Leitsatz (amtlich)
Für den Zeitraum der Verlängerung des urheberrechtlichen Schutzes von dreißig auf fünfzig Jahre wird für den Fall, daß eine Nutzungsrechtseinräumung auch den Verlängerungszeitraum umfaßt, eine angemessene Vergütung geschuldet. Abzustellen ist dabei auf die Vergütung, die unter den Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihres bisherigen Vertragsverhältnisses, seiner Besonderheiten und seiner Gesamtdauer zu Beginn der Verlängerung als angemessen anzusehen ist, wobei in der Regel davon ausgegangen werden kann, daß die für die Vergangenheit vereinbarte Vergütung auch für den Verlängerungszeitraum angemessen ist (im Anschluß an BGH GRUR 1996, 763, 766 – Salome II).
Normenkette
SchutzfristenverlG § 2 Abs. 2; UrhG § 137 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 7 O 16321/85) |
OLG München (Aktenzeichen 29 U 5170/86) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. April 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage mit dem Hauptantrag – jedoch nur insoweit, als die mit diesem Antrag begehrte Feststellung Aufführungen der Oper „Salome” in der Zeit ab 1. Januar 1980 betrifft – abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Landgerichts München I, 7. Zivilkammer, vom 7. August 1986 abgeändert.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte die Oper „Salome” des Komponisten Richard Strauss nur gegen Zahlung der angemessenen und allgemein üblichen Urhebervergütung gemäß der Regelsammlung Verlage (Vertriebe)/Bühnen (Anlage K7 zur Klage) auf den Bühnen der Bayerischen Staatsoper in München aufführen oder aufführen lassen darf. Dies gilt für die Vorstellungen seit 1. Januar 1980 mit der Maßgabe, daß die Urhebervergütung beträgt:
- |
für die Spielzeit 1979/80 |
2,99 DM |
- |
für die Spielzeit 1980/81 |
2,99 DM |
- |
für die Spielzeit 1981/82 |
3,29 DM |
- |
für die Spielzeit 1982/83 |
3,29 DM |
- |
für die Spielzeit 1983/84 |
3,54 DM |
- |
für die Spielzeit 1984/85 |
3,54 DM |
- |
für die Spielzeit 1985/86 |
3,75 DM |
- |
für die Spielzeit 1986/87 |
3,75 DM |
- |
für die Spielzeit 1987/88 |
3,92 DM |
- |
für die Spielzeit 1988/89 |
3,92 DM |
- |
für die Spielzeit 1989/90 |
4,08 DM |
- |
für die Spielzeit 1990/91 |
4,08 DM |
- |
für die Spielzeit 1991/92 |
4,35 DM |
- |
für die Spielzeit 1992/93 |
4,35 DM |
- |
für die Spielzeit 1993/94 |
4,70 DM |
- |
für die Spielzeit 1994/95 |
4,70 DM |
- |
für die Spielzeit 1995/96 |
4,98 DM |
- |
für die Spielzeit 1996/97 |
4,98 DM |
jeweils pro Besucher und Vorstellung zzgl. MWSt., jedoch jeweils mindestens 12 % und höchstens 18 % der Roheinnahmen zzgl. MWSt. in gesetzlich gültiger Höhe.
Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens und des ersten Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 zu tragen. Von den Kosten des zweiten Revisionsverfahrens hat die Klägerin 1/14, von den Kosten des dritten Revisionsverfahrens 1/20 zu tragen; im übrigen trägt der Beklagte die Kosten des zweiten und des dritten Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, ein Musikverlag, nimmt die Aufführungsrechte an der Oper „Salome” des 1949 verstorbenen Komponisten Dr. Richard Strauss in Anspruch. Sie verlangt vom beklagten Freistaat Bayern, der Rechtsträger der Bayerischen Staatsoper in München ist, eine Anhebung der im Jahre 1906 vereinbarten Urhebervergütung.
Der Beklagte leitet seine Berechtigung zur Aufführung der Oper aus einem zwischen der Hohen General-Intendantur der Königlichen Hoftheater in München einerseits sowie dem Komponisten Dr. Richard Strauss und dem Musikverleger Adolph Fürstner andererseits geschlossenen Vertrag vom 18./29. Januar 1906 her. Dieser Vertrag sieht eine Tantieme in Höhe von 6 % der Bruttoeinnahmen für jede abendfüllende Aufführung vor. Auf dieser Grundlage haben die Parteien bis heute abgerechnet.
