Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Auslegung der Beschreibung eines Patents unterhalb des Wortlauts. Keine Einschränkung des Sinngehalts eines Patentanspruchs auf bestimmte Ausführungsformen, auch wenn sich Beschreibung und Ausführungsbeispiele nur auf diese beziehen. Keine Prüfung von Amts wegen, ob in einem insgesamt nicht schutzfähigen Patent eine Lehre enthalten ist, mit der das Patent weiterhin Bestand haben könnte
Leitsatz (amtlich)
a) Dass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele des Patents ausschließlich auf bestimmte Ausführungsformen beziehen, schränkt einen weiter zu verstehenden Sinngehalt der Patentansprüche nicht auf diese Ausführungsformen ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinn einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist generell nicht zulässig; dies gilt insb., wenn der Beschreibung eine Schutzbegrenzung auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist.
b) Es besteht grundsätzlich kein Anlass, von Amts wegen in eine nähere Prüfung darüber einzutreten, ob in einem insgesamt nicht schutzfähigen Patentanspruch eine Lehre enthalten ist, mit der das Patent weiterhin Bestand haben könnte (Fortführung des Senatsurteils BGH v. 24.10.1996 - X ZR 29/94, MDR 1997, 769 = GRUR 1997, 272, 273 - Schwenkhebelverschluss).
Normenkette
PatG 1981 §§ 14, 81 ff.; ZPO § 308
Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 31.01.2002; Aktenzeichen 2 Ni 40/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des BPatG vom 31.1.2002 abgeändert:
Das Patent 30 43 003 wird im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Beklagte, die im Weg der Namensänderung aus der früheren S. AG in W. hervorgegangen ist, war zuletzt Inhaberin des am 11.11.1980 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in den Niederlanden vom 15.11.1979 angemeldeten, inzwischen infolge Ablaufs der Höchstschutzdauer erloschenen deutschen Patents 30 43 003 (Streitpatents), das ein Verfahren zum Transport der Schussfäden mittels eines strömenden Fluidums durch das Webfach einer Webmaschine sowie eine Webmaschine zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft und in der Fassung, die es im Einspruchsbeschwerdeverfahren erhalten hat, 5 Patentansprüche umfasst. Die von der als Patentverletzerin gerichtlich in Anspruch genommenen Nichtigkeitsklägerin allein angegriffenen Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 lauten - ohne Berichtigung einzelner Schreib- und Grammatikfehler - wie folgt:
"1. Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine, mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen, dadurch gekennzeichnet, dass von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen wird, ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentatives Signal (s, s') einem Steuersystem (10, 10', 11) zugeführt wird, in welchem dieses Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird, das diejenigen Komponenten (4) des Schusstransportsystems, welche die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmen, beeinflusst.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man eine kontinuierliche Messung der zum Schusstransport benützten Zeit durchführt, über eine Anzahl aufeinanderfolgender Schüsse die mittlere Schusszeit (s') bestimmt und diese mit der gewünschten Schusszeit (so) vergleicht, wobei man ein für den zu messenden Zeitunterschied repräsentatives Signal (s) einem Steuersystem zuführt, in welchem dieses Signal in einer Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponenten (4) des Schusstransportsystems beeinflusst.
4. Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Maschine mit einer Meßvorrichtung (6, 7, 8) für die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens sowie mit einem Steuersystem (10, 11) ausgerüstet ist, in welchem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Signal (5') in ein Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponenten (2, 4) des Schusstransportsystems beeinflusst, welche die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmt.
5. Webmaschine nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Maschine mit einer Vorrichtung (6, 7, 8) ausgerüstet ist, welche die zum Schusstransport benützte Zeit während mehrerer Webzyklen misst und einen Mittelwert (s') der gemessenen Zeit bildet, und die mittlere Schusszeit (s') mit der gewünschten Schusszeit (so) vergleicht, wobei ein für den zu messenden Zeitunterschied repräsentatives Signal (s) dem Steuersystem (10, 11) zugeführt wird, welches dieses Signal in ein Steuersignal umwandelt, das die Komponenten (4, 2) des Schusstransportsystems beeinflusst, welches die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmt."
[2] Die Nichtigkeitsklägerin hatte gegen das Streitpatent bereits Einspruch eingelegt. Im Einspruchsverfahren und in dem sich daran anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren ist sie im Wesentlichen erfolglos geblieben; das Patentamt hat das Streitpatent in vollem Umfang aufrecht erhalten; das BPatG hat in seiner Beschwerdeentscheidung (Beschl. v. 17.12.1992 - 11 W (pat) 10/91) lediglich in Patentanspruch 4 die Worte "zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1" eingefügt.
