Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 18.06.2014) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 18. Juni 2014 mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 1 der Urteilsgründe; Tatzeit 1. Dezember 2013), besonders schweren Raubes (Fall II. 2; Tatzeit 9. Dezember 2013), Diebstahls mit Waffen (Fall II. 3; Tatzeit 13. Dezember 2013), vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 4; Tatzeit 13. Dezember 2013) sowie „unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes (Schlagring)” (Fall II. 5; Tatzeit 25. Mai 2013) unter Einbeziehung der Strafe aus dem „Urteil” (richtig: Strafbefehl) des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es verschiedene Gegenstände eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die ausweislich der Ausführungen in der Begründungsschrift über die ausdrücklich erklärte Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hinaus wirksam auf den Gesamtstrafenausspruch des angefochtenen Urteils beschränkt ist, hat mit der Sachrüge Erfolg.
Rz. 2
1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe kann nicht bestehen bleiben.
Rz. 3
a) Der Angeklagte ist im Strafbefehlswege u.a. wie folgt vorgeahndet:
Rz. 4
Am 15. November 2013 belegte ihn das Amtsgericht Kaiserslautern wegen am 27. August 2013 festgestellten unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln mit einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 EUR. Diese (in das angefochtene Urteil einbezogene) Geldstrafe war im Zeitpunkt der Urteilsverkündung teilweise im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt.
Rz. 5
Am 18. Dezember 2013 ahndete das Amtsgericht Kaiserslautern einen am 4. Dezember 2013 (UA 4, 37; bei dem ebenfalls auf UA 4 genannten Datum „04.01.2013” handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen) begangenen Diebstahl geringwertiger Sachen mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 EUR. Diese Geldstrafe wurde vor der Verkündung des angefochtenen Urteils durch Ersatzfreiheitsstrafe vollständig vollstreckt.
Rz. 6
Schließlich verurteilte das Amtsgericht Saarbrücken den Angeklagten am 17. Februar 2014 wegen eines am 5. Dezember 2013 begangenen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 EUR. „Über den Vollstreckungsstand dieser Strafe ist der Kammer nichts bekannt”.
Rz. 7
b) Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB war das Landgericht wegen der Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 gehindert, unter Einbeziehung der dort verhängten Geldstrafe „für alle … Taten” (UA 37) eine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 1985 – 4 StR 153/85, BGHSt 33, 230; Urteil vom 13. November 1985 – 3 StR 311/85, BGHSt 33, 367; Beschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 314/14). Vielmehr hätte es aus der genannten Geldstrafe – sofern es diese nicht gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert bestehen lässt – und der für die Tat vom 25. Mai 2013 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten eine Gesamtstrafe sowie für die weiteren im vorliegenden Verfahren verhängten Einzelstrafen eine weitere Gesamtstrafe bilden und im Tenor gesondert aussprechen müssen. Dem durfte es nicht unter Hinweis auf eine mit dem Vorliegen einer Zäsurwirkung verbundene „Zufälligkeit” ausweichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 312 f., und vom 6. März 1996 – 2 StR 36/96, NStZ-RR 1996, 227). Nötigt – wie hier – die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Vorverurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels vielmehr ausgleichen. Es muss also darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 aaO, vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11, vom 30. Januar 1996 – 1 StR 624/95, und vom 17. April 2008 – 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234).
Rz. 8
Die von der Strafkammer in unklarer und allenfalls hypothetischer (UA 37) Weise gebildete Gesamtstrafe von einem Jahr und sieben Monaten aus der für die Tat II. 5 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 15. November 2013 sieht § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vor; sie entfällt mit dieser Entscheidung.
Rz. 9
2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den Gesamtstrafenausspruch dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben.
Rz. 10
3. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die nunmehr erforderliche nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (BGH, Beschlüsse vom 22. August 2013 – 3 StR 141/13, StraFo 2013, 474, 475, und vom 19. Februar 2014 – 2 StR 558/13, NStZ-RR 2014, 242, 243, jew. mwN). Bezogen auf diesen Zeitpunkt wird daher auch der Vollstreckungsstand des Strafbefehls des Amtsgerichts Saarbrücken – dessen Rechtskraft vorausgesetzt – festzustellen sein.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Mutzbauer, Bender
Fundstellen