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß der Beklagte weder aufgrund des Vertrages aus dem Jahre 1906 noch aufgrund einer späteren Vereinbarung zur Aufführung der Oper „Salome” berechtigt sei, hilfsweise, daß er die Oper seit der Spielzeit 1976/77 nur gegen Zahlung der angemessenen und allgemein üblichen Urhebervergütung gemäß der Regelsammlung Verlage (Vertriebe)/Bühnen aufführen dürfe und weiter hilfsweise, nur gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Vergütung.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte könne sich nicht auf den Vertrag aus dem Jahre 1906 stützen, weil dieser 1918 mit dem Ende des Königreichs Bayern seine Gültigkeit verloren habe und seitdem ein vertragsloser Zustand bestehe. Zumindest sei jedoch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Anpassung an die heute üblichen Vergütungssätze gerechtfertigt. Die Relation zwischen Einnahmen und Subventionen habe sich inzwischen völlig verändert; während der Opernbetrieb noch im Jahre 1906 nahezu vollständig aus verkauften Eintrittskarten finanziert worden sei, werde der Opernbetrieb heute stark subventioniert; der Anteil der Einnahmen aus verkauften Karten liege inzwischen nur noch bei etwa 10 % am Gesamtetat. Außerdem hätten im Laufe der Entwicklung alle anderen Beteiligten von der ganz erheblichen Ausweitung des Gesamtetats der Oper profitiert, nicht jedoch der Urheber.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage mit dem Haupt(feststellungs-)Antrag stattgegeben (OLG München ZUM 1988, 581). Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof im ersten Revisionsurteil das Berufungsurteil aufgehoben und hinsichtlich des Hauptantrags – insoweit rechtskräftig – das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt und hinsichtlich der Hilfsanträge die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil die Annahme des Berufungsgerichts, die Geschäftsgrundlage des Vertrages sei entfallen, von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen werde (BGH, Urt. v. 31.5.1990 – I ZR 233/88, GRUR 1990, 1005 – Salome I).
Das Berufungsgericht hat daraufhin den auf eine fortschreitende Anpassung der Urhebervergütung nach der Regelsammlung gerichteten, ursprünglich hilfsweise, nun als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrag einschließlich weiterer Hilfsanträge abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil wiederum aufgehoben und die Sache erneut an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urt. v. 18.1.1996 – I ZR 65/94, GRUR 1996, 763 – Salome II). Anlaß für die Aufhebung war zum einen, daß dem Berufungsgericht bei der Gegenüberstellung der ursprünglich vereinbarten mit der heute üblichen Vergütung ein Fehler unterlaufen war; zum anderen waren die beiden Schutzfristverlängerungen von 1934 (von dreißig auf fünfzig Jahre) und von 1965 (von fünfzig auf siebzig Jahre) unberücksichtigt geblieben.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat die Klägerin, soweit für die Entscheidung noch von Belang, folgende Feststellungen begehrt:
- als Hauptantrag die Feststellung, daß der Beklagte die Oper „Salome” ab 1. Januar 1980 nur gegen Zahlung der angemessenen und allgemein üblichen Urhebervergütung gemäß der Regelsammlung Verlage (Vertriebe)/Bühnen, wie im einzelnen näher angegeben, aufführen oder aufführen lassen dürfe;
- hilfsweise die Feststellung, daß eine bisherige (stillschweigende) Vereinbarung der Parteien, die Oper „Salome” aufführen zu dürfen, seit 1. Januar 2000 beendet sei;
