Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents kommt es grundsätzlich nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren an, die der Patenterteilung vorausgegangen sind.
2. Der Rücknahme der Beschwerde des Patentinhabers gegen die in einem Einspruchsverfahren ergangene Entscheidung kommt rechtsgestaltende Wirkung nur insoweit zu, als durch sie die Entscheidung über Aufrechterhaltung oder Widerruf des europäischen Patents in Bestandskraft erwächst.
Normenkette
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69, 108
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2001 aufgehoben, soweit in diesem zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt als eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in Kraft stehenden europäischen Patents 0 254 375 (Klagepatents) die Beklagte wegen Patentverletzung in Anspruch. Das Klagepatent betrifft ein Kunststoffrohrteil; Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die er im europäischen Einspruchsverfahren erhalten hat, in deutscher Übersetzung:
„Ein extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil aus thermoplastischem Material mit schalldämmenden Eigenschaften geeignet zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen, wobei die Innenseite des Kunststoffrohrteils mit der Flüssigkeit in Berührung kommt, dadurch gekennzeichnet, daß dem Kunststoffrohrteil ein Gewicht pro Flächeneinheit von zumindest 8 kg/m² und eine Dichte von 1,8 bis 2,7 g/cm³ durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in das thermoplastische Material verliehen ist.”
Die Beklagte bietet Kunststoffrohre in der Bundesrepublik Deutschland an, darunter auch eine Ausführungsform, die ein Gewicht pro Flächeneinheit von mehr als 8 kg/m² und eine Dichte von 1,6 g/cm³ bei einer Rohrwanddicke von 5,6 mm aufweist. Hinsichtlich dieser Ausführungsform hat das Berufungsgericht eine Verletzung des Klagepatents bejaht und die Beklagte zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß diese zur Schadensersatzleistung verpflichtet ist. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des auch insoweit klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils begehrt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit in ihm zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Dabei ist dem Berufungsgericht zugleich die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen.
I. Das Berufungsgericht hat dem Klagepatent das technische Problem entnommen, ein Kunststoffrohrteil zu schaffen, bei dem es anders als bei vorbekannten Rohrteilen nicht mehr notwendig sei, eine gesonderte Schaumkunststoffschicht aufzubringen, das aber gleichwohl die beim Durchströmen mit Flüssigkeiten bei derartigen Rohrteilen auftretenden Schallbelästigungen erheblich verringere. Es hat daraus abgeleitet, daß es bei der Erfindung nicht vorrangig darum gehe, mit verhältnismäßig dünnen Wandstärken auszukommen, sondern um das Erreichen einer guten Schallabsorption ohne Aufbringen einer gesonderten Kunststoffschicht. Dabei biete die erfindungsgemäße Lösung den Vorteil, mit verhältnismäßig geringen Wandstärken auszukommen.
Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
II. Das Berufungsgericht hat die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents dahin gegliedert, daß es sich um ein
extrudiertes oder spritzgußgeformtes Kunststoffrohrteil
- aus thermoplastischem Material,
- mit geräuschdämmenden Eigenschaften handle,
- das zum Fördern von Flüssigkeiten in Abwasserrohrsystemen geeignet sei und
- dessen Innenseite mit der Flüssigkeit in Berührung komme, wobei
das Rohrteil
- ein Gewicht von mindestens 8 kg/m² und
- eine Dichte von 1,8 bis 2,7 g/cm³
durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in das thermoplastische Material aufweise.
Für das Revisionsverfahren kann von dieser Gliederung ausgegangen werden. Die Parteien wenden sich nicht gegen sie.
III. 1. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, der fachkundige Leser entnehme der Beschreibung des Klagepatents, daß es für das Erreichen der Geräuschdämpfung (objektiv) allein auf das Einhalten des Mindestgewichts ankomme. Er wisse, daß dieses Gewicht das Produkt aus Dichte und Wanddicke sei. Er erkenne, daß die patentgemäß vorgeschlagene Dichte den Vorteil biete, das geforderte Gewicht mit verhältnismäßig geringen Wanddicken erreichen zu können. Dem Fachmann bleibe es aber überlassen, sowohl mit einem höheren Gewicht als auch mit höheren Wandstärken zu arbeiten, wie dies auch die Ausführungsbeispiele zeigten. Von daher verstehe er auch die Angabe eines Dichtebereichs im Klagepatent nur als die eines Kernbereichs. Auch daraus, daß bei der Angabe des Dichtebereichs anders als bei der Gewichtsangabe eine auf eine zwingende Angabe fehlende Formulierung wie „zumindest … bis höchstens” fehle, werde für ihn deutlich, daß er bei der Wahl der Dichte einen gewissen Spielraum habe.
