Leitsatz (amtlich)
›Wird eine Selbstanzeige wegen bislang unentdeckter Einzelakte einer fortgesetzten Steuerhinterziehung erstattet, so ist insoweit Straffreiheit möglich, auch wenn andere Einzelakte der fortgesetzten Tat bei Eingang der Selbstanzeige bereits entdeckt waren.‹
Tatbestand
Das Landgericht hat den.Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Nach den Feststellungen gab er zwischen dem 31. März 1977 und dem 15. Februar 1984 falsche Jahreserklärungen ab, welche die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer betrafen.
Nachdem die Schweizer Polizei auf Grund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts K am 16. April 1984 bei der Firma C in B /Schweiz Kontoauszüge, Rechnungskopien und andere Unterlagen über die Geschäftsbeziehung dieser Firma zum Angeklagten beschlagnahmt hatte, erstattete er am 18. April 1984 durch seinen Verteidiger eine Selbstanzeige beim Finanzamt T., in der er die unrichtige Verbuchung privater Feingoldeinkäufe für die Jahre 1981 und 1982 einräumte. Zugleich überreichte er zum Ausgleich von Steuernachforderungen des Finanzamts einen Scheck.
Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts. Auf die Verfahrensrügen braucht der Senat nicht einzugehen, weil die Sachrüge durchgreift.
Das Landgericht geht ohne weiteres davon aus, daß die Selbstanzeige vom 18. April 1984 verspätet sei, weil die Tat im Hinblick auf die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma C, bei der "umfangreiche Beweismittel sichergestellt" wurden, bereits am 16. April 1984 entdeckt worden sei (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Diese Annahme wird durch die Feststellungen nicht belegt.
Der Angeklagte hat die Selbstanzeige nur für die Jahre 1981 und 1982 erstattet, für die er insgesamt 101. 426 DM Einkommensteuer und 33. 503 DM Gewerbesteuer verkürzt haben soll. Eine derart beschränkte Selbstanzeige ist bei fortgesetzter Tat grundsätzlich möglich (BGH NJW 1974, 2293, 2294; Senatsurteil vom 13. Mai 1987 - 3 StR 37/87). Den Feststellungen des Landgerichts ist nicht zu entnehmen, ob sich die Entdeckung der Tat durch die Schweizer Polizei am 16. April 1984 überhaupt auf die genannten Veranlagungszeiträume erstreckte, auf die sich die Selbstanzeige bezieht. Die bei der Durchsuchung sichergestellten "umfangreichen Beweismittel" werden nicht näher nach den Steuerabschnitten bezeichnet, denen sie zuzuordnen sind. So heißt es nur, daß es sich um Kontoauszüge, Rechnungskopien und andere Unterlagen über die Geschäftsbeziehung der Firma C zum Angeklagten handelt.Es steht auch nicht fest, ob eine Entdeckung der Verfehlungen, die die früheren Jahre betrifft, notwendig zugleich eine Entdeckung der späteren bedeutete.
Auf den Umfang der Tatentdeckung kann es rechtlich ankommen. Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO tritt Straffreiheit zwar nicht mehr ein, wenn im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben "die Tat" bereits "ganz oder zum Teil" entdeckt war. Der Gesetzeswortlaut schließt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aber rechtlich nicht aus, auf Grund einer Selbstanzeige bisher unentdeckte Einzelakte einer teilweise entdeckten fortgesetzten Steuerhinterziehung straffrei zu lassen. § 371 AO gewährt Straffreiheit nicht als Belohnung für bessere Einsichten und eigene Aufklärungsarbeit des Steuersünders, sondern als Anreiz zur Aufdeckung bisher verschlossener Steuerquellen; die Vorschrift beruht auf rein fiskalischen Erwägungen (vgl. BGH NJW 1974, 2293; BGHSt 29, 37, 40). Dieser fiskalische Zweck wird in dem hier erörterten Bereich besser durch eine restriktive Auslegung der Ausschlußgründe für die Selbstanzeige erreicht; ihm entspricht es, als "Tat" im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bei fortgesetzten Taten insbesondere dann die einzelnen Handlungen zu verstehen, wenn durch weitgehende Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs rechtliche Handlungseinheiten geschaffen werden, die sich über Jahre erstrecken. Diese Meinung steht im Einklang mit einer im Schrifttum verbreiteten, im Vordringen begriffenen Auffassung (vgl. Hübner aaO. § 371 Rdn. 117; Franzen in Franzen/Gast/Samson, Steuerstrafrecht 3. Aufl. § 371 Rdn. 127; Zeller in Koch AO 3. Aufl. § 371 Rdn. 16; Kohlmann, Steuerstrafrecht 4. Aufl. § 371 Rdn. 192; Klein/Orlopp AO 3. Aufl. § 371 Anm. 8 a. E.).
Fundstellen
BGHSt 35, 36 |
BGHSt, 36 |
NJW 1988, 1679 |
DRsp III(380)229a |
NStZ 1987, 562 |
wistra 1987, 342 |
EzSt AO § 371 Nr. 3 |
JZ 1987, 1088 |
MDR 1987, 1045 |
MDR 1990, 387 |
NStE AO § 371 Nr. 4 |
StV 1988, 19 |