- hilfsweise für den Fall, daß die Regelsammlung nicht als angemessen angesehen werden sollte, die Feststellung, daß der Beklagte ab 1. Januar 1980 die Oper „Salome” nur gegen Zahlung der angemessenen und allgemein üblichen Urhebervergütung, deren zu bestimmende Höhe in das Ermessen des Gerichts gelegt werde, aufführen oder aufführen lassen dürfe.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage erneut bestätigt (OLG München ZUM-RD 1997, 294). Die Revision der Klägerin hat der Senat nicht angenommen, soweit die Klage die Aufführungen der Oper „Salome” in der Zeit bis 31. Dezember 1979 betraf (insofern war die Klage lediglich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und nicht auch auf die Regelungen über die Schutzfristverlängerungen gestützt). Im Umfang der Annahme – also bezogen auf die Aufführungen seit dem 1. Januar 1980 – verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für eine Anpassung der ursprünglich vereinbarten an die nach der Regelsammlung übliche Urhebervergütung sowohl unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage als auch aufgrund der Regelungen über die gesetzlichen Schutzfristverlängerungen verneint. Zu letzterem hat es ausgeführt:
Mit der Regelung über Schutzfristverlängerung im Jahre 1934 habe der Gesetzgeber angestrebt, einerseits den Erben des Urhebers den Vorteil der Verlängerung der Schutzfrist zukommen zu lassen, andererseits sicherzustellen, daß Erwerber von Urheberrechten und Lizenzen das Werk weiterhin nutzen könnten. Der Anspruch der Erben auf eine angemessene Vergütung für den Verlängerungszeitraum sei vor allem für die Fälle gedacht gewesen, in denen die Nutzungsrechte ursprünglich gegen ein Pauschalentgelt oder eine unangemessen niedrige Vergütung eingeräumt worden seien.
Danach komme eine Anpassung der Vergütung für den ersten Verlängerungszeitraum von 1980 bis 1999 nur in Betracht, wenn sich die früher vereinbarte Vergütung unter den Parteien und unter den konkreten Umständen des praktizierten Vertragsverhältnisses als unangemessen herausgestellt habe. Die von der Klägerin insoweit vorgebrachten Gesichtspunkte könnten die Unangemessenheit des ursprünglich vereinbarten Satzes nicht begründen: Soweit sich die Klägerin darauf berufe, daß sich der vereinbarte Vergütungssatz von 6 % damals an den – den Gesamtetat der Oper darstellenden – Bruttoeinnahmen orientiert habe, während diese Einnahmen heute nur noch in geringem Umfang zur Finanzierung des stark subventionierten Theater- und Opernbetriebs beitrügen, sei ihr entgegenzuhalten, daß sie diese Entwicklung jahrzehntelang, zumindest bis Mitte der sechziger Jahre, widerspruchslos hingenommen habe; die Sätze der Regelsammlung zeigten im übrigen nur, was bei heutigen Vertragsabschlüssen als angemessen angesehen werde; sie seien jedoch nicht geeignet, Altverträgen die Grundlage zu entziehen. Im übrigen komme es nicht darauf an, was bei Beginn der Verlängerung allgemein üblich sei. Abzustellen sei vielmehr auf das, was sich unter Berücksichtigung des bisherigen Vertragsverhältnisses als angemessen erweise.
Danach müßten die langjährige, außerordentlich erfolgreiche Werknutzung der „Salome” durch die Bayerische Staatsoper und die betragsmäßig kontinuierlich gestiegenen Vergütungen in die Betrachtung einbezogen werden. Da der in Rede stehende Vertrag über sechs Jahrzehnte zu den vereinbarten Bedingungen beanstandungslos praktiziert worden sei, verbiete es sich, von einer unangemessen geringen Vergütung zu sprechen.
Für den zweiten Verlängerungszeitraum von 2000 bis 2019 hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf die insofern strengeren Anforderungen des § 137 Abs. 3 UrhG eine Anpassung ebenfalls abgelehnt.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen in dem Umfang, in dem der Senat die Revision angenommen hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu dem von der Klägerin mit ihrem (neuen) Hauptantrag verfolgten Feststellungsausspruch.
