Leitsatz (amtlich)
›Eine außerordentliche Kündigung unter Berufung auf § 242 BGB kann in der Regel nur auf Umstände gestützt werden, die in der Person oder zumindest im Risikobereich des Kündigungsgegners begründet sind. Wird der wichtige Grund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluß des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, so rechtfertigt dies in Ausnahmefällen dann die fristlose Kündigung, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die nach der Rechtsprechung zum Wegfall oder zur wesentlichen Veränderung der Geschäftsgrundlage führen.‹
Tatbestand
Die Kl. vermietete der Bekl. durch Vertrag vom 22.3.1991 eine Baracke im "W. 1" auf dem Gelände des ehemaligen Energiekombinats S. zum Betrieb eines Schuh-Einzelhandels. Zur Dauer des Mietverhältnisses trafen die Parteien in § 2 des Vertrages folgende Vereinbarung: Der Abschluß des Vertrages erfolgt auf ein Jahr. Er beginnt am 1.3.1991 und endet am 1.3.1992. Dem Mieter wird nach Ablauf dieser geregelten Mietzeit eine Option von 2 x 5 Jahren eingeräumt.
Mit Schreiben vom 10.7.1991 teilte die Kl. der Bekl. mit: "Das Unternehmen der Energiewerke S. AG bereitet zur Zeit den Bau eines Neubaukraftwerkes vor. Als Standort hierfür ist das Gelände des ehemaligen W. 1 und östlich daran anschließende Fläche vorgesehen. Gemäß Ablaufplan wird mit dem Bau ab zweitem Quartal 1992 begonnen. Wir bitten um Kenntnisnahme der Absicht unseres Unternehmens. Nach Vorliegen des Baubeschlusses, jedoch spätestens bis 30.9.1991, erhalten Sie die notwendig werdende Kündigung. Für die Beschaffung eventueller Ersatzräume bieten wir Ihnen unsere Unterstützung an."
Die Bekl. widersprach der "zum 30.9.1991 in Aussicht genommenen Kündigung" mit Schreiben vom 24.7.1991 und kündigte vorsorglich die Annahme der Option für weitere fünf Jahre gemäß Mietvertrag vom 22.3.1991 an. Unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 10.7.1991 kündigte die Kl. sodann mit Schreiben vom 30.9.1991 das Mietverhältnis zum 31.12.1991 und widersprach zugleich vorsorglich einer Fortsetzung des Mietgebrauchs gemäß § 568 BGB. Im Juli/August 1992 erhob die Kl., gestützt auf ihre Kündigungserklärung vom 30.9.1991, Räumungs- und Herausgabeklage gegen die Bekl. Die Klage wurde vom KreisG S. abgewiesen.
Im vorl. Rechtsstreit nimmt die Kl. die Bekl. wiederum auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts in Anspruch. Sie stützt das Klagebegehren auf eine weitere mit Schreiben vom 23.10.1992 erklärte außerordentliche Kündigung, die sie damit begründet hat, daß der geplante Kraftwerkneubau die Räumung erforderlich mache und daß darüber hinaus das zwischen Vermieter und Mieter erforderliche Vertrauensverhältnis unheilbar zerrüttet sei. Das KreisG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt.
Fundstellen
Haufe-Index 538101 |
DRsp I(133)591b |
ZMR 1996, 309 |