Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen Schlechtlieferung und Falschlieferung (aliud).
Der Käufer, dem eine andere als die geschuldete Sache (aliud) geliefert worden ist, kann den Kaufpreis nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen.
Normenkette
BGB §§ 459, 326, 433, 812
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 01.12.1995) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Dezember 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Mit Schreiben vom 23. November 1989 forderte die Klägerin u.a. den Beklagten unter Beifügung eines Pflichtenheftes zur Abgabe eines Angebots über die Ausstattung von insgesamt 39 Schulen mit neuen Mikrocomputersystemen auf. Jede der Schulen sollte mit einem Lehrerarbeitsplatz und acht bzw. neun Schülerarbeitsplätzen, jeweils bestehend aus einem Mikrocomputersystem und Peripheriegeräten, ausgestattet werden. Unter Punkt 1.11 des Pflichtenheftes heißt es:
„Datensicherung (optional)
Zur Datensicherung wird optional ein transportabler Streamer gefordert, der in seiner Kapazität entsprechend der Anzahl der Arbeitsplätze ausgelegt sein muß.
Erforderliche Controllerkarten/Interfaces einschließlich Software sind entsprechend der Anzahl der Systeme als Option im Angebot aufzuführen.”
Der Beklagte gab unter dem 4. Dezember 1989 ein Angebot über die Ausrüstung von 39 Lehrer- und 341 Schülerarbeitsplätzen ab. Dieses lautet zu Punkt 1.11:
„Datensicherung optional
Externer COLORADO-Streamer, 40 MB inkl. Controller und Streamertape (Kassette), einschließlich Streamersoftware.
Zusätzliche Streamercontroller entsprechend der Anzahl der Schülerarbeitsplätze inkl. Streamersoftware.”
Aufgrund dieses Angebots erteilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 26. März 1990 den Auftrag zum Gesamtpreis von 1.349.580,21 DM. In der „Einzelspezifikation der Gesamtbestellung” ist unter den Positionen „Hardware” für jedes der zu liefernden Mikrocomputersysteme ein „Streamer-Controller” und unter der Position „Software” für die Lehrerarbeitsplätze jeweils „1 × Streamer-Software mit Streamertape”, für die Schülerarbeitsplätze „8 × (bzw. 9 ×) Streamer-Software” vorgesehen.
Mit Schreiben vom 4. April 1990 gab der Beklagte zu einzelnen Positionen des Auftragschreibens ergänzende Hinweise. Unter Bezugnahme auf die den Positionen „Software” für die Schülerarbeitsplätze zugeordneten Positionsnummern heißt es in diesem Schreiben:
„Jede der genannten Schulen erhält einen externen Streamer zur Datensicherung. Zu diesem gehört ein Handbuch und einmal die entsprechende Streamer-Software. Alle Computer einer Schule werden mit Anschlüssen für den Streamer versehen und die Streamer-Software kann auf allen Geräten betrieben werden.”
Nach Eingang dieses Schreibens bei der Klägerin kam es zwischen dem beim Schulverwaltungsamt der Klägerin beschäftigten Zeugen L. und dem damaligen Mitarbeiter W. des Beklagten zu einem Telefongespräch, dessen Inhalt streitig ist. Der Zeuge L. bestätigte. namens der Klägerin durch Schreiben vom 9. April 1990 „die in der Auftragsbestätigung vom 04.04.1990 dargelegten Punkte bezüglich der Software PC-Logo, Streamer-Software … und die Erläuterungen zu den Lizenzbestimmungen”.
Der Beklagte lieferte die bestellten Computersysteme im Mai und Juni 1990 an die einzelnen Schulen aus. In den Lieferscheinen und Rechnungen sind für die Schülerarbeitsplätze jeweils acht bzw. neun „zusätzliche Streamer-Controller” zum Einzelpreis von 281,61 DM zuzüglich Mehrwertsteuer aufgeführt.