[3] Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dass der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents ggü. dem Stand der Technik, wie ihn die deutschen Offenlegungsschriften 24 03 025 (in der Bezeichnung der Klägerin NK2), 24 11 905 (NK7), 27 58 402 (NK6, bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigt) und 28 24 429 (NK15), die britische Patentschrift 1 468 124 (NK12), die französische Patentschrift 1 541 187 (NK14), die US-Patentschriften 3 853 408 (NK4) und 4 023 599 (NK5), das Fachbuch "Webereitechnik", VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2. Aufl. 1971 (NK1), drei Veröffentlichungen von Perner und Hänel aus den Jahren 1972 bis 1979 (NK8-10) sowie eine Veröffentlichung von Buráò, Kuba und Kondìlik aus dem Jahr 1972 (NK11), jeweils in der Zeitschrift "Deutsche Textiltechnik", bildeten, nicht schutzfähig sei. Sie hat beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Das BPatG hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
[4] Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zusätzlich stützt sich die Klägerin im Berufungsverfahren auf den Nichtigkeitsgrund, dass das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin weiter die französische Patentanmeldung 2 166 332 (NK21), die niederländische Patentanmeldung 7901050 (NK22), die deutschen Offenlegungsschriften 1 535 600 (NK27), 23 37 787 (NK25), 24 46 819 (NK28) und 30 02 862 (NK20) sowie die deutsche Auslegeschrift 1 243 114 (NK26) und die Beiträge von Hutter in Melliand Textilberichte 7/1977 S. 545-550 (NK29) und von Buss in chemiefasern/textil-industrie Februar 1978, S. 152-160 (NK30) genannt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.
[5] Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. B. W., B., ein schriftliches Gutachten (im Folgenden: GA W. I) erstattet, das er zunächst schriftlich ergänzt (GA W. II) und sodann in der mündlichen Verhandlung erläutert und weiter ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten von Prof. Dr.-Ing. O. K. (GA K.) eingereicht.
Entscheidungsgründe
[6] Die zulässige Berufung der Klägerin führt unter Abänderung der Entscheidung der Vorinstanz zur Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang.
[7] I. Die Nichtigkeitsklage ist auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents weiterhin zulässig, weil die von der Beklagten als Patentverletzerin in Anspruch genommene Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang hat (st.Rspr.; vgl. Senat, Urt. v. 19.5.2005 - X ZR 188/01, CR 2005, 619 = BGHReport 2005, 1266 = GRUR 2005, 749 - Aufzeichnungsträger; v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, BGHReport 2006, 520 = GRUR 2006, 316 - Koksofentür; zuletzt Senat, Urt. v. 12.9.2006 - X ZR 49/02). Die Beklagte ist passiv legitimiert, ohne dass es insoweit auf den Registerstand ankäme.
[8] II. Die Einführung des weiteren Nichtigkeitsgrunds der fehlenden ausführbaren Offenbarung stellt eine Klageänderung dar (Senat, Urt. v. 24.6.1997 - X ZR 13/94, Bausch BGH 1994-1998, 327, 334 - Auspressvorrichtung), die auch in zweiter Instanz noch zulässig ist und die der Senat als sachdienlich ansieht, weil sie die umfassende Beurteilung des Rechtsstreits in einem einzigen Verfahren ermöglicht und der Streitstoff bereits frühzeitig vorgetragen war, so dass sich die Beklagte hierzu erklären konnte (vgl. Senat, Urt. v. 7.6.1994 - X ZR 82/91, Bausch BGH 1994-1998, 27, 29 - thermoplastische Formmassen). Im Ergebnis kommt es auf diesen Nichtigkeitsgrund jedoch nicht an, weil das Streitpatent, soweit es angegriffen ist, schon wegen mangelnder Patentfähigkeit der Nichtigerklärung anheimfällt.
[9] III. Das Streitpatent ist im angegriffenen Umfang nicht patentfähig (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1978 in sachlicher Übereinstimmung mit §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG 1981 und in Verbindung mit den Übergangsregelungen in Art. XI §§ 1, 3 IntPatÜG).
[10] 1. Das Streitpatent betrifft nach seinem Patentanspruch 1 und dem auf diesen bezogenen Unteranspruch 2 ein Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen und nach Patentanspruch 4 und dem auf diesen bezogenen Patentanspruch 5 eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1.
