Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtsenthobener Notar. Verfügungsbeschränkung § 55 BNotO. Unwirksame Überweisungsaufträge
Leitsatz (amtlich)
a) § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO enthält eine absolut wirkende Verfügungsbeschränkung. Überweisungsaufträge eines gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO vorläufig seines Amtes enthobenen Notars sind deshalb unabhängig von der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des beauftragten Kreditinstituts gem. § 134 BGB unwirksam.
b) Blanko unterschriebene Überweisungsaufträge eines Notars sind nicht gem. § 54b Abs. 3 S. 1 BeurkG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.
Normenkette
BNotO § 55; BeurkG § 54b
Verfahrensgang
OLG Braunschweig (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen 8 U 134/02) |
LG Göttingen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 5.2.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der klagende Notariatsverwalter nimmt die beklagte Sparkasse auf Auszahlung von Überweisungsbeträgen in Anspruch, die die Beklagte von Notaranderkonten abgebucht hat.
Die Beklagte führte für Notar R., B., Anderkonten zur Abwicklung von Immobilienkaufverträgen. Von diesen Konten überwies sie in der Zeit v. 7. bis 18.6.1999 auf Grund von Aufträgen des Notars R. insgesamt 2.542.095 DM auf andere Konten.
Der Kläger macht geltend, Notar R. sei durch eine am 28.5.1999 zugestellte Verfügung der Präsidentin des KG v. 21.5.1999 vorläufig seines Amtes enthoben worden. Dies habe die Beklagte am 31.5.1999 erfahren. Am 16.6.1999 sei Notar W., am 12.7.1999 er selbst gem. § 56 Abs. 4 BNotO zum Notariatsverwalter bestellt worden. Nachdem das Amt des Notars R. erloschen sei, sei er am 2.12.1999 gem. § 56 Abs. 2 BNotO zum Verwalter bestellt worden. Die Überweisungsaufträge seien gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO, § 134 BGB und, da Notar R. sie blanko unterschrieben und der Beklagten überlassen habe, gem. § 54b Abs. 3 S. 1 BeurkG, § 134 BGB unwirksam.
Das LG hat der Klage auf Zahlung von 1.299.752,50 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei nach dem eigenen Vorbringen des Klägers unbegründet. Dieser habe keinen Anspruch gem. §§ 667, 675 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte. Ihm stünden nicht mehr Rechte zu als dem amtsenthobenen Notar, dessen Geschäfte er fortführe. Die Beklagte habe nicht weisungswidrig gehandelt, sondern die Überweisungen an die in den Überweisungsaufträgen genannten Empfänger ausgeführt. Ob diese materiell zur Entgegennahme der Leistung berechtigt gewesen seien, sei unerheblich.
Ein Anspruch gem. §§ 667, 675 Abs. 1 BGB bestehe auch dann nicht, wenn man davon ausgehe, dass die vorläufige Amtsenthebung des Notars R. am 28.5.1999 wirksam geworden sei und seine späteren Überweisungsaufträge gem. §§ 55 Abs. 2 S. 3, 23 BNotO i.V.m. § 134 BGB nichtig seien. In diesem Fall sei die Geltendmachung des Anspruchs rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Die Überweisungen seien nicht entgegen dem Interesse des amtsenthobenen Notars ausgeführt worden, sondern hätten den von diesem verfolgten Zweck erreicht. Es sei davon auszugehen, dass die Überweisungsaufträge durch Mitarbeiter der Beklagten im Rahmen der Ermächtigung des amtsenthobenen Notars ausgefüllt worden seien. Auf die Interessen der an den zu Grunde liegenden Kaufverträgen Beteiligten und der finanzierenden Bank komme es nicht an. Auch aus dem Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB folge, dass ein Rückforderungsanspruch ausgeschlossen sei, wenn dem Anweisenden selbst ein Gesetzesverstoß zur Last falle. Da Notar R. die Überweisungsaufträge in Kenntnis seiner vorläufigen Amtsenthebung und seiner mangelnden Verfügungsbefugnis erteilt und damit vorsätzlich gegen § 55 Abs. 2 S. 1 BNotO verstoßen habe, könne er und damit auch der Kläger keine Rückerstattung der Überweisungsbeträge verlangen. Notar R. und der Kläger seien, anders als Geschäftsunfähige, nicht schutzwürdig.
