Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Leitsatz (amtlich)
Der Qualifikationstatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG kann – anders als die Begehungsweisen des Herstellens, Abgebens und des Besitzes nach dieser Vorschrift – voll und nicht bloß als untauglicher Versuch verwirklicht sein, wenn die geschäftliche Vereinbarung auf eine große Menge Betäubungsmittel bezogen ist, jedoch nur eine für Rauschgift gehaltene Scheindroge geliefert wird.
Normenkette
BtMG 1981 § 29a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 14.07.1998; Aktenzeichen KLs 52 Js 138/98 - 7/98) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 14. Juli 1998 werden verworfen,
Jeder Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie den Angeklagten S. wegen Beihilfe dazu verurteilt und auf Freiheitsstrafe von sieben Jahren gegen den Angeklagten L. und von drei Jahren gegen den Angeklagten S. erkannt.
Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen das Verfahren und rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Die ausschließlich auf die Verfahrensbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten.
Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam der wegen unerlaubten Betäubungsmittelhandels erheblich vorbestrafte Angeklagte L. unter Vermittlung durch den Angeklagten S. mit dem gesondert verfolgten Sch. überein, für diesen in Kolumbien den Kontakt zu Rauschgifthändlern herzustellen und ein Geschäft über die Lieferung von Kokain in einer Menge von sieben bis neun Kilogramm anzubahnen. Nach der von ihnen getroffenen Absprache sollte das Kokain im Sitzkissen des Rollstuhls, auf den Sch. wegen seiner unfallbedingten Behinderung angewiesen ist, verborgen und so von Sch. auf dem Rückflug in Begleitung durch den Angeklagten L. in die Bundesrepublik Deutschland zum gewinnbringenden Weiterverkauf eingeschmuggelt werden. Der Angeklagte S. war in das Vorhaben eingeweiht. Er teilte dem Angeklagten L., der für seine Mitwirkung eine Vergütung erhalten sollte, fernmündlich den genauen Zeitpunkt und Ort des zwischen L. und Sch. verabredeten Treffens in Kolumbien mit und war Sch. beim Abflug nach Kolumbien behilflich. In Kolumbien bestellte der Angeklagte L. bei einem Drogenhändler acht Kilogramm Kokain zum Preis von 2.000 US-Dollar pro Kilogramm. Eine von einem Kurier übergebene Stofftasche, die nach dessen Angaben die bestellten acht Kilogramm Kokain enthielten, gab der Angeklagte L., ohne sich über den Inhalt der Tasche vergewissert zu haben, an den inzwischen in Kolumbien eingetroffenen Sch. weiter. Aus Furcht vor einer Festnahme weigerte er sich jedoch, Sch., wie zugesagt, auf dem Rückflug zu begleiten. Beim Versuch, aus Kolumbien auszureisen, wurde Sch. in Bogota wegen des Besitzes von acht Kilogramm Kokain festgenommen und später von einem kolumbianischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt.
Ob sich in der an Sch. weitergegebenen Stofftasche tatsächlich Kokain befand und welche Wirkstoffqualität das Kokain gegebenenfalls hatte, hat das Landgericht im Hinblick auf entsprechendes Vorbringen der Verteidigung des Angeklagten L. offen gelassen, weil der angewendete Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in der Begehungsweise des Handeltreibens nicht voraussetze, daß sich die Kauf- und Verkaufsverhandlungen auf tatsächlich vorhandenes Betäubungsmittel beziehen. Auch für das Merkmal der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln komme es – so das Landgericht – allein auf die Qualitäts- und Quantitätseinschätzung des Täters bei der Tathandlung an. Als danach maßgebliche Vorstellung hat es den Angeklagten zugute gehalten, daß sie annahmen, das Kokain sei von schlechter Qualität; schon bei der denkbar schlechtesten Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von nur 1 % Kokainhydrochlorid (KHC) sei aber der Grenzwert zur nicht geringen Menge bei Kokain (fünf Gramm KHC, BGHSt 33, 133) erheblich überschritten.
I. Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.
