Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 22.07.2014) |
Tenor
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 22. Juli 2014 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft werden verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten „wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.” Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte P. rügt ferner (unausgeführt) die Verletzung formellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils „in vollem Umfang”. Sie erstrebt mit der Sachrüge eine Verurteilung der Angeklagten wegen besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 StGB; ferner rügt sie die unterbliebene Verurteilung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich als unbegründet. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben weitgehend Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begaben sich die beiden Angeklagten sowie die gesondert Verfolgten G., L. und A. in der Nacht zum 29. September 2013 zur Wohnung des später geschädigten Zeugen K.. Sie hatten verabredet, „gemeinsam in die Wohnung des Zeugen K. einzudringen, aus dieser Betäubungsmittel und Geld zu entwenden und die Betäubungsmittel später zu konsumieren”. Mit sich führte der Angeklagte M. eine Holzlatte in der Art, wie sie bei dem Transport von Küchenschränken benutzt wird; sie war ca. 60 cm lang, 5 cm breit und 2 cm hoch, eckig und bestand aus Kiefernholz. Diese und weitere mitgeführte „Waffen” sollten nach dem übereinstimmenden Willen aller Beteiligten auch eingesetzt werden. Der Angeklagte P. trat die geschlossene Tür zur Wohnung des Zeugen K. auf und stürmte mit seinen Begleitern in das Wohnzimmer; er schlug dem dort sitzenden Wohnungsinhaber mit der Faust ins Gesicht und mindestens dreimal auf den Oberkörper. Währenddessen schlug der Angeklagte M. den in der Wohnung befindlichen weiteren Geschädigten Sch. mit der von ihm mitgeführten Holzlatte gegen dessen rechtes Bein; er traf diesen unterhalb des Knies, sodass der Zeuge dort eine ca. 2 cm lange Platzwunde erlitt. Anschließend schlug der Angeklagte P. auch dem Zeugen Sch. mit der Faust ins Gesicht. Dies geschah, um möglichen Widerstand im Keim zu ersticken und so die Durchsuchung der Wohnung und die Mitnahme von Betäubungsmitteln und Geld zu ermöglichen. Der Angeklagte M. fand eine Plastikdose, in der sich ca. 6 g Marihuana befanden; er nahm „entsprechend dem Tatplan die Plastikdose mit dem Marihuana mit, um das Marihuana zusammen mit den anderen Tatbeteiligten zu konsumieren.” Geld erbeuteten die Täter nicht. Anschließend fuhren sie zurück in die Wohnung der gesondert Verfolgten G.. Dort gaben sie dem gesondert Verfolgten A. einen Teil des Marihuanas mit. Den Rest konsumierten die Angeklagten sowie die gesondert Verfolgten G. und L. gemeinsam.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Revisionen der Angeklagten
Rz. 4
Die Rechtsmittel der Angeklagten sind unbegründet. Ihre Verurteilung weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf. Das gilt auch, soweit das Landgericht den Angeklagten P. des schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB schuldig gesprochen hat. Zwar begegnet die Begründung, mit der es die tatbestandsmäßige Zueignungsabsicht bei diesem Angeklagten angenommen hat, rechtlichen Bedenken. Nach Auffassung der Strafkammer sei es dem Angeklagten P. darauf angekommen, „das gefundene Marihuana mitzunehmen und durch Konsum zu vernichten”; auch wenn er im Zeitpunkt der Wegnahme allein die Absicht gehabt habe, das Marihuana zu vernichten, schließe das eine Zueignungsabsicht nicht aus.
Rz. 5
Täter – auch Mittäter – beim Raub kann freilich nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsaminhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten „einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 – 3 StR 367/84, NJW 1985, 812). An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestands seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 – 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460, und vom 26. September 1984, aaO). Der etwa auf Hass- oder Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 – 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter – was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 – 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) – für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701).
Rz. 6
So liegt es hier indes nicht: Ungeachtet der missverständlichen Formulierung in der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht festgestellt, dass die Angeklagten und die gesondert Verfolgten sich entschlossen hatten, die Betäubungsmittel des Zeugen K. zu entwenden und diese später zu konsumieren. In Ausführung ihres Tatplans nahm der Angeklagte M. die mit Marihuana befüllte Dose mit; die Angeklagten und ihre Mittäter haben somit ihren im Vorhinein gefassten Zueignungswillen – insoweit ohne jede Änderung – umgesetzt und das erbeutete Marihuana im unmittelbaren Anschluss an die Tat konsumiert. Damit tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis die Annahme der Zueignungsabsicht auch beim Angeklagten P. (vgl. zum Aufrauchen entwendeter Tabakwaren LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 157).