Das Berufungsgericht meint weiter unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats und auf seine eigene Rechtsprechung, Zahlenangaben seien stets aus dem Wesen der Erfindung heraus zu verstehen und stellten in der Regel nur ungefähre Werte dar. Der Schutzbereich des Patents dürfe in solchen Fällen allerdings nicht in Bereiche erstreckt werden, die wesentlich von denen des Patentanspruchs abwichen, wenn in den Zahlen- und Maßangaben das erfinderisch Neue liege.
2. Diese Auffassung beanstandet die Revision zu Recht als mit der hier maßgeblichen Bestimmung des Art. 69 EPÜ nicht vollen Umfangs im Einklang stehend.
a) Nach dieser Vorschrift wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat hierzu entwickelt hat, dient die Auslegung der Patentansprüche nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten, sondern auch zur Erläuterung der darin verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung (BGHZ 98, 12, 18 f. – Formstein; 105, 1, 10 – Ionenanalyse; 125, 303, 309 f. – Zerlegvorrichtung für Baumstämme; Sen.Urt. v. 5.5.1992 – X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 – mechanische Betätigungsvorrichtung). Abzustellen ist dabei auf die Sicht des Fachmanns, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt und das auch bei der Feststellung des über den Wortlaut hinausgehenden Umfangs des von den Patentansprüchen ausgehenden Schutzes maßgebend ist. Bei der Prüfung der Frage, ob die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, ist daher zunächst unter Zugrundelegung dieses Verständnisses der Inhalt der Patentansprüche festzustellen, d.h. der dem Anspruchswortlaut vom Fachmann beigelegte Sinn zu ermitteln. Macht die angegriffene Ausführungsform von dem so ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch, dann wird die unter Schutz stehende Erfindung benutzt. Bei einer vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichenden Ausführung kann eine Benutzung dann vorliegen, wenn der Fachmann auf Grund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte (BGHZ 105, 1, 10 f. – Ionenanalyse; Sen.Urt. v. 3.10.1989 – X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; v. 28.6.2000 – X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr). Dabei fordert es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit, daß der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84, 90 f. – Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 3.10.1989 – X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; v. 20.4.1993 – X ZR 6/91, GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I). Für die Zugehörigkeit einer vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichenden Ausführung zum Schutzbereich genügt es hiernach nicht, daß sie (1.) das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln löst und (2.) seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden. Ebenso wie die Gleichwirkung nicht ohne Orientierung am Patentanspruch festgestellt werden kann (Einzelheiten hierzu Sen.Urt. v. 28.6.2000 – X ZR 128/98, GRUR 2000, 1005, 1006 – Bratgeschirr), müssen (3.) darüber hinaus die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muß, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein, daß der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht.
Von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht kein Anlaß. Sie stehen in Einklang mit dem Protokoll über die Auslegung von Art. 69 Abs. 1 EPÜ (BGBl. 1976 II 1000), das nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 84, 93 f. – Schwermetalloxidationskatalysator; Sen.Urt. v. 5.5.1992 – X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 – mechanische Betätigungsvorrichtung) auch zur Auslegung von § 14 PatG heranzuziehen ist. Nach Art. 2 Nr. 1 der Münchener Revisionsakte zum Europäischen Patentübereinkommen vom 29.11.2000 soll zukünftig das revidierte Auslegungsprotokoll in Art. 2 ausdrücklich vorsehen, daß bei der Bestimmung des Schutzbereichs des europäischen Patents solchen Elementen gebührend Rechnung zu tragen ist, die Äquivalente der in den Patentansprüchen genannten Elemente sind.
b) Die Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden, wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maßangaben enthält. Solche Angaben nehmen an der Verbindlichkeit des Patentanspruchs als maßgeblicher Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs teil. Die Aufnahme von Zahlen- oder Maßangaben in den Anspruch verdeutlicht, daß sie den Schutzgegenstand des Patents mitbestimmen und damit auch begrenzen sollen (Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. – Chrom-Nickel-Legierung). Es verbietet sich daher, solche Angaben als minder verbindliche, lediglich beispielhafte Festlegungen der geschützten technischen Lehre anzusehen, wie dies in der Rechtsprechung zur Rechtslage im Inland vor Inkrafttreten des Art. 69 EPÜ und der entsprechenden Neuregelung des nationalen Rechts für möglich erachtet worden ist (vgl. RGZ 86, 412, 416 f. – pyrophore Metallegierungen; RG, Urt. v. 10.3.1928 – I 238/27, GRUR 1928, 481 – Preßhefe I; OGH BrZ 3, 63, 71 f. – künstliche Wursthüllen).
c) Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind Zahlen- und Maßangaben grundsätzlich der Auslegung fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Zahlen- und Maßangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt, der auch das Verständnis des Fachmanns prägen wird, nicht einheitlich sind, sondern in unterschiedlichen Formen Sachverhalte mit durchaus verschiedenen Inhalten bezeichnen können.
d) Schon diese Umstände schließen es aus, daß der Fachmann Zahlen-, Maß- oder Bereichsangaben eine immer gleiche feste Bedeutung zuweisen wird. Jedoch wird er solchen Angaben in aller Regel einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zubilligen, als dies bei verbal umschriebenen Elementen der erfindungsgemäßen Lehre der Fall wäre (v. Rospatt, GRUR 2001, 991, 993). Denn Zahlen sind als solche eindeutig, während sprachlich formulierte allgemeine Begriffe eine gewisse Abstraktion von dem durch sie bezeichneten Gegenstand bedeuten. Zudem müssen solche Begriffe, wenn sie in einer Patentschrift verwendet werden, nicht notwendig in dem Sinn gebraucht werden, den der allgemeine technische Sprachgebrauch ihnen beimißt; die Patentschrift kann insoweit ihr „eigenes Wörterbuch” bilden (vgl. Sen.Urt. v. 2.3.1999 – X ZR 85/96, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; v. 13.4.1999 – X ZR 23/97, Mitt. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf). Aus der Sicht des fachmännischen Lesers kann durch Zahlen- und Maßangaben konkretisierten Merkmalen deshalb die Bedeutung zukommen, daß der objektive, erfindungsgemäß zu erreichende Erfolg genauer und gegebenenfalls enger eingegrenzt wird, als dies bei bloß verbaler Umschreibung der Fall wäre. Da es Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, daß in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (Sen.Urt. v. 3.10.1989 – X ZR 33/88, GRUR 1989, 903, 905 – Batteriekastenschnur; v. 5.5.1992 – X ZR 9/91, GRUR 1992, 594, 596 – mechanische Betätigungsvorrichtung), darf der Leser der Patentschrift annehmen, daß diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt um so mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlaß hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des nachgesuchten Patentschutzes klar zu werden.
Daher ist eine deutlich strengere Beurteilung angebracht, als es der Praxis zur Rechtslage in Deutschland vor 1978 entsprach (Bruchhausen, GRUR 1982, 1, 4). Eine eindeutige Zahlenangabe bestimmt und begrenzt den geschützten Gegenstand grundsätzlich insoweit abschließend; ihre Über- oder Unterschreitung ist daher in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen (v. Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 577).
Andererseits schließt dies nicht aus, daß der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende, Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht. So hat das House of Lords in der Catnic-Entscheidung (R.P.C. 1982, 163; deutsch GRUR Int. 1982, 136), die allerdings die Rechtslage im Vereinigten Königreich vor der europäischen Harmonisierung betraf, bei einem auf einen rechten Winkel gerichteten Anspruchsmerkmal Abweichungen von 6° bzw. 8° vom rechten Winkel als mit der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre vereinbar angesehen. In einem solchen Fall kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob im Anspruch von einem rechten Winkel oder von 90° die Rede ist. Maßgeblich ist vielmehr der unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu ermittelnde Sinngehalt des Patentanspruchs. In einem anderem Zusammenhang kann der gleiche Winkel sich daher dem Fachmann auch als exakt einzuhaltende Größe darstellen. Dies gilt grundsätzlich auch für Zahlenbereiche mit Grenzwerten (vgl. Sen., BGHZ 118, 210, 218 f. – Chrom-Nickel-Legierung; vgl. auch White, The C.I.P.A. Guide to the Patents Act, 5. Aufl., Part III, Section 125 Rdn. 22 mit Hinweis auf die soweit ersichtlich – insoweit – unveröffentlichten Entscheidungen Lubrizol v. Esso und Goldschmidt v. EOC Belgium). Ein Verständnis, daß ein Wert genau einzuhalten ist, wird vor allem dann der Vorstellung des Fachmanns entsprechen, wenn er erkennt, daß es sich um einen „kritischen” Wert handelt. Wie eine bestimmte Zahlen- oder Maßangabe im Patentanspruch demnach zu verstehen ist, ist eine Frage des der tatrichterlichen Beurteilung unterliegenden fachmännischen Verständnisses im Einzelfall.