1. Die Geltung deutschen Strafrechts wird entgegen dem Einwand des Angeklagten L. nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Strafkammer trotz entsprechender Verurteilung von Sch. in Kolumbien der Sache nach offen ließ, ob die in Kolumbien an Sch. weitergegebene Tasche tatsächlich Kokain enthielt. Dabei kann dahinstehen, ob vom Begriff des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln in § 6 Nr. 5 StGB auch auf Gewinnerzielung gerichtete Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte über sogenannte Pseudodrogen erfaßt werden, wenn die Beteiligten den weitergegebenen Stoff für Betäubungsmittel halten (so Weber BtMG 1999 § 29 Rdn. 1083). Entschieden braucht für die Anwendung deutschen Strafrechts nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch nicht zu werden, ob solche Geschäfte nach kolumbianischem Strafrecht ebenfalls strafbar sind. Vielmehr folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 9 StGB. Dies liegt für den Angeklagten S. nach § 9 Abs. 2 StGB auf der Hand, weil die die Haupttat fördernden Handlungen in Deutschland vorgenommen wurden. Entsprechendes gilt für den Angeklagten L.. Selbst wenn die in Deutschland getroffene Vereinbarung zwischen ihm und Sch. nicht schon als ein zumindest versuchtes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet wird, ist darin jedenfalls die Verabredung eines Verbrechens (§ 30 Abs. 1 StGB) nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG oder ein Tatbeitrag zur Straftat zu sehen, der dann zwar im Vorbereitungsstadium geleistet ist, aber gleichwohl die Annahme von Mittäterschaft am Auslandsdelikt mitträgt. Unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten ist ein Tatort nach § 9 Abs. 1 StGB auch im Inland begründet (vgl. BGHSt 39, 88, 89/90).
2. Die Verfahrensrügen der Angeklagten sind erfolglos.
a) Die Verfahrensbeanstandungen des Angeklagten S. sind nicht in der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gebotenen Form erhoben.
Soweit er eine Verletzung der Aufklärungspflicht darin sieht, daß die Strafkammer keinen „sachverständigen Psychiater” zur Beurteilung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit hinzugezogen hat, fehlt es nicht nur an einer bestimmten Behauptung des erwarteten Beweisergebnisses, es mangelt auch an ausreichender Darlegung der Umstände, die das Gericht auch ohne entsprechendes Beweisverlangen des Angeklagten und seines Verteidigers hätten dazu drängen müssen, sich insoweit sachverständiger Hilfe zu bedienen. Daß der Angeklagte seit den „siebziger Jahren” Haschisch und Kokain konsumierte, reicht dafür ohne Mitteilung näherer Einzelheiten zur Intensität des Rauschgiftkonsums ebensowenig aus, wie die Feststellung, daß der Angeklagte vor seiner Inhaftierung erheblich Alkohol trank und häufig betrunken war. Dafür genügt auch nicht die dem Angeklagten erteilte Empfehlung seines Hausarztes, sich in die Behandlung eines Psychiaters zu begeben. Um die revisionsrechtliche Beurteilung zu ermöglichen, ob insoweit die Aufklärungspflicht verletzt ist, hätte es näherer Darlegungen bedurft, was den Hausarzt im einzelnen zu diesem Rat veranlaßte.
Die Rüge, der Antrag der Verteidigung auf Ladung des in Bogota inhaftierten Sch. als Zeugen sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, ist unzulässig, weil der – ausführlich begründete – Beschluß über die Antragsablehnung nicht mitgeteilt wird.
