Leitsatz (amtlich)
a) An der Rechtsprechung, wonach bei der Klage auf Erklärung des Verfalls einer Marke in die Prüfung, ob die Marke gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt worden ist, auch der Zeitraum nach Klageerhebung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz einzubeziehen ist, hält der Senat nicht fest, weil sie einer unionsrechtskonformen Auslegung nicht mehr entspricht.
b) Im Fall einer Klage auf Erklärung des Verfalls einer Marke ist für die Feststellung, ob der in § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage und damit auf das Datum der Zustellung der Klage abzustellen.
c) Ist der Klage auf Erklärung des Verfalls ein Antrag an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG vorausgegangen, so ist in entsprechender Anwendung von § 52 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 MarkenG der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Deutschen Patent- und Markenamt maßgeblich, sofern die Löschungsklage entsprechend dem in § 49 Abs. 1 Satz 4 MarkenG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Unterrichtung des Antragstellers über den Widerspruch des Markeninhabers erhoben worden ist.
d) An der Rechtsprechung, wonach die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Verfalls einer Marke die Klagepartei trifft, hält der Senat nicht fest, weil sie einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 49 Abs. 1 MarkenG nicht mehr entspricht.
e) Der Inhaber der streitigen Marke, die Gegenstand einer Klage auf Erklärung des Verfalls ist, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die ernsthafte Benutzung dieser Marke.
Normenkette
MarkenG §§ 26, 49 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 52 Abs. 1, §§ 53, 55 Abs. 1-2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 30.01.2020; Aktenzeichen 6 U 948/19) |
LG München I (Entscheidung vom 22.01.2019; Aktenzeichen 33 O 13150/17) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG München vom 30.1.2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Beklagte ist Inhaberin der am 12.10.1978 angemeldeten und am 11.1.1982 eingetragenen deutschen Wortmarke Nr. 1027401 "STELLA" mit Schutz für die Waren "Weine, nämlich Schaumweine" in Klasse 33 (Streitmarke). Die Klägerin ist eine Wettbewerberin der Beklagten auf dem Markt für Weine aller Art. Zu ihrem Produktportfolio gehört u.a. eine "STELLA"-Produktlinie.
Rz. 2
Die Klägerin hat mit einem am 2.5.2017 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Antrag die Löschung der Streitmarke wegen mangelnder rechtserhaltender Benutzung beantragt. Mit am 14.7.2017 zugestelltem Schreiben ist die Klägerin über den Widerspruch der Beklagten gegen den Löschungsantrag informiert worden und hat daraufhin am 7.9.2017 Löschungsklage erhoben, die der Beklagten am 19.9.2017 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1. die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene deutsche Marke Nr. 1027401 für alle Waren für verfallen zu erklären; 2. festzustellen, dass der Verfall der eingetragenen deutschen Marke Nr. 1027401 am 2.5.2017 eingetreten ist.
Rz. 3
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 4
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen für eine Verfallserklärung der Streitmarke lägen nicht vor. Dazu hat es ausgeführt:
Rz. 5
Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Nichtbenutzung der angegriffenen Marke im Rahmen einer Löschungsklage trage die Klägerin. Die Beklagte treffe allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Die Feststellungen des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren "Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions" (Urt. v. 26.9.2013 - C-610/11, GRUR-Int. 2013, 1047) zur Beweislast des Markeninhabers im Verfahren vor dem Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) seien für das zivilprozessuale Verfahren nicht heranzuziehen. Ihrer sekundären Darlegungslast habe die Beklagte genügt. Das bloße Bestreiten dieses Vortrags durch die Klägerin genüge nicht. Der Feststellungsantrag sei zulässig, aber unbegründet. Ob der Antrag nach § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein besonderes Feststellungsinteresse der Klagepartei erfordere, könne offenbleiben. Ein etwaig erforderliches Feststellungsinteresse wäre hier jedenfalls zu bejahen. Der Antrag sei jedoch unbegründet, weil ein Verfall der Streitmarke nicht eingetreten sei.