Anfang Februar 1993 forderte die Klägerin von dem Beklagten Rückzahlung des Kaufpreisanteils für insgesamt 341 Streamer-Controller in Höhe von 107.283,61 DM. Sie begründete das Rückzahlungsverlangen damit, daß bei allen 341 Schülerarbeitsplätzen für den externen Anschluß des Streamers keine Steckmodule, sogenannte Controllerkarten, sondern von dem Beklagten selbst entwickelte Adapter verwendet worden sind. Dieser Umstand sei, so behauptet die Klägerin, erst im Januar 1993 anläßlich der Reparatur eines Schülergerätes festgestellt worden. Die von dem Beklagten gewählte Lösung sei technisch minderwertig und nicht vertragsgerecht. Bei dem Telefongespräch vom 5. April 1990 habe der damalige Mitarbeiter W. des Beklagten auf die Frage des Zeugen L. bestätigt, daß es sich bei den in der Auftragsbestätigung vom 4. April 1990 genannten Anschlüssen um die von ihr bestellten und von dem Beklagten angebotenen Streamercontroller handele. Unter einem Streamercontroller werde in Fachkreisen aber stets eine Controllerkarte verstanden.
Letzteres hat der Beklagte bestritten und darüber hinaus geltend gemacht, die von ihm gewählte Adapterlösung sei aufwendiger und technisch höherwertig als die Verwendung handelsüblicher Controllerkarten. Die Ausführung der Streameranschlüsse an den Schülergeräten sei den Mitarbeitern der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen. Schon aus der Position der Anschlußbuchsen an den Schülergeräten, die die Mitarbeiter der Klägerin intensiv überprüft hätten, sei für einen Sachkundigen klar zu erkennen gewesen, daß keine handelsübliche Controllerkarte verwendet worden sei. Außerdem sei bei der Anlieferung ein Gerät geöffnet worden, weil der Zeuge L. das Fabrikat der eingebauten Festplatte habe überprüfen wollen. Dabei habe weder das Fehlen der Controllerkarte, eines Bauteils von 12 × 10 cm Größe, noch der statt dessen eingebaute Adapter übersehen werden können. Dies gelte um so mehr, als es dem Zeugen L. nach dem von der Klägerin behaupteten Inhalt des Telefongesprächs vom 5. April 1990 sowie des angeblich anschließend gefertigten Aktenvermerks und seiner eigenen Zeugenaussage gerade auf die Verwendung von Controllerkarten für die Streameranschlüsse der Schülerarbeitsplätze angekommen sei. Schließlich seien Gewährleistungsansprüche der Klägerin verjährt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 107.263,61 DM gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin könne den Kaufpreis für 341 Streamercontroller zurückverlangen, denn insoweit habe der Beklagte eine Leistung in Rechnung gestellt und vergütet erhalten, die er absichtlich nicht erbracht habe. Nach dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Kaufvertrag (Pflichtenheft, Angebot, Auftragserteilung) hätte der Beklagte Schülerarbeitsplätze mit Streamercontrollern, verstanden als Controllerkarten, liefern müssen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen L. und dem Inhalt des von diesem Zeugen gefertigten Aktenvermerks habe auf dessen telefonische Nachfrage der damalige Mitarbeiter W. des Beklagten noch einmal bekräftigt, bei den in der Auftragsbestätigung erwähnten „Anschlüssen” handele es sich um die im Angebot des Beklagten aufgeführten „Controller” bzw. die im Auftragschreiben der Klägerin genannten „Streamer-Controller”. Die Behauptung des Beklagten, der Aktenvermerk sei erst im Zusammenhang mit der Klageerhebung gefertigt und rückdatiert worden, sei offensichtlich ins Blaue hinein erhoben und daher unbeachtlich. Die Aussage des Zeugen W. stehe dem nicht entgegen, denn dieser habe sich an die entscheidenden Einzelheiten nicht mehr genau erinnern können.
Ebenso sei bewiesen, daß die Parteien unter dem Begriff „Streamer-Controller” die unter Position 1.11 der Ausschreibung genannten „Controllerkarten” verstanden hätten. Dies sei zum einen dem in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten zu entnehmen, wonach in Fachkreisen unter einem Streamercontroller stets ein Steckmodul (Fachjargon: Karte) für den Anschluß eines Streamer-Bandgerätes verstanden werde. Zum anderen habe auch der Zeuge W. – wohl unbeabsichtigt – bei seiner Aussage offenbart, daß im Normalfall – und deshalb auch zur Erfüllung des von der Klägerin erteilten Auftrags – Controllerkarten zu verwenden gewesen wären. Aus dem Umstand, daß die Klägerin bei der Lieferung keine Beanstandungen erhoben habe, ergebe sich nichts anderes. Es sei nicht zwingend, daß dem Zeugen L. bei der Öffnung eines Gerätes zwecks Überprüfung des Fabrikats der eingebauten Festplatte das Fehlen der Controllerkarte hätte auffallen müssen. Daher komme auch den abgezeichneten Lieferscheinen und dem Gesamtabnahmeprotokoll keine wesentliche Indizwirkung für die Frage des Vertragsinhalts zu.
