Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehelichkeitsanfechtung bei heterologer Insemination
Leitsatz (amtlich)
a) Ein Verzicht des Ehemannes auf das Recht, die Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen, nicht von ihm gezeugten Kindes anzufechten, ist auch dann unwirksam, wenn das Kind aus einer mit Zustimmung des Ehemannes vorgenommenen heterologen Insemination hervorgegangen ist.
b) Allein aus der Zustimmung des Ehemannes zur Vornahme einer heterologen Insemination und aus einem gleichzeitig erklärten Anfechtungsverzicht läßt sich nicht herleiten, daß eine spätere Anfechtung der Ehelichkeit durch den Ehemann rechtsmißbräuchlich ist.
(Bestätigung von BGHZ 87, 169)
Normenkette
BGB § 1594
Verfahrensgang
AG Reinbek |
Schleswig-Holsteinisches OLG |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 20. Mai 1994 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger und die Mutter des beklagten Kindes waren miteinander verheiratet Der Kläger ist zeugungsunfähig. Nachdem Versuche der Eheleute, ein Kind zu adoptieren, gescheitert waren, konsultierten sie vom Jahre 1984 an verschiedene Ärzte, um im Wege der heterologen Insemination ein Kind zu bekommen. Nachdem erste Inseminationsversuche fehlgeschlagen waren, suchten sie Anfang 1989 gemeinsam eine ärztliche Gemeinschaftspraxis in E. auf, die sich auf künstliche Befruchtungen spezialisiert hatte. Beide Ehegatten unterschrieben einen von den Ärzten vorgelegten vorformulierten Vertragstext, in dem der Kläger sein Einverständnis zu einer heterologen Insemination erklärte und ausdrücklich darauf verzichtete, den so gezeugten Kindern „seine Vaterschaft … abzuerkennen”. Das Formular enthielt den Hinweis, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Möglichkeit zu einer Ehelichkeitsanfechtungsklage trotz eines zuvor erteilten Verzichts auf das Anfechtungsrecht bestehe.
Eine am 1. August 1989 durchgeführte Insemination mit fremdem Samen führte dazu, daß die Mutter des Beklagten schwanger wurde. Der Beklagte wurde am 4. Mai 1990 geboren. Etwa ein Jahr später trennten sich der Kläger und die Mutter des Beklagten endgültig, nachdem es schon längere Zeit zuvor zu einer Krise in der Ehe gekommen war. Die Ehe ist inzwischen geschieden.
Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß das beklagte Kind nicht sein eheliches Kind ist.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Durch das angefochtene Urteil hat das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht führt aus, da der Beklagte während der Ehe seiner Mutter mit dem Kläger geboren worden sei, habe er nach § 1591 BGB mit seiner Geburt die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Klägers erlangt. Es stehe jedoch fest, daß der Beklagte nicht von dem Kläger abstamme. Der Kläger habe innerhalb der Frist des § 1594 Abs. 1 BGB rechtzeitig Ehelichkeitsanfechtungsklage erhoben. Der Erfolg der Klage hänge somit nur davon ab, ob das Anfechtungsrecht des Klägers deshalb ausgeschlossen sei, weil der Beklagte aus einer im Einverständnis mit dem Kläger durchgeführten heterologen Insemination hervorgegangen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, daß der Kläger seine Zustimmung zu der heterologen Insemination nicht wirksam widerrufen habe. Der Bundesgerichtshof habe entschieden, daß die Zustimmung des Ehemannes zu einer heterologen Insemination eine spätere Ehelichkeitsanfechtungsklage des Ehemannes nicht grundsätzlich ausschließe und daß ein im Zusammenhang mit der Zustimmung von dem Ehemann erklärter Anfechtungsverzicht unwirksam sei. Es sei zwar möglich, daß in solchen Fällen die Ehelichkeitsanfechtungsklage des Ehemannes rechtsmißbräuchlich und deshalb unzulässig sei. Ein solches rechtsmißbräuchliches Verhalten lasse sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber nicht allein schon daraus herleiten, daß der Ehemann mit der heterologen Insemination einverstanden gewesen sei und – eventuell – in einer unwirksamen Vereinbarung auf sein Anfechtungsrecht verzichtet habe. Es müßten vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die im Einzelfall die Ausübung des Anfechtungsrechts als rechtsmißbräuchlich erscheinen ließen (BGHZ 87, 169).
Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei entgegen kritischen Stimmen in der Literatur zu folgen. Besondere Umstände i.S. dieser Rechtsprechung, die das Verhalten des Klägers als rechtsmißbräuchlich erscheinen ließen, lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Deshalb habe das Amtsgericht der Ehelichkeitsanfechtungsklage zu Recht stattgegeben.
Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg. Sie halten in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
2. Die Revision verkennt nicht, daß die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang steht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und daß das Rechtsmittel deshalb nur Erfolg haben kann, wenn der Senat diese Rechtsprechung aufgibt. Dazu besteht jedoch kein Anlaß.
Der damals zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 7. April 1983 (BGHZ aaO S. 172 f) entschieden, die Einwilligung des Ehemannes in eine heterologe künstliche Samenübertragung und seine Erklärung, die Vaterschaft zu dem so gezeugten Kinde „anzuerkennen”, reichten allein nicht aus, das Anfechtungsrecht auszuschließen. Nach den Vorschriften über die Ehelichkeitsanfechtung (§ 1594 f BGB) verliere der Ehemann sein Anfechtungsrecht nur, wenn er die Anfechtungsfrist versäumt habe. Einen anderen Ausschlußgrund sehe das Gesetz nicht vor. Ein rechtsgeschäftlicher Ausschluß des Anfechtungsrechts sei nicht möglich. Die Anerkennung der Ehelichkeit eines bereits gezeugten Kindes schließe das Anfechtungsrecht des Ehemannes nicht aus. Für eine entsprechende Erklärung des Ehemannes schon vor der Zeugung des Kindes gelte dasselbe. Da ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht in seiner Wirkung einer Anerkennung der Ehelichkeit gleichkomme, sei er ebenfalls rechtlich wirkungslos. Das Gesetz versage Willenserklärungen, die auf den Ausschluß des Anfechtungsrechts gerichtet seien, allgemein die rechtliche Wirkung. Mangels einer gesetzlichen Sonderregelung seien diese Grundsätze auch anzuwenden bei einer heterologen künstlichen Samenübertragung, in die der Ehemann eingewilligt habe.
Demgegenüber meint die Revision, ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht sei grundsätzlich wirksam. Zumindest aber – das werde auch in der Literatur vertreten – müsse er anerkannt werden, wenn das Kind aus einer heterologen Insemination hervorgegangen sei. Ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht im Zusammenhang mit einer mit Zustimmung des Ehemannes durchgeführten heterologen Insemination sei nicht zu vergleichen mit einem Verzicht auf das Anfechtungsrecht in anderen Fällen. Mit seiner Zustimmung zu der heterologen Insemination habe der Ehemann nämlich dazu beigetragen, einen unabänderlichen Geschehensablauf in Gang zu setzen. Die schützenswerten Interessen des Kindes erforderten es in diesem Fall, das Anfechtungsrecht auszuschließen. Die Fallkonstellation ähnele einer Adoption, von der sich der Annehmende nach § 1760 BGB auch nicht nach seinem Belieben einseitig lösen könne (so auch Giesen in Anm. JZ 1983, 552, 553; Bernat, MedR 1986, 245, 247 f, der insbesondere auf die Parallele zur Adoption hinweist; vgl. auch Laufs, JZ 1986, 769, 776, der die Kritik Giesens an der Begründung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs teilt, der Entscheidung im Ergebnis aber zuzustimmen scheint).
Diese Argumentation überzeugt nicht und zwingt nicht dazu, die bisherige Rechtsprechung aufzugeben.
a) Der Ansicht der Revision, der Ehemann könne generell – also auch wenn das Kind nicht aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen sei – auf sein Anfechtungsrecht rechtsgeschäftlich verzichten, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beurteilung des IX. Zivilsenats (BGHZ aaO S. 172 f), ein solcher Verzicht sei unwirksam, basiert auf einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 2, 130, 137; BGH, Urteil vom 3. November 1978 – IV ZR 199/77 – NJW 1979, 418, 419 m.N.: insoweit in BGHZ 72, 299 nicht abgedruckt), der die Literatur gefolgt ist (MünchKomm/BGB/Mutschler, 3. Aufl. § 1594 Rdn. 14; Staudinger/Göppinger, BGB 12. Aufl. § 1594 Rdn. 25; Soergel/Gaul, BGB 12. Aufl. § 1594 Rdn. 18; Palandt/Diederichsen, BGB 54. Aufl. § 1594 Rdn. 5; Gernhuber/Coester-Waltjen, FamR 4. Aufl., § 51 III Nr. 2) und von der abzuweichen kein Anlaß besteht.