d) Wie für die Erfassung des technischen Sinngehalts des Patentanspruchs gilt auch für die Bestimmung eines über diesen hinausreichenden Schutzbereichs, daß im Anspruch enthaltene Zahlen- oder Maßangaben mit den angegebenen Werten den geschützten Gegenstand begrenzen. Im Rahmen der Schutzbereichsbestimmung darf vom Sinngehalt der Zahlen- und Maßangaben nicht abstrahiert werden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann eine Ausführungsform mit einem vom Anspruch abweichenden Zahlenwert auf Grund von Überlegungen, die sich am Sinngehalt der im Anspruch umschriebenen Erfindung orientieren, als gleichwirkende Lösung auffinden kann, muß vielmehr die sich aus der Zahlenangabe ergebende Eingrenzung des objektiven, erfindungsgemäß zu erreichenden Erfolgs berücksichtigt werden. Als im Sinne des Patentanspruchs gleichwirkend kann nur eine Ausführungsform angesehen werden, die der Fachmann als eine solche auffinden kann, die nicht nur überhaupt die Wirkung eines – im Anspruch zahlenmäßig eingegrenzten – Merkmals der Erfindung erzielt, sondern auch gerade diejenige, die nach seinem Verständnis anspruchsgemäß der zahlenmäßigen Eingrenzung dieses Merkmals zukommen soll. Fehlt es daran, ist auch eine objektiv und für den Fachmann erkennbar technisch ansonsten gleichwirkende Ausführungsform vom Schutzbereich des Patents grundsätzlich nicht umfaßt.
Damit im Kern übereinstimmend hat auch die Rechtsprechung im Vereinigten Königreich zur Feststellung einer Verletzung geprüft, ob die fachkundige Öffentlichkeit erwarten und sich darauf einstellen darf, daß es nach dem Patent auf die genaue Einhaltung des Wortlauts des Patentanspruchs ankommen soll (vgl. die sog. dritte Catnic-Frage; für das harmonisierte Recht u.a. Patents Court, F.S.R. 1989, 181 = GRUR Int. 1993, 245 – Improver Corporation v. Remington Consumer Products Ltd. („Epilady”-Fall); Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 – Kastner v. Rizla Ltd.). Bezogen auf ein einzelnes Merkmal des Patentanspruchs geht es darum, ob das betreffende Merkmal dem Fachmann als ein solches erscheint, das ausschließlich wortsinngemäß benutzt werden kann, wenn die beanspruchte Lehre zum technischen Handeln eingehalten werden soll (vgl. Court of Appeal R.P.C. 1995, 585 = GRUR Int. 1997, 374 – Kastner v. Rizla Ltd.). Ein solches Verständnis kann insbesondere bei Zahlen- und Maßangaben in Betracht zu ziehen sein (vgl. Patents Court, R.P.C. 1997, 649 – Auchincloss v. Agricultural & Veterinary Supplies Ltd.).
Wie bei anderen Elementen des Patentanspruchs auch darf deshalb die anspruchsgemäße Wirkung nicht unter Außerachtlassung von im Anspruch enthaltenen Zahlen- und Maßangaben bestimmt werden. Es reicht daher für die Einbeziehung abweichender Ausführungsformen in den Schutzbereich grundsätzlich nicht aus, daß nach der Erkenntnis des Fachmanns die erfindungsgemäße Wirkungim übrigen unabhängig von der Einhaltung des Zahlenwertes eintritt. Erschließt sich dem Fachmann kein abweichender Zahlenwert als im Sinne des anspruchsgemäßen Wertes gleichwirkend, erstreckt sich der Schutzbereich insoweit nicht über den Sinngehalt des Patentanspruchs hinaus. Die anspruchsgemäße Wirkung des zahlenmäßig bestimmten Merkmals wird in diesem Fall nach dem Verständnis des Fachmanns durch die (genaue) Einhaltung eines Zahlenwertes bestimmt und kann daher notwendigerweise durch einen abweichenden Zahlenwert nicht erzielt werden. In einem solchen Fall genügt es nicht, daß der Fachmann auch eine von der Zahlenangabe abstrahierende Lehre als technisch sinnvoll erkennt.