Der von dem Beklagten anstelle des geschuldeten Streamercontrollers eingebaute Adapter sei ein aliud. Das bedeute, daß die Klägerin eine Leistung bezahlt habe, die sie nicht bestellt habe, während sie die bestellte Leistung nicht erhalten habe. Der Beklagte habe diese Zahlung mithin ohne Rechtsgrund erhalten und müsse sie deshalb der Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgewähren. Dieser Bereicherungsanspruch sei nicht verjährt und scheitere auch nicht an § 814 BGB.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die der Klägerin gelieferten Computersysteme für die 341 Schülerarbeitsplätze, auch wenn der Beklagte statt der bestellten „Streamercontroller” – diese verstanden als Controllerkarten – Adapter eingebaut hat, kein aliud gegenüber der vertraglich geschuldeten Leistung darstellen. Nicht jede Abweichung von der vereinbarten Sollbeschaffenheit ist rechtlich als Falschlieferung (aliud) zu qualifizieren. Handelt es sich wie hier um nur der Gattung nach bestimmte Waren, so ist für die Abgrenzung, ob es sich um eine mangelhafte oder um eine andere als die geschuldete Ware handelt, in erster Linie auf den ausdrücklich vereinbarten oder dem Verkäufer wenigstens bekannten Vertragszweck und die danach erforderlichen Merkmale der zu liefernden Ware abzustellen (Senatsurteile vom 18. September 1985 – VIII ZR 244/84 = WM 1985, 1361 unter III 2 a und vom 23. März 1994 – VIII ZR 47/93 = WM 1994, 1394 unter II 2 a). Danach haben es die Vertragspartner zwar weitgehend in der Hand, durch genaue Bestimmung der für die zu liefernden Waren maßgeblichen Eigenschaften auch eng begrenzte Warengattungen festzulegen (Senatsurteil vom 23. März 1994 a.a.O. m.w.Nachw.). Für eine dahingehende Annahme fehlt es im Streitfall indessen an Anhaltspunkten. Bei Zugrundelegung der Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die von dem Beklagten gelieferten Schülergeräte vielmehr den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck auch in bezug auf die Möglichkeit erfüllen, Daten auf einem externen Streamer zu speichern. Dies belegt anschaulich der Umstand, daß alle 341 Schülergeräte mehr als zweieinhalb Jahre in Betrieb waren, bevor nach der Darstellung der Klägerin durch Zufall die technisch abweichende Ausführung des Streameranschlusses entdeckt wurde. Auch nach diesem Zeitpunkt hat die Klägerin die von dem Beklagten gelieferten Schülergeräte nicht als Falschlieferung zurückgewiesen oder den Beklagten auf deren Rücknahme gegen Erstattung des vollen Kaufpreises in Anspruch genommen, sondern die Geräte weiterhin in ihren Schulen eingesetzt und nur den nach ihrer Auffassung zu viel bezahlten Kaufpreisanteil zurückgefordert. Auch dieses Verhalten spricht gegen die Annahme, die gelieferten Geräte wichen so weit von der geschuldeten Beschaffenheit ab, daß sie einer anderen als der nach Inhalt und Zweck des Vertrages geschuldeten Gattung angehörten (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. Juni 1990 – VIII ZR 72/89 = WM 1990, 2000 unter II 1 a). Schließlich ist auch nicht anzunehmen, daß nach der Verkehrsanschauung die Grenzen der Warengattung überschritten sind, wenn eine bestimmte technische Funktion einer Computeranlage nicht mit Hilfe des vertragsgemäßen Bauteils, sondern durch eine technische Alternativlösung erreicht wird.