Ob die Überweisungsaufträge von Notar R. blanko unterschrieben worden und ob sie deshalb gem. § 54b Abs. 3 S. 1 BeurkG nichtig seien, könne offen bleiben. Der Kläger handele rechtsmissbräuchlich, wenn er geltend mache, die Beklagte habe entsprechend dem Willen und Interesse des Notars R. an dem behaupteten Verstoß gegen das Beurkundungsgesetz mitgewirkt. Soweit der Kläger habe vortragen wollen, die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Überweisungsaufträge nicht entsprechend der Ermächtigung des Notars R. ausgefüllt, ergebe sich daraus nur ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 1 BGB. Eine Anfechtungserklärung liege aber nicht vor.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne sich nicht auf eine unterstellte Unwirksamkeit der Überweisungsaufträge gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO, § 134 BGB berufen und die Beklagte nicht auf Auszahlung der Kontoguthaben in Höhe der Überweisungsbeträge in Anspruch nehmen, ist rechtsfehlerhaft. Die Klageforderung ist nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachvortrag des Klägers gem. §§ 700 Abs. 1 S. 1, 607 Abs. 1 BGB a.F. begründet. Die Notaranderkonten wiesen vor der Belastung mit den Überweisungsbeträgen Guthaben in einer zumindest diesen Beträgen entsprechenden Höhe auf. Diese Guthaben sind durch die Belastungsbuchungen nicht gemindert worden. Die Buchungen sind unwirksam, weil ihnen nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachverhalt keine Aufwendungsersatzansprüche der Beklagten gem. §§ 670, 675 Abs. 1 BGB zu Grunde liegen (Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 47 Rz. 28). Solche Ansprüche sind nicht entstanden, weil den ausgeführten Überweisungen keine wirksamen Überweisungsaufträge zu Grunde lagen.
a) Die Überweisungsaufträge sind gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO, § 134 BGB unwirksam, weil sie nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachverhalt erst nach der vorläufigen Amtsenthebung des Notars R. gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO ausgeführt worden sind. Auf diesen Zeitpunkt kommt es an, da die Verfügungsbefugnis des Überweisenden noch im Zeitpunkt der Ausführung seines Auftrags vorliegen muss. Gemäß § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO kann ein Notar während der Dauer der vorläufigen Amtsenthebung keine Amtsgeschäfte nach § 23 BNotO vornehmen. Dazu gehören als Bestandteile von Verwahrungsgeschäften i.S.d. § 23 BNotO auch Verfügungen über Notaranderkonten (Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG, DONot, 4. Aufl., NotAndKont Rz. 61).
Notar R. hat durch seine vorläufige Amtsenthebung, ungeachtet seiner fortbestehenden Stellung als Kontoinhaber (Dumoulin, DNotZ 1963, 103 [107]), gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO seine Verfügungsbefugnis verloren (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 55 Rz. 16; Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO, BeurkG, § 55 BNotO Rz. 18; Hertel in Eylmann/Vaasen, BNotO, BeurkG, § 54b BeurkG Rz. 16; Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG, DONot, 4. Aufl., § 54b Rz. 18, NotAndKont Rz. 63; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [99]). § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO enthält kein relatives Verfügungsverbot i.S.d. § 135 BGB, sondern eine absolut wirkende gesetzliche Verfügungsbeschränkung (Lerch in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 55 Rz. 17; Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 55 BNotO Rz. 18; Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG und DONot, 4. Aufl., § 54b Rz. 18, NotAndKont Rz. 61; Schippel/Vetter, BNotO, 7. Aufl., § 55 Rz. 26; Hertel in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, Rz. 1840; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [99]).
aa) Für diese Auslegung des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO sprechen der Wortlaut der Vorschrift, ihre systematische Stellung innerhalb des § 55 Abs. 2 BNotO als Ausnahme zu dem in Satz 2 normierten Grundsatz, dass Amtsgeschäfte eines vorläufig seines Amtes enthobenen Notars gültig sind (Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 55 BNotO Rz. 18; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [100]) und der Regelungszweck. Der Gesetzgeber wollte durch die Anfügung des Satzes 3 in § 55 Abs. 2 BNotO verhindern, dass ein vorläufig seines Amtes enthobener Notar weiter über seine Anderkonten verfügen kann. Seine Verfügungsmacht soll mit der vorläufigen Amtsenthebung erlöschen, damit er sie nicht missbrauchen kann. Ein solcher Missbrauch war vor der Anfügung des Satzes 3 nicht ausgeschlossen, weil Amtshandlungen, die ein Notar nach seiner vorläufigen Amtsenthebung vornahm, trotz des Verbotes gem. § 55 Abs. 2 S. 1 BNotO gültig waren (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 9/597, 10; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [98]).