[11] Das Streitpatent bezieht sich dabei nach seinen Patentansprüchen nicht allein (hierzu unten III. 4.), aber doch nach der Beschreibung, die sich ausschließlich mit ihnen beschäftigt, im Wesentlichen auf Düsenwebmaschinen, d.h. Webmaschinen, bei denen die Schussfäden nicht mittels einer mechanischen (Zug-)Einrichtung wie eines Schützen, eines Projektils oder eines Greifers, sondern mittels druckluft- oder wasserstrahlbeaufschlagter Strömungsdüsen in das Webfach eingetragen werden. Solche Düsenwebmaschinen sind seit 1914 (US-Patent 1 096 283) bekannt (vgl. den nachveröffentlichten Aufsatz von Wahhoud und Kohlhaas "Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects", NK3) und jedenfalls seit 1961 am Markt eingeführt (vgl. die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung B3). Sie werden in erster Linie zum Verweben von Filamentgarnen eingesetzt, die aus Kunststofffäden (Filamentfäden; Polymerfäden) bestehen und wie Seidenfäden zu den Glattgarnen zählen (vgl. GA W. I S. 4). Bei derartigen Maschinen kann der Schussfadeneintrag nur erfolgen, solange das aus den Kettfäden gebildete Webfach offen ist. Dabei trat das Problem auf, dass der Schussfaden im Webzyklus entweder zu früh oder zu spät eingetragen wurde, wenn die Impulsübertragung, insb. beim Übergang auf eine andere Art von Schussfäden, nicht optimal erfolgte (vgl. Streitpatent, Beschr. Sp. 2 Z. 4-11). Dieses Problem trat insb. bei Strukturveränderungen des Garns auf, die zu Änderungen in dessen Luftwiderstand führen (vgl. GA W. I S. 5). Im Weiteren konnten diese Störungen zu Webfehlern führen (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 17-20), für die in erster Linie Unterschiede im Luftwiderstand des Schussfadens verantwortlich gemacht wurden (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 28-33; das Parteigutachten Prof. K., S. 5, präzisiert dies dahin, dass die Ondulierung (sog. "Texturierung") des Filamentgarns die eigentliche Ursache sei) und zu deren Vermeidung man innerhalb des Webzyklus dem Schuss so viel Zeit gewährte und soviel Energie (über das Transportfluidum) zuführte, dass man praktisch sicher war, dass sowohl der langsamste wie der schnellste Schussfaden innerhalb der eröffneten Spanne lagen. Dies war jedoch, wie die Beschreibung des Streitpatents bemängelt, nicht ökonomisch (Beschr. Sp. 2 Z. 20-26).
[12] 2. Diese, ein relativ langsames Arbeiten der Webmaschine erfordernde und damit unökonomische Vorgehensweise soll durch das Streitpatent vermieden werden (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 26-27). Was weiter als "Aufgabe" angesprochen worden ist, ist bereits Lösungsansatz, von dem die Problemdefinition frei zu halten ist (vgl. Senat, Urt. v. 22.11.1984 - X ZR 40/84, GRUR 1985, 369 - Körperstativ).
[13] 3. a) Zur Lösung dieses technischen Problems soll eine für das Verhalten des Schussfadens repräsentative Größe wie dessen Geschwindigkeit als Steuergröße für die Steuerung der Webmaschine benutzt werden (Beschr. Sp. 2 Z. 34-37). Dabei soll nach einem ersten (der Lehre des nicht angegriffenen Patentanspruchs 3 zugrunde liegenden) Prinzip die Transportgeschwindigkeit jedes Schussfadens gemessen, ein dafür repräsentatives Signal einem Steuersystem zugeführt und dort in ein Steuersignal umgewandelt werden, das die Drehzahl der Maschine derart ändert, dass die zum Schusstransport eines Fadens benötigte Zeit einen nahezu konstanten Teil der momentanen von der Arbeitsfrequenz der Maschine bestimmten Webzykluszeit bildet, womit erreicht werden soll, dass die Maschine in jedem Moment mit einer möglichst hohen Drehzahl betrieben wird (Beschr. Sp. 2 Z. 40-53). Nach einem zweiten Prinzip, das der Lehre der Patentansprüche 1 und 2 zugrunde liegt, wird das gemessene Signal in ein Steuersignal umgewandelt, das bei konstanter Maschinendrehzahl die Komponente des Schusstransportsystems, die die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmt, beeinflusst (Beschr. Sp. 2 Z. 54-64).
[14] b) Hierzu stellt das Streitpatent nach seinem Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine unter Schutz, wobei
(1) der Transport mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen erfolgt,
(2) von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen wird,
(3) ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentatives Signal einem Steuersystem zugeführt und
(4) dieses Signal dort in ein Steuersignal umgewandelt wird,
(4.1) das diejenigen Komponenten des Schusstransportsystems, die die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmen, beeinflusst.
[15] c) Nach seinem Patentanspruch 4 schützt das Streitpatent eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1, die
(1') mit einer Messvorrichtung für die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens sowie
(2') mit einem Steuersystem ausgerüstet ist,
(2.1') in dem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird,
(2.1.1') das die Komponenten (2, 4) des Schusstransportsystems beeinflusst, die die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmen (nicht, wie in Patentanspruch 4: bestimmt).
[16] 4. Die für die Bestimmung des Gegenstands des Streitpatents zunächst maßgeblichen Patentansprüche gehen dabei im Sinn einer Verallgemeinerung über den Inhalt der Beschreibung hinaus. Sie beziehen sich insb. nicht ausschließlich auf Düsenwebmaschinen, sondern erfassen auch andere Webmaschinen, bei denen der Schussfadentransport mittels einer Anzahl mit einem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen erfolgt. Dies betrifft nicht nur rein theoretisch denkbare Fälle; im Stand der Technik sind vielmehr sowohl pneumatische Schützenwebmaschinen, bei denen der eine ganze Spule tragende Schützen durch einen Luftstrom vorwärtsgetrieben wird (deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787, NK25, Beschreibung S. 2, erster vollständiger Abs.), als auch pneumatische Düsenwebmaschinen mit einem Projektil (ebenfalls NK25) beschrieben. Selbst wenn es sich dabei um vereinzelt gebliebene oder wenig marktfähige Ausführungen gehandelt haben mag, kann nicht darüber hinweggegangen werden, dass sie vorbeschrieben waren. Die Patentansprüche des Streitpatents lassen sich ohne Weiteres auch auf solche Ausführungen lesen. Ihnen sind keine Einschränkungen zu entnehmen, dass diese nicht unter das Patent fallen sollen. Auch daraus, dass der Schussfadentransport "mittels" einer Anzahl von Düsen erfolgen soll, folgt keine Einschränkung dahin, dass dies nur unmittelbar zu geschehen habe; ein Schussfadentransport mit einer düsengetriebenen Spule oder einem düsengetriebenen Projektil stellt ebenfalls einen Schussfadentransport "mittels" Düsen dar. Insoweit können auch Zweifel an der Bedeutung des Begriffs "mittels" nicht bestehen. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert.
