Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Versicherungsgesellschaft verlangt von dem beklagten Versicherungsnehmer die Rückerstattung von Entschädigungszahlungen, die sie zur Regulierung eines Brandschadens geleistet hat.
Der Beklagte war Inhaber einer Industriedruckerei, für die er bei der Klägerin eine Feuerversicherung zum Neuwert mit Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen hatte. Am 26. Dezember 1997 brannte das gemietete Betriebsgebäude infolge Brandstiftung ab; die Betriebseinrichtung, darunter die Druckmaschinen, wurde zerstört. Der oder die Täter wurden bislang nicht überführt. Die strafrechtlichen Ermittlungen, die sich auch gegen den Beklagten richten, sind noch nicht abgeschlossen.
Da die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht mißtraute, trat sie in die Regulierung des Brandschadens ein. Am 27. Mai 1998 einigten sich die Parteien hinsichtlich des Betriebsunterbrechungsschadens auf eine Entschädigung in Höhe von 65.000 DM, welche die Klägerin in zwei Teilzahlungen vom 12. Februar und vom 27. Mai 1998 leistete. Auf den Schaden an der Betriebseinrichtung (Sachschaden) erbrachte die Klägerin am 12. März, 29. Mai und 4. August 1998 Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 770.000 DM. In der Abschlußbesprechung vom 24. November 1998 vereinbarten die Parteien für die Betriebseinrichtung eine Gesamtentschädigung von 839.053 DM, wobei sie vom Neuwert der Maschinen ausgingen. Den noch offenstehenden Restbetrag von 69.053 DM zahlte die Klägerin dem Beklagten nicht mehr aus, weil sie kurz nach der Abschlußbesprechung von der Kriminalpolizei erfuhr, daß gegen ihn der Verdacht der vorsätzlichen Brandstiftung bestehe.
Die Klägerin verlangt nunmehr die gezahlten Beträge von insgesamt 835.000 DM mit der Begründung zurück, daß der Beklagte sie bei den Regulierungsverhandlungen arglistig getäuscht habe und sie deshalb nach ihren Versicherungsbedingungen leistungsfrei geworden sei. Der Beklagte habe ihr eine fingierte Rechnung der Firma B. vom 20. Juli 1998 über den Kauf von Ersatzdruckmaschinen zum Preis von 780.074,70 DM netto am 23. Juli 1998 vorgelegt und außerdem bei der Abschlußbesprechung wahrheitswidrig erklärt, die Maschinen seien schon geliefert worden und bei der Firma B. untergestellt. Ferner habe der Beklagte ihr verschwiegen, daß er seinen Betrieb schon zum 1. Januar 1998 abgemeldet habe.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Rückzahlung der Versicherungsleistungen verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin den Rückzahlungsanspruch mit folgender Begründung zuerkannt: Die Klägerin habe ihre Zahlungen ohne rechtlichen Grund geleistet, weil sie durch zweifache arglistige Täuschung des Beklagten von ihrer Leistungspflicht frei geworden sei. Zum einen habe der Beklagte der Klägerin bei der Abschlußbesprechung am 24. November 1998 wahrheitswidrig vorgespiegelt, daß die neuen Druckmaschinen schon geliefert und bei der Firma B. untergestellt seien. Zum anderen habe er nie erwähnt, daß er seinen Betrieb schon zum 1. Januar 1998 abgemeldet habe, sondern im Gegenteil durch seine Äußerungen den Eindruck erweckt, als sei der Betrieb nicht abgemeldet worden. Ob der Beklagte außerdem die Rechnung der Firma B. für die neuen Druckmaschinen fingiert und ob er den Brand selber gelegt habe, könne dahingestellt bleiben.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten auf der Grundlage seiner bisherigen Tatsachenfeststellungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da das Berufungsgericht es unterlassen hat, Feststellungen zur Eigenbrandstiftung und zur inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Kaufpreisrechnung zu treffen, ist im Revisionsverfahren zugunsten des Beklagten davon auszugehen, daß er an der Brandstiftung nicht beteiligt war und mit der Firma B. tatsächlich einen Kaufvertrag über neue Druckmaschinen geschlossen hatte. Dann aber erweist sich die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei wegen arglistiger Täuschung leistungsfrei geworden, als rechtsfehlerhaft, denn der vom Berufungsgericht angewandte § 14 Nr. 2 der dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) Fassung Januar 1995 greift nicht ein. Er lautet:
„Versucht der Versicherungsnehmer, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, so ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei.”
