Leitsatz (amtlich)

Wird der Verlust laufender Einkünfte auf eine unerlaubte Handlung zurückgeführt, so muß sich der Geschädigte entgegenhalten lassen, daß er die Einkünfte auch ohne das schädigende Ereignis später mit Gewißheit verloren hätte. Insoweit ist bei der Schadensermittlung die Berücksichtigung eines sogenannten hypothetischen Ursachenzusammenhangs jedenfalls dann geboten, wenn dieser an Umstände anknüpft, die schon zur Zeit des schädigenden Ereignisses in der Person des Geschädigten selbst lagen.

 

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Entscheidung vom 13.03.1951)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Braunschweig vom 13. März 1951 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Der Kläger war von 1926 bis 1944 technischer Direktor der Zuckerfabrik W. M. & Co KG in W. Der Beklagte war seit 1937 in selben Ort Ortsgruppenleiter der NSDAP. Im Jahre 1944 wurde der Kläger, der seit dem 1. März 1932 der NSDAP angehörte, aus der Partei ausgeschlossen und von der Geheimen Staatspolizei in Lagerhaft genommen, aus der er erst im März 1945 von den einrückenden amerikanischen Truppen befreit wurde. Dem Kläger wurde vorgeworfen, er habe die Aufnahme von Bombengeschädigten abgelehnt, eingewiesenen Mietern Schwierigkeiten gemacht und eine unzulässige Vorratswirtschaft getrieben. Mit Rücksicht auf die gegen den Kläger erhobenen Anschuldigungen kündigte die Zuckerfabrik das Vertragsverhältnis zum Kläger am 25. August 1944 fristlos. Die vom. Kläger erhobene Klage auf Widerruf der Kündigung wurde im Mai 1946 durch einen Vergleich beendet, in dem sich die Zuckerfabrik zur Zahlung eines Abfindungsbetrages von 14.000 RM verpflichtete, während der Kläger sein Einverständnis erklärte, daß sein Dienstverhältnis zur Zuckerfabrik mit Ende des Jahres 1944 als beendet gelten sollte.

Der Kläger hat dem Beklagten zum Vorwurf gemacht, er habe ihn auf Grund persönlicher Zerwürfnisse schädigen wollen. Sein Ziel habe er erreicht, indem er unrichtiges und entstelltes Material zusammengetragen und an die vorgesetzten politischen Stellen weitergegeben habe. Die Mitglieder des Aufsichtsrates der Zuckerfabrik habe er unter Androhung der Verhaftung veranlaßt, seine Entlassung auszusprechen. Der Kläger sieht in dem Verhalten des Beklagten eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung und macht ihn für den Verlust seiner Stellung verantwortlich. Seinen Gehaltsausfall hat er unter Zugrundelegung eines monatlichen Gehalts von 1.000 RM auf 47.000 RM = 4.700 DM bis zum 30. Juni 1948 und auf 16.000 DM für die Zeit vom 1. Juli 1948 bis zum 1. November 1949 beziffert. Auf den vor der Währungsumstellung entstandenen Schaden hat er den von der Zuckerfabrik erhaltenen Abfindungsbetrag in Höhe von 13.000 RM = 1.310 DM gutgebracht, während er die restlichen 900 RM dieser Abfindung auf Prozeßkosten verrechnet hat. Von dem bis zum 1. November 1949 errechneten Gesamtschaden hat er mit der Klage einen Teilbetrag von 5.100 DM gelt gemacht.

Der Beklagte hat das Vorbringen des Klägers bestritten und weiter geltend gemacht, der Kläger wurde als alter Parteigenosse auf jeden Fall im Jahre 1945 seine Stellung bei der Zuckerfabrik endgültig verloren haben, so daß ein erstattungsfähiger Schaden nicht vorhanden sei.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, weil der Kläger nicht bewiesen habe, daß die von ihm erhobenen Vorwürfe zuträfen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Oberlandesgericht läßt es dahingestellt, ob der Beklagte in rechtswidriger und schuldhafter Weise die im Jahre 1944 gegen den Kläger getroffenen Maßnahmen, insbesondere die Entlassung aus seinem Dienstvertrag mit der Zuckerfabrik W. verursacht hat. Es verneint das Vorliegen eines Schadens, weil der Kläger als Altparteigenosse der NSDAP spätestens am 31. August 1945 seine leitende Stellung bei der Zuckerfabrik verloren hätte und nach Überzeugung des Oberlandesgerichts auch nach Lockerung der Entnazifizierungsmaßnahmen nicht wieder eingestellt worden wäre. Für die Zeit bis dahin betrachte der Kläger selbst seinen Gehaltsverlust durch die auf Grund des Vergleichs von der Zuckerfabrik erhaltenen Beträge als ausgeglichen. Die Berücksichtigung eines "hypothetischen Ursachenzusammenhangs", auf der das Berufungsurteil beruht, wird von der Revision unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts als rechtlich unzulässig angegriffen.