[17] Dass sich die Beschreibung und die Ausführungsbeispiele ausschließlich auf Düsenwebmaschinen beziehen, schränkt den Sinngehalt der Patentansprüche ebenfalls nicht ein. Eine Auslegung unterhalb des Wortlauts (im Sinn einer Auslegung unterhalb des Sinngehalts) der Patentansprüche ist generell nicht zulässig; dies gilt insb., wenn der Beschreibung wie hier eine Schutzbegrenzung auf bestimmte Ausführungsformen nicht zu entnehmen ist (vgl. Scharen in Benkard, EPÜ, 2002, Art. 69 EPÜ Rz. 33; ders. in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, § 14 PatG Rz. 24, 25, je m.w.N.). Es ist grundsätzlich Sache des Patentinhabers, gebotene Einschränkungen des Patentschutzes, etwa im Beschränkungsverfahren oder durch beschränkte Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren, selbst herbeizuführen.
[18] 5. a) Soweit die Patentansprüche des Streitpatents auf die Transportgeschwindigkeit des Schussfadens (Merkmale 2, 3, 2.1') abstellen, erfassen sie nicht nur Unterschiede, die ihre Ursachen "hauptsächlich im Faden selbst haben und namentlich die Folge von Unterschieden im Luftwiderstand des Fadens sind" (Beschr. Sp. 2 Z. 31-33). Die Einsicht, dass derartige Unterschiede über eine Ausregulierung beherrschbar sind, mag zwar eine neue Erkenntnis ggü. dem Stand der Technik gewesen sein, sie hat aber in den Patentansprüchen und damit in der unter Schutz gestellten Lehre keinen Niederschlag gefunden. Zudem hat die mündliche Verhandlung zur Überzeugung des Senats ergeben, dass auch andere Unterschiede über regulierende Eingriffe sinnvoll angegangen werden konnten. So könnte, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, die Zeit zu langsamer Schüsse durch eine Erhöhung der Schussgeschwindigkeit reduziert werden. Diesen zu langsamen Schüssen mussten jedenfalls keine tendenziellen Unterschiede in der Garnstruktur zugrunde liegen; für den Anwender des Verfahrens stellte sich generell nicht die Frage, worauf die unbefriedigende Transportgeschwindigkeit zurückzuführen war, wenn er nur den Fehler im Gewebe als solchen erkannte und Anlass zu der Annahme hatte, diesem durch eine Regelung beikommen zu können.
[19] b) Bei dem für die Transportgeschwindigkeit repräsentativen Signal (Merkmal 3) kann es sich sowohl um die gemessene Geschwindigkeit eines bestimmten Schussfadens (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 36/37), die mittlere Schussgeschwindigkeit oder die mit dieser korrelierte benötigte Zeit (vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 65 - Sp. 3 Z. 3) oder eine hieraus abgeleitete Größe handeln (vgl. Beschr. Sp. 3. Z. 3-5), wobei es dem Anwender des geschützten Verfahrens überlassen bleibt, eine geeignete Größe auszuwählen, bei der es sich infolge der bekannten Definition der Geschwindigkeit als Funktion von Weg und Zeit bei bekanntem und innerhalb einer Produktion konstantem Weg (Breite des Gewebes) auch um die Schusszeit handeln kann. Die Beeinflussung der Komponenten des Schusstransportsystems (Merkmale 4.1; 2.1.1') kann dabei zweckmäßigerweise so erfolgen, dass die Düsen nur mit so viel strömendem Fluidum gespeist werden, dass die gewünschte Schussgeschwindigkeit genau erreicht wird; wird eine Neigung zur Verringerung der Schusszeit (d.h. eine Erhöhung der Geschwindigkeit des Schussfadens) festgestellt, kann demgemäß weniger Energie zugeführt werden (vgl. Beschr. Sp. 3 Z. 9-23). Für die Vergleichsparameter muss entweder auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden oder diese müssen durch einen Prüfvorgang ermittelt werden.