III.
Rz. 7
Revisionen der Staatsanwaltschaft
Rz. 8
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben weitgehend Erfolg. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist mehrere Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
Rz. 9
1. a) Allerdings hat das Landgericht die vom Angeklagten M. verabredungsgemäß mitgeführte und eingesetzte Holzlatte – wie auch die Revision des Angeklagten P. nicht in Abrede nimmt – mit Recht als gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 StGB eingeordnet. Ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 1999, NStZ-RR 2000, 43; Urteil vom 27. September 2001 – 4 StR 245/01, NStZ 2002, 86). Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Täter ein generell gefährliches Tatmittel einsetzt, sondern auch, wenn sich die objektive Gefährlichkeit des eingesetzten Gegenstandes erst aus der konkreten Art seiner Verwendung ergibt, welche geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Die Gefährlichkeit des Tatmittels kann sich gerade daraus ergeben, dass ein Gegenstand bestimmungswidrig gebraucht wird (BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10, StV 2011, 366; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20. Mai 1999 – 4 StR 168/99, NStZ-RR 1999, 355 [abgesägter Besenstiel]; Urteile vom 21. Januar 2004 – 1 StR 364/03 [zum Fesseln benutzte Paketschnur], vom 13. Januar 2006 – 2 StR 463/05 [„festes Schlauchstück”] und vom 5. August 2010 – 3 StR 190/10, NStZ 2011, 211, 212 [60 Zentimeter langes, stabiles Kunststoffband]; Beschluss vom 13. November 2012 – 3 StR 400/12 [Staubsaugerrohr]).
Rz. 10
Unabhängig davon, dass eine Platzwunde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als eine solche nicht unerhebliche Verletzung angesehen worden ist (BGH, Urteil vom 23. Mai 2001 – 3 StR 62/01, StV 2002, 80), ist für die Tatbestandserfüllung maßgebend nicht (allein) die eingetretene Verletzungsfolge, sondern die potentielle Gefährlichkeit der konkreten Benutzung des Werkzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2001 – 1 StR 232/01, StV 2002, 21). Die vom Angeklagten M. – dem gemeinsamen Tatplan folgend – als Schlagwerkzeug eingesetzte Holzlatte war insbesondere angesichts der für den Transport von Küchenmöbeln erforderlichen Stabilität, ihrer Beschaffenheit sowie ihrer Länge und der damit verbundenen Hebelwirkung ohne weiteres geeignet, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Der eine Platzwunde verursachende Schlag war auf die Knieregion des Geschädigten gerichtet; dass es bei derartigen Schlägen zu erheblichen Verletzungen kommen kann, liegt auf der Hand. In dem dynamischen Geschehen, in dem M. die Holzlatte einsetzte, lag es zudem nahe, dass auch andere, möglicherweise empfindlichere Körperteile getroffen werden konnten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt noch BGH, Urteil vom 13. Januar 2006 – 2 StR 463/05; MüKo-StGB/Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 24).
Rz. 11
b) Daraus ergibt sich zugleich, dass die Angeklagten die Qualifikation in § 250 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 StGB erfüllt haben. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass der Begriff des gefährlichen Werkzeugs in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB identisch auszulegen ist (BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 – 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103, 105, vom 3. April 2002 – 1 ARs 5/02, NStZ-RR 2002, 265, 266, vom 3. November 2012 – 3 StR 400/12 und vom 12. Dezember 2012 – 5 StR 574/12, StV 2013, 444; vgl. auch Deutscher Bundestag, 13. Wp., Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9064 S. 18). Das Landgericht hätte die Angeklagten daher jeweils wegen besonders schweren Raubes verurteilen müssen.
Rz. 12
2. Des Weiteren hat das Landgericht ersichtlich übersehen, dass die Angeklagten sich auch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG wegen Sich-Verschaffens von Betäubungsmitteln strafbar gemacht haben (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1239 mwN).
Rz. 13
3. Schließlich hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht, dass die Angeklagten die weitere Qualifikation der gefährlichen Körperverletzung in § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllt haben; dies betrifft allerdings nur den Schuldumfang.
IV.
Rz. 14
Das Urteil war danach aufzuheben. Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat kam nicht in Betracht (§ 265 StPO). Einer Aufhebung der Feststellungen bedurfte es nicht, da diese von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 7701195 |
JA 2015, 471 |
Kriminalistik 2015, 644 |
StRR 2015, 309 |
StraFo 2015, 216 |