2.

Es ist zutreffend, dass das Reichsgericht grundsätzlich den Standpunkt vertreten hat, bei der Ermittlung eines Schadens sei nicht zu berücksichtigen, dass nach Entstehung des Schadens ein neues Ereignis eingetreten sei das ohne, den schadenstiftenden Vorgang nachträglich den gleichen Schaden herbeigeführt haben würde. Bei der Prüfung der Frage, welcher Zustand bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, müsse zwar der schadenstiftende Vorgang hinweggedacht werden, es dürfe aber nicht ein weiterer Umstand hinzugedacht werden, der sich auf den Ursachenverlauf nicht ausgewirkt habe. Es seien also bloss hypothetische Schadensursachen, die mit dem schadenstiftenden Vorgang nicht in Zusammenhang ständen, ausser Betracht zu lassen. Diese nach anfänglichem Schwanken (vgl RGZ 1, 66; RGZ 5, 248; RGZ 44, 331; RGZ 95, 87) wiederholt ausgesprochene und seit der Entscheidung RGZ 141, 365 beibehaltene Rechtsprechung (vgl RGZ 144, 80; RG HRR 1934 Nr. 1019; RGZ 144, 348; RG HRR 1935 Nr. 106; RG HRR 1935 Nr. 1008; RG DR 1939, 1007; RG DR 1940, 1629; RGZ 169, 117) stand im Einklang mit der im Schrifttum herrschenden Auffassung (Dernburg, Die Schuldverhältnisse, Erste Abteilung, 1899, S 65; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts Bd. 1 S 734; Traeger: Der Kausalbegriff in Straf- und Zivilrecht 1904, S 263; RGRKom 9. Aufl Vorbein 3 vor § 249; Staudinger-Werner 9. Aufl Vorbem IV 4 vor § 249). Sie stiess aber in zunehmendem Masse auf Widerspruch (Heck Grundriss des Schulrechts 1929, S 48; Siber, Schuldrecht 1931, S 41; Siber bei Planck Korn zum BGB 4. Aufl. Erl 4 b zu § 249; Neuner, Arch-ZivPrax Bd. 133, 277; Veith JW 1933, 2641 und JW 1934, 1904; Godin JW 1933, 2898; Isele JW 1934, 89). In der Nachkriegszeit haben Oberlandesgerichte unter bewusster Abkehr von der reichsgerichtlichen Rechtsprechung hypothetische Schadensursachen bei der Ermittlung des Schadens beachtet (OLG Celle NJW 1949, 585; OLG Stuttgart - Nebensitz Karlsruhe NJW 1949, 585). Insbesondere hat der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone in der Entscheidung OGHZ 1, 308 die reichsgerichtliche Rechtsprechung als mit dem Wesen des Schadensersatzrechts unvereinbar bezeichnet und die Berücksichtigung hypothetischer Schadensursachen wenigstens in begrenztem Umfang als unausweichlich erklärt. Er hat in der Entscheidung NJW 1950, 225 [226] diesen Standpunkt bestätigt. Im neueren Schrifttum dringt gleichfalls die Auffassung vor, dass eine Schadensfest-Stellung auch hypothetische Schadensursachen berücksichtigen müsse. Allerdings wird durchweg betont, dass eine Einheitslösung im Sinne einer generellen Beachtung aller sogenannter "Reserveursachen" nicht möglich sei, dass vielmehr bei bestimmten Fallgruppen eine solche Berücksichtigung auszuscheiden habe, während sie bei anderen Fallgruppen notwendig sei. Die Auseinandersetzung darüber, ob von der grundsätzlichen Beachtung oder Nichtbeachtung der Reserveursachen auszugehen sei und in welcher Weise Fallgruppen gebildet und abgegrenzt werden können, ist noch im Fluss (vgl Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse 13. Bearbeitung S 67; Larenz NJW 1950, 487; Going SJZ 1950, 865; Schmidt ArchZivPrax Bd. 152, 112 [120 ff]; Lange ArchZivPrax Bd. 152, 153 ff).

