Orientierungssatz

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen festzustellen ist, daß eine Wettbewerbsvereinbarung einem gemeinsamen Zweck im Sinne des WettbewG § 1 dient.

2. Zur Sittenwidrigkeit eines nicht von WettbewG § 1 erfaßten Wettbewerbsverbots als Teil gesellschaftsrechtlicher Ausscheidungsvereinbarungen und bei der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen.

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main vom 30. Juni 1977 aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 14. Januar 1976 geändert:

Das Versäumnisurteil vom 12. November 1975 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerinnen beantragt haben,

  1. festzustellen, daß der Beklagte durch sein Verhalten, insbesondere durch die Verpachtung seiner Betonmischanlage an die L. L. GmbH & Co. gegen das am 14. Januar 1975 zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen hat,
  2. den Beklagten zur Zahlung von 1.857,05 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Im übrigen – hinsichtlich des Antrags auf Feststellung, daß dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch aufgrund der vorzeitigen Kündigung seines Pachtvertrages mit der L. L. GmbH & Co. zusteht – wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits vorbehalten bleibt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über ein Wettbewerbsverbot, das der Beklagte anläßlich seines Ausscheidens aus drei Gesellschaften zur Herstellung von Frischbeton Anfang 1975 eingegangen ist.

Die Klägerin zu 1 ist eine Tochtergesellschaft der D. Z. AG in W., die Klägerin zu 2 eine Tochtergesellschaft der B.'schen E. in Wetzlar.

Der Beklagte gründete ab 1964 im L. Raum eine Vielzahl von Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, die der Herstellung von Transportbeton dienten und an denen sich Unternehmen der Zementindustrie durch Kommanditeinlagen beteiligten. 1973 kam der Beklagte in Zahlungsschwierigkeiten. Am 9. November 1973 unterbreitete er der D. Z. AG, der P.-Z. H. AG und den B.'schen E. ein Verkaufsangebot über einzelne Betonwerke. In diesem Angebot war ein Wettbewerbsverbot des Beklagten für die Dauer von zehn Jahren in einem bestimmten Umkreis um die angebotenen Betonwerke für Herstellung und Vertrieb von Transportbeton vorgesehen. Das sollte jedoch nicht für die zur Zeit betriebenen Transportbetonwerke des Beklagten gelten. In der Folgezeit kam es zu entsprechenden Teilveräußerungen unter Einbeziehung dieses Wettbewerbsverbots. Anfang 1974 wurden gegen verschiedene Gesellschaften Konkurs- und Vergleichsverfahren eröffnet.

Im Vergleichsverfahren über das Stammwerk des Beklagten, die Betonwerke W. E. in S., war der Beklagte im Dezember 1974 außerstande, die erste Vergleichsrate zu zahlen. Um die Durchführung des gerichtlichen Vergleichs zu ermöglichen, schloß er am 14. Januar 1975 mit den Klägerinnen als Mitgesellschaftern in den Firmen L.-B. GmbH W. E. & Co. KG, T.-B. GmbH W. E. & Co. KG und W.-L. O. GmbH & Co. KG eine Vereinbarung.

Der Beklagte und seine Ehefrau übertrugen ihre Anteile an der T.-B. GmbH und an der KG, der Beklagte ferner seine Beteiligung an der W.-L. O. GmbH und an der KG auf die Klägerin zu 1, und zwar zu einem Gesamtkaufpreis von 502.000,– DM, zu zahlen an die Hessische Landesbank und die Deutsche Bank zur Ablösung der Mithaft der drei Beteiligungsgesellschaftern für Verbindlichkeiten der Betonwerke W. E.. Gleichzeitig legten die Parteien die Forderung der L.-B. GmbH W. E. und Co. KG gegen die Betonwerke W. E. auf 740.000,– DM fest und vereinbarten Zahlung von 110.000,– DM unter Verzicht auf den Rest.

