Entscheidungsstichwort (Thema)
Befugnis von Kreishandwerkerschaften zur Hilfe in Steuersachen. Kreishandwerkerschaft II
Leitsatz (amtlich)
Kreishandwerkerschaft II
Eine Kreishandwerkerschaft ist zur Hilfeleistung in Steuersachen gegenüber den Mitgliedern der ihr angeschlossenen Handwerksinnungen nur insoweit befugt, als die Hilfeleistung in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Handwerksbetrieb steht.
Normenkette
StBerG § 4 Nr. 3, § 5 Abs. 1 S. 2; HwO § 87 Nr. 3; UWG § 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 12.10.1988; Aktenzeichen 6 U 105/87) |
LG Heidelberg (Urteil vom 22.04.1987; Aktenzeichen O 172/86 KfH II) |
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Steuerberaterkammer, die Beklagte eine Kreishandwerkerschaft. Die Beklagte unterhält eine Handwerkerbuchstelle, die für die Mitglieder der ihr angeschlossenen Handwerksinnungen u.a. Hilfe in Steuersachen leistet. Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang Kreishandwerkerschaften zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind.
Die Klägerin hat vorgebracht, die Beklagte verstoße in wettbewerbswidriger Weise gegen § 5 Satz 2 StBerG i.V. mit § 4 Nr. 3 StBerG, da sie den Innungsmitgliedern sachlich unbeschränkt Hilfe in Steuersachen leiste. Sie hat sich insoweit auf ein von ihr auszugsweise vorgelegtes „Rundschreiben” (Anlage K 1) sowie ein von ihr in der Berufungsinstanz weiter vorgelegtes Werbeschreiben der Handwerkerbuchstelle (Anlage K 13) berufen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte dürfe nur hinsichtlich des die gewerblichen Interessen der Handwerker betreffenden Bereichs steuerlich tätig werden.
Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
- im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs darauf hinzuweisen, daß sie für selbständige Handwerker, die Mitglieder einer die Beklagte bildenden Handwerksinnung sind, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet,
- für selbständige Handwerker, die Mitglieder einer die Beklagte bildenden Handwerksinnung sind, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten;
ausgenommen hiervon ist jeweils die Hilfeleistung für selbständige Handwerker, die Mitglieder einer die Beklagte bildenden Handwerksinnung sind, im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, des Betriebsvermögens und der betrieblichen Steuern einschließlich der Lohnsteueranmeldungen für die im Betrieb Beschäftigten.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben sei. In der Sache hat sie bestritten, daß ihre Handwerkerbuchstelle unbeschränkt Hilfe in Steuersachen leiste; die in dem „Rundschreiben” (Anlage K 1) enthaltene Werbung sei von ihr nicht veranlaßt. Sie beschränke sich tatsächlich auf Steuerhilfe im Rahmen dessen, was mit steuerlich relevanten Fragen des einzelnen Handwerkers in Zusammenhang stehe; eine hiervon losgelöste, lediglich personenbezogene Steuerberatung ohne sachlichen Bezug zum beruflichen Bereich sei von ihr weder angekündigt noch durchgeführt worden. Sie könne schon deshalb nicht auf rein betriebsbezogene steuerliche Fragen beschränkt werden, weil die Grenze zwischen betriebsbezogenen und sonstigen wirtschaftlichen Vorgängen beim Handwerker nicht mit der erforderlichen Schärfe gezogen werden könne und der privat-berufliche Grenzbereich von der Hilfstätigkeit der Buchstelle nicht ausgeschlossen werden dürfe.
Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil mit dem Unterlassungsantrag zu b stattgegeben. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den ordentlichen Rechtsweg für gegeben erachtet. Es hat die Ansicht vertreten, die Beklagte verstoße durch den in ihrem Werbeschreiben gemäß Anlage K 13 angekündigten und von ihr als rechtmäßig in Anspruch genommenen Umfang der steuerberatenden Tätigkeit ihrer Handwerkerbuchstelle gegen § 1 UWG. Dazu hat es ausgeführt: Steuerberatung in einem derartigen Umfang sei von der Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 4 Nr. 3 StBerG nicht gedeckt und verletze daher das Verbot des § 5 Satz 2 StBerG (= § 5 Abs. 1 Satz 2 n.F.). Die beklagte Kreishandwerkerschaft dürfe nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit Hilfe in Steuersachen leisten. Ihre Befugnis zur Errichtung von Buchstellen ergebe sich aus ihrer Verpflichtung zur Förderung und Vertretung der Interessen der Mitglieder der Handwerksinnung. Eine sachliche Eingrenzung ihres Aufgabenbereichs ergebe sich daraus, daß ihre Tätigkeit auf den handwerklich tätigen selbständigen Handwerker bezogen sein müsse. § 4 Nr. 3 StBerG seien keine weiteren Einschränkungen zu entnehmen. Es sei deshalb davon auszugehen, daß von der Befugnis der Kreishandwerkerschaft zur Steuerberatung alle steuerlichen Fragen und Problemstellungen erfaßt würden, die in einem sinnvollen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Handwerkers stünden. Die Abgrenzung zwischen den die handwerkliche Tätigkeit des selbständigen Handwerkers betreffenden steuerlichen Fragen und solchen, bei denen diese Bezogenheit fehle, möge im Einzelfall schwierig sein, sie sei aber nicht generell – wie das Berufungsgericht beispielhaft näher ausgeführt hat – unmöglich.
Zwar bestreite die Beklagte, unbeschränkt steuerliche Hilfe zu leisten. Im Hinblick auf die umfassende Ankündigung in dem genannten Werbeschreiben und die grundsätzliche Inanspruchnahme eines Rechts zur sachlich unbeschränkten Beratung sei zumindest von der Gefahr auszugehen, daß die Beklagte bei entsprechender Nachfrage und sich bietender Gelegenheit ihre steuerliche Hilfeleistung im Einzelfall auch über den berufsbezogenen Bereich hinaus gewähren werde. Das zu erwartende Verhalten sei geeignet und bestimmt, der Handwerkerbuchstelle der Beklagten im Wettbewerb mit Steuerberatern und anderen zur Hilfeleistung in Steuersachen berufenen Institutionen einen unzulässigen Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
Der Unterlassungsantrag sei auch in dem beantragten Umfange gerechtfertigt. Von den im Urteilstenor aufgeführten Ausnahmen würden alle in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten fallenden und daher ihrer Handwerkerbuchstelle gestatteten steuerlichen Beratungstätigkeiten erfaßt.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1988 – I ZR 217/85, GRUR 1988, 624, 625 – Buchführungs- und Steuerstelle, insoweit nicht in BGHZ 103, 355ff).
2. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsantrag zu b sei begründet, weil die Gefahr bestehe, daß die Beklagte unbeschränkt Hilfe in Steuersachen leisten und damit in wettbewerbswidriger Weise gegen § 5 Satz 2 (= § 5 Abs. 1 Satz 2 n.F.) i.V. mit § 4 Nr. 3 StBerG verstoßen werde, hält aber der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Annahme einer – für den im Streitfall mangels einer konkreten Verletzungshandlung allein in Betracht kommenden vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderlichen – Erstbegehungsgefahr durch das Berufungsgericht wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß eine unbeschränkte Hilfeleistung in Steuersachen durch die Beklagte als Verletzungshandlung anzusehen wäre, da sie einen Verstoß gegen § 5 Satz 2 (= § 5 Abs. 1 Satz 2 n.F.) i.V. mit § 4 Nr. 3 StBerG darstellen würde.
Nach § 5 Satz 2 (= § 5 Abs. 1 Satz 2 n.F.) StBerG dürfen die in § 4 bezeichneten Personen und Vereinigungen nur im Rahmen ihrer Befugnis geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten. Zu einer solchen Hilfeleistung sind gemäß § 4 Nr. 3 StBerG befugt:
„Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts … im Rahmen ihrer Zuständigkeiten.”
Insoweit hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, daß das Steuerberatungsgesetz über die ohnehin selbstverständliche Beschränkung der Körperschaft auf ihren Aufgabenbereich hinaus keine weitergehenden Einschränkungen vorsieht (vgl. auch BGHZ 103, 355, 361 – Buchführungs- und Steuerstelle – zur vergleichbaren Regelung des § 4 Nr. 7 StBerG für Berufsvertretungen).
