Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob ein Geschäftsbetrieb im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG fortgesetzt wird, ist nach einem objektiven Maßstab unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Nicht entscheidend ist, ob der Geschäftsbetrieb nur aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise fortgeführt wird, ohne daß dies der objektiven Sachlage entspricht. Daher genügt bei Franchiseunternehmen der Umstand, daß der Geschäftsbetrieb eines Franchisenehmers ein gleiches Erscheinungsbild aufweist wie der Geschäftsbetrieb eines früheren Franchisenehmers an demselben Ort, allein nicht, um eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs des früheren Franchisenehmers anzunehmen, auch wenn der Verkehr aufgrund des gleichen Erscheinungsbilds einen anderen Eindruck gewinnen kann.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 6 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 7. September 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, eine GmbH, unterhält bundesweit 31 Möbelhäuser unter der Bezeichnung „Domicil”. Sie ist Franchisenehmerin der Domicil Möbel GmbH.
Die M. GmbH betrieb in K. von 1990 bis September 1997 aufgrund eines Franchisevertrages unter der Bezeichnung „Domicil” ein Einrichtungshaus. In der Zeit vom 16. August bis 12. September 1997 führte die M. GmbH in dem Einrichtungshaus einen von der Industrie- und Handelskammer genehmigten Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe durch, für den sie in Zeitungsanzeigen auch unter Verwendung der Bezeichnung „Domicil” warb.
Am 31. Oktober 1997 eröffnete die Beklagte in den Räumlichkeiten, in denen die M. GmbH das Möbelhaus betrieben hatte, ein neues Einrichtungshaus. Das Äußere des Gebäudes mit dem Schriftzug Domicil auf dem Dachfirst sowie die Hinweisschilder in der Umgebung blieben unverändert. Das Personal der M. GmbH übernahm die Beklagte nicht.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat das Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen das nach einem Räumungsverkauf geltende Fortsetzungsverbot beanstandet. Hierzu hat sie vorgetragen, die Beklagte habe den Eindruck erweckt, den Geschäftsbetrieb der M. GmbH fortzuführen. Die innere Gestaltung des Möbelhauses und das Einrichtungsprogramm seien unverändert geblieben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in K., F. Straße, unter der Bezeichnung „Domicil” Möbel und Einrichtungsgegenstände feilzuhalten und/oder zu verkaufen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe den Innenausbau des Einrichtungshauses vollständig umgestaltet. Die neuen Ausstellungsstücke seien mit denen der M. GmbH nicht vergleichbar. Durch die Gestaltung der Anzeigen zur Eröffnung ihres Betriebs habe sie deutlich zum Ausdruck gebracht, ein neues Geschäft zu betreiben und nicht dasjenige der M. GmbH fortzuführen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch verneint und hierzu ausgeführt:
Die Beklagte habe den Geschäftsbetrieb der M. GmbH nicht im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG fortgesetzt. Durch diese Bestimmung solle die Fortsetzung eines Betriebs nach einem Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe verboten werden, wenn eine dauernde Aufgabe des Geschäftsbetriebs nicht beabsichtigt gewesen sei. Eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs sei grundsätzlich nicht nur im Fall der tatsächlichen Nachfolge gegeben, sondern bereits dann, wenn nach der Verkehrsanschauung der Geschäftsbetrieb im wesentlichen als identisch erscheine. Bei einem Franchisesystem reiche aber das bloße Erscheinungsbild eines Geschäfts nicht aus, um von einer Fortführung des Geschäftsbetriebs auszugehen, wenn ersichtlich ein neuer Franchiseunternehmer tätig sei. Ein Rückschluß auf eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs sei bei einem vergleichbaren Erscheinungsbild nicht gerechtfertigt, wenn dieses, wie bei Franchisesystemen, auf einem bestimmten Vertriebskonzept beruhe. Unentbehrliches Kriterium des Franchisesystems sei ein einheitliches Erscheinungsbild für den Verkehr. Werbung, Schriftzüge, Produkte und Vermarktungskonzepte aller Franchisenehmer eines Franchisesystems seien in der Regel identisch. Werde der Inhaberwechsel im Rahmen eines Franchisesystems ausreichend deutlich gemacht, liege kein Verstoß gegen das Fortsetzungsverbot nach einem Räumungsverkauf vor, weil die Verbraucher und die Mitbewerber, die durch die Bestimmung geschützt werden sollten, nicht getäuscht würden. Den Spielraum, den ein Franchisesystem biete, um den Anschein einer Fortsetzung des Geschäftsbetriebs zu vermeiden, habe die Beklagte genutzt. Sie habe den Personalbestand ausgewechselt, die Präsentation der Ware verändert und das zusätzlich zu dem Möbelhaus von der M. GmbH betriebene Küchenstudio aufgelöst. Die M. GmbH und die Beklagte hätten weder Verbraucher noch Mitbewerber getäuscht oder benachteiligt. Für ein mißbräuchliches Verhalten der Beklagten sei nichts ersichtlich. Dies gelte auch für die Wahl der Vertriebsform eines Franchisesystems. Dieses System erfordere keinen vertraglichen Ausschluß von Räumungsverkäufen. Eine formal auf die Verkehrsanschauung abstellende Sichtweise sei unverhältnismäßig und deshalb mit Art. 12 GG nicht vereinbar.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG verneint.