Dieser Regelungszweck lässt sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht durch die Auslegung des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO im Sinne eines relativen Verfügungsverbots erreichen, das den gutgläubigen Geschäftsverkehr in seinem Vertrauen auf die fortdauernde Verfügungsbefugnis des vorläufig seines Amtes enthobenen Notars schützen würde. Auf dieser Grundlage könnten Notare, die von einer vorläufigen Amtsenthebung in aller Regel früher als Anderkonten führende Kreditinstitute erfahren, noch Verfügungen treffen, die gem. § 135 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 407, 408 BGB (BGH v. 26.1.1983 - VIII ZR 258/81, BGHZ 86, 337 [338 f.] = MDR 1983, 486; OLG Celle v. 5.2.1998 - 7 U 180/97, OLGReport Celle 1998, 210 [211]) als wirksam anzusehen wären. Die Gefahr eines Missbrauchs der Verfügungsbefugnis, der der Gesetzgeber begegnen wollte, bestünde fort. Dadurch würden die Sicherung der Vermögensinteressen der an den Verwahrungsgeschäften Beteiligten, insb. der Treugeber, die Gewährleistung einer möglichst umfassenden und raschen Aufklärung ihrer Rechtsverhältnisse und damit die Förderung der Abwicklung der laufenden Amtsgeschäfte beeinträchtigt (Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [99 f.]). Dieses Interesse an der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und der Schutz des Rechtsverkehrs vor Amtshandlungen eines Notars, dessen Eignung in Frage gestellt ist, erfordern die Auslegung des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO im Sinne eines absolut wirkenden gesetzlichen Verfügungsverbots (Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 55 BNotO Rz. 18; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [99 f.]). Auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen der Beklagten von der vorläufigen Amtsenthebung des Notars R. kommt es deshalb nicht an.
bb) Die Interessen der Kreditinstitute werden bei der Annahme eines absoluten Verfügungsverbots angemessen gewahrt. Die Kreditinstitute haben in Nr. 11 Abs. 2 der Bedingungen für Anderkonten und Anderdepots von Notaren (im Folgenden: NotAndKont) in der im vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren Fassung von August 2000 selbst anerkannt, dass die Verfügungsbefugnis eines Notars mit seiner vorläufigen Amtsenthebung endet. Ihnen stehen nach der Ausführung unwirksamer Überweisungsaufträge anstelle des Aufwendungsersatzanspruches gegen den Notar andere Ansprüche zu. Sie können vom Zahlungsempfänger, auch wenn dieser gutgläubig ist, gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB Rückzahlung verlangen, weil es an einer gültigen Anweisung fehlt und die Überweisung dem Notar nicht als Leistung zugerechnet werden kann (BGH v. 20.3.2001 - XI ZR 157/00, BGHZ 147, 145 [151] = MDR 2001, 703 = BGHReport 2001, 467 m. Anm. Kemper; v. 5.11.2002 - XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307 [311 f.] = MDR 2003, 328 = BGHReport 2003, 189; Urt. v. 3.2.2004 - XI ZR 125/03, BGHZ 158, 1 [5] = BGHReport 2004, 755 m. Anm. Haertlein; Urt. v. 21.6.2005 - XI ZR 152/04, BGHReport 2005, 1392 = WM 2005, 1564 [1565 f.]). Daneben haben sie die Möglichkeit, ihren Schaden ggü. dem gesetzwidrig verfügenden Notar wegen positiver Vertragsverletzung und gem. § 19 BNotO bzw. dessen Berufshaftpflichtversicherung (§ 19a BNotO) oder ggf. ggü. der Vertrauensschadensversicherung (§ 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO) bzw. dem Vertrauensschadensfonds (§ 67 Abs. 4 Nr. 3 BNotO) der Notarkammer geltend zu machen. Darüber hinaus kommt ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB) gegen die Justizverwaltung in Betracht, sofern diese ihre Pflicht verletzt hat, Kreditinstitute, bei denen ein Notar Anderkonten unterhält, unverzüglich von dessen vorläufiger Amtsenthebung in Kenntnis zu setzen.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger weder gem. § 242 BGB noch gem. § 817 S. 2 BGB gehindert, sich auf die Unwirksamkeit der Überweisungsaufträge zu berufen und die Beklagte auf Auszahlung der Kontoguthaben in Höhe der Überweisungsbeträge in Anspruch zu nehmen. Er nimmt damit nicht mehr Rechte in Anspruch, als dem amtsenthobenen Notar zustanden.