b) Daß das Kind aus einer heterologen Insemination hervorgegangen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das geltende Recht (§§ 1591 ff BGB) stellt für die Frage, ob der Ehemann die Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes anfechten kann, ausschließlich darauf ab, ob er der biologische Vater des Kindes ist oder nicht. Es stellt nicht darauf ab, ob das Kind mit dem Einverständnis des Ehemannes in die Ehe hineingeboren worden ist. Es ist zwar zutreffend, daß mit der zur Schwangerschaft führenden Insemination ein Vorgang begonnen hat, der – normalen Verlauf vorausgesetzt – unumkehrbar zu der Geburt des Kindes geführt hat, und daß der Ehemann, indem er dieser Fremdinsemination zugestimmt hat, einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß es zu der Geburt des Kindes gekommen ist. Die Revision weist zu recht darauf hin, daß er damit Verantwortung für das Kind übernommen hat. Deshalb hat der Senat bereits entschieden, daß in einem solchen Falle die Unterhaltspflicht des Ehemannes für das Kind nicht ohne weiteres endet, wenn in einem Statusverfahren die Nichtehelichkeit des Kindes festgestellt worden ist (Urteil vom 3. Mai 1995 – XII ZR 29/94 – zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Dieser Gesichtspunkt zwingt aber nicht dazu, dem so gezeugten Kind ohne Anfechtungsmöglichkeit des Ehemannes den Status der Ehelichkeit zu garantieren und in einem solchen Fall ausnahmsweise einen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf das Anfechtungsrecht zuzulassen. Aus der Verantwortung, die der Ehemann für das Kind übernommen hat, läßt sich kein Anspruch des Kindes auf die Beibehaltung eines bestimmten Status herleiten.
c) Der pauschale Hinweis auf das schützenswerte Kindesinteresse ist in diesem Zusammenhang kein tragfähiges Argument. Zwar dient es dem Wohle des Kindes, wenn es in einer intakten Familie und mit einem Vater aufwächst. Es leuchtet allerdings nicht ein, daß durch einen generellen Ausschluß der Anfechtungsklage des Ehemannes die Chance des Kindes, in solchen Verhältnissen aufzuwachsen, entscheidend vergrößert würde. Der Ehemann wird eine Ehelichkeitsanfechtungsklage in aller Regel nur dann erheben, wenn die Ehe gescheitert ist, die Eheleute getrennt leben und das Kind ohnehin allein von der Mutter großgezogen wird. Durch einen Ausschluß der Anfechtungsklage würden deshalb nicht die Lebensverhältnisse des Kindes verbessert, sondern lediglich seine „rechtliche Zuordnung” (Coester-Waltjen, Gutachten für den 56. Deutschen Juristentag B 54) festgeschrieben. Welchen Wert das Aufrechterhalten der rechtlichen Zuordnung für das Kind hat, ist in der Literatur umstritten. Während z.B. Giesen (aaO S. 553) und Staudinger-Göppinger (BGB 12. Aufl. § 1591 Rdn. 40) in der Beseitigung der rechtlichen Zuordnung einen unersetzlichen immateriellen Schaden für das Kind sehen, bezeichnen Coester-Waltjen (aaO) und Laufs (aaO S. 776) das Aufrechterhalten lediglich des Status der Ehelichkeit als „leere Hülse”. Auch Beitzke (Festschrift für Müller-Freienfels 1986, 31, 37) spricht sich dafür aus, „das bloße Interesse daran, fälschlicherweise als Kind eines bestimmten (vielleicht angesehenen) Mannes zu gelten und dessen Namen zu tragen”, nicht zu hoch zu bewerten und das Interesse an einem späteren Erbrecht nicht den Ausschlag geben zu lassen.
Aber auch wenn man (mit Giesen und Göppinger) das Interesse des Kindes an dem Aufrechterhalten des Status hoch einschätzt, ergibt sich daraus nicht, daß ein rechtsgeschäftlicher Verzicht des Ehemannes auf das Anfechtungsrecht nach einer mit seinem Einverständnis durchgeführten heterologen Insemination ausnahmsweise zulässig sein müßte, während ein solcher Verzicht in anderen Fällen unwirksam ist. Jedenfalls ist das Interesse eines nicht von dem Ehemann gezeugten Kindes, als ehelich zu gelten, nach einer heterologen Insemination nicht größer als in anderen Fällen.