1. Nach dieser Bestimmung kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer mittelbar oder unmittelbar den Geschäftsbetrieb fortsetzt, dessen Aufgabe angekündigt war, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die die Fortsetzung rechtfertigen. Das Verbot, das dem Schutz der Verbraucher und der Mitbewerber dient, richtet sich dagegen, daß ein Wettbewerber sich durch Täuschung des Publikums über die Durchführung eines Räumungsverkaufs Vorteile verschafft (vgl. BGH, Urt. v. 7.10.1993 – I ZR 317/91, WRP 1994, 34, 35 – Geschäftsfortführung nach Ausverkauf II; Großkomm.UWG/Jestaedt, § 8 Rdn. 74; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 8 Rdn. 48; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 8 Rdn. 45). Im Hinblick auf diese Zielsetzung ist die Frage, ob ein Geschäftsbetrieb unmittelbar oder mittelbar fortgesetzt wird, nach einem objektiven Maßstab unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Denn die Vorschrift des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG soll nicht Täuschungen über das Vorliegen einer Geschäftsfortführung, sondern über eine dauernde Aufgabe des Geschäftsbetriebs und damit über die tatsächliche Durchführung des Räumungsverkaufs unterbinden (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften BT-Drucks. 10/4741 S. 16). Fallen unter die Bestimmung aber nicht Täuschungen über die Unternehmensverhältnisse, zu denen das Vorliegen einer Geschäftsfortsetzung gehört, reicht es für eine Anwendung des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG nicht aus, daß der Geschäftsbetrieb nur aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise fortgeführt wird, wenn dieser Eindruck der objektiv gegebenen Sachlage nicht entspricht (a.A. Köhler/Piper aaO § 8 Rdn. 46; Baumbach/Hefermehl aaO § 8 Rdn. 48). Vielmehr müssen objektive Umstände vorliegen, die für eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs sprechen und diese müssen geeignet sein, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Fortsetzung des Geschäftsbetriebs gewertet zu werden.
Zur Begründung seiner gegenteiligen, allein auf den Eindruck des Verkehrs abstellenden Betrachtungsweise konnte das Berufungsgericht sich auch nicht auf die Entscheidung des Senats „Geschäftsfortführung nach Ausverkauf II” (WRP 1994, 34) beziehen. Aus dieser Entscheidung folgt nicht, daß die Frage, ob eine Geschäftsfortsetzung vorliegt, allein nach dem Verkehrsverständnis zu beurteilen ist.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Geschäftsfortsetzung im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG vorliegt, gelten für Franchiseunternehmen keine besonderen Grundsätze. Denn allein das einheitliche Erscheinungsbild von Franchiseunternehmen, aufgrund dessen der Verkehr verhältnismäßig rasch den Eindruck einer zumindest mittelbaren Geschäftsfortführung gewinnen könnte, reicht nicht, um eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG anzunehmen.
2. Danach ist im Streitfall keine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG der M. GmbH durch die Beklagte gegeben.
Zutreffend – und von der Revision unbeanstandet – hat das Berufungsgericht eine unmittelbare Fortsetzung des Geschäftsbetriebs verneint.
Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Geschäftsbetrieb der M. GmbH auch nicht mittelbar fortgesetzt. Von einer mittelbaren Fortsetzung des Geschäftsbetriebs ist auszugehen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens gegenüber denjenigen während des Räumungsverkaufs im wesentlichen unverändert bleiben (vgl. Großkomm.UWG/Jestaedt, § 8 Rdn. 76).
Im Streitfall liegen keine objektiven Umstände vor, die aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise bei verständiger Würdigung geeignet sind, eine mittelbare Fortsetzung des Geschäftsbetriebs zu begründen.
Anhaltspunkte für die Fortsetzung eines Geschäftsbetriebs sind dieselbe Geschäftsführung, gleiche Abnehmer- und Lieferantenkreise, die Übernahme des Personals und die Beibehaltung des Firmennamens sowie dieselben Geschäftsräume und Warensortimente (vgl. BGH WRP 1994, 34, 35 – Geschäftsfortführung nach Ausverkauf II; Großkomm.UWG/Jestaedt, § 8 Rdn. 76; Baumbach/Hefermehl aaO § 8 Rdn. 48; Köhler/Piper aaO § 8 Rdn. 47). Vorliegend reichen entgegen der Annahme der Revision die Gesamtumstände, die das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nicht aus, um eine (tatsächliche) Fortsetzung des Geschäftsbetriebs anzunehmen.
Die M. GmbH, die dort früher das Einrichtungshaus betrieb, und die Beklagte sind weder rechtlich noch wirtschaftlich miteinander verbunden. Sie haben andere Geschäftsführer und Gesellschafter. Die Firmenbezeichnungen weisen keine Übereinstimmungen auf. Die Beklagte hat das Personal der M. GmbH nicht übernommen und das von dieser betriebene Küchenstudio aufgelöst.
Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusammenhang geltend, die Aufgabe des früheren Geschäftsbetriebs sei für den Verkehr wegen der Weiterverwendung der Bezeichnung „Domicil” nicht ohne weiteres erkennbar gewesen. Darauf kommt es nicht an, weil die Frage der Geschäftsfortsetzung sich nach den objektiven Umständen und nicht nach einem (unzutreffenden) Eindruck des Verkehrs beurteilt. Die Weiterverwendung der Bezeichnung „Domicil” ist daher in diesem Zusammenhang ohne Belang. Deren Verwendung beruht auf einer Lizenz des Franchisegebers und nicht einer Vereinbarung mit der M. GmbH. Ohne Bedeutung für eine Geschäftsfortsetzung im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 1. Alt. UWG ist weiter, ob – wie die Klägerin geltend gemacht und die Beklagte bestritten hat – das Warensortiment und dessen Präsentation sowie der Innenausbau des Geschäfts unverändert geblieben sind. Eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs wäre hieraus allein nicht zu entnehmen.
III. Die Revision war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 776392 |
BB 2002, 2298 |
DB 2002, 2161 |
NJW 2002, 3174 |
BGHR 2002, 1002 |
BGHR |
GRUR 2002, 901 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2002, 1328 |
WRP 2002, 1064 |