Leitsatz (amtlich)
›Informiert der Verwender seinen im Baubereich nicht bewanderten Vertragspartner im wesentlichen nur über ihn belastende Bestimmungen der VOB/B, während für ihn günstige Regelungen lediglich mit einer Verweisung auf die VOB/B "eingeführt" werden sollen, erfüllt das nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG; vielmehr ist nach dieser Bestimmung Gelegenheit zur Kenntnis des vollen Textes erforderlich (im Anschluß an Senatsurteil BGHZ 109,192 = DRsp I (120) 170 a).‹
Tatbestand
Der Kläger schloß mit der Beklagten und deren Ehemann (der seine Ansprüche an seine Frau abgetreten hat) insgesamt drei Verträge: einen "Kaufvertrag" über ein Grundstück, das der Kläger mit einem Wohnhausrohbau bebaut hatte, einen "Ausbauvertrag" und schließlich einen Vertrag über die Errichtung einer Stahlbetongartenmauer (insoweit nahmen die Beklagte und ihr Ehemann das schriftliche Angebot des Klägers mündlich an).
In einem früheren Rechtsstreit mit umgekehrter Parteirolle ist der Kläger verurteilt worden, wegen verschiedener Mängel an dem Wohnhausneubau 98.302,87 DM an die Beklagte zu zahlen. Unstreitig hat er 2.721,15 DM zuviel bezahlt, die er mit der Klage - nebst Zinsen - zurückfordert.
Die Beklagte fordert wegen behaupteter Mängel der 1984 hergestellten Gartenmauer Schadensersatz in Höhe von 57.000 DM, rechnet damit gegen die Klageforderung auf und verlangt mit ihrer Widerklage 54.278,85 DM zuzüglich Zinsen. In der Berufungsinstanz hat sie darüber hinaus Feststellung begehrt, daß der Kläger ihr den "zur Wiederherstellung der Gartenanlage in den ursprünglichen Zustand erforderlichen Geldbetrag zu bezahlen" hat.
Die Klägerin beruft sich vor allem darauf, daß - davon ist auszugehen - die erste Rüge der geltend gemachten Mängel an der Mauer erst nach Ablauf von mehr als zwei Jahren nach Abnahme erhoben worden sei; da die nach ihren "Besonderen Angebots- und Vertragsbedingungen" geltende VOB/B auch für den mündlichen Nachauftrag gelte, sei der Gegenanspruch gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B verjährt.
Beide Vorinstanzen sind dieser Ansicht gefolgt und haben deshalb der Klage (bis auf einen Teil der Zinsen) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, um deren Zurückweisung der Kläger bittet.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht geht zunächst - rechtlich zutreffend - davon aus, daß der hier maßgebliche Formularvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen aufstelle. Nach diesen AGB soll insbesondere die VOB/B gelten, deren Bestimmungen allerdings teilweise durch die "Besonderen Angebots- und Vertragsbedingungen" modifiziert werden.
Das Berufungsgericht hält dabei die Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG für erfüllt. Zwar handle es sich bei der Beklagten und ihrem Ehemann, die beide auch nicht durch einen Architekten vertreten gewesen seien, nicht um im Baugewerbe Tätige. Dennoch sei es hier nicht erforderlich gewesen, ihnen bei Vertragsschluß den Text der VOB/B zur Verfügung zustellen, weil ihnen der Regelungsgegenstand und zum Teil auch der Inhalt der VOB/B-Bestimmungen durch die abgedruckten, sich stark an die VOB/B anlehnenden "Besonderen Angebots- und Vertragsbedingungen" so deutlich zur Kenntnis gebracht worden seien, daß es Sache der Auftraggeber gewesen wäre, vor Unterzeichnung weitere Informationen zu erfragen. Darüber hinaus sei gerade die besonders belastende und hier ausschlaggebende Bestimmung des § 13 Nr. 4 VOB/B bei dem der Bauvertragsunterzeichnung unmittelbar vorangehenden Abschluß des notariellen Kaufvertrags nicht nur diesem im Wortlaut beigegeben, sondern auch vom Notar mit den Erwerbern dem Inhalt nach besprochen worden.
