Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Begebung von Schecks zur Zahlung hoher Zechschulden in Animierlokalen sittenwidrig ist.
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Entscheidung vom 01.06.1979) |
LG Koblenz (Entscheidung vom 13.02.1978) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. Juni 1979 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußrevision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Februar 1978 teilweise geändert und neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.588 DM und 6 % Zinsen hieraus seit 25. August 1976 zuzüglich 5,95 DM zu bezahlen.Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Klägerin, die in N. eine Bar mit "kabarettistischem Programm" betreibt, welche der Beklagte am 19. und 20. August 1976 besucht hatte, ist Inhaberin von drei zu Lasten des Kontos des Beklagten auf die D. Bank gezogener Schecks. Ein Scheck vom 19. August 1976 beläuft sich auf 4.203 DM; die beiden anderen Schecks sind am 20. August 1976 über 4.110 DM und 275 DM ausgestellt worden. Beim zuletzt erwähnten Scheck ist der Ausstellungsort nicht angegeben. Die von der Klägerin am 24. August 1976 zum Einzug eingereichten Schecks sind nicht bezahlt und mit entsprechendem Vermerk zurückgegeben worden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im ordentlichen Verfahren als angeblichen Aussteller der Schecks auf Zahlung der Schecksummen nebst Zinsen und Unkosten von 5,95 DM in Anspruch. Sie behauptet, mit den Schecks habe der Beklagte seine Zechschulden des jeweiligen Abends beglichen.
Der Beklagte macht geltend, die Unterschriften, die ihn als Scheckaussteller auswiesen, seien gefälscht. Zur Zeit der Scheckunterzeichnung sei er wegen Trunkenheit geschäftsunfähig gewesen. Er habe ferner nicht so viel bestellt, wie ihm berechnet worden sei. Außerdem seien die Preise der Klägerin wucherisch und die mit ihr abgeschlossenen Geschäfte sittenwidrig. Bei der Kalkulation ihrer Preise berücksichtige die Klägerin offenbar, daß sie es ihren Gästen ermögliche, in "mehr oder minder intimer Weise" mit den Bardamen in "Separees" zusammenzusein.
Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, die beiden Scheckbeträge von 4.203 DM und 4.110 DM nebst Zinsen und Unkosten an die Klägerin zu bezahlen; hinsichtlich des Schecks über 275 DM hat es die Klage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin blieben erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte die Abweisung der Klage weiter. Die Anschlußrevision der Klägerin wendet sich gegen die teilweise Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
A.
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
Der Beklagte haftet gemäß Art. 12 ScheckG als Aussteller für die Zahlung der Schecks über 4.203 DM und 4.110 DM. Da diese Schecks unstreitig rechtzeitig vorgelegt und nicht eingelöst worden sind und die Verweigerung der Zahlung ordnungsgemäß festgestellt worden ist, kann die Klägerin gemäß Art. 40, 45 ScheckG gegen den Beklagten Rückgriff nehmen.
I.
Der Beklagte ist Aussteller der Schecks. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Beklagte die Schecks unterzeichnet hat. Dies hätten die Zeuginnen Jo., G. und D. ausgesagt, die das Landgericht für glaubwürdig gehalten habe. Die vom Beklagten vorgelegte Unterschriftsprobe gebe dem Berufungsgericht keinen Anlaß, die Aussagen anders zu beurteilen. Aus dieser Probe ergebe sich nicht, daß die Unterschriften auf den Schecks gefälscht seien. Zu dieser Feststellung bedürfe es keines Gutachtens eines Schriftsachverständigen. Schon ein oberflächlicher Vergleich zeige, daß die Scheckunterschriften die typischen Schriftzüge der Unterschrift des Beklagten enthielten. Die Abweichungen seien nur geringfügig; im übrigen seien auch die unstreitig vom Beklagten stammenden mehreren Unterschriften in den Akten nicht vollständig gleich. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Ansicht der Revision war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, das Gutachten eines Schriftsachverständigen einzuholen. Die Feststellung, die es hinsichtlich der Unterschrift getroffen hat, erfordert keine besondere Sachkunde; sie ließ sich durch bloßen Augenschein treffen. Wenn das Berufungsgericht danach keinen Anlaß sah, die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeuginnen zu bezweifeln, so lag dies im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO.
II.
Durch die Übergabe der formgültigen Schecks an die Klägerin ist der Beklagte scheckrechtlich verpflichtet worden.
1.