aa) Der Kläger handelt nicht rechtsmissbräuchlich. Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts ist grundsätzlich kein Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn die Nichtigkeit dem Normzweck des verletzten Verbotsgesetzes entspricht (BGH, Urt. v. 22.1.1986 - VIII ZR 10/85, MDR 1986, 576 = WM 1986, 565 [567]; Staudinger/Rolf Sack, BGB, Neubearb. 2003, § 134 Rz. 187; vgl. zu § 817 S. 2 BGB BGH v. 31.5.1990 - VII ZR 336/89, BGHZ 111, 308 [313] = MDR 1990, 1100; v. 30.4.1992 - III ZR 151/91, BGHZ 118, 142 [150] = AG 1992, 438 m. Anm. Claussen = MDR 1992, 858 = GmbHR 1992, 615; v. 5.5.1992 - X ZR 134/90, BGHZ 118, 182 [193] = MDR 1992, 938). So liegt es hier.
§ 55 Abs. 2 S. 3 BNotO dient, wie dargelegt, vornehmlich dem Schutz der Vermögensinteressen der Treugeber. Dieser würde beeinträchtigt, wenn ein Notaranderkonto nach einer Überweisung mit einem Aufwendungsersatzanspruch des Kreditinstituts belastet werden könnte, obwohl der zu Grunde liegende Überweisungsauftrag gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO, § 134 BGB nichtig ist. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts, das nicht auf die Interessen der an den Verwahrungsgeschäften Beteiligten, insb. der Treugeber, sondern allein auf das Interesse des vorläufig amtsenthobenen Notars abstellt, verkennt die rechtliche Ausgestaltung der Notaranderkonten als offene Treuhandkonten. Der treuhänderischen Bindung der auf einem Notaranderkonto verwahrten Vermögenswerte wird rechtlich durch den weit gehenden Ausschluss der Aufrechnung mit Ansprüchen des Kreditinstituts gegen den Treuhänder, des Zurückbehaltungsrechts wegen solcher Ansprüche und des in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute vorgesehenen Pfandrechts (Nr. 8 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993; BGH, Urt. v. 25.9.1990 - XI ZR 94/89, MDR 1991, 339 = WM 1990, 1954; Hadding/Häuser in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 37 Rz. 49-53), ferner durch das Verbot von Sammelanderkonten (§ 54b Abs. 2 S. 3 BeurkG, Nr. 4 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993), die Beschränkung der Verfügungsbefugnis auf den Amtsinhaber (§ 54b Abs. 3 S. 1 und 2 BeurkG, Nr. 11 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993) und den Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Notariatsverwalter (§ 58 Abs. 1 BNotO, Nr. 13 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993) Rechnung getragen. Auch § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO entspricht dem Charakter des Notaranderkontos als offenem Treuhandkonto und soll eine missbräuchliche, d.h. der treuhänderischen Bindung widersprechende Ausübung der Verfügungsbefugnis des Notars verhindern. Mit diesem Schutzzweck des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO ist es unvereinbar, dem Kläger die Berufung auf die Unwirksamkeit der Überweisungsaufträge mit der Begründung zu verwehren, die Ausführung der Überweisungsaufträge entspreche den Weisungen des amtsenthobenen Notars, d.h. des Treuhänders.