1. Soweit das Berufungsgericht eine arglistige Täuschung darin erkennt, daß der Beklagte der Klägerin die Abmeldung seines Betriebes nicht angezeigt hat, nimmt es zugleich, wie sich aus seiner Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil ergibt, eine Täuschung über die fehlende Absicht der Wiedereröffnung des Betriebes und über die fehlende Absicht der Ersatzbeschaffung von Druckmaschinen an. Da dann dem Beklagten kein Betriebsunterbrechungsschaden entstanden wäre und kein Anspruch auf den Neuwertanteil der zerstörten Maschinen zustehen würde, handelt es sich dabei um Tatsachen, die im Sinne des § 14 Nr. 2 AFB 87 für den Grund und die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht bei seiner Feststellung, der Beklagte habe die Klägerin hinsichtlich seiner Wiedereröffnungs- und Ersatzbeschaffungsabsicht getäuscht, gegen das Verfahrensgebot zur umfassenden Würdigung des Prozeßstoffs verstoßen hat (§ 286 ZPO). Das Berufungsgericht hat offensichtlich der Abmeldung des Betriebes entnommen, daß der Beklagte den Betrieb schon damals nicht wieder eröffnen wollte. Dabei hat es aber die unstreitigen Umstände nicht beachtet, daß das Betriebsgebäude völlig zerstört war und der Beklagte der Klägerin offen erklärte, er wolle seinen Betrieb nicht auf dem alten angemieteten Grundstück wiedereröffnen, sondern ein neues Betriebsgrundstück zur Miete oder zum Kauf suchen und habe für die Zwischenzeit seinen einzigen Mitarbeiter entlassen. Ist aber die betriebliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers bis auf Weiteres völlig zum Erliegen gekommen, dann ist nicht ersichtlich, weshalb die Abmeldung auf die fehlende Absicht der Wiedereröffnung des Betriebes an anderer Stelle hindeuten soll. Die Abmeldung kann sich vor diesem Hintergrund als Folge der erzwungenen Stillegung des Betriebes und als eine Maßnahme darstellen, die, ebenso wie die Stillegung, nur vorübergehenden Charakter hatte.
Die Annahme einer arglistigen Täuschung im Sinne des § 14 Nr. 2 AFB 87 wegen verschwiegener Abmeldung des Betriebes läßt sich danach nicht aufrechterhalten.
2. Soweit es um die unstreitig falsche Erklärung des Beklagten geht, die neuen Druckmaschinen seien schon geliefert und bei der Firma B. untergestellt worden, hat das Berufungsgericht hierin zwar im Ergebnis zu Recht eine arglistige Täuschung im Sinne des § 14 Nr. 2 AFB 87 gesehen. Sie betraf den Neuwertanteil der Entschädigung. Nach § 11 Nr. 5 b AFB 87 erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, daß er die Entschädigung verwenden wird, um zerstörte Sachen in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen. Diese Täuschung verhilft der Klägerin jedoch nicht rückwirkend zur Leistungsfreiheit bezüglich der vorher erbrachten Abschlagszahlungen.
