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BGH Urteil vom 14.02.1995 - XI ZR 218/93

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Leitsatz (amtlich)

a) Die vor den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft entwickelte Informationsschrift „Wichtige Information über die Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften” (abgedruckt in WM 1989, 1193 ff. = ZIP 1989, 1158 f.) genügt den gesetzlichen Anforderungen zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit kraft Information.

b) Zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit kraft Information bedarf es nicht stets eines unmittelbaren Kontakts des einer gesetzlichen Bank- oder Börsenaufsicht unterstehenden Kaufmanns mit dem Anleger persönlich.

 

Normenkette

BörsG § 53 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 18.10.1993)

LG Bielefeld

 

Tenor

Im Umfang der Annahme wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Kamm vom 18. Oktober 1993 zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verbindlichkeit eines Börsentermingeschäfts.

Der Kläger, ein Apotheker, unterhielt bei der beklagten Bank ein Wertpapierdepot. Dieses wurde von dem selbständig tätigen Anlageberater H. verwaltet. Dessen Depotvollmacht umfaßte u.a. das Recht, Schriftstücke für den Kläger entgegenzunehmen.

Im Februar 1990 übergab die Beklagte H. ihr an den Kläger gerichtetes Informationsblatt „Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften”, das mit dem von den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft entwickelten wortgleich ist (WM 1989, 1193 ff.). Der Kläger unterzeichnete es wie vorgesehen und leitete es der Beklagten wieder zu.

Aus Spekulationsgeschäften, die H. von der Beklagten für ihn durchführen ließ, erlitt der Kläger im Jahre 1990 erhebliche Verluste, darunter einen solchen in Höhe von 50.000 DM aus einem Börsentermingeschäft.

Im Wege der Teilklage über 64.993,16 DM zuzüglich Zinsen verlangt der Kläger unter verschiedenen Gesichtspunkten Ersatz für erlittene Verluste. Das Land- und das Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision hat der Senat – wegen grundsätzlicher Bedeutung – nur insoweit angenommen als sie sich auf den in dritter Linie geltend gemachten Anspruch über 50.000 DM wegen Unwirksamkeit eines Börsentermingeschäfts stützt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist auch im Umfang der Annahme unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat unter anderem ausgeführt: Die Beklagte sei ihrer börsengesetzlichen Verpflichtung zur schriftlichen Belehrung des Klägers in ausreichendem Maße nachgekommen. Daß die Informationsschrift der Beklagten dem Kläger durch H. überbracht worden sei, rechtfertige nicht die Annahme, die Aufklärung sei durch einen Dritten oder durch einen Boten der Beklagten erfolgt.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Ein Bereicherungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht.

Das verlustreiche Börsentermingeschäft, das H. als Vertreter des Klägers mit der Beklagten abgeschlossen hat, ist wirksam. Bei Abschluß des Geschäfts war der Kläger kraft vorhergehender Information durch die Beklagte termingeschäftsfähig (§§ 52, 53 Abs. 2 BörsG).

a) Der Inhalt des vom Kläger unterzeichneten Informationsblattes genügt den gesetzlichen Anforderungen.

aa) § 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG zählt die Risiken, über die zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit zu informieren ist, für die bei Erlaß der Börsengesetznovelle vom 11. Juli 1989 (BGBl. I S. 1412) an Terminmärkten vorkommenden Kontraktarten abschließend auf. Nur die Entwicklung neuer Vertragstypen kann eine weitergehende Unterrichtung zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit für solche Verträge erfordern. Das ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Börsengesetznovelle (BT-Drucks. 11/4177 S. 20) und deren Ziel, im Interesse einer funktionsfähigen deutschen Terminbörse eine nach rechtssicheren Kriterien abgegrenzte Börsenrechtssphäre unter Beteiligung ausreichend geschützter privater Anleger zu schaffen. In der Begründung heißt es ausdrücklich, das Informationsblatt könne sich „inhaltlich auf die Darstellung der gesetzlichen Vorgaben beschränken” (a.a.O. S. 19), diese deckten alle Risiken von Termingeschäften „umfassend” ab (a.a.O. S. 20).