Zu Unrecht beschränkt sich das Berufungsgericht demgegenüber bei der Prüfung der Frage, ob der Beklagte eine andere als die vertraglich geschuldete Leistung (aliud) erbracht hat, auf einen Vergleich der – nach seiner Auffassung geschuldeten – Controllerkarten mit den von dem Beklagten in die Schülergeräte eingebauten Adaptern. Kaufsache sind nach dem von den Parteien geschlossenen Vertrag nicht „Streamercontroller”, sondern (unter anderem) EDV-Schülerarbeitsplätze, die als einen von vielen Bauteilen „Streamercontroller” enthalten sollten. Daran ändert auch der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand nichts, daß der Beklagte die Position „Streamercontroller” als eigenen Rechnungsposten ausgewiesen und berechnet hat. Ebensowenig kommt es darauf an, ob die „Streamercontroller” als Bestandteil oder – wie die Revisionserwiderung meint – als Zubehör anzusehen sind. Denn auch im zuletzt genannten Falle sind sie rechtlich lediglich Teile der aus vielerlei technischen Komponenten zusammengesetzten Computersysteme, die der Beklagte nach dem Vertrag zu liefern hatte.
2. Selbst wenn dem Berufungsgericht in der Annahme einer teilweisen Falschlieferung zu folgen wäre, ergibt sich daraus nicht die von ihm angenommene Rechtsfolge, daß die Klägerin den von dem Beklagten berechneten Kaufpreisanteil von 107.263,61 DM für die „Streamercontroller” aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen kann. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift setzt voraus, daß es für eine Vermögensverschiebung an einem Rechtsgrund fehlt. Das ist hier nicht der Fall. Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung der Klägerin ist der von den Parteien geschlossene Kaufvertrag. Dessen Wirksamkeit wird von der – unterstellt – vertragswidrigen Beschaffenheit der gelieferten Kaufsache nicht berührt. Auch das Berufungsgericht nimmt derartiges nicht an. Gleichwohl hält es – mit Zustimmung der Revisionserwiderung – § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB deswegen für einschlägig, weil die Klägerin eine von ihr nicht bestellte Leistung bezahlt, die bestellte Leistung dagegen nicht erhalten habe. Das ist nicht richtig.
Auch wenn der Verkäufer eine andere als die geschuldete Sache geliefert und dafür die vereinbarte Kaufpreiszahlung erhalten hat, ist er um den Kaufpreis nicht rechtsgrundlos bereichert. Rechtsgrund ist vielmehr auch in diesem Falle der dem Leistungsaustausch zugrundeliegende Kaufvertrag. In Fällen der Falschlieferung fehlt es nicht am Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung, sondern an der Vertragserfüllung seitens des Verkäufers. Hat der Käufer – wie im Streitfall die Klägerin – den Kaufpreis vor der Aufdeckung der (teilweisen) Falschlieferung bereits gezahlt, so kann er nicht (anteilige) Kaufpreisrückzahlung, sondern nur (vollständige) Erfüllung des Kaufvertrages seitens des Verkäufers fordern oder gemäß § 326 BGB gegen diesen vorgehen. Dies hat die Klägerin nicht getan. Sie hat den Beklagten nicht einmal zur Nachlieferung der nach ihrer Auffassung geschuldeten Controllerkarten oder zur Lieferung vertragsgerecht ausgestatteter Schülerarbeitsplätze aufgefordert, sondern sogleich Gewährleistungsansprüche auf anteilige Kaufpreisrückzahlung geltend gemacht. Unter diesen Umständen kann entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung keine Rede davon sein, die Voraussetzungen des § 326 seien angesichts des Prozeßverhaltens des Beklagten erfüllt.
3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
a) Ansprüche der Klägerin auf Minderung des Kaufpreises für die Geräte um den für die „Streamercontroller” in Rechnung gestellten Teilbetrag (§ 462 BGB) sind auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen gemäß § 477 Abs. 1 BGB verjährt. Darauf hat der Beklagte sich auch berufen. Daß er einen Mangel arglistig verschwiegen hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revisionserwiderung erhebt insoweit keine Gegenrügen. Der festgestellte Sachverhalt reicht – entgegen der Auffassung des Landgerichts – für die Annahme von Arglist nicht aus.
Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels oder – was dem gleichsteht – bei der Vorspiegelung einer nicht vorhandenen Eigenschaft (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1992 – VIII ZR 74/91 = NJW-RR 1992, 1076 unter III 2a und vom 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94 = WM 1995, 1145 unter II 1) handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält, gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, daß der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (st.Rspr., z.B. BGHZ 109, 327, 333; 117, 363, 368; Senatsurteil vom 9. November 1994 – VIII ZR 327/93 = NJW-RR 1995, 254 unter II 1 m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
Offen ist schon, ob der Beklagte es zumindest für möglich hielt, daß die mit einem Adapter ausgerüsteten Schülergeräte fehlerhaft waren. Zwar wußte der Beklagte, daß er die Streameranschlüsse dieser Geräte nicht unter Verwendung handelsüblicher Controllerkarten, sondern mit Hilfe des von ihm entwickelten Adapters hergestellt hatte. Der Beklagte hat aber stets vorgetragen, unter einem Streamercontroller sei nicht allein eine Controllerkarte, sondern auch die von ihm entwickelte Adapterlösung zu verstehen. Bei einem solchen Verständnis des Begriffs „Streamercontroller” kann Arglist nicht bejaht werden (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1994 a.a.O.). Daß der Begriff in Fachkreisen im Sinne einer Controllerkarte verstanden wird, was das Berufungsgericht auf der Grundlage des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens feststellt, zwingt nicht zu der Annahme, auch der Beklagte habe den Begriff ausschließlich in diesem Sinne verstanden.
Unterstellt man dagegen, daß auch der Beklagte unter einem Streamercontroller ausschließlich eine Controllerkarte verstanden hat, so fehlt es an Anhaltspunkten dafür, daß der Beklagte damit rechnete, der Fehler werde unentdeckt bleiben. Nach dem Sachvortrag des Beklagten, von dem mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts in der Revisionsinstanz auszugehen ist, ist für einen Fachkundigen schon an der Position der Streameranschlußbuchse zu erkennen, daß für den Anschluß keine Steckkarte verwendet wurde. Außerdem mußte der Beklagte, falls der Sachvortrag der Klägerin zum Inhalt des Telefongesprächs vom 5. April 1990 und zum Zustandekommen der Aktennotiz des Zeugen L. vom gleichen Tage zutrifft, als sicher annehmen, daß der Zeuge L. oder andere Mitarbeiter der Klägerin sich unmittelbar nach der Lieferung vom Vorhandensein der Controllerkarten, auf die die Klägerin und der Zeuge L. großen Wert legten, überzeugen und dabei deren Fehlen und das Vorhandensein des Adapters bemerken würden.
b) Aus denselben Gründen kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 480 Abs. 2 BGB nach den derzeitigen Feststellungen nicht in Betracht.
c) Die Revision weist ferner zutreffend darauf hin, daß der Beklagte in. zweiter Instanz vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, der Klägerin sei der Mangel bekannt gewesen, weil einem Fachmann bei geöffnetem Gerät das Fehlen der Controllerkarte nicht verborgen geblieben sein könne. Über diesen Beweisantritt durfte das Berufungsgericht sich nicht hinwegsetzen. Es hätte in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Frage nachgehen müssen, wie zu erklären ist, daß der Zeuge L. nach der Darstellung der Klägerin und nach eigenem Bekunden vor der Lieferung der Geräte entscheidenden Wert auf die Verwendung von Controllerkarten für die Herstellung der Streameranschlüsse legte, es bei der Öffnung eines Gerätes nach Lieferung aber unterließ, sich von deren Vorhandensein zu überzeugen. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß Gewährleistungsansprüche der Klägerin auch an § 464 BGB scheitern.
d) Für mögliche Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung oder wegen unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 826 BGB) fehlt es aus den bereits dargelegten Gründen an Feststellungen zu dem erforderlichen Verschulden des Beklagten. Darüber hinaus ist fraglich, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Die von dem Beklagten gelieferten Schülergeräte erfüllten (und erfüllen offenbar noch immer) auch ohne Controllerkarten ihren Zweck. Daß ihre Gebrauchstauglichkeit in anderer Weise beeinträchtigt wäre, ist von der Klägerin nicht konkret vorgetragen, durch die in erster Instanz durchgeführte Beweisaufnahme jedenfalls nicht bestätigt worden. Die bislang getroffenen Feststellungen lassen auch nicht erkennen, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden dadurch entstanden ist, daß sie die gelieferten Geräte zu teuer bezahlt hat. Ein Schaden in Höhe der Klageforderung ist jedenfalls nicht schlüssig dargetan, denn bei der Rückforderung des gesamten Kaufpreisanteils für die Position Streamercontroller hat die Klägerin den Wert der von dem Beklagten gelieferten, funktionsfähigen Adapterlösung nicht berücksichtigt.
III. Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Sache war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 749236 |
NJW 1997, 1914 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 794 |
MDR 1997, 627 |