Rz. 6
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 7
1. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann nicht angenommen werden, der Verfallsantrag sei unbegründet, weil die Beklagte die Streitmarke gem. §§ 26, 49 Abs. 1 MarkenG a.F., § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 MarkenG n.F. für die eingetragenen Waren rechtserhaltend benutzt habe.
Rz. 8
a) Während des Rechtsstreits ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (BGBl. I 2018, 2357) mit Wirkung vom 14.1.2019 novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Teilweise sind die bis zum 13.1.2019 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden (dazu II 1a aa), teilweise sind die Änderungen für den Streitfall ohne Bedeutung (dazu II 1a bb) oder hat sich die Vorschrift nicht maßgeblich geändert (dazu II 1a cc).
Rz. 9
aa) Nach der Übergangsvorschrift des § 158 Abs. 6 MarkenG n.F. sind die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und § 26 MarkenG a.F. weiter anzuwenden, weil die Löschungsklage wegen Verfalls am 19.9.2017 und damit vor dem 14.1.2019 erhoben worden ist.
Rz. 10
bb) Der das Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren vor den ordentlichen Gerichten regelnde § 55 MarkenG sieht in Abs. 1 Satz 2 der mangels Übergangsvorschrift anzuwendenden neuen Fassung vor, dass die Verfallsklage unzulässig ist, wenn über denselben Streitgegenstand zwischen den Parteien bereits das Deutsche Patent- und Markenamt gem. § 53 MarkenG n.F. entschieden hat oder ein Verfallsantrag gem. § 53 MarkenG n.F. beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt wurde. Damit sollen eine Doppelbefassung und eventuell widerstreitende Entscheidungen vermieden werden (vgl. BeckOK.MarkenR/Kopacek, 23. Edition [Stand 1.10.2020], § 55 MarkenG Rz. 1 und 4). Für den Streitfall kommt dieser Regelung keine Bedeutung zu. Das neu eingeführte materiell-rechtliche Verfallsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt steht erst seit dem Inkrafttreten der neugefassten Vorschrift des § 53 MarkenG am 1.5.2020 zur Verfügung. Dass die Klägerin nach diesem Datum einen Antrag nach § 53 MarkenG n.F. gestellt hätte, ist weder vorgetragen noch ergibt sich ein solcher Antrag aus dem Register des Deutschen Patent- und Markenamts. Die Voraussetzungen für die Befugnis zum Erheben der Verfallsklage (§ 55 Abs. 2 MarkenG) sind nicht geändert worden.
Rz. 11
cc) Der Wortlaut der Vorschrift des § 52 MarkenG n.F., der die Wirkungen des Verfalls und der Nichtigkeit regelt, wurde an Art. 47 der Richtlinie (EU) 2015/2436 angepasst. In Abs. 1 wurde dabei dem Umstand Rechnung getragen, dass es parallel zum gerichtlichen Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren nun ein amtliches Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren beim Deutschen Patent- und Markenamt gibt (vgl. BeckOK.MarkenR/Kopacek, a.a.O., § 52 MarkenG Rz. 1). Damit ist keine für den Streitfall maßgebliche Änderung verbunden. § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, wonach in der Entscheidung über den Verfall oder die Nichtigkeit auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt festgesetzt werden kann, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, wurde nicht geändert.
Rz. 12
b) Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a.F. wird die Eintragung einer Marke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht, wenn die Marke nach dem Tag der Eintragung innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gem. § 26 MarkenG benutzt worden ist.
Rz. 13
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der für die Beurteilung maßgebliche Zeitraum gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a.F. liege, zurückgerechnet ab dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, zwischen dem 30.1.2015 und dem 30.1.2020. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 14
bb) Wann der Zeitraum von fünf Jahren vollendet sein muss, geht aus § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG (aF und n.F.), mit dem Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG (jetzt Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie [EU] 2015/2436) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken umgesetzt worden ist, nicht hervor. Der BGH ist bislang in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass bei der Prüfung des Verfalls einer Marke gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG auch der Zeitraum nach Klageerhebung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz einzubeziehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6.6.2019 - I ZR 212/17 GRUR 2019, 1051 Rz. 22 = WRP 2019, 1321 - Bewässerungsspritze, m.w.N.; so auch Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 49 Rz. 11; s. jetzt aber Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Aufl., § 49 Rz. 11). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest, weil sie der erforderlichen unionsrechtskonformen Auslegung nicht mehr standhält.