3.

Der Senat bekennt sich mit dem Obersten Gerichtshof für die Britische Zone (OGHZ 1, 308) zu dem Grundsatz, dass dem Richter, der den Umfang eines Schadens zu ermitteln hat, die Berücksichtigung hypothetischer Schadensursachen nicht schlechthin verwehrt sein kann. Schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts hatte, wie in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zutreffend ausgeführt ist, Ereignisse beachtet, die den Schadensersatzgläubiger unter dem Gesichtspunkt der Wertminderung eines Gegenstandes betroffen haben würden (RGZ 142, 8). Er hat ferner bei Rentenansprüchen hypothetische Schadensursachen berücksichtigt, die für einen bestimmten Seitabschnitt den gleichen Erwerbsschaden bewirkt hätten (RGZ 1, 66; SGZ 68, 352; RG JW 1912, 594). Insbesondere ist eine krankhafte Anlage des Geschädigten dann für erheblich erklärt worden, wenn sie mit Sicherheit zu dem gleichen Schaden geführt hätte (RG JW 1934, 1562; RGZ 169, 117 [119]). Auch der III. Senat des Bundesgerichtshofs hat es bei einem vom Schädiger zu vertretenden Einsturz eines Hauses für wesentlich gehalten, dass der Einsturz des Hauses ohne die Schädigung etwa infolge vorhandener Fliegerschäden zeitlich später eingetreten wäre (Urteil vom 18.10.1951 - III ZR 129/50 - abgedruckt in MDR 1952, 214). Wenn diese Entscheidungen auch durchweg damit begründet worden sind, es fehle für den konkreten Schaden an dem ursächlichen Zusammenhang mit dem schadenstiftenden Ereignis, so sind doch sachlich Ereignisse bei der Schadensermittlung in Rechnung gestellt worden, die sich tatsächlich nicht ausgewirkt haben (vgl Larenz NJW 1950, 488, 491; Lange ArchZivPrax Bd. 152, 160).