In einer besonderen Urkunde vereinbarten die Parteien am selben Tage:

  1. „Als zusätzliche Gegenleistung für die Übernahme der Anteile an der T.-B. KG und W. O. KG und die Entlassung aus der überschuldeten L.-B. KG sowie den Verzicht auf die Forderung von rund DM 630.000,– der L.-B. KG (vgl. hierzu besonderes Protokoll vom 14.1.75) verpflichtet sich Herr W. E. im Umkreis von 25 km um die bestehenden Transportbetonwerke dieser Gesellschaften, d.h. die Orte W., U., O., W. und I., für 10 Jahre ab 1.1.1975 kein Transportbetonwerk zu errichten und zu betreiben und sich auch nicht an der Einrichtung und am Betrieb (einschließlich Vertrieb) eines solchen, sei es direkt oder indirekt, zu beteiligen.
  2. Sobald Herr W. E. seine Betonwerke in S. und B. wieder betreibt oder sonst auf dem Gebiet der Betonwarenherstellung wieder tätig werden sollte, wird er in fairer Weise mit der Firma D.-Z. AG und befreundeten Werken zusammenarbeiten.”

Die Ehefrau und die Tochter des Beklagten gründeten am 18. Februar 1975 die L. L. GmbH & Co. in L.-S.. Der Beklagte verpachtete seine Betonmischanlage in S. an die Gesellschaft. Vom Werk S. aus, das im räumlichen Bereich des Wettbewerbsverbots nach Ziff. 1 der Zusatzvereinbarung vom 14. Januar 1975 liegt, wurde im Sommer 1975 Transportbeton geliefert.

Die Klägerinnen erwirkten gegen den Beklagten beim Landgericht Limburg eine einstweilige Verfügung auf Untersagung jeder Mitwirkung am Geschäftsbetrieb der L. L. GmbH & Co., darunter der Verpachtung der Betonmischanlage in S. an diese Gesellschaft. In der mündlichen Verhandlung am 27. August 1975 unterwarf sich der Beklagte, die Parteien behielten sich jedoch vor, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Sie erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und verglichen sich dahin, daß die Verfahrenskosten der Kostenentscheidung der Hauptsache folgen sollten.

Der Beklagte kündigte daraufhin den Pachtvertrag über seine Betonmischanlage in Staffel und verkaufte das Betriebsgelände. Zu einem Verfahren in der Hauptsache kam es nicht mehr.

Die Klägerinnen haben zuletzt beantragt,

festzustellen,

  1. daß der Beklagte durch sein Verhalten, insbesondere durch die Verpachtung seiner für den Betrieb von Lieferbeton geeigneten Betonmischanlage in S. an die Firma L. L. GmbH & Co. in L.-S., gegen das am 14. 1. 1975 zwischen den Parteien vereinbarte Wettbewerbsbot verstoßen hat, und
  2. daß dem Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund der vorzeitigen Kündigung des Pachtverhältnisses zwischen ihm und seiner Ehefrau und Tochter gegen die Klägerinnen nicht zustehen;

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerinnen 1.857,05 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1.10.1975 zu zahlen.

Das Landgericht hat gegen den Beklagten nach Maßgabe der erstinstanzlichen Anträge Versäumnisurteil erlassen und dieses nach Einspruch des Beklagten aufrechterhalten. Die Berufung des Beklagten ist bei Neufassung des Urteilstenors entsprechend den abgeänderten Anträgen zurückgewiesen worden. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte weiterhin Klagabweisung. Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Dem Berufungsgericht ist allerdings zuzustimmen, daß die Wettbewerbsvereinbarung vom 14. Januar 1975 nicht nach § 1 GWB unwirksam ist, weil sie nicht zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen worden ist.

1. Ob eine Vereinbarung zu einem gemeinsamen Zweck im Sinne von § 1 GWB geschlossen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung des Vertrages unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag verfolgten wirtschaftlichen Ziele, der Umstände, die zu dem Vertragsschluß geführt haben, und der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Vertragspartnern zu beurteilen (Urteil des Senats vom 24.2.1975 – KZR 5/74 – „Schnittblumentransport”, WuW/E BGH 1353). Dabei ist das Merkmal „zu einem gemeinsamen Zweck” eigenständig, unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes auszulegen. Seine, Voraussetzungen sind als gegeben anzusehen, wenn die Beteiligten mit der vereinbarten Wettbewerbsbeschränkung gleichgerichtete Interessen verfolgen. Es genügt, wenn die Wettbewerbsbeschränkung und der durch sie zu bewirkende Erfolg einem gemeinsamen Interesse entspricht und gemeinsam angestrebt wird (Urteil des Senats vom 14.10.1976 – KZR 76/75 – „Fertigbeton”, BGHZ 68, 6, 10).