Die Darstellung dieser Risiken hat so zu erfolgen, daß dem Anliegen der Börsengesetznovelle Rechnung getragen wird, einen ausreichenden Anlegerschutz durch qualifizierte Information zu wahren, durch deren Formalisierung aber auch Praktikabilität und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Erforderlich aber auch ausreichend ist ein Informationsblatt, das die vorgenannten mit Options- und Festgeschäften verbundenen Risiken zutreffend, informativ und für den durchschnittlichen Anleger verständlich darstellt (vgl. Schwark, BörsG 2. Aufl. § 53 Rdn. 16, 17; Horn ZIP 1990, 2, 7; Jaskulla. Die Einführung derivativer Finanzinstrumente an den deutschen Wertpapierbörsen als Regelungsproblem (1995) S. 267). Durch die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts wird ein ausreichender Schutz der Anleger, die in der Regel juristisch nicht vorgebildet sind, nicht sichergestellt (a.A. Nach AG 1992, 384, 392 f.). Andererseits widerspricht das Verlangen, auch unterdurchschnittlich erfahrenen und auffassungsbegabten Anlegern müßten die in § 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG angesprochenen Risiken zur Herstellung der Termingeschäftsfähigkeit einsichtig gemacht werden (so Koller BB 1990, 2202, 2206, 2209), der Rechtssicherheit. Weitergehende Aufklärungs-, Beratungs- und Warnpflichten, deren schuldhafte Verletzung Schadensersatzpflichten auslöst, die Termingeschäftsfähigkeit des Anlegers aber unberührt läßt, können nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund der besonderen Situation im Einzelfall oder der individuellen Umstände in der Person eines Anlegers bestehen (Regierungsentwurf BT-Drucks. 11/4177 S. 19; Baumbach/Hopt, HGB 29. Aufl. § 53 BörsG Rdn. 17).

bb) Das von der Beklagten verwendete bankübliche Informationsblatt entspricht, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, inhaltlich den vorbezeichneten Anforderungen zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit privater Anleger (LG Berlin WM 1992, 93, 95; Schwark a.a.O. Rdn. 16; Jaskulla a.a.O. S. 271, 276; Nach a.a.O. S. 395; Drygalla EWiR 1992, 263; a.A. wohl Tilp EWiR 1995, 47 f.).

Die Schrift gibt einleitend den Wortlaut des § 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG wieder und widmet allen dort angesprochenen Risiken alsdann einen oder mehrere gesonderte Abschnitte. In diesen werden die vorgenannten Risiken in knapper und informativer Form ohne Beschönigung zutreffend näher dargestellt und verständlich erläutert. Ob dies auch für die Hebelwirkung in vollem Umfang gilt (kritisch insoweit Nach a.a.O. S. 395), kann offenbleiben. Die Hebelwirkung zählt nicht zu den in § 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG abschließend aufgeführten Risiken, über die private Anleger zur Herbeiführung der Termingeschäftsfähigkeit zu informieren sind (Schwark a.a.O. Rdn. 13; Jaskulla a.a.O. S. 275).

b) Die Informationsschrift der Beklagten ist dem Kläger entgegen der Ansicht der Revision nicht unter Verstoß gegen § 5 Abs. 2 Satz 1 BörsG durch einen nicht qualifizierten Informanten unterbreitet worden.

bb) Nach dieser Vorschrift kann die Börsentermingeschäftsfähigkeit kraft Information nur durch einen gesetzlicher Bank- und Börsenaufsicht unterstehenden Kaufmann als Vertragspartner des Anlegers, nicht dagegen durch einen Dritten, der diese Qualifikation nicht aufweist, herbeigeführt werden (Senatsurteil vom 29. März 1994 – XI ZR 31/93, WM 1994, 834, 838). Ob und inwieweit sich ein solcher Kaufmann dabei zur Weiterleitung seiner Informationsschrift eines selbständigen Boten ohne eine solche Qualifikation bedienen darf, ist streitig.