[20] 6. Soweit in den Patentansprüchen von einem "Steuersystem" die Rede ist, ist - worüber auch allseits Einigkeit besteht - korrekterweise ein Regelsystem gemeint (vgl. DIN 19226, Ausgabe Mai 1968), denn es wird die (tatsächliche) Schusszeit oder Transportgeschwindigkeit als Regelgröße gemessen, mit der eingestellten Transportgeschwindigkeit, der Führungsgröße, verglichen und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs angeglichen (GA W. I S. 6). Die Regelung kann - von Patentanspruch 1 des Streitpatents erfasst - bereits beim zweiten eingetragenen Schussfaden wirksam werden, sie wird sich aber zweckmäßigerweise, wenngleich nicht notwendig, nicht jeweils an der Geschwindigkeit des unmittelbar vorher eingeschossenen Fadens, sondern an der Tendenz der Fadengeschwindigkeit ausrichten, die wiederum wesentlich von Strukturveränderungen im Garn bestimmt wird (vgl. GA W. I S. 5).
[21] IV. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit ggü. dem Stand der Technik nach den angesichts des Anmeldedatums anzuwendenden §§ 2, 2a PatG 1978 (die den geltenden §§ 3, 4 PatG 1981 entsprechen) haben zunächst die nachveröffentlichten Entgegenhaltungen NK3, NK20 und NK23 außer Betracht zu bleiben. Die Beiträge von Wahhoud und Kohlhaas "Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects" (NK3) und von Samal "Grundriß der praktischen Regelungstechnik", Bd. I (NK23), sind erst im Jahr 1981 veröffentlicht und rechnen daher nicht zum Stand der Technik. Die am 30.7.1981 veröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 30 02 862 (NK20; Gebrüder Sulzer AG) ist erst am 26.1.1980 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 23.1.1980 angemeldet worden, prioritätsjünger als das Streitpatent und rechnet deshalb ebenfalls nicht zum Stand der Technik (§ 2 Abs. 1 und 2 PatG 1978).
[22] V. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu (§ 2 Abs. 1-3 PatG 1978 i.V.m. Art. XI § 1 Abs. 2 Satz 1, 2, § 3 Abs. 6 Satz 1 IntPatÜG; vgl. Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Art. XI § 3 IntPatÜG Rz. 1). Keine der Entgegenhaltungen nimmt ihn in seiner Gänze vorweg.
[23] Wie das BPatG zutreffend festgestellt hat, wird die Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 ggü. dem Fachbuch "Webereitechnik" (NK1), der deutschen Offenlegungsschrift 24 03 025 (NK2), den US-Patentschriften 3 853 408 (NK4) und 4 023 599 (NK5), der deutschen Offenlegungsschrift 27 58 402 (NK6), der britischen Patentschrift 1 468 124 (NK12) und dem Aufsatz von Buráò, Kuba und Kondìlik "Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs durch den Konfusor bei pneumatischen Webautomaten" in Deutsche Textiltechnik 22 (1972), Heft 6, S. 364 (NK11), schon dadurch begründet, dass dort jeweils das die Transportgeschwindigkeit beeinflussende Steuer- (Regel-)system nicht beschrieben ist.
[24] Das Fachbuch "Webereitechnik" (NK1) enthält lediglich die Aussage (S. 185 Z. 8/9), dass die Einstellung der Schusseintragsvorrichtungen leicht regelbar sei, aber keine Angaben dazu, wie die Regelung zu bewerkstelligen ist. Dass auch das Streitpatent nur allgemeine Angaben zur Regelung enthält, ändert nichts daran, dass diese in der Entgegenhaltung gänzlich fehlen.
[25] Die deutsche Offenlegungsschrift 24 03 025 (Vyzkumny a vyvojovy ústav Závodù väeobecnìho strojírenství; NK2) offenbart schon das Erfassen der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens (Merkmal 2) nicht. Die US-Patentschrift 3 853 408 (Kaalverink/Ruti - Te Strake; NK4) beschreibt nicht die Steuerung der Geschwindigkeit des Schussfadens. Gleiches gilt für die einen opto-elektronischen Schussfadendetektor betreffende US-Patentschrift 4 023 599 (Zeleny/Gebrüder Sulzer GmbH; NK5). Die deutsche Offenlegungsschrift 27 58 402 (Vyzkumny a vyvojovy ústav Závodù väeobecnìho strojírenství; NK6) beschreibt nur die Steuerung des Zeitpunkts der Öffnung der Betätigungselemente, die die Zuführung der Druckluft steuern. Der Aufsatz von Buráò u.a. (NK11) beschreibt lediglich die Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs, nicht auch die Merkmale 4, 4.1. Die britische Patentschrift 1 468 124 (Nissan Motor Company; NK12) beschreibt - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angezogenen Beschreibungsstelle (S. 11 Z. 4-11) - nicht, dass von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen und mittels eines repräsentativen Signals das Schusstransportsystem geregelt wird (so auch GA W. I S. 11).
[26] Die deutsche Offenlegungsschrift 24 11 905 (VEB Textilkombinat Cottbus; NK7) und die Veröffentlichung von Perner und Hänel "Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung der Schützenbewegung an Webmaschinen" in Deutsche Textiltechnik 24 (1974), Heft 3, S. 171 (NK8) beschreiben die Regelung/Steuerung des Schussfadentransportsystems nicht.