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Wettbewerbsvereinbarung vom 14. Januar 1975 auf ihre Vereinbarkeit mit § 1 GWB geprüft, obwohl es das Wettbewerbsverbot als Nebenabrede des Austauschvertrages über die Veräußerung der Unternehmensanteile des Beklagten angesehen hat. Allein der Umstand, daß Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen eines Austauschvertrages verabredet werden, steht einer Beurteilung nach § 1 GWB nicht entgegen. Andererseits können Austauschverträge auch dann, wenn sie von Wettbewerbern geschlossen werden, Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, mit denen die Vertragsschließenden keine gleichlaufenden Interessen verfolgen und die deshalb nicht unter § 1 GWB, sondern unter die Bestimmungen der §§ 15 ff GWB fallen (Urteil des Senats vom 24.2.75 – KZR 5/74 – „Schnittblumentransport”, WuW/E BGH 1353).

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß das Wettbewerbsverbot nicht in der Verfolgung gleichgerichteter Interessen vereinbart worden ist, hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

Die Ausschließung des Beklagten als Wettbewerber von dem räumlich näher bezeichneten Transportbetonmarkt diente nicht dem gemeinsamen Interesse der Parteien, sondern ausschließlich den Interessen der Klägerinnen an der Absicherung ihrer Marktstellung. Sie widersprach den wirtschaftlichen Interessen des Beklagten, weil er dadurch an der vollen Nutzung der ihm verbliebenen Betriebs anlagen seines Betonwerkes in Staffel gehindert war. Dem Beklagten sollte auch nicht indirekt ein Vorteil aus den durch das Wettbewerbsverbot erstrebten Marktergebnissen zufließen. Das Ziel der Wettbewerbsbeschränkung und der durch sie angestrebte Erfolg war damit kein gemeinsames Anliegen der Parteien im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 68, 6, 10).

II. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht jedoch die Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbots (§ 138 Abs. 1 BGB).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Wettbewerbsverbot den Verpflichteten in der Berufsausübung nicht übermäßig beschränken und damit nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen. Es darf insbesondere in örtlicher, zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Verpflichteten führen.

Im vorliegenden Falle bestehen Bedenken gegen die zeitliche Dauer des Wettbewerbsverbots.

Bei gesellschaftsrechtlichen Ausscheidensvereinbarungen und bei der Übertragung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ist ein schutzwürdiges Interesse des Begünstigten an einem Wettbewerbsverbot im allgemeinen nur für einen Zeitraum anzuerkennen, in dem die in der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen fortwirken. Die Erfahrung zeigt, daß diese Beziehungen sich nach einer gewissen Zeit so verflüchtigen, daß das geschützte Unternehmen durch die Eröffnung eines Konkurrenzunternehmens des Verpflichteten keine wesentlichen Einbußen erfahren kann. Hier muß dann auch die Ausschaltung des Verpflichteten aus dem Tätigkeitsbereich des begünstigten Unternehmens grundsätzlich ihre zeitliche Grenze finden (BGH, Urt. v. 19.11.73 – II ZR 52/72, WM 1974, 74, 76).

