Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärung vermögensrechtlicher Ansprüche
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Frage eines wettbewerbswidrigen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz, wenn ein Bundesland die Vergabe eines Auftrags öffentlich ausschreibt, der die Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen angemeldeter Restitutionsansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen zum Inhalt hat.
b) Der Angestelltenbegriff i.S. des Art. 1 § 6 Abs. 1 RBerG ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Es kommt nicht darauf an, welche Rechtsform für die Mitarbeit gewählt wird; maßgebend ist allein die tatsächliche Ausgestaltung. Ausnahmsweise kann auch eine freie Mitarbeit im Rahmen eines weisungsgebundenen Auftragsverhältnisses genügen.
Normenkette
UWG § 1; RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 5 U 2391/95) |
LG Berlin (Aktenzeichen 102 O 308/94) |
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. April 1996 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin vom 6. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das beklagte Land veröffentlichte in seinem Amtsblatt Nr. 34 vom 15. Juli 1994 eine Ausschreibung für die Mitarbeit bei der „Klärung vermögensrechtlicher Ansprüche” nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen für noch zu bestimmende Grundstücke (ca. 200). Die Bieter wurden aufgefordert, ihre Fachkompetenz, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit anhand vergleichbarer bereits durchgeführter Leistungen nachzuweisen. Nähere Anforderungen an die berufliche Vorbildung und Qualifizierung enthielt die Ausschreibung nicht. Die Einzelheiten des beabsichtigten Vertragsschlusses ergaben sich aus einem auf Nachfrage erhältlichen Mustervertrag. Der Mustervertrag enthielt u.a. folgende Regelungen:
§ 2 Leistungen des Auftragnehmers
Zu den Leistungen des Auftragnehmers gehört die Anfertigung von kartografischen Darstellungen der aktuellen sowie seit 1933 bestehenden Grundstücksstrukturen.
Hierzu erfolgt in jedem Einzelfall die Einsichtnahme in das Liegenschaftskataster.
- Die Feststellung der gegenwärtigen und vergangenen Herrschaftsverhältnisse an diesen Grundstücken einschließlich der Feststellung etwaiger Restitutionsansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 03.08.1992 (neueste Fassung). Der Auftragnehmer nimmt hierzu Einsicht in das B. Adreßbuch von 1934 und 1943 sowie in die aktuellen und geschlossenen Grundbücher ggf. in die Grundakte und den Vorband.
Die Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von angemeldeten Restitutionsansprüchen unter Heranziehung aller für erforderlich gehaltenen Beweismittel.
Der Auftragnehmer erbringt hierzu im einzelnen folgende Leistungsschritte:
Feststellung der Berechtigung des Antragstellers (§ 3 i.V.m. § 2 VermG)
- Gegebenenfalls Überprüfung des lückenlosen Nachweises der Rechtsnachfolge
Feststellung der Voraussetzung eines Entziehungstatbestandes (§ 1 VermG)
- Einsichtnahme der Magistratsakte
- Bei Vorliegen eines Feststellungsbescheides über die Gewährung einer Entschädigung: Überprüfung der Höhe der Entschädigung
- Bei Eigentumswechsel in der Zeit zwischen dem 30.01.1933 und 08.05.1945: Klärung der Umstände des Erwerbes
- Unterrichtung des Verfügungsberechtigten von der Antragstellung auf Antrag unter Übersendung des Antrages und seiner Anlagen (§ 31 Abs. 2 VermG)
- Anhörung des Verfügungsberechtigten, Rechtsträgers, derzeitigen Eigentümers sowie weiterhin mit der Verwaltung von Grundstücken Beauftragten hinsichtlich des Vorliegens von Ausschlußtatbeständen (§§ 4, 5 VermG), der Durchführung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, zu den bestehenden Miet- und Nutzungsverhältnissen (§ 31 Abs. 4 VermG)
- Auswertung der im Rahmen der Anhörung des § 31 Abs. 4 VermG erlangten Auskünfte im Hinblick auf §§ 4, 5, 21 VermG
Vorbereitung einer Entscheidung über den Wertausgleich gemäß § 7 VermG
…
Ermittlung des Ablösebetrages gemäß § 18 VermG
…
- Vorbereitung der Entscheidung über die Rückgabe einer für den Vermögensverlust gewährten Gegenleistung oder Entschädigung (§ 7 Abs. 2 VermG)
- Erstellung einer Mitteilung über die beabsichtigte Entscheidung
- Berücksichtigung der Einwendungen des Antragstellers, die im Rahmen des „rechtlichen Gehörs” vorgetragen wurden; ggf. Ergänzung/Aktualisierung des Bescheidentwurfes.