d) Auch aus den Vorschriften über die Aufhebung eines Adoptionsverhältnisses (§ 1760 BGB) läßt sich nicht herleiten, daß im Falle einer heterologen Insemination ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht zulässig ist oder daß das Anfechtungsrecht des Ehemannes auf andere Weise eingeschränkt werden muß. Es ist zwar richtig, daß es sich bei der mit Einwilligung des Ehemannes vorgenommenen heterologen Insemination aus seiner Sicht um die Übernahme der Elternschaft (der Scheinvaterschaft) durch Willensakt handelt und daß insofern sein Einverständnis mit der heterologen Insemination einer Adoption (§ 1741 f BGB) ähnlich ist (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1995 aaO). Daraus ergibt sich aber nicht, daß eine einzelne Bestimmung des Adoptionsrechts wie § 1760 BGB für die Rechtsverhältnisse nach einer heterologen Insemination herangezogen werden kann. Das Adoptionsrecht stellt als Ganzes eine in sich ausgewogene Regelung dar. Neben § 1760 BGB, der die Möglichkeit, sich von einer Adoption zu lösen, erheblich einschränkt, gehört eine Reihe von Bestimmungen dazu, mit denen der Gesetzgeber sicherstellt, daß der Annehmende nicht vorschnell und übereilt eine derart starke und lange nachwirkende Bindung eingeht. So wird bei der Adoption die Annahme als Kind auf Antrag des Annehmenden vom Vormundschaftsgericht ausgesprochen (§ 1752 Abs. 1 BGB); der Antrag bedarf der notariellen Beurkundung (§ 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB). Insbesondere aber soll die Annahme als Kind in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Probezeit in Pflege gehabt hat (§ 1744 BGB). Da der Gesetzgeber weder die Rechtsfolgen geregelt hat, die sich aus einer mit Zustimmung des Ehemannes erfolgten heterologen Insemination für die Beteiligten ergeben (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 1995 aaO), noch die Voraussetzungen, unter denen eine heterologe Insemination stattfinden darf, ist bei den dennoch stattfindenden und geduldeten heterologen Inseminationen für die Erteilung der Zustimmung durch den Ehemann kein Verfahren vorgeschrieben, durch das eine vorschnelle oder unbedachte Zustimmung ausgeschlossen würde. Wie umfassend der Ehemann über die Konsequenzen seines Einverständnisses unterrichtet wird, steht weitgehend im Ermessen der Beteiligten. An eine formlos abgegebene Zustimmungserklärung des Ehemannes, von der nicht feststeht, unter welchen Voraussetzungen sie abgegeben worden ist, können nicht dieselben oder ähnliche Bindungswirkungen geknüpft werden wie an eine auf einen notariell beurkundeten Antrag hin ergangene Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, der jedenfalls in aller Regel eine Probezeit vorausgegangen ist.
Die vor einer endgültigen Adoption vorgesehene Probezeit dient der Prüfung der Frage, ob gewachsene persönliche Beziehungen entstanden sind, die es rechtfertigen, ein soziales Eltern-Kind-Verhältnis anzunehmen. Kommt während der Probezeit eine solche „soziale Elternschaft” nicht zustande, so wird das Vormundschaftsgericht die Annahme als Kind von vornherein nicht aussprechen. Eine sinngemäße Übertragung dieser Regelung auf die Verhältnisse der heterologen Insemination würde bedeuten, daß das Anfechtungsrecht des Ehemannes nur dann auszuschließen wäre, wenn er eine zeitlang mit dem Kind zusammengelebt hätte, so daß sich eine soziale Bindung hätte aufbauen können. Daß der Scheinvater nach einer solchen „Probezeit” die Ehelichkeit des im Wege der heterologen Insemination gezeugten Kindes nicht mehr anfechten kann, ergibt sich aber – ohne daß es einer Analogie zu den Regelungen des Adoptionsrechts bedürfte – zwanglos aus § 1594 BGB, aus dem folgt, daß die Ehelichkeitsanfechtungsklage in derartigen Fällen spätestens zwei Jahre nach der Geburt des Kindes erhoben werden muß (so zutreffend Beitzke aaO S. 37).