Im vorliegenden Falle bestand das schutzwürdige Interesse der Klägerinnen darin, die von ihnen zu übernehmenden Gesellschaften in ihrer Marktverbundenheit zu erwerben. Sie durften deshalb die Gefahr ausschließen, die davon drohte, daß der Beklagte unter Ausnutzung seiner Kundenbeziehungen und seines eingeführten Namens auf dem betroffenen Markt sofort nach seinem Ausscheiden aus den gemeinsamen Gesellschaften mit diesen in Wettbewerb trat. Die Klägerinnen haben jedoch nichts dafür vorgetragen, daß die geschäftlichen Beziehungen, die der Beklagte während seiner Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der hier infrage stehenden Gesellschaften gewonnen hat, sich derart verfestigt hatten, daß damit gerechnet werden mußte, der Beklagte werde an den dadurch erlangten Wettbewerbs vor teilen über eine so lange Zeit zehren, daß ein zehnjähriges Wettbewerbsverbot gerechtfertigt sein könnte. Ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschließung des Beklagten als Wettbewerber ist deshalb nur für einen Zeitraum anzuerkennen, in dem die noch aus der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit des Beklagten geschaffenen geschäftlichen Beziehungen fortwirkten. Die Schutzwürdigkeit der Klägerinnen mußte somit enden, sobald die übernommenen Unternehmen und die Marktposition in ihrer Hand so weit konsolidiert sein würden, daß der Wiedereintritt des Beklagten in den Wettbewerbsprozeß keine wesentlich größere Gefahr darstellte als die Konkurrenz eines neu auf den Markt kommenden Unternehmens. Das bedeutet aber, daß das Interesse der Klägerinnen an einer Fernhaltung der Konkurrenz des Beklagten nur für eine Dauer anzuerkennen ist, die weit unter den festgelegten zehn Jahren liegt.

Nach dem Vorbringen der Klägerinnen ist die zehnjährige Dauer des Wettbewerbsverbots auch nur an der durchschnittlichen Nutzungsdauer der übernommenen Betonwerke ausgerichtet worden. Insoweit handelt es sich jedoch um einen Gesichtspunkt, der bei der Beurteilung eines Wettbewerbsverbots keine entscheidende Rolle spielen kann. Er ist für die in erster Linie interessierende Frage der Erhaltung des Kundenstammes ohne wesentliche Bedeutung; denn damit wird das Wettbewerbsverbot nicht mehr zur Konsolidierung der übernommenen Marktstellung eingesetzt.

Ob die Verpflichtung des Beklagten, sich aller Wettbewerbsmaßnahmen zu Lasten der Klägerinnen zu enthalten, Teil seiner vertraglichen Leistungen war, die, wie das Berufungsgericht meint, mit den – insgesamt äquivalenten – Gegenleistungen der Klägerinnen abgegolten worden sind, ist unerheblich. Die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände sind darin zu sehen, daß der Beklagte in einer mit den gesunden Auffassungen nicht mehr zu vereinbarenden Weise in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit und Berufsausübung eingeschränkt worden ist.

Das für einen Zeitraum von zehn Jahren dem Beklagten auferlegte Wettbewerbsverbot muß sonach ohne Rücksicht darauf, ob ein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB als übermäßig und demgemäß als nichtig angesehen werden.

2. Das angefochtene Urteil könnte danach nur dann aufrechterhalten werden, wenn das Wettbewerbsverbot des Beklagten mit einer kürzeren – als angemessen anzusehenden – Laufzeit aufrechterhalten und damit für die hier infrage stehende Zeit als wirksam angesehen werden könnte. Das ist bei den im vorliegenden Falle zu berücksichtigenden Umständen zu verneinen.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat allerdings bei Bierlieferungsverträgen, die bei im übrigen nicht zu beanstandendem Inhalt allein wegen der zeitlich überlangen Bezugsbindung gegen die guten Sitten verstießen, in entsprechender Anwendung des § 139 BGB die getroffene Vereinbarung mit der kurzen – angemessenen – Laufzeit aufrechterhalten (Urt. v. 16./17.9.74 – VIII ZR 116/72, WM 1974, 1042). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob diese Grundsätze auf ein wegen übermäßig langer Dauer nichtiges Wettbewerbsverbot übertragen werden können, d.h. ob grundsätzlich die Möglichkeit besteht, auch in diesen Fällen den Einklang mit der Rechtsordnung durch Herabsetzung der Dauer des Wettbewerbsverbots auf das gerade noch vertretbare Maß wieder herzustellen. Denn eine Anwendung dieser Grundsätze kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die vorliegende Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot nicht allein wegen der unangemessenen Laufzeit gegen die guten Sitten verstößt. Die dargelegte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht auf der Erwägung, daß in Fällen übermäßig langer Bindung der Teil der Vertragsbestimmungen, der allein den Vertrag zum sittenwidrigen macht – die lange Vertragsdauer – genau bestimmt werden kann, während gegen den übrigen Teil des Vertrages und die Umstände, die zum Vertrags Schluß führten, nichts einzuwenden ist. Dort, wo dies nicht der Fall ist, weil die Sittenwidrigkeit noch aus anderen Gründen folgt und deshalb der sittenwidrige Vertragsinhalt nicht eindeutig ausgeschieden werden kann, ist eine Solche Teilung und Herabsetzung der Bindungsdauer nicht möglich.