§ 3 Leistungen des Auftraggebers
……………
§ 4 Vergütung der Leistungen
Die Vergütung der Leistungen gemäß § 2 beträgt DM ……… pro abgeschlossener Bearbeitung für ein Grundstück incl. Nebenkosten, zuzüglich der jeweils gültigen Mehrwertsteuer.
Der Kläger, ein in B. ansässiger Rechtsanwalt, hat die Ausschreibung und deren Durchführung als einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V. mit Art. 1 §§ 1 ff. des Rechtsberatungsgesetzes beanstandet und Unterlassung begehrt. Er hat die Ansicht vertreten, die Ausschreibung ziele darauf, Personen ohne entsprechende Erlaubnis mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten zu befassen. Soweit sie sich auch an Anwälte wende, würden diese zu einer standeswidrigen Unterschreitung der am Gegenstandswert bemessenen Gebühren bewogen.
Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
folgenden Auftrag öffentlich auszuschreiben:
Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von angemeldeten Restitutionsansprüchen – unter Heranziehung aller für erforderlich gehaltenen Beweismittel – gemäß dem „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen” für noch zu bestimmende Grundstücke;
- die im Amtsblatt B. Nr. 34 vom 15.07.1994 auf Seite 2149 veröffentliche Ausschreibung durchzuführen.
Das beklagte Land ist dem entgegengetreten. Es hat die Auffassung vertreten, für die Beteiligung an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben gelte das Rechtsberatungsgesetz nicht. Die beanstandete Ausschreibung sei überdies nicht geeignet, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat dem Unterlassungsbegehren – ebenso wie schon im Verfügungsverfahren (NJW-RR 1995, 1268) – entsprochen (BRAK-Mitteilungen 1997, 132 ff.).
Mit der Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt das beklagte Land den Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in der angegriffenen Ausschreibung und ihrer Durchführung einen Verstoß des beklagten Landes gegen § 1 UWG i.V. mit Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) erblickt. Es hat ausgeführt:
Die Klageanträge seien nebeneinander zulässig. Weil zweifelhaft sein könne, ob die mit dem Antrag zu 2 verfolgte Untersagung auch das Verbot von Ausschreibungen der vorliegenden Art umfasse, müsse dem Kläger die Möglichkeit gegeben werden, beide Anträge zu stellen. Der Antrag zu 1 gehe, weil er die konkrete Verletzung zum Inhalt habe, auch nicht zu weit.
