Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Mitverschuldenseinwand eines Gesellschaftsorgans. Haftungsbefreiung des Geschäftsführers bei Weisung durch Gesellschafterversammlung. Kein Einwand des Geschäftsführers, fachlich untauglich zu sein. Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Der Geschäftsführer, der wegen einer Pflichtwidrigkeit von der GmbH auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, kann dieser gegenüber nicht einwenden, die Gesellschafterversammlung habe ihn schlecht ausgewählt oder nicht genügend überwacht.
Orientierungssatz
1. Kein GmbH-Gesellschaftsorgan kann der Gesellschaft gegenüber einwenden, seine Ersatzpflicht sei gemindert, weil ein anderes Gesellschaftsorgan für den Schaden mitverantwortlich sei.
2. Die Gesellschafterversammlung kann als übergeordnetes Gesellschaftsorgan der GmbH die Geschäftsführer von der Verantwortlichkeit für eine Geschäftsführungsmaßnahme befreien, wenn sie ihnen durch Beschluß im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten dafür eine Weisung erteilt.
3. Der wegen einer Pflichtwidrigkeit von der GmbH auf Schadensersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer kann der Gesellschaft nicht entgegenhalten, er sei, wie die Gesellschafter hätten wissen müssen, seinen kaufmännischen Aufgaben nicht gewachsen gewesen (Festhaltung BGH, 1981-02-16, II ZR 49/80, WM IV 1981, 440).
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 30. März 1982 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage in Höhe von 58.832,09 DM abgewiesen wurde.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 9. April 1981 wird, soweit sie die Widerklage betrifft, in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger war Gesellschafter und vom 1. März 1972 bis zum 13. Juli 1978 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten, einer als gemeinnützig anerkannten GmbH. Er war im kaufmännischen Bereich und außerdem als künstlerischer Leiter und Dramaturg für die Beklagte tätig. Mit einer Reihe von Anträgen, die jetzt nicht mehr interessieren, hat er sich gegen seine Kündigung zum 13. Juli 1978 gewandt und die Beklagte auf Zahlung, Rückübertragung seiner Geschäftsanteile und Widerruf in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat Widerklage mit dem Antrag erhoben, den Kläger zur Zahlung von 117.664,21 DM mit Zinsen zu verurteilen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Kläger habe als Geschäftsführer einen Kassenfehlbestand in dieser Höhe verschuldet.
Das Landgericht hat der Widerklage voll stattgegeben, das Oberlandesgericht hat ihr nur zur Hälfte entsprochen. Mit der Revision möchte die Beklagte erreichen, daß der Kläger in vollem Umfang zur Schadensersatzleistung verurteilt wird. Der Kläger hat sich in der Revisionsinstanz nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Wie der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Abrede gestellt hat, haftet er der Beklagten nach § 43 Abs. 2 GmbHG für den Schaden, der entstanden ist, weil er seine Pflicht, für eine ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Abs. 1 GmbHG), vernachlässigt und die Beklagte infolgedessen in ihrer Kasse einen Fehlbestand in Höhe von 117.664,21 DM hat (vgl. Urt. d. Sen. v. 9.5.1974 – II ZR 50/72, LM GmbHG § 43 Nr. 5). Das Berufungsgericht hat der Beklagten aber Schadensersatz nur zur Hälfte zugebilligt, weil ihre Gesellschafter es versäumt hätten, die Geschäftsführung des Klägers mit der hier gebotenen besonderen Sorgfalt zu überwachen. Das ist rechtlich nicht haltbar.