Die beklagte Kreishandwerkerschaft ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts im Sinne des § 4 Nr. 3 StBerG (vgl. § 89 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 53 HandwO). Der Zuständigkeitsbereich der – aus den Handwerksinnungen eines Stadt- oder Landkreises gebildeten – Kreishandwerkerschaft ist in § 87 HandwO umschrieben. Nach Nr. 3 dieser Bestimmung hat sie u.a. die Aufgabe,
„Einrichtungen zur Förderung und Vertretung der gewerblichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Mitglieder der Handwerksinnungen zu schaffen und zu unterstützen.”
Dazu gehört auch die Einrichtung sogenannter Buchstellen zur Erteilung von Rat und Hilfe in Steuersachen. Diese haben eine jahrzehntelange Tradition und sind heute allgemein anerkannt (vgl. Begründung S. 6 zum Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des StBerG, Stand 21.7.1988; Eyermann/Fröhler/Honig, Handwerksordnung, 3. Aufl. 1973, § 87 Rdn. 7; Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, 2. Aufl. 1984, § 87 Rdn. 5; Gehre, Steuerberatungsgesetz, 1981, § 4 Rdn. 6).
In persönlicher Hinsicht ist die Hilfeleistung auf die „Mitglieder der Handwerksinnungen” beschränkt. Das sind nach § 52 Abs. 1 HandwO die selbständigen Handwerker; darunter versteht das Gesetz die natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, denen durch Eintragung in die Handwerksrolle der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe gestattet ist (vgl. § 1 Abs. 1 HandwO). Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich die Befugnis der Handwerkskammern zur Hilfeleistung dabei auf den selbständigen Handwerker in seiner Eigenschaft als Inhaber oder Mitinhaber eines Handwerksbetriebes und nicht auch als Privatperson erstreckt.
Daraus ergibt sich zugleich eine Beschränkung des sachlichen Umfangs der Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen. Denn aus der persönlichen Bezogenheit auf den selbständigen Handwerker folgt, daß die Hilfeleistung in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Handwerksbetrieb stehen muß. Das Berufungsgericht hat dies zutreffend dahin zusammengefaßt, daß sich die Befugnis zur Hilfeleistung auf alle steuerlichen Fragen und Problemstellungen erstreckt, die in einem sinnvollen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Handwerkers stehen. Auf eine nähere Abgrenzung des auf den Handwerksbetrieb bezogenen von dem nicht betriebsbezogenen steuerlichen Bereich kommt es im Streitfall nicht an, so daß in diesem Zusammenhang nicht auf die gegen die entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichts und die von ihm angeführten Beispielsfälle gerichteten Angriffe eingegangen zu werden braucht (vgl. dazu nachfolgend unter 3). Ein konkreter Verletzungsfall, der eine Abgrenzung im Einzelfall erfordern würde, ist von der Klägerin nicht dargetan. Die Klage ist vielmehr auf die allgemein gehaltene Behauptung gestützt, die Beklagte würde durch ihre Buchstelle sachlich uneingeschränkt Hilfe in Steuersachen leisten. Das Berufungsgericht hat zu dieser von der Beklagten bestrittenen Behauptung keine Feststellungen getroffen, sondern darauf abgestellt, daß eine solche Hilfeleistung zumindest zu befürchten sei und damit Begehungsgefahr bestehe.
b) Die Feststellung des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die umfassende Ankündigung im Werbeschreiben der Handwerkerbuchstelle gemäß Anlage K 13 und die grundsätzliche Inanspruchnahme eines Rechts zur sachlich unbeschränkten Beratung sei die Gefahr begründet, daß die Beklagte bei entsprechender Nachfrage und sich bietender Gelegenheit ihre steuerliche Hilfeleistung im Einzelfall auch über den berufsbezogenen Bereich hinaus gewähren werde, ist nicht verfahrensfehlerfrei getroffen.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der in dem genannten Werbeschreiben enthaltene Satz „Erstellung sämtlicher Steuererklärungen” stelle das Angebot umfassender steuerlicher Hilfe für die Beratenen dar, ohne jede sachliche Beschränkung auf den berufsbezogenen Bereich. Es hat dabei nicht genügend beachtet, daß der Leser des Werbeschreibens das in keiner Weise herausgestellte Angebot „Erstellung sämtlicher Steuererklärungen” nicht zergliedernd betrachtet und wertet, sondern das Schreiben mit seinem gesamten Inhalt aufnimmt. Der danach maßgebende Gesamteindruck läßt aber erkennen, daß lediglich betriebsbezogene steuerliche Leistungen angeboten werden. Das zweiseitige – unter dem Briefkopf der „Handwerkerbuchstelle” abgefaßte – Schreiben hat u.a. folgenden Inhalt:
„Leistungen der Handwerkerbuchstelle für Mitglieder der Handwerksorganisationen Finanzbuchhaltung:
Monatlich, vierteljährlich, halbjährlich, jährlich
Komplette Bearbeitung der Buchungsbelege. Kontieren, Erfassen, EDV-Auswertung Journal, Sach- und Personenkonten, mtl. und aufgelaufene Erfolgsübersicht, Umsatzsteuervoranmeldung – unterschriftsfertig.
