Verfahrensgang
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
I. Die Verfahrensbeschwerde ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
II. Die Sachrüge führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue verurteilt hat, und zur Aufhebung der Aussprüche über die in diesem Fall verhängte Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe; im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den zum Fall II 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen war der Angeklagte alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma "W.-Tiefbau-GmbH" (W.-GmbH). Im April 1995 war die Gesellschaft überschuldet und zahlungsunfähig. Am 19. Juni 1995 stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse Konkursantrag, der dazu führte, daß das Amtsgericht am 20. Juni 1995 die Sequestration anordnete. Zum Sequester wurde Rechtsanwalt von O. bestimmt, der "Rechtsanwalt Sch. mit der Wahrnehmung der Aufgabe betraute". Am 22. Juni 1995 teilte Rechtsanwalt Sch. dem Angeklagten telefonisch mit, daß die Sequestration angeordnet worden sei und daß der Angeklagte "sich von nun an jeder Verfügung über die Vermögensgegenstände der W-Tiefbau-GmbH zu enthalten habe". Als der Angeklagte merkte, daß der Kreditsachbearbeiter der "Hausbank" der GmbH (Volksbank D.) und Rechtsanwalt Sch. "Anstalten trafen, das Anlagevermögen der Firma zu sichern, beschloß er, für sich persönlich zu retten, was noch zu retten war". Er wollte wenigstens die Fahrzeuge, Baumaschinen und Gerätschaften des Unternehmens, die im Sicherungseigentum der Volksbank standen, "beiseite schaffen, um sie der Gesellschaft und damit auch dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen". Der Angeklagte überließ dem Mitangeklagten P., dem der Sachverhalt bekannt war, für eine im einzelnen nicht näher geklärte Gegenleistung wirtschaftlicher Art den Besitz an diesen Gegenständen "und gestattete ihm, sie vom Firmengelände und von den Baustellen abzuholen und für sich zu verwerten". P. verbrachte die Sachen auf das Gelände zweier Bauernhöfe. Als der Kreditsachbearbeiter der Bank und Rechtsanwalt Sch. am 26. Juni 1995 auf dem Firmengelände der W.-GmbH erschienen, fanden sie nur noch "wertloses Inventar" vor.
2. Die Auffassung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich der Untreue zum Nachteil der W-GmbH schuldig gemacht, hält einer Überprüfung nicht stand.
Die rechtliche Würdigung des Landgerichts begegnet bereits deshalb Bedenken, weil fraglich ist, ob der Angeklagte tauglicher Täter einer Untreue sein konnte. Zwar ist grundsätzlich anzunehmen, daß die Befugnisse des Geschäftsführers einer GmbH und seine dieser gegenüber bestehende Pflicht zur Wahrnehmung ihrer Vermögensinteressen die Anforderungen erfüllen, die die Täterstellung sowohl nach dem Mißbrauchs- als auch nach dem Treubruchstatbestand des § 266 Abs. 1 StGB voraussetzt. Dies gilt wegen der rechtlichen Selbständigkeit der GmbH regelmäßig auch dann, wenn der Geschäftsführer zugleich deren alleiniger Gesellschafter ist (vgl. BGHSt 34, 379, 384; 35, 333, 337; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 4, 21, 25). Eine solche taugliche Täterstellung konnte der Angeklagte als Geschäftsführer möglicherweise auch - was das Landgericht allerdings nicht erörtert hat - im Hinblick auf das Sicherungsgut und in bezug auf die Sicherungsnehmerin, die Volksbank Detmold, haben, falls in dem Sicherungsübereignungsvertrag von der GmbH Vermögensbetreuungspflichten übernommen worden wären (vgl. BGHSt 5, 61, 63; BGHR § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 14 m.w.N.; Tiedemann in Scholz GmbHG 8. Aufl. II. Bd. vor §§ 82 ff. Rdn. 16).
