Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaßkonkurs
Leitsatz (amtlich)
Fordert und erhält der Nachlaßpfleger eine den Erben nicht zustehende Leistung, so ist nach Eröffnung des Nachlaßkonkurses die Pflicht des Verwalters, das ohne rechtlichen Grund in den Nachlaß und die Masse Gelangte herauszugeben, Masseschuld.
Normenkette
KO § 224 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als Konkursverwalter die Rückgewähr einer ungerechtfertigten Bereicherung als Masseschuld.
Frau K. K. hatte bei der Klägerin eine Unfallversicherung genommen. Für den Fall ihres Todes war die Zahlung eines Kapitals von 100 000 DM vereinbart. Als Bezugsberechtigte dafür hatte sie bezeichnet: zunächst ihren Ehemann P. K., nach diesem die gemeinsamen Söhne C. und L. und als letzte ihre Schwester I. P. Frau K. wurde am 7. September 1980 von ihrem Ehemann erschossen. Am folgenden Tage tötete dieser die gemeinsamen Kinder und dann sich selbst.
Zum Nachlaßpfleger für die Erben von Frau K. K. bestellte das Nachlaßgericht Rechtsanwalt P. Er mahnte die Versicherungsleistungen an. Die Klägerin teilte ihm durch Schreiben vom 4. November 1980 mit, sie erkenne ihre Leistungspflicht an und habe die für den Fall des Unfalltodes von Frau K. K. versicherte Summe auf sein Postscheckkonto überwiesen.
Am 4. Juni 1981 wurde über den Nachlaß von Frau K. K. das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter ernannt. Rechtsanwalt P. rechnete seine Einnahmen und Ausgaben mit Schreiben vom 16. Juli 1981 ab und überwies das sich aus der Abrechnung ergebende Guthaben von 129 627,37 DM auf das Nachlaßkonkurskonto.
P. K. wurde auf Klage der Frau I. P. und anderer Anfechtungsberechtigter durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 5. November 1981 für erbunwürdig erklärt. Der für die Erben der Kinder C. und L. K. bestellte Nachlaßpfleger forderte die Klägerin zur Zahlung der für den Fall des Todes von Frau K. K. als Versicherungsleistung vereinbarten Summe auf. Sie erfüllte diese Forderung.
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 100 000 DM als Masseschuld zu. Der Beklagte leugnet einen Bereicherungsanspruch dem Grunde nach nicht, meint jedoch, dabei handele es sich lediglich um eine Konkursforderung.
Die Klage blieb in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
1.
Der schuldrechtliche Anspruch auf die Versicherungssumme fiel mit dem Eintritt des Versicherungsfalls am 7. September 1980 nicht in den Nachlaß der Versicherungsnehmerin K. K., sondern wurde vom Bezugsberechtigten erworben (§§ 330, 331 Abs. 1 BGB, vgl. BGHZ 13, 226, 232; 32, 44, 46). Da der Ehemann P. K. den Unfalltod der Versicherungsnehmerin vorsätzlich durch eine widerrechtliche Handlung herbeigeführt hatte, galt seine Bezeichnung als Bezugsberechtigter als nicht erfolgt (§ 181 Abs. 2 VVG). Deshalb erwarben die Kinder C. und L. als Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungssumme. Ihr gesetzlicher Erbe wurde - von der Frage, wer von ihnen zuerst verstarb, abgesehen - ihr Vater P. K. (§ 1925 Abs. 3 Satz 2 BGB). Mit der Rechtskraft des ihn für erbunwürdig erklärenden Urteils galt der Anfall an ihn als nicht erfolgt (§ 2342 Abs. 2, 2344, Abs. 1 BGB).
2.
Soweit es um die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses geht, ist der Nachlaßpfleger der gesetzliche Vertreter des oder der Erben (BGHZ 49, 1, 4; BGH Urt. v. 6. Oktober 1982 - IVa ZR 166/81, NJW 1983, 226). Er kann unmittelbar aus seinem Recht die Herausgabe der Nachlaßgegenstände verlangen (BGH Urt. v. 21. Juni 1972 - IV ZR 110/71, LM Nr. 3 zu § 1960 BGB; Urt. v. 22. Januar 1981 - IVa ZR 97/80, LM Nr. 4 zu § 1960 BGB). Rechtsanwalt P. hat als Nachlaßpfleger für die Erben von K. K. von der Klägerin die Auszahlung der Versicherungssumme an sich gefordert. Sie hat sie an ihn als den gesetzlichen Vertreter der Erben gezahlt. Diese hatten darauf keinen Anspruch. Deshalb hatte mit der nicht geschuldeten Leistung an den Nachlaßpfleger der Nachlaß diese auf Kosten der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt, war also ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
3.