[27] Die weitere Veröffentlichung von Perner und Hänel "Ermittlung von Leistungsreserven an Greiferschützen-Webautomaten" in Deutsche Textiltechnik 29 (1979), Heft 3, S. 160 (NK9) lehrt zum einen, eine Leistungssteigerung über die Erhöhung der Webmaschinendrehzahl zu verwirklichen (S. 169 rechte Spalte siebter Absatz), zum anderen durch eine Erhöhung des Nutzeffekts (S. 161 linke Spalte erster vollständiger Absatz). Dort wird ausgeführt, durch das Reduzieren der Schussfadengeschwindigkeit werde der Vorgang "Schussfadeneintrag" sicherer, und es träten infolge reduzierter Belastungen der Schussfäden und der Schussfadeneintragsvorrichtungen weniger Störungen und damit auch weniger Stillstandszeiten an der Webmaschine auf. Das Reduzieren der Schussfadengeschwindigkeit kann dabei wie auch nach der Lehre des Streitpatents durch einen Regelungsvorgang vorgenommen werden. Die Veröffentlichung beschreibt diesen aber ebenso wenig wie die einzelnen Regelungsschritte im Sinn der Merkmale 2, 3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und steht diesem deshalb nicht neuheitsschädlich entgegen. Jedoch ist die durch den Aufsatz vermittelte Erkenntnis entgegen der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen (GA W. I S. 10) nicht schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie auf einen Schusseintrag mit Luft nicht übertragbar wäre. Der gerichtliche Sachverständige hat bei seiner Begutachtung nämlich übersehen, dass die deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787 sowohl eine pneumatische Schützenwebmaschine als auch eine pneumatische Projektilwebmaschine beschreibt und damit durchaus Anlass bestand, die Aufmerksamkeit auch auf Schützenwebmaschinen zu richten; zudem hat er nicht berücksichtigt, dass das Streitpatent nicht nur Düsenwebmaschinen erfasst.
[28] Die französische Patentschrift 1 541 187 (NK14) kann ebenfalls nicht bereits deshalb außer Betracht bleiben, weil sie Schützenwebmaschinen betrifft. Beschrieben ist in ihr auch eine Regelung (im Sinn einer Korrektur anhand eines Sollwerts) des Schusseintrags (vgl. Beschr. S. 1 rechte Spalte Z. 11-13, letzte Zeile bis S. 2 linke Spalte Z. 4: kontinuierliche Überwachung der Schlagkraft, die eine Erkennung und Korrektur eines übertrieben schwachen oder starken Schlags ermöglicht). In die Schlagkraft geht dabei notwendig als Bestimmungsgröße auch der Impuls und damit die Geschwindigkeit ein. Allerdings sind die Maßnahmen, wie sie die Merkmale 2, 3, 4 und 4.1 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents lehren, nicht ausdrücklich vorbeschrieben.
[29] Die deutsche Offenlegungsschrift 28 24 429 (NK15) betrifft nur die Erzeugung des Steuersignals sowie dessen Zuführung an eine Speicheranlage mit Standanzeige und stellt nicht näher dar, wie dieses Signal in einen Regelungsvorgang überführt wird.
[30] Der Artikel von Perner und Hänel "Elektronische Webmaschinenmeßtechnik (Teil 1)" in Deutsche Textiltechnik 29 (1979), Heft 10, S. 648 (NK10) - seine von der Beklagten in Frage gestellte Vorveröffentlichung unterstellt - nimmt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ebenfalls nicht vorweg.
[31] Die französische Patentanmeldung 2 166 332 (Moessinger S.A.; NK21) spricht eine Regelung der Schussfadengeschwindigkeit über ein von der gemessenen Geschwindigkeit des Schussfadens abgeleitetes Signal nicht an, sondern nur eine Steuerung für das Erfassen des Fadens durch den Haken 16 (Beschr. S. 6 Z. 11-14).
[32] In der niederländischen Patentanmeldung 7901050 (K.K. Toyoda Jidoshokki Seisakusho; NK22) ist ein Messen der Geschwindigkeit des Transportfadens im Sinn des Merkmals 2 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vorgesehen.
[33] Die deutsche Offenlegungsschrift 1 535 600 (Ruthardt; NK27) betrifft nicht den Transport des Schussfadens mittels einer Fluiddüse. Die deutsche Offenlegungsschrift 23 37 787 (Crompton & Knowles Corp.; NK25) betrifft eine Webmaschine mit pneumatisch angetriebenen Schützen. Der Schussfaden wird mit einem mittels eines Druckluftstoßes betriebenen Projektils und damit von der Masse des Projektils beaufschlagt durch das Webfach geschossen. Die Entgegenhaltung beschreibt jedenfalls die Regelung des Schussfadeneintrags nicht. Die deutsche Offenlegungsschrift 24 46 819 (Oberdorfer; NK28) bezieht sich auf einen fluidbeaufschlagten Schussfadeneintrag. Die deutsche Auslegeschrift 1 243 114 (Apparate- und Maschinenfabriken Uster; NK26) befasst sich nicht mit der Regelung des pneumatischen Schussfadeneintrags (vgl. GA W. II S. 7).