bb) Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 8.10.1991 - XI ZR 207/90, MDR 1992, 152 = WM 1991, 1912 [1913]; Urt. v. 21.6.2005 - XI ZR 152/04, BGHReport 2005, 1392 = WM 2005, 1564 [1567]; Urt. v. 27.9.2005 - XI ZR 216/04, Umdruck S. 13) berufen, dass die Geltendmachung eines Anspruches auf Rückgängigmachung von Kontobelastungen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt, wenn eine weisungswidrige Erledigung eines Überweisungsauftrages das Interesse des Überweisungsauftraggebers nicht verletzt, insb. wenn der mit der Überweisung verfolgte Zweck trotz der Fehlbuchung erreicht worden ist. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine weisungswidrige Ausführung eines wirksamen Überweisungsauftrages, sondern um die weisungsgemäße Ausführung eines unwirksamen Überweisungsauftrages. Da die Unwirksamkeit des Überweisungsauftrages gem. § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO dem Schutz der Treugeber vor einer missbräuchlichen, d.h. der treuhänderischen Bindung widersprechenden Ausübung der Verfügungsbefugnis des Notars dient, kann die Erreichung des von dem Notar mit der Überweisung verfolgten Zweckes der Geltendmachung des Anspruches auf Rückgängigmachung der Belastung des Kontos mit dem Überweisungsbetrag und auf Auszahlung dieses Betrages nicht entgegenstehen. Dass die Überweisungen den Interessen der Treugeber entsprachen, hat die Beklagte nicht substantiiert behauptet.
cc) Die Klageforderung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht entsprechend dem Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift ist auf Grund ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen und außerhalb des Bereicherungsrechts, etwa auf vertragliche Ansprüche, nicht anwendbar (BGHZ 41, 341 [349 f.]; BGHZ 44, 1 [6 f.]; BGH, Urt. v. 27.9.1955 - I ZR 212/53, WM 1955, 1614).
2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem Kläger die Berufung auf die Unwirksamkeit blanko unterschriebener Überweisungsaufträge selbst für den Fall versagen will, dass die Beklagte sie abredewidrig ausgefüllt hat.
a) Allerdings sind die Überweisungsaufträge nicht gem. § 54b Abs. 3 S. 1 BeurkG i.V.m. § 134 BGB nichtig, wenn Notar R. sie blanko unterschrieben hat. Nach § 54b Abs. 3 S. 1 BeurkG darf über Notaranderkonten nur der Notar persönlich, sein amtlich bestellter Vertreter oder der Notariatsverwalter verfügen. Ob der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz der persönlichen Amtsführung der Verwendung blanko unterschriebener Überweisungsaufträge entgegensteht (so Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG und DONot, 4. Aufl., § 54b BeurkG Rz. 19; Hertel in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 54b BeurkG Rz. 17; Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 54b Rz. 19), bedarf keiner Entscheidung, weil blanko unterschriebene Überweisungsaufträge aus Gründen des Verkehrsschutzes jedenfalls nicht unwirksam sind (BGH, Beschl. v. 14.10.1985 - NotSt (B) 3/85, DNotZ 1986, 310 [311]).
b) Die Beklagte hat aber, ohne dass es einer Anfechtung bedarf, keine Rechte gegen Notar R. und den Kläger, soweit sie Überweisungsaufträge, die Notar R. blanko unterschrieben und ihr überlassen hat, abredewidrig ausgefüllt hat (Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 119 Rz. 16; H. Erman/Palm, BGB, 11. Aufl., § 119 Rz. 11).
III.
Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachverhalt ist die Klage begründet.
1. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Da die Klageforderung aus dem Girovertrag hergeleitet wird, ist grundsätzlich der Kontoinhaber als Partner des Girovertrages zu ihrer Geltendmachung befugt. Die Stellung des Kontoinhabers hat Notar R. allerdings nicht bereits durch seine vorläufige Amtsenthebung verloren (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 23 Rz. 168; Custodis in Eylmann/Vaasen, BNotO und BeurkG, § 55 BNotO Rz. 17; Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG und DONot, 4. Aufl., NotAndKont Rz. 66; Schippel/Vetter, BNotO, 7. Aufl., § 55 Rz. 26; Dumoulin, DNotZ 1963, 103 [107]; Zimmermann, DNotZ 1982, 90 [99]; Nr. 11 Abs. 3 S. 2 NotAndKont i.d.F. von Aug. 2000). Nach den vom Berufungsgericht gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen, rechtsfehlerfreien und von der Revisionserwiderung unangegriffenen Feststellungen des LG ist der Kläger aber jedenfalls, nachdem das Amt des Notars R. erloschen war, gem. § 56 Abs. 2 BNotO zum Verwalter bestellt worden. Damit ist er gem. Nr. 13 Abs. 1 S. 1 und 2 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993 kraft Vertrages zu Gunsten eines Dritten Kontoinhaber geworden (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 23 Rz. 172; Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG und DONot, 4. Aufl., NotAndKont Rz. 68; Hadding in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 38 Rz. 11; Schippel/Reithmann, BNotO, 7. Aufl., § 23 Rz. 26).