b) Auch die vom Angeklagten L. erhobene Verfahrensrüge, mit der er die Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO geltend macht, dringt nicht durch. Der vom Verteidiger hilfsweise gestellte Antrag, zur Aufklärung darüber, „ob” es sich bei dem Stoff, der bei Sch. in Kolumbien sichergestellt wurde, überhaupt um Kokain handelte und gegebenenfalls welchen Wirkstoffgehalt das Kokain hatte, eine Ausfertigung des kolumbianischen Urteils gegen Sch. anzufordern und zu verlesen, die sachbearbeitende kolumbianische Staatsanwältin als Zeugin zu laden und eine von den kolumbianischen Behörden anzufordernde Stoffprobe sachverständig begutachten zu lassen, ist kein nach § 244 Abs. 3 StPO zu beurteilender Beweisantrag. Es fehlt an der Behauptung einer bestimmten Beweistatsache. Auch dem Zusammenhang des Vorbringens nach wurde eine solche Behauptung, was die Art und den Wirkstoffgehalt des gehandelten Stoffes angeht, nicht aufgestellt. Bei Sachverhalten wie dem vorliegenden, in dem keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, kann auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sogenannten Pseudobehauptungen (Herdegen in KK-StPO 4. Aufl. § 244 Rdn. 44) oder von ins Blaue hinein oder aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden. Sch. ist von einem kolumbianischen Gericht wegen Besitzes von Kokain und nicht von einer als Kokain erlangten Scheindroge zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei nicht lebensfremder Betrachtung liegt es zumindest fern, daß dies ohne Klärung der Stoffeigenschaft als Kokain geschehen sein könnte. Von einem Verfahrensbeteiligten kann zwar unter solchen Umständen billigerweise nicht erwartet werden, daß er gleichwohl die bestimmte Beweisbehauptung aufstellt, es habe sich nicht um Kokain mit einem bestimmten Wirkstoffgehalt gehandelt. Dadurch wird er jedoch nicht unzumutbar schlechter gestellt. Maßstab, der ausreichend vor Verfahrensbenachteiligungen schützt, ist in solchen Fällen die dem Gericht nach § 244 Abs. 2 StPO obliegende Pflicht zur Aufklärung des für die Schuld- und Rechtsfolgenfrage erheblichen Sachverhalts. Eine Aufklärungsrüge ist insoweit aber nicht formgerecht erhoben. Auch sachlich könnte sie zum Schuldspruch, wie aus der sachlichrechtlichen Prüfung im folgenden hervorgeht, keinen Erfolg haben. Soweit es den Strafausspruch angeht, kann ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte durch die unterbliebene Beweiserhebung beschwert ist.
3. Die sachlichrechtliche Prüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Näherer Erörterung bedarf allein, ob der Schuldspruch nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG dadurch in Frage gestellt ist, daß das Landgericht der Sache nach offen ließ, ob es sich bei dem gelieferten Stoff tatsächlich um Kokain handelte. Das ist aus den vom Landgericht dargelegten Gründen nicht der Fall.
a) Wie der Senat in seinem Beschluß vom 6. November 1991 - 3 StR 406/91 (BGHR BtMG § 29 I 1 Handeltreiben 30) näher ausgeführt hat, ist ein auf Gewinnerzielung gerichtetes Veräußerungsgeschäft auch dann als vollendetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu werten, wenn der Stoff, auf den sich die Verhandlungen beziehen, ein irrig für Betäubungsmittel gehaltenes Imitat ist. Dies gilt entgegen der mit der Revision des Angeklagten L. im Anschluß an Körner (BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 221 und 1152) vertretenen Auffassung nicht nur für den Verkäufer, sondern auch für den mit der Absicht gewinnbringender Weiterveräußerung handelnden Erwerber des vermeintlichen Betäubungsmittels (BGH, Beschl. vom 11. Juni 1997 - 2 StR 134/97 = StV 1997, 638 nur LS; Weber BtMG 1999 § 29 Rdn. 1085). Vom Begriff des vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln werden alle zur Gewinnerzielung unternommenen Bemühungen erfaßt, die darauf abzielen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen und zu fördern. Dazu gehört auch schon der bindend gewollte Abschluß eines Geschäfts über den Erwerb von Betäubungsmitteln, die gewinnbringend weiterveräußert werden sollen. Dabei braucht das zu liefernde Rauschgift noch nicht bereit zu stehen oder auch nur vorhanden zu sein (vgl. BGHSt 6, 246, 247; BGHR BtMG § 29 I 1 Handeltreiben 4 und 28; Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 161; Weber BtMG 1999 § 29 Rdn. 97). Spätestens mit der festgestellten Bestellung der offensichtlich zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Kokainmenge bei dem unbekannt gebliebenen Drogenhändler in Kolumbien war daher der Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens durch den eigennützig handelnden Angeklagten L. voll verwirklicht. Das damit vollendete Delikt kann schon aus Gründen rechtlicher Logik nicht dadurch in das Stadium des bloßen Versuchs zurückfallen, daß aufgrund der Bestellung tatsächlich – wie es das Landgericht der Sache nach für möglich gehalten hat – ein Betäubungsmittelimitat geliefert wird (vgl. BGHR BtMG § 29 I 1 Handeltreiben 30 m.Nachw.).