Fügt ein gesellschaftsfremder Dritter einer GmbH einen Schaden zu, wirkt aber bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des verfassungsmäßigen Organs der GmbH mit, dann kann sich der Umfang des von dem Dritten zu leistenden Ersatzes nach §§ 31, 254 Abs. 1 BGB je nach den Umständen ermäßigen. Ein solcher Fall der Drittschädigung liegt jedoch im Innenverhältnis einer GmbH nicht vor, wenn ein Gesellschaftsorgan oder eines seiner Mitglieder die Gesellschaft durch pflichtwidriges Verhalten schädigt. In der juristischen Person, die als solche nicht handeln kann, sind nämlich die Pflichten der für sie tätigen Organe so ausgestaltet, daß sie nebeneinander bestehen, jedes Organ für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen oder satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich ist und deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen hat. Kein Gesellschaftsorgan kann der Gesellschaft gegenüber einwenden, seine Ersatzpflicht sei gemindert, weil ein anderes Gesellschaftsorgan für den Schaden mitverantwortlich sei. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, wenn mehrere Mitglieder des Geschäftsführungsorgans verantwortlich sind. Aus § 43 Abs. 2 GmbHG folgt, daß sich ein Geschäftsführer auf das Mitverschulden eines Mitgeschäftsführers nicht berufen kann; er bildet vielmehr im Verhältnis zur GmbH mit diesem zusammen eine Haftungsgemeinschaft und haftet gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. Dasselbe ist allgemein anerkannt, wenn das Mitglied eines anderen Gesellschaftsorgans für den vom Geschäftsführer herbeigeführten Schaden mitverantwortlich ist. Hat etwa das Mitglied eines in der GmbH gebildeten Aufsichtsrats seine Aufsichtspflicht verletzt, dann haftet dieses neben dem Geschäftsführer als Gesamtschuldner, und auch hier kann der Geschäftsführer nicht einwenden, die Gesellschaft habe durch das Aufsichtsratsmitglied die in ihrem Interesse gebotene Beaufsichtigung vernachlässigt, so daß seine eigene Ersatzpflicht nach § 254 BGB gemindert sei (RG JW 1920, 1032/33 zur AktG; Mertens in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 43 Rdn. 62, 64 f; Fleck, GmbHRdsch 1974, 224, 226; vgl. auch Urt. d. Sen. v. 28.10.1971 – II ZR 49/70 = WM 1971, 1548 zu II 1 d).
Nicht anders verhält es sich mit dem hier erhobenen Vorwurf, die Gesellschafter der Beklagten hätten sich nicht genügend darum gekümmert, ob der Kläger seinen Pflichten als Geschäftsführer in der gehörigen Weise nachkomme. Die Gesellschafterversammlung kann zwar als übergeordnetes Gesellschaftsorgan die Geschäftsführer von der Verantwortlichkeit für eine Geschäftsführungsmaßnahme befreien, wenn sie ihnen durch Beschluß im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten dafür eine Weisung erteilt. Üben die Gesellschafter aber ihr Recht, die Geschäftsführung zu prüfen und zu überwachen (§ 46 Nr. 6 GmbHG), nicht oder nur unzureichend aus, so haften sie allenfalls, wenn überhaupt (vgl. dazu Scholz/K. Schmidt, GmbHG 6. Aufl. § 46 Anm. 86), der Gesellschaft. Ihr Versäumnis entlastet aber den Geschäftsführer, der eigene Pflichten versäumt hat, nicht von seiner vollen Haftung gegenüber der Gesellschaft. Der Mitverschuldenseinwand, er sei wegen mangelnder Eignung schlecht ausgewählt oder nachlässig überwacht worden, ist ihm auch in diesem Fall versagt.
Die Beklagte handelt auch nicht arglistig, indem sie den Kläger auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, obwohl sich ihre Gesellschafter, wie das Berufungsgericht meint, angesichts der kaufmännischen Unerfahrenheit des Beklagten in erhöhtem Maße um seine Geschäftsführung hätten kümmern müssen. Der Kläger muß sein Verhalten an den Maßstäben des § 43 Abs. 1 GmbHG messen lassen und kann, wenn er diesen Maßstäben nicht genügt, der Beklagten nicht entgegenhalten, er sei, wie die Gesellschafter hätten wissen müssen, seinen kaufmännischen Aufgaben nicht gewachsen gewesen (Urt. d. Sen. v. 16.2.1981 – II ZR 49/80, WM 1981, 440 zu 2 c). Ob die Rechtslage anders zu beurteilen ist, wenn die Gesellschaft einen fachlich untauglichen Geschäftsführer in der Absicht bestellt, ihn als solchen lediglich nach außen hin, in Wirklichkeit aber nur nach ihren Weisungen tätig werden zu lassen (vgl. Urt. d. Sen. v. 16.2.1981, aaO), kann auf sich beruhen. Dergleichen ist hier nicht vorgetragen.
Der Kläger haftet demnach der Beklagten uneingeschränkt für den angerichteten Schaden. Das landgerichtliche Urteil ist daher zur Widerklage in vollem Umfang wiederherzustellen. Diese Entscheidung ist durch Versäumnisurteil zu treffen (BGHZ 37, 79).
Fundstellen
Haufe-Index 647882 |
NJW 1983, 1856 |
ZIP 1983, 824 |