Leitsatz (amtlich)
1. Liegt in einer Publikumsgesellschaft die wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte der KG, so erstreckt sich der Schutzbereich des zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Dienstverhältnisses hinsichtlich einer Haftung des letzteren aus GmbHG § 43 Abs 2 auch auf die Kommanditgesellschaft.
2. BGB § 708 begrenzt in einer Publikums-Kommanditgesellschaft nicht die Haftung der Komplementär-GmbH und ihres Geschäftsführers.
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH & Co KG, wurde im Jahre 1970 unter Mitwirkung des Beklagten zu dem Zweck gegründet, Entwicklungsprojekte im Ausland zu fördern; insbesondere sollten zwei große Hotels in Spanien gebaut und betrieben werden. Der Beklagte war bis zum 26. April 1972 der einzige Gesellschafter und alleinige Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, der A.-GmbH; am 23. Januar 1973 wurde er als Geschäftsführer abberufen. Kommanditistin war die Z.-Treuhandgesellschaft mbH mit der Aufgabe, für Kapitalzeichner deren Einlagen treuhänderisch zu halten. Neben einer Kommanditeinlage von 7.500.000 DM hatte sie der Klägerin ein unverzinsliches Darlehen von 17.500.000 DM zu gewähren, das durch eine Bankbürgschaft gesichert werden sollte. Seine Geschäftsanteile an der GmbH übertrug der Beklagte am 26. April 1972 auf die Z.-Treuhandgesellschaft mbH, die sie an die W.-Bank AG verpfändete. Später erwarb eine andere Gesellschaft die Geschäftsanteile.
Am 27. November 1970 wurden auf ein Konto der C.-Ltd Inc, Panama (im folgenden: C.), einer von der Klägerin abhängigen Gesellschaft, bei einer Madrider Bank 9 Mio DM überwiesen, die aus Einlagen der Kapitalzeichner stammten. Davon ließ der Beklagte in Erfüllung einer Vereinbarung über die Errichtung eines Bardepots 8,2 Mio DM auf ein Sperrkonto übertragen. Den Rest von 800.000 DM ließ er auf ein Konto der C. bei einer Züricher Bank überweisen. Dieser Betrag ist in erster Linie Gegenstand der Klage, mit der die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz fordert. Sie hat behauptet, der Beklagte habe ihn unrechtmäßig für sich verwandt, was der Beklagte bestritten hat. Ihre Klage auf Zahlung von 800.000 DM blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht verneint eine vertragliche Haftung des Beklagten gegenüber der Klägerin, weil Vertragsbeziehungen, aus denen sich ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Geschäftsführung herleiten ließe, nur zwischen ihm und der Komplementär-GmbH bestanden hätten. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Richtig ist allerdings, daß bei einer GmbH & Co KG neben einem Dienstverhältnis zwischen der Komplementär-GmbH und deren Geschäftsführer Vertragsbeziehungen zwischen der Kommanditgesellschaft und dem Geschäftsführer nicht schon deswegen begründet sind, weil er als Organ der GmbH deren Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis in der Kommanditgesellschaft ausübt; anders liegt es, wo ein besonderer Vertrag mit der Kommanditgesellschaft besteht, was hier nicht vorgetragen ist (Urt d Sen v 1.12.69 – II ZR 224/67, LM HGB § 109 Nr 7 zu II 2a). Daraus ist gefolgert worden, die Kommanditgesellschaft könne den Geschäftsführer, außer im Falle einer unerlaubten Handlung, nicht unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn er seine Pflicht gegenüber der GmbH, die Angelegenheiten der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes wahrzunehmen (§ 43 GmbHG), schuldhaft verletzt hat (Urt d BGH v 28.9.53 – VI ZR 28/53, WM 1956, 61 zu IV 3a).
Dieser für eine gewöhnliche GmbH & Co KG aufgestellte Grundsatz, der hier einer näheren Nachprüfung nicht bedarf, schließt es jedoch nicht aus, bei besonderer Fallgestaltung die Kommanditgesellschaft in den vertraglichen Schutzbereich des zwischen der GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Schuldverhältnisses einzubeziehen. Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann nämlich ein am Vertrag nicht beteiligter, aber von dessen Risiken mit betroffener Dritter berechtigt sein, gegen eine Vertragspartei Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutzpflicht geltend zu machen. Das ist dann der Fall, wenn der Vertrag nach seinem Sinn und Zweck und mit Rücksicht auf Treu und Glauben den Einschluß des Dritten in seinen Schutzbereich erfordert und der Gläubiger die ihm geschuldete Sorge erkennbar auch auf den Dritten bezieht, für den er seinerseits Verantwortung trägt (BGHZ 69, 82, 86; 66, 51, 56 mwN).
2. Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben.