Durch die Bestellung eines Sequesters im Rahmen des Konkurseröffnungsverfahrens könnte jedoch eine für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 266 Abs. 1 StGB erhebliche Änderung dadurch eingetreten sein, daß dem Angeklagten als Geschäftsführer die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der GmbH entzogen und diese allein dem Sequester übertragen worden war (vgl. BGH NJW 1993, 1278). Dies könnte insbesondere der Fall gewesen sein, wenn die Sequestration - wie üblich (vgl. BGHR KO § 106 Sequester 7; Kuhn/Uhlenbruck KO 11. Aufl. § 106 Rdn. 6, 9; Koch, Die Sequestration im Konkurseröffnungsverfahren [1982] S. 53 ff.; Pape ZIP 1994, 89) - mit einem allgemeinen Veräußerungsund Verfügungsverbot nach § 106 Abs. 1 Satz 3 KO verbunden war. Der Pflichtenkreis des Angeklagten könnte so - auch im Hinblick auf das Sicherungsgut (vgl. Kuhn/Uhlenbruck aaO. § 1 Rdn. 90 a, § 106 Rdn. 18; Herbert, Die Sequestration im Konkursantragsverfahren [1989] S. 149 ff.) - auf die Wahrnehmung der Gemeinschuldneraufgaben beschränkt worden sein; eine die Täterstellung nach § 266 Abs. 1 StGB begründende Machtposition hätte der Angeklagte dann nicht mehr innegehabt, und eine Bestrafung wegen Untreue käme nicht in Betracht (vgl. BGH wistra 1991, 305, 307; NJW 1993, 1278).
Welche Befugnisse das Konkursgericht dem Sequester übertragen hatte und wann die Anordnung der Sequestration wirksam wurde (vgl. Herbert aaO. S. 76 ff.), läßt sich dem angefochtenen Urteil ebensowenig entnehmen wie der Inhalt des Sicherungsübereignungsvertrages zwischen der Volksbank und der GmbH; dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben, denn nach den Feststellungen hatte der Angeklagte keinen Untreuevorsatz: Nach dem am 22. Juni 1995 mit Rechtsanwalt Sch. geführten Telefongespräch ging der Angeklagte davon aus, daß er über Vermögensgegenstände der GmbH - einschließlich des Sicherungsguts - nicht mehr verfügen durfte und die Vermögensbetreuungspflichten auf den Sequester übergegangen waren. Damit entfällt der Vorsatz der Untreue (vgl. BGHSt 9, 358, 360; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vorsatz 1, 2; Hübner in LK StGB 10. Aufl. § 266 Rdn. 103).
3. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte aber wegen Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, denn er hat sich fremde bewegliche Sachen, die er in Gewahrsam hatte, rechtswidrig zugeeignet. Die dem Mitangeklagten P. überlassenen Maschinen und Geräte standen im (Sicherungs-)Eigentum der Volksbank; sie waren daher für den Angeklagten fremd (vgl. BGHSt 34, 309, 311 ff.). Der Angeklagte hatte - trotz der Sequestration - daran Gewahrsam, da der Sequester sie noch nicht in Besitz genommen hatte (vgl. BGH wistra 1991, 305). Als er die Gegenstände zu seinem wirtschaftlichen Nutzen im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten P. "beiseite schaffte", eignete er sie sich - wie er wußte - rechtswidrig zu (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 - 1 StR 129/52). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil auszuschließen ist, daß sich der - geständige - Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Aussprüche über die wegen Untreue verhängte Einzelstrafe und die Gesamtstrafe.
Die Einzelstrafe wegen Betruges kann bestehen bleiben; denn der Senat schließt aus, daß diese von der wegen Untreue verhängten Einzelstrafe beeinflußt ist. Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs wegen Untreue zieht jedoch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
5. Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO an das Amtsgericht - Strafrichter - zurück, dessen Strafgewalt ausreicht (vgl. § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2993713 |
BGHR StGB § 266 Abs. 1 - Vermögensbetreuungspflicht 27 |
NStZ 1997, 537 |
wistra 1997, 146 |