§ 14 Nr. 2 AFB 87 entspricht in seinem Grundgedanken, daß arglistige Täuschung bei den Regulierungsverhandlungen dem Versicherer Leistungsfreiheit verschafft, dem § 16 AFB 30. Zu dieser Bestimmung hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß von der Leistungsfreiheit nur solche Ansprüche betroffen sind, die im Zeitpunkt der arglistigen Täuschung noch offen sind. Die Klausel enthält eine Verwirkungsbestimmung mit Strafcharakter. Sie beruht letztlich auf dem Gedanken, daß dem arglistig getäuschten Versicherer eine Leistung nicht mehr zugemutet werden kann. Für schon vor dem Eintritt des Verwirkungstatbestandes erbrachte Leistungen auf bestehende Verbindlichkeiten entfällt der rechtliche Grund durch die arglistige Täuschung daher nicht. Der Gedanke, daß ein Vertragspartner eine empfangene Leistung, die ihm zum Zeitpunkt der Erfüllung auch zustand, wegen einer nachträglichen Pflichtverletzung herauszugeben hätte, ist dem bürgerlichen Recht fremd (BGHZ 96, 88, 94 ff.).
Da die bereits erbrachten Zahlungen der Klägerin Abschlagszahlungen waren, die nicht unter Vorbehalt standen und die allesamt geleistet wurden, bevor der Beklagte in der Abschlußbesprechung vom 24. November 1998 wahrheitswidrig eine bereits erfolgte Lieferung der Ersatzmaschinen vorspiegelte, ist durch diese arglistige Täuschung der Rechtsgrund für die Leistungen der Klägerin nicht weggefallen.
§ 14 Nr. 2 AFB 87 vermag der Klägerin daher nicht zu einem Rückzahlungsanspruch zu verhelfen.
3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 563 ZPO). Dies wäre der Fall, wenn die Klägerin aus anderen Gründen ihre Zahlungen ohne rechtlichen Grund geleistet und deshalb einen Bereicherungsanspruch gegen den Beklagten hätte (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Rückfordernde die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er ohne rechtlichen Grund geleistet hat. Dies gilt auch für den Versicherer, der deshalb darlegen und beweisen muß, daß er in Wahrheit nicht zur Leistung verpflichtet gewesen sei (BGHZ 123, 217, 218 f.). Da im vorliegenden Revisionsverfahren davon auszugehen ist, daß keine Leistungsfreiheit der Klägerin wegen Eigenbrandstiftung gegeben ist (§ 61 VVG), müßte sie dargelegt und bewiesen haben, daß dem Beklagten durch den Brand kein Betriebsunterbrechungs- und/oder Sachschaden entstanden ist oder der Schaden geringer ist als die Summen, die sie bereits bezahlt hat. Dies hat die Klägerin aber nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bewiesen.
a) Die Klägerin hat nicht bewiesen, daß dem Beklagten kein Betriebsunterbrechungsschaden entstanden ist oder ein solcher, der geringer ist als die von ihr gezahlten 65.000 DM. Zwar unterstellt sie dem Beklagten die fehlende Absicht der Wiederaufnahme des Betriebes und leugnet aus diesem Grunde einen Unterbrechungsschaden. Dieser Vortrag ist aber nur in Verbindung mit der Behauptung der Eigenbrandstiftung schlüssig. Der – unterstellte – Entschluß des Beklagten, seinen Betrieb aufzugeben, würde für sich allein seinen Anspruch auf eine Betriebsunterbrechungsentschädigung nicht dem Grunde nach, sondern allenfalls hinsichtlich der Höhe berühren (vgl. zu den verschiedenen Rechtsfolgen eines Aufgabeentschlusses, je nachdem, wann und aus welchem Grund die Stillegung beschlossen wird, Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 6 FBUB Rdn. 4 ff.). Selbst wenn die Betriebsaufgabe schon vor dem Brand beschlossen war, wäre erst ab dem hypothetischen Stillegungszeitpunkt kein Betriebsunterbrechungsschaden mehr entstanden. Zum Datum des hypothetischen Stillegungszeitpunktes und dazu, ob mit Rücksicht auf dieses Datum die auf „fiktiver Basis” vereinbarte Betriebsunterbrechungsentschädigung von 65.000 DM zu hoch war, hat die Klägerin aber nichts vorgetragen. Nur für den Fall einer Eigenbrandstiftung könnte der hypothetische Stillegungszeitpunkt ohne weiteres mit der Brandstiftung gleichgesetzt werden.
b) Hinsichtlich des Sachschadens hat die Klägerin nicht bewiesen, daß sie dem Beklagten in Wahrheit keine oder eine geringere als die gezahlte Entschädigung schuldete.