Rz. 15
cc) Im Fall einer Klage auf Erklärung des Verfalls einer Marke (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 MarkenG n.F.) ist für die Feststellung, ob der in § 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG genannte ununterbrochene Zeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage abzustellen (vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 49 Rz. 12; für den Fall einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2020 - C-607/19, juris Rz. 37 und 50 - Husqvarna). Das ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang mit § 52 Abs. 1 MarkenG n.F. (Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie [EU] 2015/2436), der bestimmt, dass die Wirkungen einer eingetragenen Marke in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, von dem Zeitpunkt der Stellung des Antrags (§ 53 MarkenG) oder - hier - der Erhebung der Klage (§ 55 MarkenG) auf Erklärung des Verfalls an als nicht eingetreten gelten (Satz 1) und in der Entscheidung auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden kann (Satz 2) (vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 49 Rz. 11; zu Art. 55 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009 über die Unionsmarke vgl. EuGH, Urt. v. 17.12.2020 - C-607/19, juris Rz. 38 bis 44 - Husqvarna).
Rz. 16
dd) Für den Zeitpunkt der Erhebung der Klage i.S.v. § 52 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 MarkenG n.F. ist das Datum der Zustellung der Klage maßgeblich (§ 253 Abs. 1 ZPO; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 52 Rz. 5; Hoppe/Dück in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, MarkenR, 4. Aufl., § 52 MarkenG Rz. 7). Ist der Löschungsklage (jetzt: Klage auf Erklärung des Verfalls) - wie hier - ein Antrag an das Deutsche Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG a.F./nF vorausgegangen, so ist in entsprechender Anwendung von § 52 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 MarkenG nF/§ 52 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a.F. der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Deutschen Patent- und Markenamt maßgeblich, sofern die Löschungsklage entsprechend dem in § 49 Abs. 1 Satz 4 MarkenG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Unterrichtung des Antragstellers über den Widerspruch des Markeninhabers (§ 53 Abs. 4 MarkenG a.F., jetzt § 53 Abs. 5 Satz 3 MarkenG n.F.; soweit § 49 Abs. 1 Satz 4 MarkenG n.F. weiterhin auf § 53 Abs. 4 MarkenG n.F. verweist, wurde offensichtlich übersehen, dass sich die zuvor in § 53 Abs. 4 MarkenG geregelte Zustellung des Widerspruchs des Markeninhabers an den späteren Verfallskläger nunmehr in § 53 Abs. 5 Satz 3 MarkenG findet, vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 49 Rz. 37) erhoben worden ist (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 52 Rz. 11; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 52 MarkenG Rz. 2; Hoppe/Dück in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, a.a.O., § 52 MarkenG Rz. 8; BeckOK.MarkenR/Kopacek, a.a.O., § 52 MarkenG Rz. 6; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 52 Rz. 9).
Rz. 17
ee) Da die Löschungsklage im Streitfall am 19.9.2017 und damit innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts über den Widerspruch der Markeninhaberin am 14.7.2017 zugestellt worden ist, liegen die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung von § 52 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 4 MarkenG n.F. vor und ist auf den am 2.5.2017 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangenen Antrag der Klägerin abzustellen. Danach kommt es auf den Zeitraum zwischen der Eintragung der Marke am 11.1.1982 und dem Eingang des Löschungsantrags beim Deutschen Patent- und Markenamt am 2.5.2017 an und ist die Marke zu löschen, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren vom 2.5.2012 bis zum 2.5.2017 nicht ernsthaft benutzt worden ist.