Hat das schädigende Ereignis, wie hier unterstellt werden muss, zu vorzeitiger Beendigung eines Dienstvertrages und damit zu einer zeitlich fortlaufenden Minderung von Einkünften im Erwerbsleben geführt, so kann die Schadenermittlung nur erfolgen, wenn die Stellung des Geschädigten im Erwerbsleben und die hierdurch gegebenen Verdienstmöglichkeiten berücksichtigt werden, wie sie ohne die schädigende Handlung und den durch sie verursachten Verlust der früheren Berufsposition bestanden haben würden. Läßt sich feststellen, daß sich die Einkommensverhältnisse des Klägers etwa infolge seiner besonderen Tüchtigkeit oder einer günstigen Konjunktur gebessert haben würden, so hat der Schädiger auch Ersatz für die entgangene Besserstellung zu leisten, wenn der Kläger infolge der schädigenden Handlung an entsprechenden Verdienstmöglichkeiten gehindert wurde (§ 252 BGB). Andererseits muß nach Auffassung des Senats zugunsten des Schadensersatzgläubigers Berücksichtigung finden, wenn dieser etwa infolge Krankheit, sinkender Wirtschaftskonjunktur oder mangelnder beruflicher Vorbildung voraussichtlich eine günstige Berufsstellung mit hohen Einnahmen auf die Dauer nicht behalten haben würde. Der Richter, der nach feststehender Rechtsprechung bei der Bemessung des Schadens grundsätzlich vorn Zeitpunkt der letzten mündlichen Sachverhandlung auszugehen hat (Palandt, Korn z BGB 10. Aufl Vorbem 9 vor § 249), kann überhaupt nur unter Anstellung hypothetischer Erwägungen ermitteln, welche Einnahmen ein Schadensersatzgläubiger ohne den Verlust seiner Stellung in einem bestimmten Zeitraum gehabt haben würde. Würde er gezwungen sein, bei dieser Betrachtung nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Geschädigten günstig gewesen wären, so würde dies eine ungerechtfertigte Besserstellung des Schadensersatzgläubigers bedeuten, zudem aber auch eine oft nur schwer zu lösende Aufgabe darstellen, da sich günstige und ungünstige Umstände mannigfaltig verflechten können. Dem Richter ist vielmehr durch § 287 ZPO die Aufgabe gestellt, alle für die Bemessung eines Schadens maßgebenden Umstände nach freier Überzeugung zu würdigen, ohne daß insoweit eine Einschränkung gemacht ist. Im Rahmen der erforderlichen vergleichsweisen Gegenüber-Stellung zweier Vermögenslagen ist insbesondere kein Grund ersichtlich, in der Persönlichkeit des Schadensersatzgläubiger liegende Umstände außer acht zu lassen, die sich je nach den Gang der Entwicklung günstig oder ungünstig auf die Einkommensmöglichkeit auswirken können. Zeiten politischer oder wirtschaftlicher Umwälzung bringen es erfahrungsgemäß mit sich, daß Personen, die unter den bisherigen Verhältnissen besonders herausgehoben waten und gut bezahlte Stellungen hatten, diese unter der sich neu bildenden Ordnung verlieren, was zur Folge hat daß sie sich nach neuen Stellungen umsehen und ungünstigere Verdienstmöglichkeiten in Kauf nehmen müssen. Die durch die Stellung in einer politischen Partei gegebenen besonderen Beziehungen zu einem bestehenden Staatssystem können zunächst zu bevorzugten Berufs- und Erwerbsmöglichkeiten führen, nach Sturz dieses Systems aber auch nachteilige Folgen haben. Würde das Schadensersatzrecht die Beachtung dieser Tatsache verwehren, so hätte der Schadensersatzgläubiger nur deshalb eine krisenfeste Position erlangt, weil ihm einmal Unrecht geschehen ist. Gegenüber anderen Personen in ähnlicher Lage wäre er damit ohne Grund bevorzugt, während der Schädiger für einen Schaden aufkommen müßte, der unter Außerachtlassung der tatsächlichen Gegebenheiten der allgemeinen Entwicklung ermittelt wäre. Das kann nicht rechtens sein. Es besteht angesichts dieses besonderen Falles kein Anlaß, die Frage der Berücksichtigung hypothetischer Schadensursachen allgemein zu behandeln, insbesondere dazu Stellung zu nehmen, ob auch in dem häufig erörterten Falle eines Sachschadens hypothetische Ursachenabläufe zu berücksichtigen sind und in welcher Weise eine Abgrenzung der Fallgruppen zu erfolgen hätte. Hier will die Entscheidung nicht vorgreifen. Der Senat hält die Berücksichtigung eines hypothetischen Ursachenzusammenhangs bei der Schadensermittlung jedenfalls dann für notwendig, wenn über die Folgen des Verlustes einer Erwerbsstellung oder einer sonstigen Erwerbsbeschränkung zu entscheiden ist und der hypothetische Ursachenzusammenhang an Umstände anknüpft, die schon zur Zeit des schädigenden Ereignisses in der Person des Schadensersatzgläubigers selbst lagen.

4.

Das Oberlandesgericht hat also mit Recht geprüft, ob der Kläger für den in Frage stehenden Zeitraum ohne das schadenstiftende Ereignis Gehaltsbezüge von der Zuckerfabrik weiter erhalten haben würde. Da es sich darum handelt, ob ein für einen bestimmten Zeitraum bestehender Schadensersatzanspruch später weggefallen ist, müssen Zweifel darüber, ob der Kläger im Jahre 1945 entlassen worden wäre, zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten gehen. Ein hypothetischer Ursachenverlauf kann nur dann beachtet werden, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, daß die hypothetische Ursache eingetreten wäre und den gleichen Schaden verursacht hätte (vgl Entscheidung des IV. Zivilsenats vom 21. Juni 1951 - IV ZR 33/50 - abgedruckt in JR 1952, 70 mit Anm. Neumann-Duesberg: Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 14. Januar 1953 - VI ZR 9/52 - abgedruckt in NJW 1953, 499; Schmidt ArchZivPrax Bd. 152 S 133). Diese Grundsätze der Beweislast werden von dem Oberlandesgericht nicht verkannt. Wenn dieses unter eingehen der Würdigung der Anordnungen der Besatzungsmacht und der örtlichen Verhältnisse feststellt, der Kläger wäre im Jahre 1945 nicht nur beurlaubt, sondern endgültig aus seiner Stellung entlassen worden, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindende Entgegen der Ansicht der Revision bedürfte es keines näheren Eingehens auf die Behauptung des Beklagten daß gewisse alte Parteigenossen nach zunächst erfolgter Beurlaubung in leitenden Stellen der Wirtschaft verblieben wären Denn das Oberlandesgericht hält nach seiner Überzeugung diese Möglichkeit hier für ausgeschlossen und berücksichtigt dabei, daß der Kläger mit den Gesellschaftern der Zuckerfabrik in einem wenig guten Verhältnis stand und daß es ihm nicht einmal nach Entlassung aus dem Gewahrsam der Gestapo, also als einem politisch Geschädigten gelungen ist, die frühere Stellung wieder zu erlangen, obwohl diese zweitweise vakant war. Daß seine Aussicht ungleich schlechter gewesen wäre, wenn man unterstellt, er sei als alter Parteigenosse auf Anordnung der Besatzungsmacht entlassen worden, ergibt sich von selbst. Zutreffend hat das Oberlandesgericht auch ausgeführt, daß der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung gehabt hätte.

