Originalpackungen zu 10 ml und das Aufbringen neuer Etiketten geschaffen werden können (BGH, Urt. v. 11.7.2002 – I ZR 219/99 – Zantac/Zantic, Umdr. S. 16; vgl. dazu auch EuGH Slg. 1996, I-3457, 3535 Tz. 55 – Bristol-Myers Squibb; Schlußanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs v. 12.7.2001 in den Rechtssachen C-443/99 – Merck, Sharp & Dohme ./. Paranova und C-143/00 – Boehringer Ingelheim ./. Swingward u.a., Tz. 111).
Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, daß derartige Bündelpackungen in einer Weise gestaltet werden könnten, daß der Beklagten die Vertriebsmöglichkeit verbleibe, eine eventuell geringere Akzeptanz betreffe nicht den freien Marktzutritt als solchen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Das Umpacken in neu hergestellte Kartons kann nicht schon dann als erforderlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften angesehen werden, wenn aufgrund bloßer Vorlieben der Verbraucher neue Verpackungen des Parallellimporteurs häufiger verkauft werden als Bündelpackungen (vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs v. 12.7.2001 in den Rechtssachen C-443/99 – Merck, Sharp & Dohme ./. Paranova und C-143/00 – Boehringer Ingelheim ./. Swingward u.a., Tz. 110). Allein in dem Fall, daß die Abneigung der Verbraucher gegen Bündelpackungen derart ausgeprägt und weit verbreitet ist, daß sie sich beispielsweise auch auf die Verschreibungspraktiken der Ärzte oder die Einkaufspraktiken der Apotheken auswirkt und ein tatsächlicher Zugang des Parallelimporteurs zum Markt deshalb nicht gewährleistet ist, kann das Umpacken in neu hergestellte Kartons als objektiv erforderlich angesehen werden (vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs v. 12.7.2001 in den Rechtssachen C-443/99 – Merck, Sharp & Dohme ./. Paranova und C-143/00 – Boehringer Ingelheim ./. Swingward u.a., Tz. 110; ebenso jetzt: EuGH, Urt. v. 23.4.2002 – Rs. C-443/99 und C-143/00, WRP 2002, 673 und 666 unter Anknüpfung an die Argumentation des Generalanwalts Jacobs).
Insoweit ist das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts davon ausgegangen, daß das Interesse der Beklagten an dem Vertrieb der Arzneimittel in neu hergestellten Kartons vor allem in der besseren Darstellungsmöglichkeit einschließlich der Beifügung des eigenen Firmenlogos und besonderer Farb- und Formgestaltungen des neuen Umkartons liege, nicht aber den Marktzugang der Beklagten als solchen betreffe.
3. Ohne Erfolg macht die Revision gegenüber der Verurteilung zur Auskunftserteilung und der Feststellung der Schadensersatzpflicht geltend, ein durch die Markenverletzung adäquat kausaler Schaden könne der Klägerin nicht entstanden sein. Das trifft nicht zu. Die Klägerin kann wegen der erfolgten und vom Berufungsgericht unangefochten für fahrlässig erachteten Markenverletzung durch die Beklagte Schadensersatz verlangen. Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, daß ein Schadenseintritt wahrscheinlich sei. Anhaltspunkte dafür, daß ein Schaden durch die angegriffene Markenverletzung nicht entstanden sei, sind von der Revision nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Das reicht aus, um die Feststellung der Schadensersatzpflicht zu treffen und die Beklagte, wie geschehen, zur Auskunftserteilung zu verurteilen.
4. Gegen die Verurteilung betreffend die Vernichtung des Verpackungsmaterials (§ 18 MarkenG) wendet sich die Revision nicht mit eigenen Rügen. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht zu erkennen. Insbesondere begegnet die Verurteilung zur Vernichtung lediglich des Verpackungsmaterials und nicht (auch) der importierten Arzneimittel unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit keinen durchgreifenden Bedenken.
III. Demnach war die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Schaffert
Fundstellen