3. Trotz der in der Literatur geäußerten Kritik (Kollhosser, JA 1985, 553, 555; Harder, JuS 1986, 505, 507; Deutsch, MDR 1985, 179, 180; Bernat aaO; Giesen aaO S. 553 f; Staudinger/Göppinger aaO) hält der Senat auch daran fest, daß die Zustimmung des Ehemannes zu der heterologen Insemination nicht generell, sondern nur, wenn besondere, fallspezifische Umstände hinzutreten, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einem Verlust des Anfechtungsrechts führt. Der IX. Zivilsenat (BGHZ aaO S. 177) hat hierzu ausgeführt, die Erhebung der Anfechtungsklage widerspreche zwar früheren Erklärungen des Ehemannes, die Vaterschaft anzuerkennen. Entsprechende Willenserklärungen seien aber unwirksam. Es verstoße grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung berufe. Der Bundesgerichtshof habe deshalb entschieden, daß ein unwirksamer Verzicht des Ehemannes auf das Anfechtungsrecht regelmäßig auch nicht auf dem Umweg über den Einwand des Rechtsmißbrauchs zum Verlust des Anfechtungsrechts führen könne. Diese Grundsätze seien auch anzuwenden, wenn ein Kind mit Einwilligung des Ehemannes durch heterologe Insemination gezeugt worden sei. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs könne deshalb auch in diesen Fällen nicht allein darauf gestützt werden, daß der Ehemann zugesagt habe, die Ehelichkeit des Kindes nicht anzufechten.
An diesen Ausführungen ist festzuhalten. In der Literatur ist umstritten, ob überhaupt die Durchsetzung eines unverzichtbaren Rechts wegen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) ausgeschlossen sein kann (dagegen Wieling AcP 176 – 1976 –, 334, 338 f). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die herrschende Meinung folgt (vgl. z.B. MünchKomm/Roth, BGB 3. Aufl. § 242 Rdn. 328; Soergel/Teichmann, BGB 12. Aufl. § 242 Rdn. 312), kann zwar bei Hinzutreten besonderer Umstände auch das Geltendmachen eines unverzichtbaren Rechts rechtsmißbräuchlich sein. Ein rechtsmißbräuchliches Verhalten kann aber eben nicht daraus hergeleitet werden, daß eine Partei bezüglich eines unverzichtbaren Rechts einen Verzicht erklärt hat. Um zu vermeiden, daß auf dem Umweg über § 242 BGB der unwirksame Verzicht dennoch zu einem Rechtsverlust führt, sind in einem solchen Falle an die Feststellung, daß die Ausübung des Anfechtungsrechts Rechtsmißbrauch ist, strenge Anforderungen zu stellen (so BGH, Urteil vom 31. Januar 1952 – IV ZR 5/50 = LM § 1598 Nr. 2, gleichfalls zu einer Ehelichkeitsanfechtungsklage).
In der Literatur wird geltend gemacht, der Ehemann setze sich in einem solchen Falle durch die Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage nicht nur in Widerspruch zu seiner zuvor abgegebenen Verzichtserklärung, sondern zu seinem gesamten Verhalten, mit dem er die Geburt des Kindes erst ermöglicht habe (so Giesen aaO; S. 553 f; ähnlich Kollhosser, Harder, Deutsch und Staudinger/Göppinger aaO; neuerdings – abweichend von der Vorauflage – auch Gernhuber/Coester-Waltjen aaO § 51 III Nr. 2 in Fußn. 4). Diese Argumentation überzeugt nicht. Eheleute, die vereinbaren, die Ehefrau solle sich einer heterologen Insemination unterziehen, gehen davon aus, das auf diese Weise gezeugte Kind solle wie ihr eheliches Kind aufwachsen und seine Ehelichkeit solle von dem Ehemann nicht angefochten werden. Auch wenn der Ehemann nicht ausdrücklich erklärt, die Ehelichkeit des Kindes nicht anfechten zu wollen, ist dem Verhalten der Eheleute im Wege der Auslegung zu entnehmen, daß der Ehemann auf das Recht zur Anfechtung verzichten will. Ein solcher Verzicht des Ehemannes scheitert nur daran, daß er von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird. Es bleibt deshalb dabei, daß aus demselben Verhalten, das einen unwirksamen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf das Anfechtungsrecht enthält, auf dem Umweg über den Einwand des Rechtsmißbrauchs der Verlust des Anfechtungsrechts hergeleitet werden soll. Im Kern ihrer Argumentation macht die Gegenmeinung nicht geltend, daß der Kläger sich rechtsmißbräuchlich verhält, sie wendet sich vielmehr unter Berufung auf § 242 BGB gegen die Bewertung der Rechtsordnung, der vom Kläger erklärte Verzicht auf ein Anfechtungsrecht sei unwirksam. (Im Ergebnis wie hier: OLG Celle, NJW 1992, 1516 f; Beitzke aaO S. 35 f; Soergel/Gaul, BGB 12. Aufl. § 1591 Rdn. 33 f).
4. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß keine weiteren, fallspezifischen Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten des Klägers gegeben sind. Diese Feststellung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorinstanzen haben deshalb zu Recht der Ehelichkeitsanfechtungsklage stattgegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 609877 |
NJW 1995, 2921 |
JuS 1996, 75 |