1. Nachdem die Revision teilweise nicht angenommen worden ist, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens allein noch der Zeitraum, der durch die beiden Schutzfristverlängerungen bestimmt ist. Dabei sind beide Schutzfristverlängerungen einer gesonderten Betrachtung zu unterziehen (BGH GRUR 1996, 763, 766 – Salome II): Da Richard Strauss im Jahre 1949 gestorben ist, wäre der dreißigjährige Schutz Ende 1979 abgelaufen. Durch die Verlängerung der Schutzfrist von dreißig auf fünfzig Jahre im Jahre 1934 (Gesetz zur Verlängerung der Schutzfristen im Urheberrecht v. 13.12.1934, RGBl. II S. 1395, im folgenden: SchutzfristenverlG) ist der urheberrechtliche Schutz für die Oper „Salome” zunächst bis Ende 1999 und sodann im Zuge der Urheberrechtsreform 1965 durch die Verlängerung der Schutzfrist auf siebzig Jahre in §§ 64, 137 UrhG bis Ende 2019 ausgedehnt worden.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin als Inhaberin der Rechte an der Oper „Salome” für die Zeit der ersten Schutzfristverlängerung eine angemessene Vergütung verlangen. Nach den getroffenen Feststellungen kann das ihr aufgrund des Vertrages aus dem Jahre 1906 zustehende Entgelt in Höhe von 6 % der Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten nicht als angemessene Vergütung für die Zeit der ersten Schutzfristverlängerung angesehen werden. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung zu sehr von den Maßstäben leiten lassen, die für einen Wegfall oder eine Änderung der Geschäftsgrundlage gelten. Damit ist es den Besonderheiten der Regelung des § 2 Abs. 2 SchutzfristenverlG von 1934 nicht hinreichend gerecht geworden.
a) Bei jeder Schutzfristverlängerung stellt sich die Frage, in welcher Weise bestehende Lizenzverträge, mit denen urheberrechtliche Befugnisse bis zum Ende der gesetzlichen Schutzfrist eingeräumt werden sollten, von der Verlängerung erfaßt werden. Die Verlängerung kann entweder den Erben des Urhebers oder dem Nutzungsberechtigten zugute kommen. In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber diese Fälle nicht einheitlich geregelt. So sieht beispielsweise § 137 Abs. 2 UrhG – die Bestimmung, in der es um die mit dem Urheberrechtsgesetz von 1965 einhergehende Verlängerung der Schutzfrist von fünfzig auf siebzig Jahre geht – eher nutzerfreundlich vor, daß sich, falls „das Urheberrecht ganz oder teilweise einem anderen übertragen worden (ist), … die Übertragung im Zweifel auch auf den Zeitraum (erstreckt), um den die Dauer des Urheberrechts … verlängert worden ist”. Ähnliche Regelungen enthalten die später eingefügten Bestimmungen der § 137b Abs. 2, § 137c Abs. 2 und § 137f Abs. 4 UrhG, die ebenfalls eine Verlängerung von Schutzfristen betreffen. Dagegen gilt für die Verlängerung der Schutzfrist für Lichtbildwerke die – eher urheberfreundliche – Regel, daß sich ein bestehendes Nutzungsrecht im Zweifel nicht auf den Verlängerungszeitraum bezieht (§ 137a Abs. 2 UrhG).
§ 2 Abs. 2 SchutzfristenverlG von 1934 hat folgenden Wortlaut:
Wurde das Urheberrecht vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ganz oder teilweise einem anderen übertragen, so erstreckt sich diese Verfügung im Zweifel nicht auf die Dauer der Verlängerung der Schutzfrist. Wer jedoch vor dem Inkrafttreten ein Urheberrecht erworben oder die Erlaubnis zur Ausübung einer urheberrechtlichen Befugnis erhalten hat, bleibt weiterhin gegen angemessene Vergütung zur Nutzung des Werkes berechtigt.