Der Anmelder wird nicht immer den vollen technischen Gehalt der Erfindung erkennen und ausschöpfen; er ist auch – unbeschadet der Frage, ob ihm das rechtlich möglich ist – von Rechts wegen nicht gehalten, dies zu tun. Beschränkt sich das Patent bei objektiver Betrachtung auf eine engere Anspruchsfassung, als dies vom technischen Gehalt der Erfindung und gegenüber dem Stand der Technik geboten wäre, darf die Fachwelt darauf vertrauen, daß der Schutz entsprechend beschränkt ist. Dem Patentinhaber ist es dann verwehrt, nachträglich Schutz für etwas zu beanspruchen, was er nicht unter Schutz hat stellen lassen. Das gilt selbst dann, wenn der Fachmann erkennt, daß die erfindungsgemäße Wirkung als solche (in dem vorstehend ausgeführten engeren Sinn) über den im Patentanspruch unter Schutz gestellten Bereich hinaus erreicht werden könnte.
3. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, aus dem Ablauf des Erteilungsverfahrens und des europäischen Einspruchsverfahrens, in denen das ursprünglich weitere Patentbegehren und das zunächst mit einem weiteren, bei 1,6 g/cm³ beginnenden Dichtebereich erteilte Patent auf den nunmehr geltenden Bereich eingeschränkt worden seien, folge, daß der Schutzbereich des Klagepatents selbst dann nicht auf eine Dichte von 1,6 g/cm³ ausgedehnt werden könne, wenn dieser Wert dem geschützten äquivalent wäre.
Art. 69 EPÜ knüpft für die Schutzbereichsbestimmung – und nicht nur für die Auslegung des Patentanspruchs, wie die Revision meint – ausschließlich an die Patentansprüche, die Beschreibung und die Zeichnungen an. Es kommt für sie daher zunächst schon grundsätzlich nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren an, die der Patenterteilung vorausgegangen sind. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis dafür, Vorgängen im Erteilungs- wie im Einspruchsverfahren als solchen, die in der Patentschrift oder in der geänderten Patentschrift keinen Niederschlag gefunden haben, für sich schutzbegrenzende Wirkungen zuzuerkennen (vgl. hierzu Busse, PatG, 5. Aufl., Rdn. 156 zu § 34). Soweit sie, insbesondere durch beschränkte Aufrechterhaltung, in der Patentschrift ihren Niederschlag gefunden haben, ergibt sich ihre Beachtlichkeit unmittelbar aus der Regelung in Art. 69 EPÜ. Die Revision verweist selbst zutreffend darauf, daß in solchen Fällen die Beschränkung des Schutzumfangs so zu beachten ist, wie sie der Leser den Patentansprüchen entnimmt. Der Senat hat bereits früher entschieden (BGHZ 115, 204, 208 – beheizbarer Atemluftschlauch), daß sich aus dem Ablauf des Erteilungsverfahrens ergebende Tatsachen schon im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit bei der Bemessung des Schutzbereichs eines Patents keine Berücksichtigung finden können (vgl. hierzu auch Kraßer, GRUR 1985, 689, 694; Preu, GRUR 1985, 728, 731; Rogge, Mitt. 1998, 201, 202; von Falck, Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, S. 543, 556; Scharen, GRUR 1999, 285, 288 ff.; Bernhardt/Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 4. Aufl., S. 391 ff. und S. 523; Benkard, PatG GebrMG, 9. Aufl. § 14 PatG Rdn. 80; Busse, PatG, 5. Aufl. § 14 Rdn. 72; jetzt wohl auch Schulte, PatG, 6. Aufl. § 14 PatG Rdn. 68; vgl. auch Cour d'Appel Paris Ann. propr. ind. 1990, 235 = GRUR Int. 1993, 173, 174, wonach es unzulässig ist, die Prüfungsakte heranzuziehen). Auch wenn – worauf die Revision an sich zutreffend hinweist – eine Einschränkung des Schutzes auf Grund von lediglich aus den Akten erkennbaren Vorgängen nicht zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit Dritter führt, gilt dies wegen der in Art. 69 EPÜ getroffenen Regelung ganz allgemein. Spätere Senatsentscheidungen haben dies nur auf Grund der insoweit bestehenden Sonderbeziehung für das Verhältnis zwischen Patentinhaber und Einsprechendem, nicht aber für die Bestimmung des Schutzbereichs des Patents an sich relativiert (Sen.Urt. v. 20.4.1993 – X ZR 6/91, GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I; v. 5.6.1997 – X ZR 73/95, Mitt. 1997, 364, ber. 408 = NJW 1997, 3377 – Weichvorrichtung II). Für dieses Ergebnis spricht schließlich auch, daß eine Revision des Europäischen Patentübereinkommens, nach der eine Berücksichtigung der Erteilungsakten vorgesehen werden sollte, nicht zustande gekommen ist. Der gelegentlich auch in Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens geäußerten Auffassung, daß auf die Erteilungsakten zurückgegriffen werden könne (vgl. Rechtbank Den Haag BIE 1999, 447, 448; Gerechtshof Den Haag BIE 2000, 307, 309; König, GRUR 1999, 809, 816 sowie den Hartog (Entscheidungsanm.) BIE 1999, 143) vermag der Senat deshalb nicht beizutreten. Einzelne abweichende ausländische Regelungen wie die in § 163 Abs. 5 des österreichischen Patentgesetzes können schon wegen des völkerrechtlichen Charakters der hier maßgeblichen Regelung nicht zu deren Interpretation herangezogen werden.