Der Einwand, der Beklagte sei infolge Alkoholgenusses geschäftsunfähig gewesen, ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens es nicht für erwiesen erachtet, daß sich der Beklagte bei der Unterzeichnung und - wie aus dem Urteilszusammenhang sinngemäß zu ergänzen ist - der Übergabe der Schecks alkoholbedingt oder aus anderen Gründen in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Diese Feststellung läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision auch nicht angegriffen. Da der Beklagte die Beweislast dafür trägt, daß die Störung der Geistestätigkeit den Ausschluß der freien Willensbestimmung bewirkt hat (vgl. SenUrt. v. 5.6.72 - II ZR 119/70, WM 1972, 972) und den Beweis schuldig geblieben ist, ist von seiner Geschäftsfähigkeit auszugehen.
2.
Entgegen der Ansicht der Revision sind die Scheckbegebungsverträge nicht nichtig. Ihrer Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden, daß die Verwendung von Schecks zur Bezahlung hoher Zechschulden in Animierlokalen (ausnahmslos) sittenwidrig sei. Daß dies nicht richtig sein kann, zeigt der vorliegende Fall. Der Beklagte hatte sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von vornherein vorgenommen, mit Schecks zu bezahlen, als er die Bar der Klägerin ohne Bargeld in der dort bekannt gegebenen Absicht betrat, "bis zu 5.000 DM zu gehen". Unter diesen Umständen, zu denen noch hinzukommt, daß der Beklagte nicht in die Bar "gelockt" und dort auch nicht von der Preisgestaltung "überrumpelt" worden ist, kann es nicht als anstößig angesehen werden, wenn die Klägerin die Zeche bis zum Ende des Barbesuchs gestundet und alsdann einen Scheck entgegengenommen hat, der sich im Rahmen des Betrages hielt, den der Gast auszugeben bereit war. Der Scheck wurde hier zweckentsprechend zur Zahlung und nicht mißbräuchlich dazu verwendet, dem Gast die Beweislast dafür auszubilden, daß die Zeche nicht so hoch gewesen sei wie der Scheckbetrag ausweise (vgl. dazu LG Hamburg, WM 1973, 1427 für den "Neppwechsel"; ferner auch Liesecke, DRiZ 1975, 13). Es besteht daher auch kein Anlaß, den Beklagten durch Anwendung von § 138 BGB vor den Folgen der Scheckbegebung zu schützen. Der vorliegende Fall kann mit dem vom Landgericht Hamburg (aaO) entschiedenen nicht verglichen werden, wo Wechselformulare vom Barbesitzer bereitgehalten worden sind.
III.
Der Beklagte ist nicht berechtigt, gemäß § 821 BGB die Erfüllung der Verbindlichkeiten aus den Schecks zu verweigern, weil die Klägerin die Scheckforderungen ohne rechtlichen Grund erworben habe.
1.
Hinsichtlich der Behauptung des Beklagten, er habe nicht so viel Getränke bestellt, wie die Klägerin bezahlt verlange, hat das Berufungsgericht festgestellt, daß der Beklagte Getränke in Höhe der Schecksummen bestellt habe. Es hat dazu ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob alle Getränke, insbesondere der Sekt, auch getrunken worden seien. Die an sich recht hohe Zeche sei deshalb nicht ungewöhnlich, weil der Beklagte in einem Anflüge von weltmännischer Großmannssucht alle anwesenden Gäste und die Bardamen großzügig freigehalten habe. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei dieser Feststellung entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisantritte des Beklagten übergangen. Die Klägerin habe behauptet, der Beklagte habe sich am 19. und 20. August 1976 Jeweils bereits am späten Nachmittag in ihrem Betrieb aufgehalten. Demgegenüber habe der Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt, daß der Barbetrieb der Klägerin erst ab 21.00 Uhr öffne. Diesem Umstand komme für die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte überhaupt Bestellungen in der jeweiligen Höhe von über 4.000 DM habe aufgeben können, erhebliche Bedeutung zu. Diese Rüge hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat sich mit dieser Behauptung zwar nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, daß es diese übersehen habe. Der Beklagte hat schon im ersten Rechtszuge (Schriftsatz v. 25.1.78 S. 7) und in der Berufungsbegründung auf diesen Umstand hingewiesen. Es besteht kein Anlaß anzunehmen, daß das Berufungsgericht diesen Vortrag übersehen hat, der für die Frage von Bedeutung sein konnte, ob der Beklagte zeitlich überhaupt Bestellungen in dieser Höhe aufgeben konnte. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich, daß es sich mit dem Problem befaßt hat, ob Bestellungen in dieser Höhe überhaupt möglich waren. Dann ist aber anzunehmen, daß es den als übergangen gerügten Vortrag des Beklagten geprüft hat. Auch bei Unterstellung der Richtigkeit der Behauptung des Beklagten konnte es jedoch zu dem Ergebnis kommen, der Beklagte habe Getränke in Höhe des eingeklagten Betrages bestellt. Die Frage, ob sich der Beklagte überhaupt lange genug in der Bar der Klägerin aufgehalten hat, um eine solch hohe Zeche zu machen, spielt nur für den Besuch am 20. August 1976 eine Rolle. Am 19. August hielt er sich unstreitig vom späten Abend bis zum anderen Morgen gegen 7.00 Uhr in der Bar auf. Hingegen hat er diese am 20. August 1976 bereits gegen 23.00 Uhr wieder verlassen, um eine andere Bar aufzusuchen, in der er ebenfalls Zechschulden in Höhe von über 4.000 DM gemacht haben soll. Allerdings übersieht die Revision, daß der Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht bestritten hat, die Bar am 20. August bereits gegen 18.00 Uhr aufgesucht zu haben. Seine Behauptung ging lediglich dahin, man habe seiner Ehefrau am 21. August 1976, als diese auf der Suche nach dem Beklagten in der Bar der Klägerin vorgesprochen habe, erklärt, die Bar sei noch geschlossen, sie öffne erst um 21.00 Uhr und das Programm beginne um 22.00 Uhr. Daraus hat der Beklagte geschlossen, bis 21.00 Uhr könnten weder Gäste noch Bardamen anwesend gewesen sein, die er habe einladen können. Dieser Schluß ist aber keineswegs zwingend, wie sich aus dem Umstand ergibt, daß der Beklagte selbst auch als Gast vor der - unterstelltermaßen - offiziellen Öffnungszeit sich in der Bar aufgehalten hat. Warum dies nicht auch anderen Gästen möglich gewesen sein sollte, hat der Beklagte nicht dargetan. Das Berufungsgericht konnte deshalb auch bei Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten zu dem Ergebnis kommen, daß er in der Zeit von 18.00 Uhr bis zum Verlassen der Bar am 20. August 1976 Gäste und Bardamen freihalten und so einen Betrag von über 4.000 DM ausgeben konnte. Daß das Berufungsgericht dies im einzelnen nicht ausgeführt hat, begründet keinen Verfahrensfehler. Für eine einwandfreie Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Berufungsgericht bedarf es keineswegs eines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Partei und einer ausdrücklichen Auseinandersetzung damit, wenn sich - wie hier - nur ergibt, daß eine sachentsprechende Beurteilung überhaupt stattgefunden hat (BGHZ 3, 162, 175).
2.
Die Revision bekämpft vergeblich die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich schlüssig ergäbe, daß die Bewirtungsverträge gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig seien, weil die Klägerin in unsittlicher Weise mit Rücksicht auf die männlichen Gästen gebotene Möglichkeit zu sexueller Betätigung mit den Bardamen die hohen Preise verlange. Der Beklagte hat dazu in den Tatsacheninstanzen lediglich vorgetragen, im Barbetrieb der Klägerin werde außer den Warenleistungen auch die Möglichkeit geboten, mit den Bardamen "in mehr oder minder intimer Weise in den Separees zusammenzusein". Daraus folgt indes noch nicht, daß die Getränkepreise überhaupt und gerade deshalb übermäßig hoch waren. Dies hätte vielmehr näher substantiiert werden müssen.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Voraussetzungen des Wuchers nicht vorliegen, lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden von der Revision auch nicht angegriffen.
B.
Die Anschlußrevision der Klägerin hat Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des von den Vorinstanzen abgewiesenen Betrages von 275 DM. Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß insoweit ein scheckrechtlicher Anspruch nicht besteht, denn die Urkunde vom 20. August 1976 über 275 DM gilt nicht als Scheck, da kein Ausstellungsort angegeben ist und auch eine Ortsangabe beim Namen des Beklagten als Aussteller des Schecks fehlt (Art. 2 Abs. 1, 4 ScheckG). Dennoch hätte es der Klage auch in diesem Punkte stattgeben müssen. Die Klägerin hat ihre Klagforderung nicht nur auf die Schecks, sondern auch auf die zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte gestützt. Da das Berufungsgericht festgestellt hat, daß der Beklagte Getränke in Höhe der Schecksummen bestellt hat (vgl. vorstehend unter III 1), und diese Feststellung nach dem Parteivortrag und der Beweisaufnahme für alle Teilbeträge nur einheitlich beantwortet werden kann, bedürfte es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch hinsichtlich des Betrages von 275 DM keiner weitergehenden Substantiierung als bei den anderen Beträgen. Die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung auch dieses Betrages ergibt sich somit aus dem Grundgeschäft selbst.
Fundstellen
Haufe-Index 3018787 |
DB 1980, 1533-1534 (Volltext mit amtl. LS) |
NJW 1980, 1742 |
NJW 1980, 1742 (Volltext mit amtl. LS) |
JZ 1980, 417 |
JZ 1980, 417-418 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1980, 554-555 (Volltext mit amtl. LS) |