Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Oktober 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen schwerer räuberischer Erpressung (II. 2. der Urteilsgründe) verurteilt ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bis zum Zeitpunkt des Verlassens des Kaufhauses aufrechterhalten;
- im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich, wie aus den sachlichrechtlichen Einzelbeanstandungen zu entnehmen ist, gegen den Schuldspruch wegen schwerer räuberischer Erpressung (II. 2. der Urteilsgründe) und gegen den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat im wesentlichen Erfolg.
1. Bei beiden Überfällen bedrohte der Angeklagte seine Opfer mit einer mit Gaspatronen geladenen Waffe, bei der das Gas durch den Lauf nach vorne austreten konnte. Damit verwendete der Angeklagte eine Schußwaffe, so daß das Landgericht zutreffend § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angewandt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 14. Juli 1998 - 1 StR 272/98; Beschl. vom 26. Februar 1999 - 3 ARs 1/99).
2. Nach den Feststellungen verließ der Angeklagte nach dem ersten Überfall den Tatort durch den Hinterausgang und „setzte … sich mit vorgehaltener Waffe in das Auto des Zeugen H., der an einer Ampel hielt. Als der Zeuge an einer weiteren Rotlichtampel erneut halten mußte, stieg der Angeklagte wieder aus.” Diese erkennbar der Beutesicherung dienende, mit dem Überfall in Tateinheit stehende (BGH NJW 1992, 2103, 2104, insoweit in BGHSt 38, 295 nicht abgedruckt; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. § 52 Rdn. 20 m.w.Nachw.) und damit eine Tat im prozessualen Sinn bildende Handlung hat das Landgericht entgegen seiner Pflicht zur erschöpfenden Würdigung des Sachverhalts nicht berücksichtigt. Die bisherigen Feststellungen legen eine in Tateinheit mit der schweren räuberischen Erpressung stehende Nötigung zum Nachteil des Zeugen H. nahe, lassen aber weitergehende Feststellungen nicht ausgeschlossen erscheinen. Der Senat kann deshalb den Schuldspruch nicht selbst ergänzen. Der Schuldspruch ist vielmehr aufzuheben; allerdings können die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bis zum Zeitpunkt des Verlassens des Kaufhauses aufrechterhalten bleiben. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt der Ausspruch über die Einzelstrafe, ohne daß es auf die insoweit erhobenen – zutreffenden – Beanstandungen der Beschwerdeführerin ankäme.
3. Der Strafausspruch für die zweite Tat hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Raubes angenommen, weil es bei dem Angeklagten eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit nicht auszuschließen vermochte. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht führt, gestützt auf die Darlegungen des Sachverständigen, aus, daß Grundlage der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit der beim Angeklagten vorzufindende Zustand nach Polytoxikomanie bei dissozialer Persönlichkeitsstörung sei. Diese Persönlichkeitsstörung beruhe auf wiederholter und wiederkehrender Mißachtung sozialer Normen und gesetzmäßiger Verhaltensweisen; kennzeichnend seien die geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives und gewalttätiges Verhalten verbunden mit der Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewußtsein und zum Lernen aus Erfahrung; der Angeklagte leide an dysphorischen Verstimmungszuständen; der erhebliche und tägliche Mißbrauch von Alkohol und Tranquillanzien neben der Einnahme von Methadon führe zu einer psychischen Destabilisierung. Abschließend teilt der Tatrichter mit (UA S. 15): „Im Ergebnis ist eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht auszuschließen. Diese erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit erreicht den Grad einer krankhaften seelischen Störung.” Das Landgericht verkennt, daß die Bewertung, ob es sich um eine im Sinne der §§ 20, 21 StGB erhebliche Störung handelt, eine vom Tatrichter zu entscheidende Rechtsfrage ist. Zudem enthält das Urteil keine klare Zuordnung, auf welches der in § 20 StGB abschließend genannten Merkmale die dem Angeklagten zugebilligte Verminderung der Steuerungsfähigkeit zurückzuführen ist. Es liegt aber nahe, daß die Strafkammer von dem Vorliegen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit ausgeht und mit dem mißglückten Hinweis auf die krankhafte seelische Störung nur den Schweregrad der schweren anderen seelischen Abartigkeit betonen will.
Damit beschreibt das Landgericht lediglich, daß der Angeklagte seit Ende der 60er Jahre immer wieder straffällig geworden ist, daß er bislang etwa 15 Jahre im Strafvollzug zugebracht hat, und die Straffälligkeit mit Alkohol- und Betäubungsmittelmißbrauch einhergegangen ist.
Wie der Generalbundesanwalt zu Recht ausgeführt hat, genügen diese Ausführungen nicht als Beleg dafür, daß eine schwere andere seelische Abartigkeit nicht auszuschließen ist. Nicht nachvollziehbar ist der Ausgangspunkt der Argumentation des Landgerichts, wonach die Persönlichkeitsstörung auf „wiederholte und wiederkehrende Mißachtung sozialer Normen und gesetzmäßiger Verhaltensweisen” zurückzuführen sei. Bei den beschriebenen Auffälligkeiten handelt es sich um Abweichungen, die auch als Varianten der Normalität vorkommen können (vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 24; § 63 Zustand 24; Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn. 69 m.w.Nachw.).
b) Die Bejahung eines minder schweren Falles des Raubes ist auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil im Rahmen der Gesamtwürdigung die hohe Rückfallgeschwindigkeit und die Tatbegehung während des Laufs zweier Bewährungsfristen nicht erwähnt sind, obwohl sich dies angesichts der Umstände aufgedrängt hat.
4. Im übrigen bemerkt der Senat: Der Umfang der Begründung eines nicht rechtskräftigen Urteils bestimmt sich entgegen der Ansicht der Strafkammer (UA S. 17) nicht danach, ob und inwieweit die Strafkammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt ist, sondern nach § 267 StPO und weitergehenden sachlichrechtlichen Anforderungen, zumal eine Revision der Staatsanwaltschaft auch eine Überprüfung des Urteils auf den Angeklagten belastende Rechtsfehler veranlaßt (§ 301 StPO).
Unterschriften
Kutzer, Rissing-van Saan, Blauth, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540589 |
NStZ 1999, 395 |
NStZ 2000, 192 |