Wie diese Vorschrift zu verstehen ist, insbesondere auf welche Weise der Widerspruch zwischen den Sätzen 1 und 2 aufzulösen ist, war von Anfang an streitig. Ein Teil des Schrifttums vertrat die Auffassung, die Bestimmung sei in der Weise auszulegen, daß bestehende Nutzungsrechte für den Verlängerungszeitraum fortbestünden (vgl. vor allem Hoffmann, JW 1935, 257; ders., DJ 1936, 143 f.; Dieß, UFITA 9 (1936), 221 ff.; Rudolph, UFITA 9 (1936), 227 ff.; Selbherr/Behn, UFITA 69 (1973), 58 f.; vgl. auch OLG München UFITA 10 (1937), 432), und berief sich zum Beleg auf die Begründung des Regierungsentwurfs, nach der eine „Nutzung zulässig (sei), die sich sachlich als Fortsetzung der früher zugestandenen Verwendung des Werkes darstellt” (DJ 1935, 4, 5). Die Gegenansicht vertrat demgegenüber die Ansicht, im Zweifel ende das eingeräumte Nutzungsrecht mit dem Ablauf der alten Schutzfrist, dem Lizenznehmer stehe aber für den Verlängerungszeitraum eine gesetzliche Lizenz, also von Gesetzes wegen ein einfaches Nutzungsrecht zu, für die er eine angemessene Vergütung zu zahlen verpflichtet sei (so insbesondere der für das Urheberrecht zuständige Referent im Reichsjustizministerium Kühnemann, DJ 1935, 1668 ff.; ders., DJ 1936, 145; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 1. Aufl. 1951, S. 204; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 3. Aufl. 1973, § 137 UrhG Anm. 2; Walter, Mitarbeiterfestschrift für Eugen Ulmer, 1973, S. 63, 65 ff.).
In seinem Urteil vom 12. November 1974 hat sich der Bundesgerichtshof der zuerst genannten Auffassung angeschlossen (I ZR 78/73, GRUR 1975, 495 – Lustige Witwe). Dabei ging es in erster Linie um das Schicksal ausschließlicher Nutzungsrechte – wie etwa die einem Bühnenverlag eingeräumten ausschließlichen Rechte –, die nach der Gegenansicht durch § 2 Abs. 2 SchutzfristenverlG zu einer einfachen (gesetzlichen) Lizenz herabgestuft worden wären und in Konkurrenz zu den nunmehr den Erben zustehenden ausschließlichen Befugnissen gestanden hätten (BGH GRUR 1975, 495, 497).
b) Diese Entscheidung zugunsten der Kontinuität des (ausschließlichen) Nutzungsrechts darf indessen nicht den Blick dafür verstellen, daß mit § 2 Abs. 2 SchutzfristenverlG an sich eine eher urheber- oder erbenfreundliche Regelung getroffen werden sollte, die sich deutlich von der eher nutzerfreundlichen Regelung in § 137 Abs. 2 UrhG unterscheidet. Zwar kann dem Gesetzeswortlaut nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß die Nutzungsrechte für den Verlängerungszeitraum nur in Form einer einfachen Lizenz fortbestehen und daß ungeachtet des für die Vergangenheit vereinbarten Entgelts eine angemessene Vergütung für die fortgesetzte Nutzung zu zahlen ist. Ein solcher – vom Entwurfsverfasser möglicherweise beabsichtigte – Regelungsgehalt kommt im Gesetzeswortlaut nicht hinreichend zum Ausdruck und wäre – worauf der Senat in der Entscheidung „Lustige Witwe” hingewiesen hat (GRUR 1975, 495, 497) – auch in hohem Maße unpraktikabel. Die gesetzliche Regelung kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht in der Weise verstanden werden, daß in aller Regel die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Verlängerung weitergelten und eine Anpassung an eine angemessene Vergütung nur in Fällen erfolgen sollte, in denen ein Pauschalentgelt oder eine unangemessen niedrige Vergütung vereinbart war. Vielmehr gilt insofern, daß für den Verlängerungszeitraum – wie sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 SchutzfristenverlG ergibt – die angemessene Vergütung geschuldet wird, wobei im allgemeinen davon auszugehen sein wird, die für die Vergangenheit vereinbarte Vergütung sei auch für den Verlängerungszeitraum angemessen. Dabei ist als Vergleichsmaßstab die Vergütung heranzuziehen, die unter den Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihres bisherigen Vertragsverhältnisses, seiner Besonderheiten und seiner Gesamtdauer zu Beginn der Verlängerung als angemessen anzusehen ist (BGH GRUR 1996, 763, 766 – Salome II). Liegt die vereinbarte Vergütung nicht unerheblich unter der auf diese Weise ermittelten angemessenen Vergütung, wird nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SchutzfristenverlG für den Verlängerungszeitraum die angemessene Vergütung geschuldet.
c) Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die – die Rechte der Erben von Richard Strauss wahrnehmende – Klägerin nicht an der 1906 vereinbarten Vergütung für Aufführungen der Oper „Salome” festgehalten werden.
Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat, lagen die Vergütungen nach der Regelsammlung für den ermittelten Vergleichszeitraum 1989/90 knapp 107 % über der an die Klägerin aufgrund des Vertrags aus dem Jahre 1906 gezahlten Vergütung. Aus dem unstreitigen Parteivorbringen ergibt sich, daß die Werte nach der Regelsammlung die gezahlte Vergütung zehn Jahre zuvor (1979/80) bereits in ähnlichem Umfang überschritten (ca. 100 %). Daß es sich bei den Sätzen der Regelsammlung um die heute übliche Vergütung handelt, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt (vgl. dazu auch Nordemann, Anm. zu BGH in Schulze RzU BGHZ 448 – Salome II, S. 15 f.). Die Revisionserwiderung weist zwar darauf hin, daß sich diese Feststellung nicht auf den Beginn der Verlängerung im Jahre 1980 beziehe. Es sind aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Regelsammlung erst seit kurzem allgemein anerkannt wird. Den vorgelegten Verträgen über die Aufführung anderer Strauss-Opern läßt sich darüber hinaus entnehmen, daß die Parteien in der maßgeblichen Zeit ebenfalls die Regelsammlung zugrunde gelegt haben (etwa in Aufführungsverträgen über die Opern „Ariadne auf Naxos” und „Der Rosenkavalier” in den Jahren 1976 bis 1982, Anl. K 105 bis 114). Schließlich enthält die Äußerung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht, wonach in einer Vielzahl von Opernhäusern so abgerechnet werde, wie es in der Regelsammlung stehe, keine zeitliche Einschränkung; ihr kann nicht entnommen werden, daß zwar heute anhand der Regelsammlung abgerechnet werde, nicht aber in dem im Streitfall allein maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1980.
Im Hinblick auf die nachhaltige Unterschreitung der heute üblichen Vergütung können die 1906 vereinbarten Sätze nicht als angemessene Vergütung i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 SchutzfristenverlG angesehen werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der weiteren, in der konkreten Vertragsbeziehung liegenden besonderen Umstände. Die lange Tradition und die langjährige außerordentlich erfolgreiche Werknutzung der Oper „Salome” durch die Bayerische Staatsoper stellt einen Gesichtspunkt dar, den beide Seiten gleichermaßen ins Feld führen können. Der Erfolg der Oper ist daher nicht geeignet, eine eklatante Unterschreitung der üblichen Vergütungssätze als angemessen erscheinen zu lassen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß der niedrige Vergütungssatz sich nicht etwa damit erklären läßt, daß die Staatsoper eine Verpflichtung zu regelmäßigen Aufführungen übernommen hätte. Die große Zahl der Aufführungen, auf die der Beklagte verweist, beruht allein auf der Entschließung der Staatsoper, das Werk auch mit zahlreichen Neuinszenierungen immer wieder ins Repertoire zu nehmen; eine vertragliche Verpflichtung hierzu bestand nicht. Auch der weitere vom Berufungsgericht angeführte Umstand, daß Richard Strauss, sein Bühnenverleger und später seine Erben den Vertrag mit der Bayerischen Staatsoper als für sie vorteilhaft angesehen hätten und deshalb über Jahrzehnte hinweg davon abgesehen hätten, die Tantiemefrage zu stellen, läßt die vereinbarte Vergütung nicht als angemessen erscheinen, zumal im Hinblick auf die vorhandene vertragliche Regelung keine rechtliche Handhabe bestand, den Vertragspartner von der Notwendigkeit von Neuverhandlungen zu überzeugen.