5.

Allerdings könnte noch die Frage entstehen, ob dem Kläger nicht bei Unterstellung des hypothetischen Ursachenzusammenhangs aus dem nicht eingetretenen Ereignis, nämlich der Entlassung aus seiner Stellung im Jahre 1945, irgendwelche Ansprüche gegen die Zuckerfabrik entstanden wären, die er jetzt nicht hat. In diesem Falle wirkte, wie das Reichsgericht bereits ausgeführt hat die frühere Ursache insoweit noch fort, als ihr zufolge dem Geschädigten ein Ersatz von Seiten eines Dritten entgeht, den er sonst zu fordern gehabt hätte (RGZ 68, 352 [354]; vgl ferner Schmidt, ArchZivPrax Bd. 152, 136; Lange, ArchZivPrax Bd. 152, 162). Es ist daher zu prüfen, ob der Kläger nicht einen Anspruch auf Zahlung von Versorgungsbezügen oder Ruhegehalt gehabt hätte und ihm aus diesem Grunde Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zustehen könnten. Der Kläger weist selbst darauf hin daß er nach seinem Anstellungsvertrag mit Erreichung des 65. Lebensjahres pensionsberechtigt gewesen sei. In der Regel ist nun anzunehmen, daß bei vertraglicher Aufstellung bestimmter Voraussetzungen für ein Ruhegehalt die Entstehung des Ruhegehaltsanspruchs davon abhängig ist, daß das Dienstverhältnis bis zum Eintritt dieser Voraussetzungen (hier Erreichung des 65. Lebensjahres) besteht (vgl RAG ArbRSamml 46, 397; Hueck SJZ 1950, 587). Es könnte zwar möglich sein, daß eine ergänzende Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten dazu führen würde, dem Kläger - wenn man unterstellt, er sei 1945 aus politischen Gründen entlassen worden - einen Ruhegehaltsanspruch, wenigstens in gemindertem Umfang zuzubilligen (vgl HAG DR 1940, 131; das Urteil des II. Zivilsenates vom 28. Januar 1953 - II ZR 265/5 (BGHZ 8, 348) und die Zusammenstellung der neueren Rechtsprechung im BB 1953, 88). Die Frage kann aber hier auf sich beruhen, da irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß der Dienstvertrag dem Kläger schon bei einer früheren Auflösung des Dienst-Verhältnisses alsdann zu zahlende Ruhegehalts- oder Versorgungsansprüche zubilligte, daß mithin solche Ansprüche dem Kläger schon vor Erreichung des 65. Lebensjahres oder vor einer Arbeitsunfähigkeit zustanden, nicht vorgetragen sind. Soweit es sich aber um Ansprüche des Klägers nach Erreichung des 65. Lebensjahres oder nach seiner Arbeitsunfähigkeit handelt, könnte nur ein Anspruch auf Ersatz zukünftigen Schadens entstehen der von dem zeitlich begrenzten Klageantrag nicht erfaßt wird.

Da mithin für die vom Klageantrag erfaßte Zeit die Entstehung eines Schadens vom Berufungsgericht aus zutreffenden Gründen verneint worden ist, war die Revision des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018511

BGHZ 10, 6 - 13

BGHZ, 6

NJW 1953, 977-979 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1953, 413-415 (Volltext mit amtl. LS)

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge