Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. April 1998 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte L und F in den Fällen 74 bis 78 (II. 2 i der Urteilsgründe) freigesprochen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Untreue (Angeklagte Ruth Lerche) bzw. der Beihilfe zur Untreue (Angeklagter F) freigesprochen. Die – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revisionen der Staatsanwaltschaft, die sich mit der Sachrüge gegen die Freisprüche beider Angeklagten in einem Teilkomplex richten, haben Erfolg.
1. Den Untreuevorwürfen liegen Transaktionen im Zusammenhang mit der Auflösung des Volkseigenen Außenhandelsbetriebes der DDR „VE As” (im folgenden: VEB As) zugunsten der neu gegründeten Firma „As GmbH” (im folgenden: As GmbH) – deren geschäftsführende Gesellschafterin die Angeklagte L war – im Jahre 1990 zugrunde. Der angefochtene Freispruch betrifft den Teilkomplex der Umbuchung von Bankguthaben des VEB As auf Konten der As GmbH in Höhe von 31 Millionen DM.
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die Angeklagte L habe sich angesichts der gänzlich unklaren Rechtslage als Rechtsnachfolgerin oder als (faktische) Liquidatorin des VEB As ansehen dürfen. Deswegen sei die Umbuchung nicht pflichtwidrig. Auch sei dem Berechtigten kein Nachteil zugefügt worden; selbst eine schadensgleiche Vermögensgefährdung sei nicht eingetreten. Jedenfalls sei ein Irrtum über Tatumstände gegeben.
3. Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen sind unzureichend (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO), so daß der Senat nicht überprüfen kann, ob die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung zutreffend ist, es fehle an einem pflichtwidrigen Handeln, es liege kein Vermögensschaden vor, jedenfalls aber fehle es am Vorsatz.
So fehlen insbesondere zureichende Feststellungen zu folgenden für die strafrechtliche Beurteilung erheblichen Umständen:
- Ob die transferierten Guthaben schon vor der Auflösung vorhandene Vermögensbestandteile des VEB As oder etwa Erlöse aus der Betriebsfortführung waren;
- wer Inhaber der Bankguthaben während und nach der Betriebsauflösung war, bevor diese auf die As GmbH transferiert wurden;
- wer über die Bankguthaben verfügungsberechtigt war;
- ob eine und gegebenenfalls welche Rechtspflicht über die Auszahlung der Guthaben bestand, wer Schuldner und Gläubiger dieses Herausgabeanspruchs war und ob und wann dieser fällig wurde;
- welche Handlungen oder Unterlassungen der Angeklagten im Zusammenhang mit dieser Herausgabepflicht relevant waren.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
a) In bezug auf die hier interessierenden Fragen besteht kein Unterschied zwischen § 266 StGB und dem zur Tatzeit geltenden wortgleichen § 163 StGB-DDR (vgl. BGH NStZ 1994, 231; BGH NJW 1999, 1489).
b) In Betracht kommt zum einen eine Untreue in Form des Mißbrauchstatbestandes zum Nachteil des VEB As („in Liquidation”) durch Transferierung der Guthaben des VEB As in das Vermögen der As GmbH und zum anderen in Form des Mißbrauchs- oder Treubruchstatbestandes zum Nachteil des Staates durch pflichtwidrige Nichtherausgabe der Guthaben.
aa) Der „Umbuchung” des Guthabens des VEB As auf Konten der As GmbH könnten im Innenverhältnis Beschränkungen entgegengestanden haben, die den Mißbrauchstatbestand begründen können (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Treubruch 2; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 27; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 41). Hätte die Angeklagte L diesen Beschränkungen zuwider Umbuchungen vorgenommen, könnte eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zum Nachteil des VEB As eingetreten sein. Diese wäre nur dann ausgeschlossen, wenn derjenige, dem die Werte des VEB As zustanden, über die Konten der As GmbH – ähnlich wie über werthaltige Sicherheiten – hätte verfügen können wie zuvor über das frühere Konto (vgl. BGH wistra 1992, 142; wistra 1995, 222; BGH StV 1995, 254; StV 1997, 416 m.w.N.; BGH, Urteil vom 4. März 1999 - 5 StR 355/98 -).
bb) Würde die Untreue allein in der Nichtherausgabe liegen, käme es darauf an, ob eine fremdnützig typisierte Treuepflicht (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 40; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 23) verletzt ist.
cc) Im Hinblick auf beide Fallgestaltungen wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, inwieweit die neu zu treffenden Feststellungen mit den bindenden Feststellungen (vgl. UA S. 11, Fall 58) vereinbar sind.
5. Die Gründe, die zur Aufhebung des Freispruchs der Angeklagten L geführt haben, betreffen auch den Freispruch des als Gehilfen angeklagten F; auch sein Freispruch kann keinen Bestand haben.
6. Die Teilaufhebung macht den Ausspruch über die Entschädigung der Angeklagten L gegenstandslos.
Unterschriften
Harms, Häger, Basdorf, Nack, Tepperwien
Fundstellen
Haufe-Index 541071 |
wistra 1999, 383 |