Die Klägerin ist eine typische Publikumsgesellschaft, bei der die wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH und damit auch ihres Geschäftsführers darin besteht, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu führen (vgl hier § 6 I und III des Gesellschaftsvertrags der Klägerin). Diese Aufgabe bestimmt zugleich den Inhalt des zwischen der GmbH und dem Beklagten abgeschlossenen Dienstvertrags, der hier in § 1 auf den „satzungsgemäßen Gesellschaftszweck” Bezug nimmt. Fehlleistungen der Geschäftsführung wirken sich bei einer solchen Gestaltung zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft aus. Obwohl diese auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers angewiesen ist, wie dieser ohne weiteres erkennen kann und in Rechnung stellen muß, ist ihr andererseits die Befugnis unmittelbarer Einwirkung auf ihn, wie namentlich ein Weisungsrecht, im allgemeinen versagt. Das hierin liegende Ungleichgewicht wird noch dadurch verstärkt, daß die Komplementär-GmbH – freilich in den durch die guten Sitten gezogenen Grenzen – die Möglichkeit hat, auf Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer zu verzichten, ihn trotz Kenntnis pflichtwidrigen Verhaltens zu entlasten oder einfach von einem Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr 8 GmbHG abzusehen und auf diese Weise bei eigener Vermögenslosigkeit eine Entschädigung der Kommanditgesellschaft zu vereiteln. Die damit verbundene Problematik tritt hier mit besonderer Schärfe auf, weil der Beklagte als Hauptinitiator der Gesellschaft nicht nur das ganze Vertrauen der Gesellschafter auf sich vereinigte, sondern überdies zu der maßgeblichen Zeit als einziger Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer der GmbH praktisch allein über das Gesellschaftsvermögen verfügen konnte, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag (§ 6 II) für besondere Handlungen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorschreibt. In dieser Lage durften die Kommanditisten erwarten, daß die Klägerin bei pflichtwidriger Schädigung durch den geschäftsführenden Beklagten diesen unmittelbar in Anspruch nehmen könne, ohne hieran durch irgendwelche Machenschaften der Komplementär-GmbH und damit des Beklagten selbst gehindert zu sein, zumal sie nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 6 IV) im Innenverhältnis die Kosten der Geschäftsführung zu tragen hat (Reinfeld, Die Haftung des Geschäftsführers der GmbH & Co, Diss Hamburg 1970, S 109ff). Es wäre unerträglich und mit der für alle Beteiligten klar einsichtigen Rechtswirklichkeit unvereinbar, wenn sich der Beklagte, wie das Berufungsgericht meint, demgegenüber auf die Zwischenschaltung der von einer Kapitaleinlage befreiten und auf das gesetzliche Mindestkapital beschränkten GmbH berufen könnte.
Vielmehr ist bei vernünftiger, Treu und Glauben und der Interessenlage entsprechender Betrachtung davon auszugehen, daß in einer Publikumsgesellschaft wie der Klägerin auch das wohlverstandene Interesse der Komplementär-GmbH auf eine ordnungsmäßige Leitung der Kommanditgesellschaft gerichtet ist, weil sie auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein muß und als persönlich haftende Gesellschafterin selbst aus dem Gesellschaftsverhältnis der Kommanditgesellschaft zu einer sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet ist. Sie muß daher ersichtlich darauf vertrauen können, daß ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen, soweit solche überhaupt zu besorgen sind. Das rechtfertigt es, in einem solchen Fall die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers aufgrund seines Dienstverhältnisses zur GmbH auch auf die Kommanditgesellschaft zu erstrecken (vgl Larenz, NJW 1956, 1193, 1194 u Lehrb d Schuldrechts, 11. Aufl 1. Bd § 11 III mwN).
3. Dem steht nicht entgegen, daß die Grundsätze über die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrags hauptsächlich im Zusammenhang mit der Verletzung von Fürsorgepflichten und Obhutspflichten, also von ausgesprochenen Nebenpflichten, entwickelt worden sind. Je nach Lage des Falles kann die Verpflichtung, um deren Verletzung willen der Schuldner einem Dritten haften soll, in einer weiteren oder engeren Beziehung zur vertraglichen Hauptleistung stehen oder sich sogar weitgehend mit dieser decken (vgl BGH, Urt v 6.7.65 – VI ZR 47/64, LM BGB § 328 Nr 29 zu II 3). Ein solcher Sachverhalt ist hier gegeben, weil die Führung der Geschäfte der Klägerin gerade die vertragliche Aufgabe des Beklagten gewesen ist und die Klägerin und deren Komplementär-GmbH ein im wesentlichen gleichgerichtetes Interesse an einer ordnungsmäßigen Erfüllung dieser Aufgabe hatten.
4. Die im Schrifttum sonst noch geäußerten Bedenken gegen eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft greifen unter den vorliegenden Verhältnissen ebenfalls nicht durch.
a) Da eine solche Haftung nicht den Tatbestand des § 328 BGB voraussetzt (BGHZ 69, 82, 84ff), spielt es keine Rolle, daß der Anspruch auf die Dienste des Geschäftsführers allein der GmbH und nicht der Kommanditgesellschaft zusteht (vgl Hopt, ZGR 1979, 1, 14; Hesselmann, Hdb d GmbH & Co, 15. Aufl Rz 160, 161). Die Vertragswirkungen werden nur insofern auf die Klägerin ausgedehnt, als der Geschäftsführer, wenn und solange er ihr als Organ der GmbH vertragsgemäß seine Dienste zu erbringen hat, dies mit der gebotenen Sorgfalt tun muß, anderenfalls er ihr Schadensersatz schuldet (Larenz, NJW 1960, 77, 79 u Lehrb aaO).
b) Der Gesichtspunkt, daß eine Drittwirkung des Dienstvertrags vor allem dann nicht dem Willen der Vertragsparteien zu entsprechen braucht, wenn bei Vertragsabschluß die Beteiligung der GmbH an der GmbH.
Fundstellen
Haufe-Index 648012 |
BGHZ, 321 |
NJW 1980, 589 |
DNotZ 1980, 635 |
JZ 1980, 449 |