Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Einführen von wesentlichen Teilen vollautomatischer Selbstladewaffen
Leitsatz (amtlich)
1. Für Teile von Kriegswaffen, die als solche nicht in der Kriegswaffenliste aufgeführt sind, die aber als wesentliche Teile von Schußwaffen nach § 3 Abs. 1 und 2 WaffG erfaßt sind, verbleibt es bei der Anwendung der Vorschriften des Waffengesetzes (hier: Griffstücke von Maschinenpistolen).
2. Wesentliche Teile von Schußwaffen werden den Schußwaffen nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 und 2 WaffG auch dann gleichgestellt, wenn es sich um tragbare Schußwaffen handelt, die unter das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen fallen und auf die die in § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG genannten Vorschriften des Waffengesetzes anwendbar sind.
Normenkette
WaffG § 6 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Aktenzeichen 26 KLs 26 Js 16570/99) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. März 2000 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Einführens von wesentlichen Teilen vollautomatischer Selbstladewaffen (Fall 1) und wegen unerlaubten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über Schußwaffen in Tateinheit mit unerlaubtem Führen von Schußwaffen und in Tateinheit mit unerlaubtem Ausüben der tatsächlichen Gewalt über einen wesentlichen Teil einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe (Fall 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, sichergestellte Waffenteile und Zubehör eingezogen sowie eine Maßregel gemäß §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Soweit sie auf die Verletzung formellen Rechts gestützt wird, ist sie nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), aber auch die Sachrüge erweist sich als unbegründet.
1. Die Strafkammer hat den Angeklagten im Fall 1 der Urteilsgründe zu Recht wegen unerlaubten Einführens der Griffstücke der Maschinenpistole VZ 61 gemäß § 52 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 4, § 6 Abs. 3 und § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d WaffG verurteilt.
Nach den Feststellungen führte der mit Waffen handelnde und bereits zweimal wegen Waffendelikten vorbestrafte Angeklagte u.a. 24 Maschinenpistolen VZ 61 als demilitarisierte Teilesätze ohne behördliche Erlaubnis von der Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland ein. Maschinenpistolen des Modells VZ 61 sind vollautomatische Selbstladewaffen mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm. Die Griffstücke der Maschinenpistolen waren im Originalzustand und funktionstüchtig.
Die Revision vertritt die Rechtsansicht, die Strafvorschriften des Waffengesetzes erfaßten die Einfuhr dieser Griffstücke nicht, weil es sich bei Maschinenpistolen um Kriegswaffen handele, auf die nach § 6 Abs. 3 Halbs. 1 WaffG grundsätzlich nur das Gesetz zur Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) anwendbar sei; da die Kriegswaffenliste die Griffstücke von Maschinenpistolen nicht erfasse, sei deren Einfuhr nicht strafbar. Diese Auffassung trifft nicht zu.
a) Nach § 6 Abs. 3 Halbs. 1 WaffG sind lediglich „Kriegswaffen” im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) von der Anwendung des Waffengesetzes ausgenommen. Der Begriff der „Kriegswaffen” ist in § 1 Abs. 1 KWKG gesetzlich dahin definiert, daß darunter nur die in der Anlage zu diesem Gesetz (Kriegswaffenliste) aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen fallen. In Teil B dieser Kriegswaffenliste sind unter Nr. 29 Buchst. b Maschinenpistolen und unter Nr. 34 und 35 auch deren Verschlüsse und Rohre, nicht aber deren Griffstücke aufgeführt. Damit handelt es sich bei Griffstücken von Maschinenpistolen nach der gesetzlichen Definition des § 1 Abs. 1 KWKG nicht um Kriegswaffen, weshalb auf sie weder das KWKG noch die auf das KWKG verweisende Vorschrift des § 6 Abs. 3 Halbs. 1 WaffG angewandt werden kann. Soweit solche Griffstücke daher vom Waffengesetz als wesentliche Teile von Schußwaffen nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 WaffG (bei Handfeuerwaffen mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm) erfaßt werden, muß es bei der Anwendung des Waffengesetzes verbleiben (ebenso Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. § 6 WaffG Rdn. 11).
b) Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, § 6 Abs. 3 Halbs. 1 WaffG verweise für eine Kriegswaffe insgesamt, also auch für ihre einzelnen Teile auf die Anwendbarkeit des KWKG, hätte der Angeklagte nach denselben Vorschriften des Waffengesetzes abgeurteilt werden müssen. Denn ein Griffstück einer Handfeuerwaffe unter 60 cm ist als wesentliches Teil einer Schußwaffe dieser nach § 3 Abs. 1 und 2 Nr. 4 WaffG gleichgestellt und somit wie eine tragbare Schußwaffe, die unter das KWKG fällt, im Sinne des § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG der Geltung des Waffengesetzes unterstellt.