Es braucht deshalb nicht abschließend entschieden zu werden, ob für die Annahme eines Verzichts auf Teile des Schutzumfangs im europäischen Einspruchsverfahren, auf den sich die Revisionsklägerin insbesondere gestützt hat, überhaupt eine rechtliche Grundlage gegeben ist. Der Verzicht auf ein europäisches Patent richtet sich, wie sich aus Art. 99 Abs. 3 EPÜ und Regel 60 Abs. 1 EPÜ jedenfalls mittelbar ergibt, nach den Bestimmungen des jeweils anwendbaren nationalen Rechts, im vorliegenden Fall nach § 20 PatG. Diese Vorschrift sieht jedenfalls keinen Verzicht auf Teile des Schutzbereichs des Patents vor. Ein Sachverhalt, aus dem sich nach ihr ein Verzicht ergeben könnte, ist zudem nicht vorgetragen worden. Der auch im Rahmen der Regelung in Art. 108 EPÜ möglichen Rücknahme der Beschwerde der Patentinhaberin gegen die im europäischen Einspruchsverfahren ergangene Entscheidung, auf die die Revision hier abstellen will, kommt in bezug auf das erteilte Patent rechtsgestaltende Wirkung nur insoweit zu, als durch sie die Entscheidung der Einspruchsabteilung über Aufrechterhaltung oder Widerruf des europäischen Patents in Bestandskraft erwächst. Die aus der Rücknahme fließende materiellrechtliche Wirkung geht damit nicht über die rechtsgestaltende Wirkung der Entscheidung nach Art. 102 EPÜ hinaus (vgl. zu letzterer Günzel in Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl., Rdn. 54 zu Art. 102 EPÜ; Heinrich, PatG/EPÜ, Zürich 1998, Rdn. E 102.05).
IV. 1. Das Berufungsgericht hat zur angegriffenen Ausführungsform festgestellt, daß diese die Merkmalsgruppe 1 und das Merkmal 2. a) durch Aufnahme eines Bariumsulfat-Füllers in der Weise verwirkliche, daß das Gewicht pro Flächeneinheit 8,96 kg/m² bei einer Wandstärke von 5,6 mm betrage. Allerdings sei das Merkmal 2. b) dem Wortsinn nach nicht verwirklicht, da die Dichte des Kunststoffrohrteils 1,6 g/cm³ betrage und damit unterhalb der unteren Bereichsgrenze liege. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an. Sie lassen, soweit eine wortsinngemäße Verwirklichung verneint wird, einen Rechtsfehler nicht erkennen.
2. a) Das Berufungsgericht hat eine äquivalente Benutzung des Merkmals 2. b) bejaht. Das ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.
aa) Das Argument der Revision, der Fachmann verstehe Zahlen- und Maßangaben als echte Begrenzung, führt nicht weiter. Auch wenn dies im vorliegenden Fall so sein sollte, stände dies nur der Annahme einer wortsinngemäßen Benutzung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents entgegen, nicht aber notwendigerweise auch der Annahme, daß in äquivalenter Weise in dessen Schutzbereich eingegriffen werde. Bereits der Gesichtspunkt, daß in den Schutzbereich des Patents auch Ausführungsformen einzubeziehen sein können, die vom Wortsinn der Patentansprüche nicht erfaßt werden, verbietet es entgegen der Auffassung der Revision, Über- oder Unterschreitungen der Bereichsangabe als von vornherein aus dem Schutzbereich des Patents fallend anzusehen.