Das "Anerkenntnis" der Klägerin in ihrem Schreiben vom 4. November 1980 stand der Geltendmachung ihres Anspruchs gegen den Nachlaßpfleger auf Herausgabe des durch ihre Leistung auf ihre Kosten ohne rechtlichen Grund Erlangten nicht entgegen (vgl. BGHZ 66, 250, 258).
4.
Die Klägerin macht geltend, daß es sich bei ihrem Anspruch nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO um eine Masseschuld handele. Diese Vorschrift bestimmt, daß im Nachlaßkonkurs außer den in § 59 Abs. 1 KO bezeichneten Verbindlichkeiten auch die aus den von einem Nachlaßpfleger oder einem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Rechtsgeschäften Masseschulden sind. Das Berufungsgericht verneint das Vorliegen dieser Voraussetzung. Die Verbindlichkeit zur Rückgewähr der von der Klägerin ohne rechtlichen Grund gezahlten Versicherungssumme als einer ungerechtfertigten Bereicherung sei kraft Gesetzes entstanden, nicht durch ein Rechtsgeschäft des Nachlaßpflegers begründet worden.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
Der Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO liegt der Gedanke zugrunde, daß die Berechtigten aus Geschäften, die ein Nachlaßpfleger oder Testamentsvollstrecker in ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses auch im Interesse der Nachlaßgläubiger vorgenommen hat, nicht auf die Konkursquote verwiesen werden dürfen (RGZ 60, 30, 31; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO 9. Aufl. § 224 Rdn. 6; vgl. Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 7. Bd. S. 254). Zwar spricht im Gegensatz zu § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, der als Masseschulden die Ansprüche nennt, welche aus Geschäften oder Handlungen des Konkursverwalters entstehen, § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO von Verbindlichkeiten aus den von einem Nachlaßpfleger oder einem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Rechtsgeschäften. Der Wortlaut des Gesetzes zwingt jedoch nicht zu der Auslegung, es müsse sich um Verbindlichkeiten handeln, die durch vertragliche Verpflichtungsgeschäfte begründet worden sind. Das Gesetz bezeichnet als Rechtsgeschäfte nicht nur vertragliche Vereinbarungen; es kennt auch einseitige Rechtsgeschäfte (§ 180 BGB) und solche, die ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen (§§ 181, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Angesichts des Gesetzeszwecks haben Rechtsprechung und Rechtslehre seit langem § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO auch auf andere als durch Vertrag begründete Verbindlichkeiten angewendet, so nicht nur auf eine von einem Testamentsvollstrecker eingegangene Wechselverbindlichkeit, sondern auch auf die Pflicht, die Kosten des wegen einer solchen Verbindlichkeit gegen den Nachlaß geführten Prozesses zu erstatten (RG aaO). Als Masseschulden sind auch die Kosten eines Rechtsstreits angesehen worden, den eine der in § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO genannten Personen wegen Rechtsgeschäften oder Handlungen des Erblassers für den Nachlaß oder zur Abwehr eines gegen diesen erhobenen Anspruchs geführt hat (vgl. OLG Kassel LZ 1910, 171 Nr. 6; OLG Frankfurt a. M. LZ 1913, 253 Nr. 4; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 224 Rdn. 14; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck aaO; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO 14. Aufl. § 224, Anm. 1, e). Diesen Fällen ist der vorliegende in der Interessenlage der Beteiligten vergleichbar. Die Klägerin hatte auf Verlangen des Nachlaßpflegers als des gesetzlichen Vertreters der Erben ihrer Versicherungsnehmerin zur Erfüllung einer diesen gegenüber nicht bestehenden Verbindlichkeit geleistet; der Nachlaßpfleger hatte die Leistung als Erfüllung angenommen und damit die Herausgabeverpflichtung des um die Leistung der Klägerin ungerechtfertigt bereicherten Nachlasses begründet. Er hatte auch im Interesse der Nachlaßgläubiger gehandelt, wie sich daraus ergibt, daß ihm die Überschuldung des Nachlasses bekannt gewesen war und er die Klägerin bei der Anmahnung der Leistung davon in Kenntnis gesetzt hatte.
5.
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsrichter Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zum Umfange der Bereicherung zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 1456270 |
BGHZ, 312 |
NJW 1985, 2596 |
ZIP 1985, 815 |