2. Die Klageforderung ist nicht durch Anerkenntnis des beim Rechnungsabschluss zum Ende des zweiten Quartals des Jahres 1999 von der Beklagten ermittelten Saldos untergegangen (BGH v. 13.3.1981 - I ZR 5/79, BGHZ 80, 172 [176] = MDR 1981, 730; Urt. v. 4.7.1985 - IX ZR 135/84, MDR 1986, 314 = WM 1985, 969 [971]). Nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachverhalt fehlte Notar R. auf Grund seiner am 28.5.1999 wirksam gewordenen vorläufigen Amtsenthebung gem. § 55 Abs. 3 S. 2 BNotO die Verfügungsbefugnis für ein solches Anerkenntnis.
3. Die Klageforderung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gem. § 254 Abs. 1 BGB gemindert. Diese Vorschrift ist auf Erfüllungsansprüche wie den Anspruch gegen ein Kreditinstitut auf Auszahlung eines Guthabens nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 20.3.1986 - III ZR 236/84, MDR 1986, 916 = WM 1986, 608 [610]). Die Berücksichtigung eines in einem Verstoß gegen das Verfügungsverbot des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO liegenden Mitverschuldens widerspräche auch dem Regelungszweck dieser Vorschrift. Nach § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO sind, wie dargelegt, Verfügungen eines seines Amtes vorläufig enthobenen Notars über Fremdgelder auf Notaranderkonten unwirksam. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Beklagte einen Verstoß des Notars R. gegen das Verfügungsverbot des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO der auf Auszahlung der Fremdgelder gerichteten Klage gem. § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten könnte.
4. Die Beklagte kann ggü. der Klageforderung weder die Aufrechnung mit aus einem Verstoß des Notars R. gegen § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO resultierenden Schadensersatzansprüchen wegen positiver Vertragsverletzung bzw. gem. § 19 Abs. 1 BNotO oder Bereicherungsansprüchen gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erklären noch ein Zurückbehaltungs- oder Pfandrecht wegen dieser Ansprüche geltend machen. Diese Rechte stehen ihr gem. Nr. 8 NotAndKont i.d.F. von Dez. 1993 (BGHZ 61, 72 [77]; BGH, Urt. v. 25.9.1990 - XI ZR 94/89, MDR 1991, 339 = WM 1990, 1954) nur wegen Forderungen zu, die in Bezug auf das Anderkonto selbst entstanden sind. Darunter fallen Ansprüche auf Gebühren, Zinsen, Entgelte und Provisionen sowie auf Ersatz von Aufwendungen für die Führung des Kontos und die Ausführung einzelner Geschäfte (OLG München v. 11.3.1991 - 26 U 4765/90, WM 1992, 1732 [1735]; Gössmann in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 2/316; Renner in Huhn/v. Schuckmann, BeurkG und DONot, 4. Aufl., NotAndKont Rz. 54), nicht aber Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche auf Grund unwirksamer Überweisungsaufträge, die gerade keine Aufwendungsersatzansprüche begründen. Eine andere Beurteilung widerspräche dem Regelungszweck des § 55 Abs. 2 S. 3 BNotO, die Vermögensinteressen der Treugeber zu schützen.
IV.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird Feststellungen zu der zwischen den Parteien streitigen Frage zu treffen haben, ob die vorläufige Amtsenthebung des Notars R. durch Zustellung einer entsprechenden Verfügung der Präsidentin des KG am 28.5.1999 bzw. vor Ausführung der streitgegenständlichen Überweisungsaufträge, wirksam geworden ist. Sollte sich die vorläufige Amtsenthebung des Notars R. vor Ausführung der Überweisungsaufträge nicht feststellen lassen, ist, ggf. nach weiterem Parteivortrag, festzustellen, ob die Überweisungsaufträge von Notar R. blanko unterschrieben und von der Beklagten abredewidrig ausgefüllt worden sind.
Fundstellen