Rz. 18
d) Eine rechtserhaltende Benutzung i.S.v. § 26 Abs. 1 MarkenG a.F. setzt voraus, dass die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden ist.
Rz. 19
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Nichtbenutzung der Streitmarke trage die Klägerin. Die Beklagte treffe allerdings eine sekundäre Darlegungslast, wenn die Klageseite keine genaue Kenntnis von den Benutzungsumständen habe und nicht über die Möglichkeit verfüge, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären. Ob die Klägerin die ihr zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, könne dahingestellt bleiben, weil die Beklagte jedenfalls ihrer sekundären Darlegungslast genügt habe, indem sie zum Umfang der von ihr behaupteten Benutzung im Einzelnen vorgetragen habe. Insbesondere habe sie ausgeführt, allein im Jahr 2016 über 100.000 Flaschen Schaumwein unter der Bezeichnung "STELLA" nach Deutschland geliefert zu haben. Das Etikett auf der Vorderseite der Flasche weise den Schriftzug "STELLA" auf (Anlage B 2). Der Schaumwein sei u.a. an die K. Warenhandel GmbH & Co. KG geliefert worden, die das Produkt ausweislich des Internetausdrucks (Anlage B 6) auch in ihrem Online-Shop angeboten habe. Rechnungen, aus denen sich die Lieferung an die K. Warenhandel GmbH & Co. KG ergebe und in denen das Produkt mit der Bezeichnung "VINO BIANCO ASTI DOCG DOLCE STELLA" aufgelistet sei, fänden sich in Anlage B 7. Die Beklagte habe außerdem Rechnungen ihrer deutschen Tochtergesellschaft vorgelegt, überwiegend adressiert an Gesellschaften der Supermarktkette K. aus den Jahren 2012 bis 2018 (Anlage B 12), und ausgeführt, die Verkäufe des Produkts "ASTI D.O.C.G. DOLCE STELLA" beliefen sich in 2016 auf insgesamt 111.216 Flaschen. Ähnliches folge aus den Rechnungen für die Jahre 2012 bis 2015 und 2017. Das bloße Bestreiten dieses Vortrags durch die primär beweisbelastete Klägerin genüge nicht. Soweit sie in Abrede stelle, dass die in den Rechnungskopien angeführten Waren tatsächlich an die jeweiligen Warenempfänger geliefert worden seien und das Etikett unverändert seit 2012 benutzt worden sei, hätte es ihr oblegen, das Gegenteil vorzutragen und nachzuweisen. Der schlüssige Sachvortrag der Beklagten, der danach zugrunde zu legen sei, rechtfertige die Annahme einer ernsthaften Zeichenbenutzung i.S.v. § 26 Abs. 1 MarkenG.
Rz. 20
bb) Die Revision macht gegen diese Beurteilung mit Erfolg geltend, die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der (Nicht-)Benutzung der Streitmarke im Rahmen einer Klage auf Erklärung des Verfalls nach §§ 26, 49 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a.F., § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 MarkenG trage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die Klagepartei, sondern der Markeninhaber.
Rz. 21
(1) Der BGH ist allerdings bislang in Übereinstimmung mit der Literatur davon ausgegangen, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Verfalls die Klagepartei trifft. Den Beklagten einer Löschungsklage treffe nach dem auch im Prozessrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB nur eine prozessuale Erklärungspflicht, wenn der Löschungskläger keine genaue Kenntnis von den Umständen der Benutzung der Marke habe und auch nicht über die Möglichkeit verfüge, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären (vgl. BGH, Urt. v. 10.4.2008 - I ZR 167/05, GRUR 2009, 60 Rz. 19 = WRP 2008, 1544 - Lottocard; Urt. v. 25.4.2012 - I ZR 156/10, GRUR 2012, 1261 Rz. 11 = WRP 2012, 1533 - Orion; Urt. v. 27.11.2014 - I ZR 91/13 GRUR 2015, 685 Rz. 10 = WRP 2015, 874 - STAYER; Beschl. v. 18.5.2017 - I ZR 178/16, MarkenR 2017, 551 Rz. 6, jeweils m.w.N.; v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 55 MarkenG, Rz. 10; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 55 Rz. 12; BeckOK.MarkenR/Kopacek, a.a.O., § 55 MarkenG Rz. 11; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 55 MarkenG, Rz. 62; Kochendörfer, WRP 2007, 258, 260; kritisch Hoppe/Dück in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, a.a.O., § 55 MarkenG Rz. 46).
Rz. 22
(2) An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest, weil sie einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 49 Abs. 1 MarkenG nicht mehr entspricht. Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 MarkenG dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG (jetzt Art. 19 Abs. 1 und 2 der Richtlinie [EU] 2015/2436). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegt es im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG grundsätzlich dem Inhaber der streitigen Marke, die Gegenstand eines Antrags auf Erklärung des Verfalls ist, die ernsthafte Benutzung dieser Marke nachzuweisen. Dieser ist am besten in der Lage, den Beweis für die konkreten Handlungen zu erbringen, die das Vorbringen zu stützen vermögen, dass seine Marke ernsthaft benutzt worden sei (vgl. EuGH, GRUR-Int. 2013, 1047 Rz. 63 - Centrotherm Systemtechnik/HABM und centrotherm Clean Solutions [CENTROTHERM]; EuGH, Urt. v. 19.6.2014 - C-217/13, C-218/13, GRUR 2014, 776 Rz. 70 = WRP 2014, 940 - Oberbank u.a.; Urt. v. 22.10.2020 - C-720/18, C-721/18, GRUR 2020, 1301 Rz. 79 bis 81 = WRP 2021, 37 - Ferrari [testarossa]).
Rz. 23
2. Die Abweisung des Feststellungsantrags kann danach ebenfalls keinen Bestand haben.
Rz. 24
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Feststellungsantrag sei zulässig. Ob der Antrag gem. § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein besonderes Feststellungsinteresse erfordere, weil die Feststellung der Rückwirkung auf einen bestimmten Zeitpunkt nicht im Allgemeininteresse, sondern im Einzelinteresse der jeweiligen Klagepartei liege, könne offenbleiben. Ein solches Feststellungsinteresse sei zu bejahen, weil die Klägerin eine langjährige Wettbewerberin der Beklagten sei und die Beklagte aus der Streitmarke in Löschungsverfahren vor dem EUIPO, die aufgrund des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt seien, gegen jüngere Marken der Klägerin mit dem Zeichenbestandteil "STELLA" vorgehe. Der Antrag sei jedoch unbegründet, weil ein Verfall der angegriffenen Marke nicht eingetreten sei. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 25
b) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags ausgegangen.
Rz. 26
aa) Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 MarkenG n.F. gelten die Wirkungen einer eingetragenen Marke in dem Umfang, in dem die Marke für verfallen erklärt wird, von dem Zeitpunkt der Stellung des Antrags (§ 53 MarkenG) oder der Erhebung der Klage (§ 55 MarkenG) auf Erklärung des Verfalls an als nicht eingetreten. Nach dem unverändert gebliebenen § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG kann in der Entscheidung auf Antrag einer Partei ein früherer Zeitpunkt, zu dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden.
Rz. 27
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, im Streitfall könne offenbleiben, ob für den Antrag nach § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG ein berechtigtes Interesse der Klagepartei i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO gegeben sein müsse (so die herrschende Meinung, vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 52 Rz. 6; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 52 Rz. 6; Hoppe/Dück in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, a.a.O., § 52 MarkenG Rz. 9; BeckOK.Markenrecht/Kopacek, a.a.O., § 52 MarkenG Rz. 10; Weiser/Kirchgäßner, GRUR-Prax. 2015, 272, 273; OLG Köln, MarkenR 2017, 84, 87; offengelassen von OLG München GRUR-RR 2005, 375, 378 [juris Rz. 65]; LG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.2011 - 2a O 408/10, juris Rz. 22; einschränkend Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, a.a.O., 13. Aufl., § 52 Rz. 13, der im Wortlaut keinen Anhaltspunkt für das Erfordernis eines Feststellungsinteresses sieht und in jedem Fall nur geringe Anforderungen an das Feststellungsinteresse stellen will; zum Feststellungsantrag nach Markenverzicht im Löschungsverfahren vgl. BGH, Beschl. v. 19.10.2000 - I ZB 62/98, GRUR 2001, 337, 339; zur nachträglichen Feststellung des Verfalls gem. § 125c MarkenG vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2018 - I ZR 126/15 GRUR 2019, 527 Rz. 16 = WRP 2019, 617 - PUC II). Im Streitfall liegt ein berechtigtes Interesse der Klägerin auf der Hand, weil sie eine Wettbewerberin der Beklagten ist und diese vor dem EUIPO aus der Streitmarke gegen jüngere Marken der Klägerin vorgeht.
Rz. 28
c) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die gem. § 52 Abs. 1 Satz 2 MarkenG a.F. beantragte Feststellung des Eintritts des Verfalls der Streitmarke jedoch nicht abgelehnt werden, weil es für den Nachweis der (fehlenden) rechtserhaltenden Benutzung von einer fehlerhaften Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen ist. Begründet ist der Antrag, wenn einer der Verfallsgründe zu einem früheren Zeitpunkt als dem in § 52 Abs. 1 Satz 1 MarkenG a.F. allein genannten Zeitpunkt der Erhebung der Klage auf Erklärung des Verfalls eingetreten ist. Im Streitfall kommt dafür der Zeitpunkt der Antragstellung (§ 53 MarkenG a.F.) in Betracht.
Rz. 29
3. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Rz. 30
a) Die Verfallsklage ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon deshalb abzuweisen, weil sie mangels hinreichenden Klagevortrags unschlüssig ist. Ein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet ist, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung ist; der Substantiierungspflicht ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund des Vorbringens nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 10.6.2002 - II ZR 68/00 NJW 2002, 2862, 2863 [juris Rz. 11]; Beschl. v. 26.3.2019 - VI ZR 163/17 VersR 2019, 835 Rz. 11). Danach ist für die Schlüssigkeit einer Klage auf Erklärung des Verfalls die bestimmte Behauptung erforderlich und ausreichend, die Streitmarke sei nicht rechtserhaltend benutzt worden. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin.
Rz. 31
b) Der Beklagten kann auch nicht zugestimmt werden, wenn sie meint, die Klägerin habe ihren Vortrag zur rechtserhaltenden Benutzung der Streitmarke nur unsubstantiiert ins Blaue hinein bestritten, so dass dieser gem. § 138 Abs. 2 und 3 ZPO unstreitig zu stellen sei. Das Berufungsgericht hat - mit Blick auf die frühere Rechtsprechung des Senats folgerichtig - insoweit lediglich angenommen, das bloße Bestreiten der Klägerin genüge nicht, weil sie beweisbelastet und es deshalb an ihr gewesen sei, die Unrichtigkeit des Vorbringens der Beklagten zu den angeblichen Benutzungshandlungen darzutun und hierfür Beweis zu erbringen. Die Klägerin hat insb. substantiiert bestritten, dass sich die von der Beklagten vorgelegten Rechnungen (Anlagen B 7 und B 12) tatsächlich auf Flaschen mit der Etikettengestaltung gemäß Anlage B 2 bezogen haben. Sie hat vorgetragen, die Anlage B 2 beweise nicht, dass die dort abgebildete, einzelne Flasche mit den in den Rechnungen gemäß Anlage B 7 und Anlage B 12 deklarierten Produkten übereinstimme. Diese Anlagen enthielten keinerlei Abbildungen von Flaschen oder Etiketten.
Rz. 32
III. Das angegriffene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Streitmarke unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Senats zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum und zur Darlegungs- und Beweislastverteilung im Verfallsverfahren bedarf der erneuten Prüfung und eventuellen Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht.
Fundstellen
Haufe-Index 14413483 |
BGHZ 2021, 226 |