Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für die Anfechtung eines Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Erbersatzanspruches gehört es, daß der Berechtigte ohne die Regelungen des § 1934 a BGB gesetzlicher (Mit-)Erbe würde. Ist das nicht der Fall, dann bedarf es zur Verneinung dieses Anspruches keiner besonderen "Entziehung" i.S.v. § 2338 a S. 1 BGB.
  2. Ist das nichteheliche Kind durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen (§§ 1937 f BGB), dann folgt sein Pflichtteilsanspruch bereits aus § 2303 Abs. 1 S. 2, 2338 a S. 2 BGB. Auf § 2338 a S. 1 BGB kommt es insoweit nicht an.
 

Normenkette

BGB §§ 1934a, 2338a

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Januar 1980 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist die Witwe des am 17. März 1978 verstorbenen Reisebürokaufmanns Gerhard B. (Erblasser). Dieser hatte zwei Kinder, und zwar die am ... nichtehelich geborene und vom Erblasser anerkannte Klägerin und den 1960 für ehelich erklärten Sohn Berthold. Die Klägerin ist nicht die Tochter der Beklagten; der Erblasser hat der Klägerin seinen Namen erteilt, bis zu seinem Tode war er auch ihr Vormund.

Durch eigenhändiges Testament vom 20. Mai 1961 setzte der Erblasser die Beklagte zu seiner Alleinerbin ein. Dieses Testament hat die Klägerin am 12. März 1979 gegenüber dem Nachlaßgericht unter Berufung auf § 2079 BGB angefochten.

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin ein Erbersatzanspruch oder nur ein Pflichtteilsanspruch zusteht. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klägerin lediglich ihren Pflichtteil zugebilligt. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Erbersatzanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

1.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob der Erblasser 1976 ein weiteres eigenhändiges Testament errichtet hat, durch das er die Klägerin und ihren Halbbruder zu seinen Alleinerben eingesetzt haben soll. Auf diesen - von der Beklagten bestrittenen - Vortrag der Klägerin komme es nicht an, weil der Erblasser ein etwaiges Testament von 1976 nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten selbst wieder vernichtet habe. Vielmehr richte sich die Erbfolge ausschließlich nach dem Testament vom 20. Mai 1961.

Die Revision macht hierzu geltend, die Klägerin habe die Behauptung der Beklagten über die Vernichtung des Testaments von 1976 vor dem Berufungsgericht bestritten. Diese Rüge der Revision ist nicht gerechtfertigt. Die Revision setzt sich damit in Widerspruch zum Tatbestand des angefochtenen Urteils und zu den darin in Bezug genommenen Schriftsätzen der Klägerin. Für das von der Revision geltend gemachte Bestreiten findet sich dort kein Anhalt. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin ihrer Zahlungsklage durch das jetzt von ihr angeführte Bestreiten von vornherein die Grundlage entzogen haben würde. Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht bei der Beurteilung des Erbfalles von dem Testament von 1961 ausgegangen ist; dieses ist gemäß § 2258 Abs. 2 BGB infolge Vernichtung des Testaments von 1976 mangels eines Anhaltes für einen gegenteiligen Erblasserwillen wieder wirksam geworden.

2.

Das Berufungsgericht führt aus, der Erblasser habe die Beklagte wirksam zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Die Klägerin könne daher gemäß §§ 2338 a, 2303 BGB lediglich ihren Pflichtteil beanspruchen. Der Ansicht, daß der Erbersatzanspruch des nichtehelichen Kindes nur durch ausdrückliche Erklärung entzogen werden könne, sei hier nicht zu folgen, weil dadurch Anforderungen gestellt würden, die der Erblasser unmöglich habe erfüllen können.

Dem hiergegen gerichteten Angriff der Revision hält das angefochtenen Urteil im Ergebnis stand. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Erbersatzanspruch der Klägerin sind hier nicht erfüllt.

a)

Nach § 1589 Abs. 2 BGB a.F. galten das nichteheliche Kind und sein Vater als nicht miteinander verwandt. Demgemäß gehörte das nichteheliche Kind auch nicht zu den gesetzlichen Erben des Vaters. Das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (NEG BGBl I S. 1243), das am 1. Juli 1970 in Kraft getreten ist, hat diese Lage grundlegend geändert. Für Erbfälle nach dem 30. Juni 1970 gehört das nichteheliche Kind, sofern es nach dem 30. Juni 1949 geboren ist, zu den gesetzlichen Erben der ersten Ordnung nach seinem Vater (§§ 1924, 1589 BGB, Art. 12 §§ 110, 27 NEG). Diese Gleichstellung des nichtehelichen mit dem ehelichen Kind tritt aber nicht ein, wenn das nichteheliche Kind beim Tode seines Vaters - wie hier - mit ehelichen Abkömmlingen oder mit dem überlebenden Ehegatten des Erblassers als Miterben zusammentreffen würde. Das nichteheliche Kind wird dann nicht (Mit-)Erbe seines Vaters; anstelle des gesetzlichen Erbteils erhält es vielmehr gemäß § 1934 a Abs. 1 BGB einen Erbersatzanspruch gegen den Erben.