Da die "Besonderen Angebots- und Vertragsbedingungen" des Klägers und damit die VOB/B auch für den Vertrag über die Errichtung der Gartenmauer gelten würden, greife die Einrede der Verjährung durch, da die Beklagte sich erstmals 1987 auf entsprechende Mängel berufen habe.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, kann die VOB/B gegenüber einem weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich bewanderten Vertragspartner nicht durch bloßen Hinweis auf ihre Geltung in den Vertrag einbezogen werden (Senatsurteil BGHZ 109, 192). Vielmehr ist es in derartigen Fällen dem die VOB/B verwendenden Auftragnehmer zuzumuten, seinem Vertragspartner die Kenntnisnahme der VOB/B zu ermöglichen.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das hier nicht im gebotenen Umfang geschehen. Dem Vertragspartner muß nach der Rechtsprechung des Senats Gelegenheit gegeben werden, sich vor Vertragsschluß mit dem Inhalt der vorgesehenen Bedingungen vertraut zu machen, damit er die Rechtsfolgen und die Risiken eines Vertragsschlusses abschätzen kann. Dazu ist Gelegenheit zur Kenntnis des vollen Textes erforderlich. Es reicht danach nicht aus, wenn - wie hier - der Vertragspartner des Verwenders im wesentlichen nur über ihn belastende Bestimmungen (wie etwa § 13 Nr. 4 VOB/B) informiert wird, während für ihn günstige Regelungen (etwa § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B - 1979 -, aber auch § 14 Nr. 4 VOB/B) lediglich mit einer Verweisung auf die VOB/B "eingeführt" werden sollen (vgl. etwa Ziffer 16 und Ziffer 14, aber auch Ziffer 6 bis 11 der "Besonderen Angebots- und Vertragsbedingungen"). Mit einer derartigen einseitigen Unterrichtung kommt der Verwender seiner "Informationspflicht" gemäß § 2 Abs. 1 AGBG nicht hinreichend nach, weil der Vertragspartner auf diese Weise eben nicht über seine in der VOB/B verankerten Rechte informiert wird.
2. Damit scheitert die Einbeziehung der VOB/B in den mündlichen Vertrag über die Errichtung der Gartenmauer bereits an § 2 Abs. 1 AGBG, ohne daß es auf die weiteren vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragen noch ankommt. Da eine etwaige "isolierte" AGB-Vereinbarung über die Geltung des § 13 Nr. 4 VOB/B einer sberprüfung nach § 9 AGBG nicht standhält (st. Senatsrechtsprechung seit BGHZ 96, 129; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Februar 1989, BGHZ 107, 75, 82 m.N.) und die gesetzliche Frist des § 638 BGB jedenfalls hinsichtlich der bezifferten Ansprüche der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung nicht abgelaufen war, kann das angefochtene Urteil nicht bestehenbleiben.
Die Sache ist vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche jetzt sachlich zu prüfen haben wird. Dabei wird es auch über den - bisher übergangenen - zweitinstanzlichen Feststellungsantrag der Widerklägerin zu befinden haben. Ob hinsichtlich dieses Anspruchs eine Verjährung in Betracht kommt, läßt sich nach den bisherigen Feststellungen des Tatrichters nicht abschließend beurteilen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993073 |
BB 1991, 798 |
DB 1991, 1770 |
BGHR AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2 Einbeziehung 2 |
BauR 1991, 328 |
DRsp I(120)188a |
NJW-RR 1991, 727 |
JurBüro 1991, 904 |
WM 1991, 1138 |
MDR 1991, 634 |
MDR 1992, 1109 |
ZfBR 1991, 151 |