Im vorliegenden Falle bestehen gegen die Auferlegung des Wettbewerbsverbots unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB derartige weitere Bedenken. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (BU 17) befand sich der Beklagte bei Abschluß des Vertrages, bedingt durch die Überschuldung seiner Betriebe, in einer finanziellen Notlage. Ihm drohte der Ausschluß aus den Beteiligungsgesellschaften und der Verlust seiner Betriebe im Konkurs- und im Vergleichsverfahren. Angesichts dieser widrigen Umstände, so führt das Berufungsgericht weiter aus, sei ihm keine andere Wahl geblieben, als über die Bedingungen der Klägerinnen zu verhandeln und sie letzten Endes zu akzeptieren, zumal die Klägerinnen gedroht hätten, für den Fall, daß das Wettbewerbsverbot – gegen das sich der Beklagte bis zuletzt wehrte – nicht übernommen werde, von dem Vertrag Abstand zu nehmen. Das Wettbewerbsverbot ist von den Klägerinnen darüber hinaus unstreitig erst nach Abschluß der entscheidenden Verhandlungen über die Bedingungen des Ausscheidens der Beklagten aus den drei Beteiligungsgesellschaften verlangt worden. Es ging inhaltlich über die bei früheren Teilverkäufen verabredeten Wettbewerbsverbote hinaus, indem es den Beklagten auch in der unternehmerischen Nutzung des ihm verbleibenden Betriebes beschränkte. In dieser Verschärfung der dem Beklagten auferlegten Bindungen zeigt sich, daß die Klägerinnen als die wirtschaftlich Stärkeren die wirtschaftliche Notlage der Beklagten zur einseitigen Durchsetzung ihrer Ziele ausgenutzt haben. Aus diesem Grunde ist für einen rechtsgestaltenden richterlichen Eingriff in das Vertragsverhältnis und dessen inhaltliche Rückführung auf ein vertretbares Maß im Rahmen von § 139 BGB kein Raum. Vielmehr müssen die Klägerinnen das Risiko der Nichtigkeit des gesamten Wettbewerbsverbots tragen, da sie die durch § 138 BGB gezogenen Grenzen der Vertragsfreiheit mißachtet haben (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72 – LM § 138 (Bb) BGB Nr. 35).

Das gegenteilige Ergebnis würde auch in Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 138 Abs. 1 BGB stehen. Wenn der sittenwidrig Handelnde auch in diesen Fällen damit rechnen könnte, durch gerichtliche Festlegung das zu bekommen, was gerade noch vertretbar und sittengemäß ist, verlöre das sittenwidrige Geschäft für ihn das Risiko, mit dem es durch die vom Gesetz angedrohte Nichtigkeitsfolge behaftet sein soll (vgl. hierzu – allerdings zu § 140 BGB – BGH, Urt. v. 21.3.1977 – II ZR 96/75 – BGHZ 68, 204, 207).

3. Damit erweist sich sowohl der das Wettbewerbs verbot betreffende Feststellungsantrag der Kläger als auch ihr Zahlungsantrag (Erstattung der Kosten des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung) als unbegründet.

III. Hinsichtlich der negativen Feststellungsklage der Kläger ist der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif. Die Kläger haben den Antrag festzustellen, daß dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen der vorzeitigen Kündigung des Pachtvertrages mit der L. L. GmbH & Co. zusteht, ohne schriftsätzliche Vorbereitung erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellt. Der Beklagte hatte keine ausreichende Gelegenheit, zu dem Vorbringen der Kläger Stellung zu nehmen, insbesondere den angeblich geltend gemachten Schadensersatzanspruch, dessen Voraussetzungen er darzulegen und zu beweisen hat, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen. Damit das nachgeholt werden kann, ist die Sache insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Unterschriften

Dr. Pfeiffer, Offterdinger, Dr. Kellermann, Hesse, Zülch

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 13.03.1979 durch Zug, Justizhaupt Sekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI650076

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