In der gesetzlichen Anordnung, daß der Anspruch gemäß § 1934 a BGB "anstelle des gesetzlichen Erbteils" tritt, (und auch bereits in der Bezeichnung dieses Rechts als Erb- "Ersatz" - Anspruch) kommt zum Ausdruck, daß das Gesetz dem (an sich) zur gesetzlichen Erbfolge Berufenen zugleich nimmt und gibt: Genommen wird dem Berechtigten sein gesetzlicher Erbteil; statt dessen erhält er einen Ersatzanspruch. Steht dem nichtehelichen Kind beim Tode seines Vaters aber ohnehin, d.h. ohne die Regelung des § 1934 a BGB, ein gesetzlicher Erbteil nicht zu, wird ihm also durch diese Vorschrift nichts genommen, dann ist auch kein Raum, ihm "statt dessen" einen "Ersatz" zukommen zu lassen. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen des Erbersatzanspruchs gemäß § 1934 a BGB gehört es daher, daß der Berechtigte ohne die Regelungen dieser Vorschrift gesetzlicher (Mit-)Erbe würde.

b)

An diesem Merkmal fehlt es hier. Denn der Erblasser hat die Klägerin durch sein Testament von 1961 durch Einsetzung der Beklagten zu seiner Alleinerbin (§ 1937 BGB) von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Der eingeklagte Erbersatzanspruch ist daher nicht entstanden; die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Einer besonderen Entziehung des Erbersatzanspruches bedarf es bei dieser Sachlage zur Verneinung des Anspruchs somit nicht.

§ 2338 a Satz 1 BGB, auf den die Revision sich insoweit stützt, ist nicht einschlägig. Diese Vorschrift regelt nicht den Erbersatzanspruch, sondern einen besonders gelagerten Fall des Pflichtteilsanspruchs. Sie ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch zur Begründung des der Klägerin zugebilligten Pflichtteilsanspruchs nicht erforderlich oder geeignet. Das Pflichtteilsrecht der Klägerin folgt vielmehr bereits unmittelbar aus § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 2338 a Satz 2 BGB. Demgegenüber betrifft § 2338 a Satz 1 BGB nur die Fälle, in denen § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht eingreift, wo der Erblasser seinen nichtehelichen Abkömmling (oder Vater) also nicht im Sinne von § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen, sondern ihm lediglich den Erbersatzanspruch entzogen hat. Der Gesetzgeber hat eine derartige Regelung für erforderlich gehalten, weil der Erbersatzanspruch keine Erbfolge im Sinne von § 2303 BGB sei, die Entziehung dieses Anspruchs dem Ausschluß von der Erbfolge aber gleichgestellt werden müsse (BT-Drucks. V 2370 S. 100). Die Vorschrift belegt zugleich, daß eine derartige (isolierte) Entziehung des Erbersatzanspruchs möglich ist. Sie besagt aber nicht, daß die Verneinung des Erbersatzanspruches stets eine ausdrückliche oder doch eine konkludente "Entziehung" voraussetze (vgl. aber Brüggemann FamRZ 1975, 309, 311 ff.; Kumme ZBlJR 1973, 13; 1977, 339; Palandt/Keidel, 40. Aufl. Anm. 2 b). Durch die Aufstellung eines derartigen Erfordernisses würden die nichtehelichen Kinder zudem erheblich besser gestellt als die ehelichen Kinder. Das zeigt gerade der vorliegende Fall. Eine solche Bevorzugung wäre aber nicht rechtens; sie ginge über den Verfassungsauftrag des Art. 6 Abs. 5 GG hinaus und ließe sich aus den Materialien zum Nichtehelichengesetz nicht belegen. Überdies käme sie in den Fällen des § 1934 a Abs. 2, 3 BGB beim Tode des nichtehelichen Kindes (oder seines Kindes) auch dessen Vater (und seinen Abkömmlingen) zugute.