Die in der Ausschreibung von den Bietern verlangte „Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von angemeldeten Restitutionsansprüchen – unter Heranziehung aller für erforderlich gehaltenen Beweismittel – gemäß dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen” sei eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne von Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG. Auch wenn das beklagte Land „Hausmeinungen” für die Lösung der juristischen Fragen vorgebe, sei von den Bietern jedenfalls die Subsumtion ermittelter Tatsachen unter die Vorschriften des genannten Gesetzes vorzunehmen und ein Entscheidungsvorschlag zu erarbeiten. Daß die Bieter dabei an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch die Verwaltung beteiligt werden sollten, stehe der Anwendung des Rechtsberatungsgesetzes nicht entgegen, da der Meinung, dieses Gesetz befasse sich nur mit dem Schutz der Rechtsangelegenheiten Privater (OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 678), nicht zu folgen sei. Eine solche Einschränkung des Geltungsbereiches sei weder dem Wortlaut und dem Zweck noch der Systematik (insbesondere Art. 1 § 3 Nr. 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBerG) oder der Begründung des Rechtsberatungsgesetzes zu entnehmen. Zwar müsse die öffentliche Hand als Auftraggeberin nicht vor „Winkelkonsulenten” unter den Bietern geschützt werden; das Rechtsberatungsgesetz bezwecke aber auch, den Rechtsanwälten, die durch standesrechtliche Vorschriften in ihrer Berufsausübung beschränkt seien, ein angemessenes Auskommen zu sichern und sie vor dem Wettbewerb mit Personen zu schützen, die nicht den im Interesse der Rechtspflege gesetzten Regeln unterlägen. Die Beteiligung Dritter als freie Mitarbeiter an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sei eine Erscheinungsform, an die der Gesetzgeber bei Erlaß des Rechtsberatungsgesetzes nicht gedacht habe. Der damit vorliegende Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz sei wegen des Interesses an der Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege auch ohne weiteres sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Das beklagte Land sei als Störer für die durch die Ausschreibung veranlaßte Wettbewerbsverletzung verantwortlich. Da das beklagte Land das beanstandete Verhalten eingeleitet und vorbereitet habe, bestehe auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr in Form der Erstbegehungsgefahr, auch wenn bisher noch kein Bieter beauftragt, sondern seit der Abmahnung die Durchführung der geplanten Maßnahme zurückgestellt worden sei.
Das beanstandete Verhalten des beklagten Landes, das der Kläger jedenfalls nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG zu verfolgen befugt sei, sei auch geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Die Interessen der Allgemeinheit an qualifizierter rechtlicher Beratung und an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege seien beeinträchtigt, und es bestehe die nicht unerhebliche Gefahr der Nachahmung.
II. Das Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Revision führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.
1. Allerdings greift die Rüge der Revision nicht durch, der den Klageanträgen entsprechende Tenor sei nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 313 Nr. 4 ZPO), weil von dem Verbot, einen bestimmten Auftrag öffentlich auszuschreiben (Klageantrag zu 1), auch das weitere Verbot, diesen Auftrag durchzuführen (Klageantrag zu 2), umfaßt sei. Die Revision übersieht, daß der Antrag zu 2 sich nicht auf die vom Verbot zu 1 erfaßten Fälle, künftig Ausschreibungen der beanstandeten Art vorzunehmen, bezieht, sondern allein auf die Durchführung der bereits erfolgten Ausschreibung im Amtsblatt vom 15. Juli 1994.
2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 1004 BGB i.V. mit §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG und Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG zustehen.
a) Voraussetzung einer im Streitfall allein in Betracht zu ziehenden wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung des beklagten Landes wäre, daß die Bieter mit der Erbringung der Leistungen, die von dem beklagten Land ausgeschrieben worden sind, einen Wettbewerbsverstoß begehen würden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es im Streitfall an einer solchen rechtswidrigen Beeinträchtigung, so daß eine Störerhaftung ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1996 - I ZR 129/94, GRUR 1997, 313, 315 = WRP 1997, 325 - Architektenwettbewerb, m.w.N.).
Der Ansicht des Berufungsgerichts, die von den (nichtanwaltlichen) Bietern zu erbringenden Leistungen würden ohne eine entsprechende Erlaubnis eine unzulässige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG darstellen, kann nicht beigetreten werden. Dabei kann dahinstehen, ob – wie vom Berufungsgericht angenommen – das Rechtsberatungsgesetz in den Fällen der Beteiligung Privater an der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben überhaupt anwendbar ist (verneinend BGH, Urt. v. 18.5.1995 - III ZR 109/94, NJW 1995, 3122, 3123 im Anschluß an OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 678 f. und Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 2. Aufl., Rdn. 10 und 22). Ebenso kann offenbleiben, ob die von den Bietern erwarteten Leistungen als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG anzusehen sind. Denn im Streitfall greift jedenfalls – worauf sich die Revision zu Recht beruft – die vom Berufungsgericht nicht näher geprüfte Regelung des Art. 1 § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBerG ein, nach der die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes dem nicht entgegenstehen, daß Angestellte Rechtsangelegenheiten ihres Dienstherrn erledigen.