Jährlich
Komplette Erstellung der Jahresabschlüsse (Bilanz, G. u. V.) Erstellung sämtlicher Steuererklärungen”.
Dieser und der weitere Inhalt des Schreibens wird vom Leser dahin verstanden, daß die Handwerkerbuchstelle ausschließlich Leistungen anbieten will, die im Zusammenhang mit dem Handwerksbetrieb stehen. Das Angebot der „Erstellung sämtlicher Steuererklärungen” findet sich unter der Überschrift „Finanzbuchhaltung” und wird auch vom Leser entsprechend zugeordnet und daher auf sämtliche in einem Handwerksbetrieb anfallenden Steuererklärungen (wie Umsatz- und Vermögenssteuererklärungen) bezogen. Die Betriebsbezogenheit des Angebots wird durch die weiter unter den Überschriften „Lohn- und Gehaltsbuchhaltung” und „Betriebsabrechnung” angebotenen Leistungen sowie einen ergänzenden Text gestützt. Angesichts dieses einheitlichen Gesamteindrucks verbietet sich eine zergliedernde Betrachtung in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Art.
Eine Begehungsgefahr läßt sich auch nicht mit der vom Berufungsgericht weiter angeführten Erwägung begründen, die Beklagte habe sich zu einer sachlich umfassenden Beratung auch rechtlich für befugt gehalten und eine nach ihrer Behauptung tatsächlich praktizierte Restriktion auf den berufsbezogenen Bereich als freiwillige „selbst auferlegte Beschränkung” erklärt, die demgemäß zu ihrer jederzeitigen Disposition stehe. Grundsätzlich kann zwar auch das Verhalten des Verletzers im Rechtsstreit über eine Zuwiderhandlung eine Begehungsgefahr begründen. Die Äußerung der Auffassung, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, stellt für sich genommen aber noch keine Berühmung dar (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.1962 – I ZR 162/60, GRUR 1963, 218, 220 – Mampe Halb und Halb II; BGH, Urt. v. 31.5.1967 – Ib ZR 119/65, GRUR 1968, 49, 50 – Zentralschloßanlagen). Sie muß vielmehr in einer Weise geäußert werden, die die Inanspruchnahme des Rechts als ernstliche Gefahr erstmaliger Begehung erscheinen läßt; daran fehlt es, wenn eindeutig klargestellt wird, daß keine Rechtsverletzungen zu besorgen sind (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1986 – I ZR 158/84, GRUR 1987, 125, 126 – Berühmung; BGH, Urt. v. 5.11.1987 – I ZR 212/85, GRUR 1988, 313 – Auto F. GmbH).
Im Streitfall kann aus dem Prozeßverhalten der Beklagten nicht auf eine Erstbegehungsgefahr in dem dargestellten Sinne geschlossen werden. Das Berufungsgericht hat aufgrund folgender Äußerung der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung (S. 7) eine Berühmung für begründet erachtet:
„Darüber hinaus habe die Buchstelle – einer selbst auferlegten Beschränkung folgend – grundsätzlich keine Steuerberatung durchgeführt, die nicht in einen beruflichen Zusammenhang der Person ihrer Mitglieder zu bringen wäre (Beweis: Zeugen …).”
Das Berufungsgericht hätte dabei auch die vorangegangenen Ausführungen der Beklagten auf S. 5 ihrer Berufungsbegründung berücksichtigen müssen. Danach hat die Beklagte ausdrücklich bestritten, daß sie durch ihre Handwerkerbuchstelle ihren Mitgliedern unbeschränkt und geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leiste. Sie habe sich darauf beschränkt und würde sich auch darauf beschränken, Steuerhilfe im Rahmen dessen zu gewähren, was mit steuerlich relevanten Fragen des einzelnen Handwerkers im Zusammenhang stehe. Eine hiervon losgelöste, lediglich personenbezogene Steuerberatung ohne sachlichen Bezug zum Beruflichen sei von ihr auch nicht angekündigt worden.