bb) Insbesondere bestehen grundsätzlich keine Bedenken, etwa einen äquivalenten Stoffaustausch auch dann als in den Schutzbereich eines Patents fallend anzusehen, wenn der im Patentanspruch genannte, ausgetauschte Stoff durch eine Bereichs-, Anteils- oder Mengenangabe präzisiert ist. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, der sich lediglich dadurch auszeichnet, daß der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Dichtebereich verlassen, aber gleichwohl das vorgeschriebene Gewicht je Flächeneinheit durch entsprechende Wahl der Wanddicke eingehalten wird.
b) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, nach der Beschreibung des Klagepatents werde das Geräuschniveau bei einem Gewicht von zumindest 8 kg/m² merklich herabgesetzt; insbesondere sei gefunden worden, daß es im logarithmischem Verhältnis in dem Maß abnehme, wie das Gewicht pro Flächeneinheit zunehme. Daraus ergebe sich für den fachkundigen Leser, daß es allein auf die Einhaltung des Mindestgewichts ankomme. Dieser Leser wisse aber auch, daß es sich bei dem Gewicht pro Flächeneinheit um das mit der Wandstärke multiplizierte spezifische Gewicht handle. Er verstehe die Beschreibung des Klagepatents hinsichtlich der Dichteangabe deshalb dahin, daß man bei Einhaltung des vorgeschlagenen Dichtebereichs mit verhältnismäßig dünnen Wandstärken auskommen könne. Es bleibe ihm nach dem Klagepatent jedoch überlassen, auch mit einem höheren Gewicht als 8 kg/m² zu arbeiten, was bei Einhaltung des vorgeschlagenen Dichtebereichs zu erheblich höheren Wandstärken führe. Er sehe deshalb, daß das Klagepatent ihm die Wahl der Wandstärke im Einzelfall überlasse. Vor diesem Hintergrund verstehe er aber auch die Angabe des Dichtebereichs nur als die eines Kernbereichs, in dem er sich bewegen solle, um nicht durch die Wahl einer zu starken Wand zu dem vorgegebenen Mindestwert für das Gewicht pro Flächeneinheit zu gelangen. In diesem Verständnis sehe sich der Fachmann auch dadurch bestätigt, daß die Angabe des Gewichts pro Flächeneinheit als zwingend einzuhaltende Mindestangabe gefaßt sei, während bei der Angabe des Dichtebereichs eine entsprechende Formulierung fehle. Auch daß in der Beschreibung von „relativ dünnen Wänden” die Rede sei, mache ihm deutlich, daß er bei der Wahl der Dichte des Materials einen gewissen Spielraum habe.
c) Damit wird das Berufungsgericht dem Erfordernis nicht in vollem Umfang gerecht, daß bei der Prüfung der Gleichwirkung und ihrer Erkennbarkeit für den Fachmann auf die (spezielle) Wirkung des Merkmals in seiner konkreten zahlenmäßigen Eingrenzung im Kontext des Patentanspruchs abgestellt werden muß.
aa) Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß eine höhere Dichte geringere Wandstärken ermöglicht und sich somit auf die Dimensionierung der Rohre auswirkt. Es liegt deshalb auf der Hand, daß die Unterschreitung der im Patentanspruch geforderten Mindestdichte zu konstruktiven Anpassungen in Form erhöhter Wandstärken führt. Die spezielle patentgemäße Wirkung des Merkmals mit seiner konkreten Dichteangabe liegt somit jedenfalls auch darin, daß solche geringeren Wandstärken gewählt werden können. Das kann nicht damit abgetan werden, daß das Klagepatent insoweit nur von einem „großen Vorteil” („great advantage”) und nicht wie an anderer Stelle vom „vorrangigen Ziel” („primary object”) der Erfindung spricht; auch solche Vorteilsangaben sind bei der Beurteilung der Wirkung einzelner Anspruchsmerkmale heranzuziehen. Da es dem Patent gerade auch auf die Erzielung geringer Wandstärken ankommt, kann von einer Gleichwirkung deshalb nur dann ausgegangen werden, wenn auch die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Dichte die Wahl solcher noch ermöglicht.
