Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11. Juli 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil haben der Beschuldigte und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Die Revision des Beschuldigten hat der Senat durch Beschluß gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft, die sich mit ihrem Rechtsmittel ausschließlich gegen die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung wendet, rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer das Vorliegen besonderer Umstände bejaht, die nach § 67b Abs. 1 StGB Voraussetzung einer Aussetzung der Vollstreckung sind, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht durfte es als besonderen Umstand werten, daß sich der Beschuldigte, wenn auch unter dem Druck des Sicherungsverfahrens, zur Vornahme einer ambulanten Therapie bereit erklärt hat und daß ihm nach der Tat aufgrund seines Einverständnisses ein Betreuer zur Seite gestellt worden ist. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die daran anknüpfende Annahme, „daß die dem Beschuldigten im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Auflagen, insbesondere die Auflage, sich zunächst nach Weisung seines Betreuers weiterhin in stationäre Behandlung in … zu begeben und anschließend eine ambulante ärztliche Behandlung aufzunehmen, die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch so” – also ohne ihre Vollstreckung – „erreicht werden kann”. Daß nach § 67b Abs. 2 StGB mit der Aussetzung der Vollstreckung Führungsaufsicht eintritt und der Beschuldigte einen Bewährungshelfer erhält (§ 68a StGB), stellt zwar für sich allein keinen besonderen Umstand im Sinne des § 67b Abs. 1 StGB dar. Die damit gegebenen Überwachungsmöglichkeiten und die dem Beschuldigten nach § 68b StGB zu erteilenden Weisungen können aber – was bei der Entscheidung über die Frage der Vollstreckungsaussetzung zu berücksichtigen ist (BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 2) – eine hinreichende Gewähr dafür bieten, daß er sich einer die Gefahr weiterer Taten ausschließender, ambulanten medikamentösen Behandlung unterzieht.
Soweit die Revision die gebotene umfassende Abwägung aller für die Aussetzungsentscheidung erheblichen Umstände vermißt, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach dem Gesamtzusammenhang der die Anordnung der Maßregel und die Vollzugsaussetzung betreffenden Urteilsgründe kann ausgeschlossen werden, daß die Strafkammer die Wahnidee des Beschuldigten und seine fortbestehende Überzeugung, zum Widerstand gegen Behörden berechtigt zu sein, im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt hat. Daß – wie die Revision mit näheren Ausführungen hervorhebt – von dem Beschuldigten infolge seines Zustands auch künftig erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten wären, bliebe die begangene Tat ohne strafrechtliche Reaktion, ist nach § 63 StGB Voraussetzung für die Anordnung seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Als ein für die Anordnung der Maßregel erforderlicher Umstand kann die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit aber als solche nicht zugleich hinreichender Grund für die Versagung der Aussetzung des Vollzugs zur Bewährung sein. Anderenfalls bliebe für eine Aussetzung zugleich mit der Anordnung gemäß § 67b StGB kein Anwendungsbereich.
Daß die Strafkammer, worauf der Generalbundesanwalt hinweist, inzwischen wieder die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 126a StPO angeordnet hat (anscheinend, weil sich die in die Einrichtung der Betreuung sowie in die freiwillige Therapie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben), ist – abgesehen davon, daß es sich um einen urteilsfremden Umstand handelt, der im Rahmen der Urteilsnachprüfung auf die Sachrüge ohnehin nicht berücksichtigt werden kann – auch deswegen ohne Bedeutung, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung der der tatrichterlichen Hauptverhandlung ist. Sollte sich – entgegen der rechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Prognose – erweisen, daß die Aussetzung der Vollstreckung nicht verantwortet werden kann, so wird der von dem Beschuldigten ausgehenden Gefahr durch einen unverzüglichen Widerruf der Aussetzung zu begegnen sein.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Tolksdorf, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović
Fundstellen
Haufe-Index 664944 |
R&P 2002, 192 |