[34] Der Beitrag von Hutter, Neue Entwicklungen elektronischer Geräte für Webmaschinen, in Melliand Textilberichte 7/1977, S. 545-550 (NK29), beschreibt diverse Steuerungen konventioneller und schützenloser Webmaschinen, insb. die elektronische Schützenflugüberwachung und bei schützenlosen Webmaschinen die Überwachung des Projektils, des Bands oder des Greifers sowie die Schussfadenüberwachung. Er steht der Neuheit der Lehre des Streitpatents nicht entgegen. In dem Beitrag von Buss in textilfasern/textil-industrie, Februar 1978, S. 152-160 (NK30) ist von einer Regelung des Schussfadeneintrags keine Rede.
[35] VI. 1. Die Würdigung dieses Materials aus dem Stand der Technik ergibt jedoch, dass der Gegenstand des Streitpatents für den Fachmann, als den der Senat aufgrund der Erörterung in der mündlichen Verhandlung einen im Team insb. mit einem Maschinenbauingenieur arbeitenden Textilingenieur mit Fachhochschulausbildung oder einen erfahrenen Textiltechniker ansieht, nahegelegen hat und deshalb nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 2a PatG 1978 entsprechend § 4 PatG 1981).
[36] Regelstrategien bei Düsenwebmaschinen sind in der Entgegenhaltung NK1 angesprochen, Regelstrategien bei Schützenwebmaschinen insb. in den Entgegenhaltungen NK27, NK28 und NK29, jedenfalls im Ergebnis auch in NK14. Auch der Aufsatz von Perner und Hänel (NK9) betrifft die Regelung bei Schützenwebmaschinen. Daraus folgt zunächst, dass die Kenntnis der Regelungstechnik in der Fachwelt, d.h. bei mit der Konstruktion von Webmaschinen befassten Mitarbeitern von Webmaschinenherstellern, vorhanden und abrufbar war. Der gerichtliche Sachverständige hat dies in der mündlichen Verhandlung in der Weise bestätigt, dass er diese Kenntnis bei dem Maschinenbauer, der in dem typischerweise mit der Entwicklung entsprechender Vorrichtungen befassten Team mitarbeitet, bestätigt hat.
[37] Für den Fachmann, der sich mit Gewebefehlern, die aus einer falschen Transportgeschwindigkeit des Schussfadens herrühren, konfrontiert sah, etwa aus zu langsamen Fäden, die das Schussfach nicht innerhalb des hierfür offenen Zeitfensters vollständig durchquerten, stellte sich zunächst die Frage, ob er dem auch anders als durch eine Stillsetzung der Webmaschine mit anschließender manueller Fehlerbehebung beikommen konnte. Hierzu musste sich ihm zunächst die Überlegung aufdrängen, dass er die Fehlerursache im Fall des zu langsamen Schussfadens generell durch eine Heraufsetzung der Transportgeschwindigkeit, wenn er den bisher zu langsamen Faden das Webfach innerhalb des dafür zur Verfügung stehenden Zeitfensters durchqueren ließ, beseitigen und damit das fehlerhafte Ergebnis vermeiden konnte. Ähnliches musste aber auch im umgekehrten Fall gelten, wenn nämlich die Schussfadengeschwindigkeit so hoch ist, dass hierdurch Probleme am Schussfaden selbst (zu hohe Beanspruchung bis hin zum Reißen) oder an den Schussfadeneintragsvorrichtungen auftreten. Der letztere Fall ist in dem Aufsatz von Perner und Hänel (NK9; S. 161 linke Sp., erster vollständiger Abs.) ausdrücklich angesprochen. Auf beide Fälle geht - allerdings mit einem etwas ungewöhnlichen Vokabular (übertrieben schwacher oder starker Schlag - "une chasse exagérément faible ou forte") - auch die französische Patentschrift 1 541 736 (NK14) ein. Für beide Fälle liefern diese Entgegenhaltungen somit jedenfalls die Anregung, bei Schützenwebmaschinen unerwünschten Transportgeschwindigkeiten des Schussfadens unabhängig von ihrer Ursache dadurch Rechnung zu tragen, dass auf die Schussfadengeschwindigkeit eingewirkt wird. Dies setzt wiederum aber voraus, dass die Geschwindigkeit in Richtung auf eine gewünschte Größe (eine Normalgröße) verändert wird. Das ist aber nichts anderes als eine Regelung, wie sie im Grundsatz auch das Streitpatent vorsieht. Eine solche Regelung wird in der französischen Patentschrift, wenngleich in anderem Zusammenhang, auch ausdrücklich angesprochen, wenn dort die Schlagkraft des Schützeneintrags detektiert und letztlich mit einem Sollwert ("la valeur optimale" oder "la valeur optimum", S. 4 linke Sp. unten übergehend auf die rechte Sp.) verglichen wird.