bb) Das Berufungsgericht sieht die Dichte von 1,6 g/cm³ gegenüber dem Wert des Merkmals 2. b) als äquivalent an. Es begründet seine Auffassung damit, daß durch die Wahl des etwas unterhalb der unteren Bereichsgrenze liegenden Dichtewerts bei einer Wandstärke von 5,6 mm im wesentlichen all das erreicht werde, was erfindungsgemäß erreicht werden solle. Es gelinge nämlich, dem Rohrteil das angestrebte Gewicht pro Flächeneinheit zu verleihen, das für die angestrebte Geräuschminderung verantwortlich sei. Das bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzte Ersatzmittel der Dichte von 1,6 g/cm³ bei einer Wanddicke von 5,6 mm mache wie das erfindungsgemäße Mittel des Merkmals 2. b) eine Schaumstoffumhüllung zur Geräuschminderung überflüssig. Daß bei der angegriffenen Ausführungsform etwas mehr Kunststoffmaterial eingesetzt werden müsse und der Innendurchmesser des Rohrteils etwas verkleinert werde, stehe der Annahme im wesentlichen gleicher Wirkung nicht entgegen. Der Fachmann habe die Gleichwirkung auch bei einer Orientierung an der Offenbarung der Erfindung auffinden können. Er sehe nämlich, daß er bei Verlassen des Dichtebereichs einen Ausgleich durch die Änderung der Wandstärke erzielen könne, um zu dem erfindungsgemäß angestrebten Gewicht pro Flächeneinheit zu gelangen; dabei liege es besonders nahe, den Dichtebereich nach unten zu verlassen und dies durch eine leichte Verstärkung der Wand auszugleichen, da Patentanspruch 2 des Klagepatents besage, daß der untere Dichtebereich bevorzugt werde, und da den Ausführungsbeispielen zu entnehmen sei, daß Wandstärken von mehr als 7 mm noch als hinreichend dünn angesehen würden.
cc) Diese für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen werden indessen durch weitere, unzutreffende oder jedenfalls fragwürdige Überlegungen des Berufungsgerichts relativiert. So hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung den für das geltende Recht nicht zutreffenden Grundsatz mit herangezogen, daß Maßangaben (nur dann) nicht in Bereiche erstreckt werden dürfen, wenn in diesen Maßangaben das erfinderisch Neue liegt. Zum anderen hat das Berufungsgericht einen maßgeblichen Gesichtspunkt für das Verständnis des Fachmanns darin gesehen, daß die Angabe des Gewichts pro Flächeneinheit als zwingend einzuhaltende Mindestangabe („at least”) formuliert sei, während bei der Angabe des Dichtebereichs eine entsprechende Angabe wie „zumindest 1,8 g/cm³ bis höchstens 2,7 g/cm³” fehle. Diese Überlegung erscheint jedenfalls ohne nähere Begründung als von Rechtsfehlern beeinflußt. Sie läßt nämlich außer Betracht, daß einseitig offene Bereichsangaben bei sprachlicher Umschreibung eher mit solchen Angaben versehen werden als beidseits geschlossene Bereichsangaben, wo die Grenzen schon in Werteangaben zum Ausdruck kommen. Die auf § 286 ZPO gestützte Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe eine unzulässige philologische Betrachtung angestellt, ist deshalb nicht von der Hand zu weisen.
Es ist nicht auszuschließen, daß diese Überlegungen auch das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis beeinflußt haben.
d) Sofern das Berufungsgericht bei seiner erneuten Befassung zu dem Ergebnis kommt, daß die angegriffene Ausführungsform auch der speziellen Wirkung des Merkmals 2.b) mit seiner Bereichsangabe entspricht, wird es weiter zu prüfen haben, ob nicht gleichwohl eine so wesentliche Abweichung vorliegt, daß der von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichte Wert in den Augen des Fachmanns nicht mehr als gleichwertig und damit nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatents fallend angesehen werden kann. Bleibt das Patent bei objektiver Betrachtung hinter dem technischen Gehalt der Erfindung zurück, beschränkt sich der Schutz nämlich auf das, was noch mit dem Sinngehalt seiner Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist (näher hierzu Sen.Urt. v. 12.3.2002 – X ZR 135/01 – Schneidmesser II, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Unterschriften
Melullis, Keukenschrijver, Mühlens, Meier-Beck, Asendorf
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.03.2002 durch Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 708270 |
BGHZ |
BGHZ, 161 |
GRUR 2002, 511 |
Nachschlagewerk BGH |
GRUR-Int. 2002, 612 |
IIC 2003, 302 |
Mitt. 2002, 228 |