Die Beklagte hat damit klargestellt, ihren Mitgliedern keine unbeschränkte Hilfeleistung in Steuersachen geleistet zu haben und diese auch zukünftig nicht leisten zu wollen. Angesichts dieses Vorbringens läßt sich jedenfalls allein aus der im Prozeß geäußerten Rechtsansicht, die Regelung des § 4 Nr. 3 StBerG i.V. mit § 87 Nr. 3 HandwO schränke an sich nur den personellen und nicht auch den sachlichen Umfang der Steuerberatung ein, noch nicht auf eine Berühmung schließen.
3. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das weitere Klagevorbringen zum Vorliegen einer Wiederholungs-, zumindest aber einer Erstbegehungsgefahr einer tatrichterlichen Prüfung bedarf. Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, daß die Beklagte durch ihre Buchstellen uneingeschränkt Hilfe in Steuersachen leiste. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob dieses Vorbringen hinreichend substantiiert ist und dem gegebenenfalls nachzugehen haben. Sodann ist bislang unaufgeklärt geblieben, ob das als Anlage K 1 auszugsweise wiedergegebene „Rundschreiben” der Beklagten – was diese bestreitet – zuzurechnen ist und ob dadurch gegebenenfalls eine Begehungsgefahr begründet ist.
Für den Fall, daß sich der Unterlassungsanspruch als begründet erweist, wird das Berufungsgericht weiter zu beachten haben, daß der Verbotsausspruch auch mit der Einschränkung zu weit geht, ausgenommen seien die Bereiche der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, des Betriebsvermögens und der betrieblichen Steuern einschließlich der Lohnsteueranmeldungen. Lassen sich im wiedereröffneten Berufungsverfahren konkrete Verletzungshandlungen nachweisen, so können grundsätzlich nur diese Gegenstand des Verbotsausspruchs sein. Ist dagegen lediglich die ernstliche Gefahr einer (erstmaligen) unbeschränkten Hilfeleistung zu besorgen, so kann der Beklagten entsprechend den obigen Ausführungen unter II. 2.a) lediglich die Hilfeleistung in Steuersachen gegenüber Mitgliedern der Handwerksinnungen untersagt werden, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Handwerksbetrieb steht. Für eine weitergehende abstrakte Konkretisierung des Verbots ist in diesem Verfahren kein Raum. Es muß vielmehr einem etwaigen Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben, die Frage der Betriebsbezogenheit der Hilfeleistung anhand eines konkreten Verletzungsfalls zu prüfen.
Die eigene Auslegung des Berufungsgerichts, die Ausführungen der Revision und die Darlegungen in dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten Prof. Dr. Dr. R. verdeutlichen, daß die Abgrenzung der zulässigen von der unzulässigen steuerlichen Hilfeleistung einer näheren Konkretisierung im Verbotsausspruch nicht zugänglich ist, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten getroffen werden kann. Der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, daß die Auslegung der vom Verbotsausspruch ausgenommenen drei Bereiche (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Betriebsvermögen und betriebliche Steuern) nicht eng vorzunehmen sei und daß im Zweifel eine Vermutung für die Zulässigkeit der steuerlichen Beratung sprechen werde, beseitigt nicht die bestehenden Unklarheiten. Zum einen läßt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen, daß der Zuständigkeitsbereich der Kreishandwerkerschaften mit den angeführten drei Bereichen vollständig erfaßt ist. Sodann bringt die Kennzeichnung der drei Bereiche auch nicht den eigentlichen Verbotskern zum Ausdruck, nämlich die (unzulässige) unbeschränkte Hilfeleistung in Steuersachen, die nur dann gegeben ist, wenn jeder Zusammenhang mit dem Handwerksbetrieb, also jede Betriebsbezogenheit fehlt. Der Urteilstenor läßt nicht erkennen, daß die vom Berufungsgericht in den Gründen als zulässig angeführten Beispielsfälle in den Bereich einer zulässigen Beratung fallen.
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
BB 1990, 2068 |
NJW 1991, 1759 |
NVwZ 1991, 300 |