d) Ein weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: Wie der Senat in der zweiten Revisionsentscheidung zum Ausdruck gebracht hat, war es im Streitfall zweifelhaft, ob die Nutzungsberechtigung des Beklagten für die Dauer der Schutzfristverlängerungen fortbestehen sollte. Diese Zweifel sind jedenfalls für die erste Verlängerung (1980 bis 1999) dadurch ausgeräumt worden, daß die Parteien den Vertrag auch nach dem 31. Dezember 1979 kontinuierlich fortgesetzt und dadurch ihren Willen zur Erstreckung der Nutzungsrechtseinräumung zum Ausdruck gebracht haben. Daß die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt den Abrechnungsmodus beanstandet hatte, hat der Senat nicht als erheblich angesehen, weil sich dieser Protest immer nur auf die Höhe der Vergütung bezogen habe, der Fortbestand des Vertrages aber nicht in Zweifel gezogen worden sei (BGH GRUR 1996, 763, 765 f. – Salome II). Damit wird deutlich, daß es in der Hand der Klägerin gelegen hätte, durch ihr Verhalten deutlich zu machen, daß die Nutzungsrechtseinräumung mit dem Ende der ursprünglichen Schutzfrist von dreißig Jahren am 31. Dezember 1979 ausläuft. Vor diesem Hintergrund erhalten die zahlreichen nachdrücklichen Hinweise der Klägerin auf die Unangemessenheit der bisherigen Vergütung Gewicht, durch die die Klägerin deutlich gemacht hat, daß sie zwar mit der Fortführung der Nutzungsberechtigung, nicht aber mit der Fortführung der Vergütungsregelung einverstanden war (vgl. etwa ihr Schreiben vom 15.12.1978 – Anl. K 47a -, in dem von dem Begehren die Rede ist, ›welches wir seit nahezu 20 Jahren immer wieder vorgebracht haben‹).
e) Ist die vereinbarte Vergütung nicht als angemessen i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 SchutzfristenverlG anzusehen, kann die Klägerin anstelle der vereinbarten Vergütung die nach den gesamten Umständen angemessene Vergütung beanspruchen.
3. Kann es für die Zeit der ersten Schutzfristverlängerung nicht bei der ursprünglich vereinbarten Vergütung bleiben, ist vielmehr für diese Zeit die davon abweichende angemessene Vergütung geschuldet, bedarf es keiner Entscheidung, ob die zweite Verlängerung von fünfzig auf siebzig Jahre ebenfalls eine Änderung notwendig machen würde. Auch die Klägerin erhebt keine Bedenken dagegen, daß die für die Zeit von 1980 bis 1999 geltende Regelung, der zufolge eine angemessene Vergütung für die Nutzung des Werks geschuldet wird, bis zum Ende der Schutzdauer im Jahre 2019 Geltung beanspruchen kann.
III. Das angefochtene Urteil kann danach in dem Umfang, in dem der Senat die Revision angenommen hat, keinen Bestand haben.
Einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur Feststellung der Höhe der angemessenen Vergütung bedarf es nicht. Anhand der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens ist der Senat in der Lage, selbst in der Sache zu entscheiden und die Höhe der angemessenen Vergütung zu bestimmen. Wie bereits dargelegt, haben die Parteien in der Zeit um 1980 für die Aufführung anderer Werke von Richard Strauss durchweg die Regelsammlung Verlage (Vertriebe)/Bühnen zugrunde gelegt. Es ist nicht erkennbar, daß im Streitfall auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des bisherigen Vertragsverhältnisses etwas anderes als die übliche Vergütung angemessen wäre. Insbesondere kann die lange erfolgreiche Aufführungspraxis nicht als ein Argument für eine vom Üblichen abweichende Vergütung herangezogen werden. Auch wenn das Werk Richard Strauss' von den Münchner Salome-Aufführungen profitiert hat, hat umgekehrt die Bayerische Staatsoper von Richard Strauss' kompositorischem Schaffen besonders profitiert. Die lange Laufzeit des Aufführungsvertrages rechtfertigt ebenfalls keine unter dem Üblichen liegende Vergütung. Denn die Rechtseinräumung für eine Vielzahl von Jahren ist in erster Linie für die Bayerische Staatsoper von Vorteil, die – ohne Aufführungsverpflichtung – nicht für jede Spielzeit, in der sie die Oper „Salome” spielten möchte, einen gesonderten Aufführungsvertrag mit der Klägerin schließen muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.01.2000 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538513 |
BGHR |
NJW-RR 2000, 1492 |
GRUR 2000, 869 |
Nachschlagewerk BGH |
ZUM 2000, 754 |