b) Auch der Qualifikationstatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG kann – anders als die Begehungsweisen des Herstellens, Abgebens und des Besitzes nach dieser Vorschrift – voll und nicht bloß als untauglicher Versuch verwirklicht sein, wenn die geschäftliche Vereinbarung auf eine große Menge Betäubungsmittel bezogen ist, jedoch nur eine für Rauschgift gehaltene Scheindroge geliefert wird (ebenso BGH NStZ 1994, 441, allerdings ohne Begründung; so wohl auch Joachimski BtMG 6. Aufl. § 29 a Rdn. 6 und Weber BtMG 1999 § 29 a Rdn. 135; vgl. ferner Senatsbeschluß vom 5. Januar 1999 - 3 StR 372/98 - S. 3; nicht eindeutig: Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 1186 einerseits und § 29 a Rdn. 35 andererseits).
§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG liegt kein anderer Begriff des Handeltreibens zugrunde als § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Ist dieses Tatbestandsmerkmal demnach an dem entsprechend der Tätervorstellung ausgehandelten Geschäftsgegenstand ausgerichtet, spricht die innere Systematik der Tatbestandsbildung dafür, daß Gleiches für den qualifizierten Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auch insoweit gilt, als das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge” in Frage steht, es somit für die Tatbestandsverwirklichung auf die vom Täter getroffene Abrede über das nach seiner Vorstellung zu liefernde Betäubungsmittel nach Art, Menge sowie Güte und nicht auf die tatsächliche Lieferung entscheidend ankommt. Sinn des § 29 a Abs. 1 BtMG ist es, besonders gefährliche Formen des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln zu treffen. Dazu sind insbesondere Fälle des Handels mit Betäubungsmitteln im großen Stil zu rechnen. Tendenz der strafrechtlichen Betäubungsmittelvorschriften ist es zudem, den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln möglichst lückenlos zu erfassen und den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz wegen des hohen Rangs des geschützten Rechtsguts der Volksgesundheit insbesondere im Bereich des Rauschgifthandels vorzuverlagern. Dieser Zielrichtung würde es zuwiderlaufen, wenn Geschäfte, die von Betäubungsmittelgroßhändlern über beträchtliche Rauschgiftmengen aus ihrer Sicht bereits verbindlich abgeschlossen wurden, bei denen aber die Betäubungsmittel im Zeitpunkt der Tataufdeckung noch nicht geliefert wurden, von vornherein als Fälle vollendeter Verwirklichung des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ausgeschlossen würden. Das wäre aber die Folge, wenn es für die (volle) Erfüllung des Merkmals der „nicht geringen Menge” im Zeitpunkt des für vollendetes Handeltreiben ausreichenden „schuldrechtlichen” Geschäfts auf das tatsächliche Vorhandensein einer entsprechenden Betäubungsmittelmenge ankäme.
Eine solche Wertung würde insbesondere dem Zweck der Änderungen widersprechen, welche die gesetzliche Regelung der besonders schweren Fälle erfahren hat. Ursprünglich waren von § 11 Abs. 4 Nr. 5 BtMG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln vom 22. Dezember 1971 (BGBl I 2092) nur der Besitz und die Abgabe nicht geringer Mengen als besonders schwere Fälle erfaßt. Das Handeltreiben mit großen, erst noch zu beschaffenden Rauschgiftmengen, aber auch der Handel mit einer großen Menge vermeintlicher Betäubungsmittel erfüllten daher dieses Regelbeispiel nicht (vgl. BGH StV 1982, 347). Dafür kam nur eine Wertung als besonders schwerer Fall außerhalb der Regelbeispiele in Betracht. Um dem erhöhten Strafbedürfnis in solchen Fällen zu genügen und auch den „besitzlosen” Handel mit nicht geringen Rauschgiftmengen durch im Hintergrund agierende Großhändler zu erfassen, ist dann zunächst der Katalog der Regelbeispiele der besonders schweren Fälle um das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in § 29 Abs. 3 Nr. 4 BtMG a.F. erweitert und später dieses Regelbeispiel neben anderen in § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Verbrechenstatbestand verselbständigt worden (vgl. Körner BtMG 4. Aufl. § 29 a Rdn. 35; Slotty in Pfeil/Hempel/Schiedermair/Slotty Betäubungsmittelrecht 2. Aufl. § 29 BtMG Rdn. 306).
