Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdacht der Untreue
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 14. April 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der Untreue freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Angriffen gegen die Beweiswürdigung. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der als Verwaltungsleiter einer kirchlichen Stiftung für deren Zahlungs- und Finanzverkehr zuständig und kontobevollmächtigt war, in neun Fällen der N. AG Aufträge zum Erwerb von Aktien, Devisen- und Aktien-Optionen erteilt und in acht Fällen die Kontrakte durch Überweisung von Bankkonten der Stiftung bezahlt. Innerhalb von zwei Monaten überwies der Angeklagte 5,015 Mio DM. Dabei überzog er mit der fünften Überweisung erstmals ein Konto der Stiftung. Für die weiteren Überweisungen ließ er sich von der Darlehenskasse im Bistum M. Überziehungskredite von 4,7 Mio DM einräumen. Entgegen den Vereinbarungen legte die N. AG die Gelder nicht an, sondern verbrauchte sie anderweitig. Die Stiftung erhielt nach Einschaltung eines Rechtsanwalts lediglich 15.000 DM zurück. Der Angeklagte schloß – ohne dazu berechtigt zu sein – die Geschäfte für die Stiftung ab. Er sah unter dem Eindruck zahlreicher Anrufe von Telefonverkäufern der N. AG die Gelegenheit, die lediglich zu einem banküblichen Zinssatz auf Festgeldkonten angelegten Gelder der Stiftung binnen kurzer Zeit beträchtlich zu vermehren und wollte – ohne sich davon einen privaten finanziellen Vorteil zu versprechen – einen möglichst hohen Gewinn für die Stiftung herausholen, auch um auf diese Weise seine Eignung als Verwaltungsleiter unter Beweis zu stellen.
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es davon ausgegangen ist, daß der Angeklagte jedenfalls darauf vertraut hatte, es werde zu keinen Nachteilen kommen, und es sich nicht davon überzeugen konnte, daß der Angeklagte bei seinen Mißbrauchshandlungen mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
Das Urteil muß aufgehoben werden, weil die Strafkammer von einem rechtlich unzutreffenden Ausgangspunkt ausgegangen ist. Auf die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung kommt es deshalb nicht an.
Ehe der Tatrichter den Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Nachteilszufügung verneinen kann, muß er das objektive Tatgeschehen zutreffend beurteilen und genau darlegen, welche Handlung des Angeklagten er als Mißbrauch der ihm eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, ansieht. Dies setzt Feststellungen zu den dem Angeklagten eingeräumten Befugnissen voraus. Erst wenn feststeht, was der Angeklagte nicht (mehr) tun durfte, kann geprüft werden, ob bereits diese Handlung zu einem Nachteil für das betreute Vermögen geführt und welche Vorstellungen sich der Angeklagte in Bezug auf diese Handlung und ihre Folgen gemacht hat. Dabei können die Grenzen der Befugnis des Angeklagten nicht erst, worauf das Urteil besonders abhebt, durch § 6 Abs. 3 des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes, sondern auch schon durch den Arbeitsvertrag des Angeklagten gezogen werden.
Das Urteil enthält keine ausreichenden Feststellungen dazu, was der Angeklagte als „hauptamtlich kommissarischer Verwaltungsleiter” (UA S. 4) des St. V. -Stiftes durfte. Die Feststellung, es sei ihm die „laufende Geschäftsführung und Verwaltung als Rendant” übertragen gewesen, wobei er „an die Weisungen des Kuratoriums dieser Stiftung gebunden” gewesen sei (UA S. 5), belegt nicht, daß der Angeklagte auch befugt war, die als Festgelder angelegten Rücklagen des Stiftes auf irgend eine andere, sei es auch noch so gewinnbringende Weise neu anzulegen; vielmehr legt dies nahe, daß der Angeklagte eine solche, über die „laufenden Geschäfte” hinausgehende Befugnis gerade nicht hatte. Dann aber wäre bereits jede Vermögensumschichtung eine Pflichtwidrigkeit des Angeklagten gewesen, die zumindest eine schadensgleiche Vermögensgefährdung hätte auslösen können. Erst recht gilt dies für eine eventuelle Befugnis des Angeklagten zur Kreditaufnahme. Hier liegt es besonders nahe, daß der Angeklagte bereits aufgrund der mit ihm in seinem Arbeitsvertrag getroffenen Regelungen verpflichtet war, vor Abschluß von Darlehensverträgen die Zustimmung Dritter einzuholen. Die Unkenntnis solcher arbeitsvertraglicher Beschränkungen, wenn sie denn vom Angeklagten behauptet würde, wäre anders zu beurteilen als die über Vorschriften des Niedersächsischen Stiftungsgesetzes.
Zumindest setzt sich das Urteil nicht mit dem Widerspruch auseinander, daß der Angeklagte nach seiner Einlassung, der die Kammer folgt, die Gelder des Stiftes beträchtlich zu vermehren gedachte (UA S. 6), daß er aber dafür alsbald erhebliche Verbindlichkeiten (Zins- und Tilgungszahlungen) einging, die das Stift belasteten.
Auf der Grundlage genauerer Feststellungen darüber, was der Angeklagte rechtlich durfte und was er über den Umfang seines Dürfens wußte, wird der neue Tatrichter die Frage des bedingten Schädigungsvorsatzes neu zu entscheiden haben.
Unterschriften
Kutzer, Winkler, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 512515 |
NStZ 2001, 155 |
NStZ 2001, 259 |
wistra 2001, 61 |