[38] Die Anwendung dieser Überlegung auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen wie nach dem Streitpatent konnte dem Fachmann im Ergebnis keine Schwierigkeiten bereiten. Allerdings ist dem gerichtlichen Sachverständigen wie der Beklagten zuzugeben, dass sich die Massenverhältnisse bei Düsenwebmaschinen und Schützenwebmaschinen, aber auch bei Projektilwebmaschinen, deutlich unterscheiden. Während bei Düsenwebmaschinen nur der relativ leichte Faden transportiert werden muss, ist bei Schützenwebmaschinen auch der Schützen mit der Garnspule, der in der Regel wesentlich schwerer sein wird als der Faden allein, und bei Projektilwebmaschinen auch das Projektil mit dem Faden zu transportieren. Zudem wird bei Düsenwebmaschinen nur der Faden mittels eines Fluids transportiert (geschoben), während bei Schützen- und Projektilwebmaschinen der Faden entweder sich von der Spule abwickelnd oder unmittelbar vom Projektil gezogen wird. Hierdurch wird aber der Umstand, dass der Faden auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen zu schnell oder zu langsam sein kann, nicht beeinflusst. Unabhängig von den Ursachen hierfür bestand bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen gleichermaßen das Bedürfnis, auf diese Abweichungen bei der Transportgeschwindigkeit korrigierend einzuwirken. Daher hatte der Fachmann auch bei pneumatisch beaufschlagten Webmaschinen Anlass, auf die Lehren der französischen Patentschrift 1 541 736 (NK14) wie auch im Aufsatz von Perner und Hänel (NK9) zurückzugreifen, die ihm die Erkenntnis vermittelten, dass eine zu schnelle oder zu langsame Transportgeschwindigkeit durch regelnde Eingriffe weitgehend beseitigt werden können.
[39] Hierfür bedurfte es zudem weder der Erkenntnis, dass die Fehler ihre Ursache in Ungleichmäßigkeiten des Fadens haben, noch der weiteren Erkenntnis, dass die Fehler nur dann zuverlässig durch eine Regelung beseitigt werden können, wenn es sich um Abweichungen mit einer feststellbaren Tendenz und nicht um "statistisch" verteilte Fehler handelt. Es mag zwar zutreffen, dass "statistisch" verteilten Fehlern über eine Regelung allenfalls zufällig beizukommen ist und dass sich in diesem Fall Ergebnisse bis hin zu einer unerwünschten Verstärkung des Fehlers ergeben können; diese Schwierigkeit löst aber jedenfalls auch Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht.
[40] Die Patentanspruch 1 des Streitpatents weiter ausgestaltenden Merkmale des Regelvorgangs gehen dabei insgesamt über naheliegende Maßnahmen nicht hinaus.
[41] 2. Danach kann Patentanspruch 1 des Streitpatents keinen Bestand haben, nachdem er jedenfalls auch Lehren erfasst, die durch den Stand der Technik nahegelegt sind. Ob er daneben auch Lehren erfasst, bei denen eine erfinderische Tätigkeit nicht verneint werden kann, bedarf schon deshalb keiner Prüfung, weil die Beklagte Fassungen des Patentanspruchs 1, bei denen das nicht Schutzfähige ausgeschieden ist, auch nicht hilfsweise zur Verteidigung gestellt hat. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, spricht viel dafür, dass es allein Sache des Patentinhabers ist, den erteilten Patentanspruch in einer von ihm formulierten eingeschränkten Fassung zu verteidigen, wenn er dessen vollständige Nichtigerklärung vermeiden will (Senat, Urt. v. 24.10.1996 - X ZR 29/94, MDR 1997, 769 = GRUR 1997, 272, 273 - Schwenkhebelverschluss; vgl. auch Senat, Urt. v. 23.10.2001 - X ZR 210/98, bei BGH Bausch BGH 1999-2001, 579, 582 f. - Befestigungselement 02; BPatG (3. Senat) BPatGE 44, 177 = Bausch BPatG 1994-1998, 135, 148 f. gegen BPatG (2. Senat) Bausch BPatG 1994-1998, 676, 682 f.). Es besteht in einer derartigen Situation grundsätzlich kein Anlass für den Senat, von Amts wegen in eine nähere Prüfung darüber einzutreten, ob in dem insgesamt nicht schutzfähigen Patentanspruch eine Lehre enthalten ist, mit der das Patent weiterhin Bestand haben könnte. Umstände, die hier eine andere Beurteilung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich.
[42] VII. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt des auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentanspruch 2 ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die Gesichtspunkte, die das Naheliegen des Patentanspruchs 1 begründen, stehen auch den infolge Kategoriewechsels, der eine Behandlung als Unteranspruch ausschließt, eigenständig zu prüfenden (a.A. BPatG, Urt. v. 24.8.2006 - 4 Ni 7/05 (EU), Umdr. S. 15; im Internet unter http://juris.bundespatentgericht.de.cgi-bin/rechtsprechung.document.py?gericht=bpatg[Art]=en[Datum]=2006-8&Nr=917[pos]=11[anz]=82 =1.pdf) Patentansprüchen 4 und 5 entgegen. In den Vorrichtungsmerkmalen dieser Patentansprüche kann nichts die Erfindung Tragendes gesehen werden.
[43] VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1696550 |
BGHR 2007, 354 |
EBE/BGH 2007 |
GRUR 2007, 309 |
BPatGE 2007, 288 |
GRUR-Int. 2007, 436 |
IIC 2007, 984 |
Mitt. 2007, 274 |