Verlangen aber Sinn und Zweck des Qualifikationstatbestands in § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG im Interesse einer effektiven, den Erfordernissen der Praxis entsprechenden Bekämpfung des im großen Stil durchgeführten Rauschgifthandels, daß die Vereinbarung über den Erwerb von beträchtlichen, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmten Rauschgiftmengen schon vor der Durchführung des Lieferungsgeschäfts mit der Vollendungsstrafe des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG belegt werden kann, gilt folgerichtig die im Zusammenhang mit dem Begriff des Handeltreibens im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG angestellte Erwägung mit gleicher Berechtigung auch für § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nämlich daß die bereits vollendete Tat nicht dadurch in das Stadium des Versuchs zurückversetzt sein kann, daß im Vollzug des „schuldrechtlichen” Geschäfts ein vom Erwerber für echt gehaltenes Betäubungsmittelimitat geliefert wird.
Dieser sich innerhalb der Schranken möglicher Wortbedeutung haltenden Auslegung steht nicht entgegen, daß die Grenze zur nicht geringen Menge für die einzelnen Betäubungsmittel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach tatsächlich vorhandenen Mengen bestimmt worden ist. Die danach festgelegten Grenzmengen können Richtschnur und Maßstab auch sein, wenn daran die Tätervereinbarung über Art, Menge und Güte des zu liefernden Stoffes unter Beachtung von Erfahrungssätzen gemessen werden. Die Wirkstoffbestimmung aufgrund der Untersuchung einer Betäubungsmittelmenge auf ihren Wirkstoffgehalt ist nicht unerläßliche Voraussetzung für die Annahme einer nicht geringen Menge; der Wirkstoffgehalt kann auch auf andere Weise hinreichend genau ermittelt werden (vgl. BGHR BtMG § 29 III 4 a.F. Schuldumfang 1 und Menge 7 bis 9).
Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs, die der hier vertretenen Rechtsauffassung widersprechen könnte, ist nicht ersichtlich. Die – bereits erwähnte – Entscheidung des 1. Strafsenats in StV 1982, 347 betrifft eine durch spätere Änderungen überholte Gesetzesfassung. In einem Fall, in dem die Angeklagten in den Niederlanden 400 für Ecstasy gehaltene Vitamintabletten zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hatten, hat der 2. Strafsenat die Tat als vollendetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG gewertet und zugleich – ohne nähere Begründung – ausgeführt, daß bei der gegebenen Sachlage die Bejahung einer nicht geringen Menge ausscheide (BGH, Beschl. vom 11. Juni 1997 - 2 StR 134/97). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, der 2. Strafsenat sei der Auffassung, daß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG generell nicht auf Geschäfte mit vermeintlichen Betäubungsmitteln angewendet werden könne.
Bereits mit der Feststellung, daß zwischen dem Angeklagten L. und dem kolumbianischen Drogenhändler die Lieferung von acht Kilogramm Kokain fest vereinbart wurde, und mit der nach den Umständen (Beschaffung von Kokain unter erheblichen Aufwendungen in einem Herkunftsland) nicht gerade lebensnahen, die Angeklagten aber keinesfalls beschwerenden Annahme, sie seien von der Lieferung schlechter Qualität ausgegangen, sind die Voraussetzungen der vollendeten Tatbestandsverwirklichung des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der Beihilfe dazu demnach ausreichend dargetan. Der Ermittlung, ob tatsächlich Kokain geliefert wurde, bedurfte es dazu somit nicht.