Ein Teil des Schrifttums hält dies für unzulässig (Horn ZIP 1990, 2, 8 f.; Schäfer WuB I G 5.–5.94; Heeb, Börsentermingeschäftsfähigkeit und Aufklärungspflichten nach der Börsengesetznovelle, Diss. Tübingen 1993 S. 100; s. auch Schmitte, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei Börsentermingeschäften an der Deutschen Terminbörse, Dias. Bonn 1994 S. 91). Sogar die Übermittlung der Informationsschrift per Post wird als problematisch angesehen (Tilp EWiR 1994, 563, 564).

Ein anderer Teil ist demgegenüber der Ansicht, eine Bank dürfe ihre Informationsschrift auch durch einen selbst nicht qualifizierten Dritten übermitteln lassen, wenn dokumentiert sei, daß die Schrift von ihr stamme (Schwark, BörsG 2. Aufl. § 53 Rdn. 21; Nach AG 1992, 385, 396; Dannhoff DWiR 1992, 273, 276; Koller LM BörsG Nr. 35/36 Bl. 5 f.)

Der Bundesgerichtshof hat die Frage, anders als Schäfer a.a.O. und Tilp a.a.O. fälschlich meinen, bisher nicht entschieden. Das auch von der Revision angeführte Senatsurteil vom 29. März 1994 (XX ZR 31/93, WM 1994, 834, 838) betrifft einen Fall, in dem ein Vermögensverwalter die Informationsschrift einer Bank seinem Kunden nicht als deren Bote, sondern von sich aus in einem Zeitpunkt zugeleitet hatte, als sein Kunde zu der betreffenden Bank noch keine Geschäftsbeziehungen unterhielt (a.a.O. S. 834 f.).

bb) Die angesprochene Frage bedarf auch hier keiner abschließenden Entscheidung. Der Anlageberater H., dem die beklagte Bank ihr an den Kläger adressiertes Informationsblatt übergeben hat, war nicht ihr Übermittlungsbote, sondern Empfangsbote des Klägers. Aufgrund der ihm erteilten Depotvollmacht war H. berechtigt, Schriftstücke verschiedenster Art für den Kläger entgegenzunehmen. Zumindest in einem solchen Fall kann kein Zweifel bestehen, daß der Anleger nicht durch einen Dritten, sondern die Bank informiert worden ist. Daß Termingeschäftsfähigkeit kraft Information stets nur durch unmittelbaren Kontakt der Bank mit dem Anleger persönlich herbeigeführt werden kann, ist § 53 Abs. 2 Satz 1 BörsG nicht zu entnehmen (Schwark a.a.O. Rdn. 21).

c) Offenbleiben können die im Schrifttum mit unterschiedlichem Ergebnis erörterten Fragen, ob die Termingeschäftsfähigkeit kraft Information nur im Verhältnis der Parteien wirkt (so z.B. Horn a.a.O. S. 8; a.A. etwa Schäfer ZIP 1989, 1103, 1104 f.) und ob bei Abschluß eines Termingeschäfts durch den Vertreter eines nur kraft Information Termingeschäftsfähigen auch die Termingeschäftsfähigkeit des Vertreters erforderlich ist (so Kümpel WM 1989, 1485, 1489; a.;. Nach a.a.O. S. 396). Als ehemaliger langjähriger Anlageberater bei der beklagten Bank hat der Vertreter H. des Klägers jedenfalls früher berufsmäßig Börsentermingeschäfte betrieben und ist deshalb nach § 53 Abs. 1 Satz 2 BörsG termingeschäftsfähig (vgl. BGHZ 104, 205, 207 ff.).

2. Auch ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung der Beklagten im Zusammenhang mit dem Börsentermingeschäft besteht nicht. Für ein Aufklärungs- oder Beratungsverschulden der Beklagten ist angesichts des Umstands, daß der Kläger sachkundig vertreten war, nichts ersichtlich.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1392096

BB 1995, 843

NJW 1995, 1554

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1995, 553

ZBB 1995, 189

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