Nach dem Versicherungsschein war die technische und kaufmännische Betriebseinrichtung zum Neuwert versichert. Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wieder zu beschaffen (§ 5 Nr. 2a AFB 87). Die Klägerin selbst hat in ihrem Abschlußbericht vom 27. November 1998 den Neuwertschaden an den Maschinen und der Büroeinrichtung mit 702.072 DM bzw. 30.000 DM und den gesamten Sachschaden auf Neuwertbasis mit 839.053 DM errechnet. Ihre Abschlagszahlungen auf den Sachschaden liegen mit insgesamt 770.000 DM unter dieser Gesamtschadenssumme.
Die Klägerin hätte deshalb nur dann mehr gezahlt als geschuldet, wenn der Beklagte lediglich Anspruch auf den Zeitwertschaden an den Maschinen und der Büroeinrichtung gehabt hätte. Dieser betrug nach der Berechnung der Klägerin 357.494 DM bzw. 22.420 DM, was zuzüglich weiterer, von der Unterscheidung zwischen Neuwert- und Zeitwertschaden nicht betroffener Schadenspositionen zu einer Reduzierung des gesamten Sachschadens auf 486.895 DM geführt hätte.
Die Klägerin meint, daß sie nur den Zeitwert der zerstörten Druckmaschinen habe ersetzen müssen. Soweit sie ihre Ansicht damit begründet, daß der Beklagte ihr die Lieferung der Maschinen vorgespiegelt habe, ist ihr Vortrag nicht schlüssig, weil für den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz auch der Neuwertspanne die bereits erfolgte Lieferung der Ersatzsachen keine Voraussetzung ist, sondern die Sicherstellung der Wiederbeschaffung durch einen Kaufvertrag genügt (Martin, Sachversicherungsrecht 3. Aufl. R IV 34, 37). Schlüssig ist jedoch die weitere Behauptung der Klägerin, auch den Kaufvertrag mit der Firma B. habe der Beklagte nur vorgetäuscht. Diese Behauptung ist jedoch nicht erwiesen, weil das Berufungsgericht es offengelassen hat, ob die Rechnung der Firma B. und der Kaufvertrag fingiert waren. Für das Revisionsverfahren ist daher ein Kaufvertrag zu unterstellen. Daraus folgt, daß die Verwendung der Entschädigungssumme zur Ersatzbeschaffung sichergestellt war. Dann aber hatte der Beklagte Anspruch auf den Neuwertanteil.
Nach den derzeitigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann also nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte auf die von der Klägerin geleisteten Zahlungen ganz oder auch nur teilweise keinen Anspruch hatte. Infolgedessen muß der Rückerstattungsanspruch der Klägerin als unbegründet angesehen werden. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben.
III. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Rückzahlungsklage in vollem Umfang begründet wäre, wenn der Beklagte selber den Brand vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hätte (§ 61 VVG), und weil sie teilweise begründet wäre, wenn der Beklagte den Kaufvertrag und die Rechnung nur fingiert hätte. In diesem Falle wäre der Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Leistungen begründet, die den Zeitwertschaden der Druckmaschinen übersteigen, also in Höhe des von der Revision mit 283.105 DM bezifferten Betrages. Darüber hinaus könnte der Klage hinsichtlich der vollen letzten Abschlagszahlung (300.000 DM) stattzugeben sein, wenn der Beklagte der Klägerin am 23. Juli 1998 eine fingierte Rechnung vorgelegt und somit die Klägerin arglistig getäuscht hat (§ 14 Nr. 2 AFB 87). Die bislang unterlassenen Feststellungen hierzu muß das Berufungsgericht nachholen.
Unterschriften
Terno, Seiffert, Ambrosius, Wendt, Dr. Kessal-Wulf
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.06.2001 durch Heinekamp Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 613413 |
BGHR 2001, 823 |
NJW-RR 2001, 1240 |
NVersZ 2001, 519 |
VersR 2001, 1020 |