Anderes gilt jedoch, soweit das den Schuldumfang und damit die Rechtsfolgen mitbestimmende objektive Gewicht eines zur Ausführung gelangten unerlaubten Betäubungsmittelgeschäfts in Frage steht. Insoweit wird, sofern dies möglich ist, in der Regel geklärt werden müssen, ob und in welchem Umfang der Vollzug des bereits vollendetes Handeltreiben bedeutenden „schuldrechtlichen” Geschäfts tatsächlich zum Umsatz von echten Betäubungsmitteln und damit zu einer verstärkten Gefährdung des geschützten Rechtsguts geführt hat. Wenn es das Landgericht wegen des Verteidigungsvorbringens tatsächlich für möglich hielt, daß sich in der dem Angeklagten L. übergebenen und von ihm weitergeleiteten Tasche nicht acht Kilogramm Kokain, sondern eine entsprechende Menge Betäubungsmittelimitat befanden, und es diese Frage aus diesem Grund offen ließ, mußte es zur Vermeidung einer dem Zweifelsatz widersprechenden Benachteiligung der Angeklagten bei der Bemessung der Strafen konsequenterweise von einem Schuldumfang ausgehen, der durch den Abschluß der Vereinbarung über die Lieferung von acht Kilogramm Kokain von schlechter Qualität und die tatsächliche Lieferung des Betäubungsmittelimitats bestimmt ist. Daß das Landgericht dies verkannt und den Strafen unausgesprochen einen darüber hinausgehenden Schuldumfang zugrundegelegt hätte, ist indes nicht zu besorgen. Es hat bei den strafschärfenden Erwägungen im Zusammenhang mit der Menge des zu liefernden Kokains ersichtlich nur auf den Gegenstand der Lieferungsvereinbarung und die Vorstellung der Angeklagten davon abgehoben. Soweit das Landgericht dem Angeklagten L. strafschärfend zur Last gelegt hat, daß auch bei Zugrundelegung seiner Vorstellung von einer schlechten Qualität des zu liefernden Kokains der Grenzwert zur nicht geringen Menge (fünf Gramm KHC) „in ungewöhnlich großem Maße überschritten wurde”, bedeutet dies keinen Widerspruch zu den rechtlichen Erörterungen im Urteil im Zusammenhang mit dem Begriff der nicht geringen Menge. Daß dort die denkbar schlechteste Qualität von 1 % KHC erwähnt ist, hat nach dem Zusammenhang der Ausführungen erkennbar lediglich die Bedeutung eines Hinweises, daß selbst bei Zugrundelegung des nach Sachlage irrealen Falles eines Wirkstoffgehalts von nur einem Prozent die Grenze zur nicht geringen Menge nach den Erwartungen der Angeklagten ganz erheblich überschritten sein mußte.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts an den Senat im einzelnen dargelegten Gründen nicht durch. Angesichts der eingehend begründeten Ablehnung des u.a. zur Überführung des Angeklagten L. als des wahren Initiators und Geldgebers der Betäubungsmitteltransaktion gestellten Beweisantrags auf Ladung von Sch. als Zeugen zu einer gegebenenfalls neu anzuberaumenden Hauptverhandlung hätte es zur Ermöglichung revisionsrechtlicher Überprüfung sowohl nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO als auch nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO der Mitteilung näherer Einzelheiten dazu bedurft, was darunter zu verstehen war, daß die Überstellung des in Kolumbien inhaftierten Sch. nach Deutschland im Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer „schon im Raum stand”. Dazu hätte insbesondere dargelegt werden müssen, ob und gegebenenfalls welche Hinweise kolumbianischer Behörden oder gar Absprachen mit ihnen vorlagen, die geeignet waren, die Annahme der Beschwerdeführerin zu tragen, Sch. werde der Strafkammer in einem überschaubaren Zeitraum zur Verfügung stehen.
Die zunächst erhobene Sachrüge hat die Staatsanwaltschaft wirksam zurückgenommen.
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Blauth, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540505 |
NJW 1999, 2683 |
NStZ 2000, 95 |
Nachschlagewerk BGH |
Kriminalistik 1999, 826 |
StV 1999, 432 |