Die Gleichstellung von wesentlichen Teilen von Schußwaffen mit den Schußwaffen selbst gilt auch im Rahmen des § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG (vgl. BGHR WaffG § 6 Gewehrverschlüsse 1; Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. § 6 Rdn. 12; OLG Stuttgart NStZ 1982, 33, 34; a.A. Hinze, Waffenrecht § 6 WaffG Anm. 17 f.).
Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar. Zwar wird in § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG bei der Aufzählung der anzuwendenden Vorschriften die Gleichstellungsvorschrift des § 3 Abs. 1 und 2 WaffG nicht gesondert erwähnt; doch handelt es sich um eine grundsätzlich für das gesamte Waffengesetz geltende allgemeine Vorschrift, die ähnlich wie die Legaldefinitionen der §§ 1 und 2 WaffG auch ohne ausdrückliche Bezugnahme bei der Anwendung der einzelnen Vorschriften dieses Gesetzes zu beachten ist. So werden auch die in § 1 Abs. 1 und § 2 WaffG definierten Begriffe der „Schußwaffe” und der „Munition” in § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG vorausgesetzt, ohne daß auf diese Definitionsvorschriften ausdrücklich Bezug genommen wird. Der Senat teilt daher die Auffassung des OLG Stuttgart (NStZ 1982, 33, 34), wonach es sich um eine für das gesamte Waffengesetz Geltung beanspruchende Klausel, die gleichsam vor die Klammer gezogen worden ist, handelt. Dies steht nicht in Widerspruch damit, daß in § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG die Definition des Führens einer Waffe nach § 4 Abs. 4 WaffG ausdrücklich erwähnt wird. Die an sich überflüssige Bezugnahme erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Vorschrift in erster Linie das Führen von Kriegswaffen erfassen wollte, das durch das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen nicht geregelt wird (vgl. BTDrucks. VI/2678 S. 25). Für diese Auslegung sprechen auch die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 3 Abs. 1 WaffG durch das Waffengesetz vom 19. September 1972 (BGBl I 1797). Danach sollte die schon im früheren Recht enthaltene Gleichstellung der wesentlichen Teile beibehalten werden. Aus Gründen der erleichterten Handhabung wurden die Ausnahmen von der Gleichstellung mit Schußwaffen in den jeweiligen Einzelbestimmungen geregelt (vgl. BTDrucks. VI/2678 S. 25). Eine derartige Ausnahme stellt etwa § 12 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dar. § 6 Abs. 3 Halbs. 2 WaffG enthält eine solche Ausnahmeregelung gerade nicht. Auch der Sinn der Vorschriften gebietet die vom Senat vertretene Auslegung. Durch die Aufnahme der Griffstücke in den Katalog der wesentlichen Teile einer Schußwaffe nach § 3 Abs. 2 WaffG durch das Waffenrechtsänderungsgesetz vom 31. Mai 1978 (BGBl I 641) wollte der Gesetzgeber verhindern, daß durch Kombination mit anderen Teilen neue komplette Waffen entstehen (BTDrucks. 8/1614 S. 14). Das dieser gesetzlichen Regelung zugrunde liegende sicherheitspolitische Bedürfnis würde bei den gegenüber sonstigen Handfeuerwaffen unter 60 cm wesentlich gefährlicheren Maschinenpistolen unterlaufen, wenn deren Griffstücke frei eingeführt und vertrieben werden dürften.
2. Auch im übrigen hält das Urteil einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung auf Grund der Revisionsrechtfertigung stand. Insbesondere ist die Beweiswürdigung der Strafkammer zum Fall 2 der Urteilsgründe nicht zu beanstanden. Daß das Tatgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe die Waffen schon vor Beginn eines bereits abgeurteilten Waffendeliktes in seinem Besitz gehabt und sich auf dem Weg zu seinem Verteidiger befunden, bei dem er sie habe abgeben wollen, für widerlegt erachtet hat, verletzt die rechtlichen Grenzen der Beweiswürdigung nach § 261 StPO nicht. Die Annahme, der Angeklagte, der mit Waffen handelt, habe die Waffen erst nach dem 3. August 1999 erworben und sich auf dem Weg zu einem Kunden befunden, stellt einen naheliegenden tatrichterlichen Schluß dar, weil die angeblich auf dem Dachboden gelagerten Waffen bei einer Durchsuchung am 3. August 1999 nicht vorgefunden worden waren.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 512509 |
NJW 2001, 384 |
Nachschlagewerk BGH |