3.

Die von der Klägerin erklärte Testamentsanfechtung führt nicht zu einer anderen Beurteilung.

Zwar hat die Klägerin die Anfechtung form- und fristgerecht erklärt; auch sind die Voraussetzungen der Anfechtung gemäß § 2079 Satz 1 BGB hier erfüllt. Die Anfechtung ist aber gemäß § 2079 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsgericht führt hierzu aus: Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2079 Satz 2 BGB sei auf den mutmaßlichen Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments abzustellen, spätere Willensänderungen seien unbeachtlich. Vielmehr sei der Frage nachzugehen, wie der Erblasser verfügt haben würde, wenn er zwar hinsichtlich der Person des Pflichtteilsberechtigten die später eingetretene Sachlage gekannt hätte, im übrigen aber diejenigen Umstände auf sich hätte wirken lassen, die ihn zur Zeit der Errichtung der Verfügung von Todes wegen zu dieser bestimmt haben.

Wenn die Revision demgegenüber auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Nichtehelichengesetzes (1. Juli 1970) hinaus will, dann setzt sie sich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu dieser Frage (Urteil vom 17. Dezember 1953 - IV ZR 133/53 - LM BGB § 2079 Nr. 1), von der abzugehen kein Anlaß besteht. Die Revision betont hierzu, es handele sich (auch) um eine Änderung der Rechtslage. Das rechtfertigt aber keinen Unterschied. Denn bei der "Rechtslage" handelt es sich nur um einen Teilaspekt der Sachlage im Sinne von § 2079 Satz 2 BGB. Zu einer Verschiebung des hier maßgebenden Zeitpunktes gibt dieser Gesichtspunkt keinen Anlaß. Deshalb hat das Berufungsgericht zutreffend außer Betracht gelassen, daß der Erblasser sich Ende der 60er Jahre von der Beklagten getrennt hatte.

Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht festgestellt, es sei anzunehmen, daß der Erblasser im Jahre 1961 auch bei Kenntnis von der Existenz und von der Erbberechtigung der Klägerin dieselbe Verfügung von Todes wegen errichtet haben würde. Hierzu hat das Berufungsgericht sich insbesondere darauf gestützt, daß der Erblasser damals sogar seinen 1960 für ehelich erklärten Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen hat, obwohl er sehr an ihm gehangen und in ihm seinen späteren Nachfolger in seinem Unternehmen gesehen habe.

Zu Unrecht bringt die Revision demgegenüber vor, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß der Erblasser damals davon ausgegangen sei, der Sohn werde seinen Erbteil von der Beklagten erhalten oder diese später beerben. Eine dahingehende Feststellung hat das Berufungsgericht aber nicht getroffen. Auch der Vortrag der Klägerin, auf den die Revision sich Jetzt insoweit bezieht, ging nicht in diese Richtung. Entgegen der weiteren Rüge der Revision hat das Berufungsgericht sich in diesem Zusammenhang auch nicht in Widerspruch zu seiner Annahme gesetzt, der Erblasser habe in seinem Sohn den späteren Nachfolger gesehen. Der Erblasser mag 1961 gehofft und gewünscht haben, sein damals sieben Jahre alter Sohn werde einmal sein Nachfolger, Dennoch hat er keine dahingehende Verfügung getroffen. Durch Einsetzung der Beklagten zu seiner Alleinerbin hat er dieser vielmehr auch insoweit völlig freie Hand gelassen. Für Rückschlüsse auf einen der Klägerin günstigeren mutmaßlichen Erblasserwillen bieten diese Umstände keinen Anhalt. Im übrigen wird die Annahme des Berufungsgerichts, der Erblasser würde sein Testament von 1961 auch bei Kenntnis von der Existenz und von der Erbberechtigung der Klägerin errichtet haben, von weiteren tatsächlichen Umständen nahegelegt: Der Erblasser hat sein Testament von 1961 bestehen lassen, obwohl er seit seiner Trennung von der Beklagten mit der Mutter der Klägerin und später mit der Klägerin selbst und deren Großeltern zusammengelebt hatte, obwohl er ihr seinen Namen erteilt hatte (§ 1618 Abs. 1 Satz 1 BGB) und obwohl er zuletzt sogar ihr Vormund gewesen war.

Da das angefochtene Urteil auch sonst keine Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin aufweist, ist die Revision zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen

Rottmüller

Dr. Schmidt-Kessel

Rassow

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456256

BGHZ, 290

NJW 1981, 1735

DNotZ 1983, 114

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