b) Der Begriff des Angestellten i.S. des Art. 1 § 6 Abs. 1 Nr. 1 RBerG ist nach allgemeiner Meinung in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl. Rennen/Caliebe aaO § 6 Rdn. 2; Henssler/Prütting/Weth, Bundesrechtsanwaltsordnung, RBerG § 6 Rdn. 4). Dies ist im Blick auf die Beschränkung nach Art. 1 § 6 Abs. 2 RBerG unbedenklich, wonach die Rechtsform des Angestelltenverhältnisses nicht zu einer Umgehung des Erlaubniszwangs mißbraucht werden darf. Als Angestellter im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes ist jeder anzusehen, der eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit im Betrieb eines anderen ausübt (RGSt 72, 313, 314; BayObLG NJW 1969, 1452 sowie AnwBl. 1983, 457 und 1985, 277, 278; Rennen/Caliebe aaO § 6 Rdn. 2; Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, 10. Aufl., § 6 Rdn. 639; Henssler/Prütting/Weth aaO RBerG § 6 Rdn. 4; Erbs/Kohlhaas/Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, R 55 – Rechtsberatungsgesetz, § 6 Rdn. 4). Damit wird der Angestellte in der Regel schon nicht unter den Erlaubniszwang nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG fallen, weil dieser Geschäftsmäßigkeit und damit (u.a.) eine selbständige Tätigkeit, d.h. eigenverantwortlich und frei von Weisungsbefugnissen Dritter, voraussetzt. Die Regelung des Art. 1 § 6 RBerG dient daher weitgehend nur der Klarstellung (vgl. Begr. zum RBerG vom 15.12.1935 in Reichssteuerblatt 1935, 1528); sie soll dem Dienstherrn verdeutlichen, in welchem Umfang er sich, ohne gegen das Rechtsberatungsgesetz zu verstoßen, der Mitwirkung Angestellter bei der Erledigung von Rechtsangelegenheiten bedienen kann (vgl. Rennen/Caliebe aaO § 6 Rdn. 1; Henssler/Prütting/Weth aaO § 6 Rdn. 1).
Bei dem gebotenen weiten Verständnis des Angestelltenbegriffs ist nicht entscheidend, welche Rechtsform für die Tätigkeit gewählt wird; maßgebend sind allein die tatsächlichen Umstände des Handelns (vgl. OLG Stuttgart NJW 1992, 3051). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Angestelltenbegriff im arbeitsrechtlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Sinne erfüllt ist. Es muß nicht einmal ein Arbeitsverhältnis vorliegen (vgl. Rennen/Caliebe aaO § 6 Rdn. 4). Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß auch eine freie Mitarbeit im Rahmen eines Auftragsverhältnisses nicht unter den Erlaubniszwang fällt, sofern es sich um eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit von einer gewissen Dauer handelt. So liegt der Fall hier.
c) Zu der Frage, ob im Streitfall von einem weisungsgebundenen Auftragsverhältnis in dem genannten Sinne auszugehen ist, hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Indessen bedarf es insoweit keiner Aufhebung und Zurückverweisung, weil der Senat aufgrund des unstreitigen Sachverhalts selbst entscheiden kann. Grundlage ist insoweit insbesondere der Inhalt der Ausschreibung in Verbindung mit dem vorgesehenen Mustervertrag. Danach sollte der ausgeschriebene Auftrag einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis entsprechend ausgestaltet sein, wobei lediglich die – für die Beurteilung im Rahmen des Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 RBerG unerhebliche – arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einbindung fehlte. Für den Auftrag war eine Ausführungszeit von fünf Monaten vorgesehen (Ziff. 4 der Ausschreibung), in der der Auftragnehmer weitgehend für das beklagte Land hätte tätig sein müssen, und zwar selbst dann, wenn die Leistung in Lose aufgeteilt worden wäre (Ziff. 3 Abs. 2 der Ausschreibung). Denn der Auftrag sollte die Klärung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen von angemeldeten Restitutionsansprüchen gemäß dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen für ca. 200 Grundstücke umfassen (Ziff. 3 Abs. 1 der Ausschreibung). Dazu wären – wie in § 2 Ziff. 3 des Mustervertrages näher umschrieben – umfangreiche Beweismittel heranzuziehen und auszuwerten gewesen, so daß die zu erbringenden Leistungen schon insoweit einen ganz erheblichen Zeitaufwand erfordert hätten.
Wesentlich ist vorliegend, daß von den Auftragnehmern eine abhängige, weisungsgebundene Tätigkeit verlangt wurde. Diese wird hier dadurch charakterisiert, daß sämtliche der zu erbringenden Leistungen lediglich der Vorbereitung der vom Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des beklagten Landes in eigener Verantwortung zu treffenden Entscheidungen dienen sollten. Den Auftragnehmern sollte aber nicht nur die eigenverantwortliche Letztentscheidung verwehrt sein, sondern sie sollten auch – trotz einer gewissen Freiheit in der Tätigkeitsgestaltung – bei der Durchführung des Auftrags Weisungen unterliegen. So sollte ihnen einerseits vorgegeben werden, welche Unterlagen sie im einzelnen in jedem Falle einzusehen hatten (vgl. § 2 Ziff. 1 und Ziff. 3 b des Mustervertrages). Andererseits sollte ihnen aber auch ein vorformulierter Entscheidungskatalog zur Verfügung gestellt werden, der neben der sogen. Hausmeinung zu den in Betracht kommenden juristischen Problemen, an der sie sich hätten orientieren müssen, eine Definitionsliste sowie Musterentwürfe enthalten sollte (BU 18). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ist danach davon auszugehen, daß sie bei der Auftragserledigung in ihrer Selbständigkeit – einem Arbeitnehmer vergleichbar – eingeschränkt und von den Vorgaben des beklagten Landes abhängig gewesen wären. Ob darüber hinaus auch der Höhe des Entgelts eine indizielle Bedeutung zukommen kann (so Henssler/Prütting/Weth aaO § 6 Rdn. 13), kann auf sich beruhen, da es an Feststellungen zu der in Aussicht genommenen Vergütung fehlt.
d) Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die im Streitfall als Angestelltenverhältnis i.S. des Art. 1 § 6 Abs. 1 RBerG zu qualifizierende freie Mitarbeit zu einer Umgehung des Erlaubniszwangs mißbraucht worden wäre (Art. 1 § 6 Abs. 2 RBerG). Auf das beklagte Land war im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung eine Sonderaufgabe zugekommen, die im Interesse der Restitutionsberechtigten eine schnelle Klärung der vermögensrechtlichen Ansprüche erforderte. Wenn diese aus der Sicht des beklagen Landes mit dem vorhandenen Personalbestand nicht mit der gebotenen Beschleunigung herbeigeführt werden konnte, so mußten andere Wege gesucht werden. Eine Anstellung des erforderlichen Personals auf Dauer dürfte angesichts der zeitlichen Begrenzung der Aufgabe von vorneherein nicht in Betracht gekommen sein, so daß sich eine Lösung entweder über ein zeitlich befristetes (echtes) Angestelltenverhältnis oder über eine auf eine vorbereitende Tätigkeit beschränkte freie Mitarbeit durch Dritte anbot. Wenn sich das beklagte Land in der konkreten Situation für den letztgenannten Weg entschieden und eine entsprechende Ausschreibung veranlaßt hat, so kann daraus angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände nicht auf eine mißbräuchliche Umgehung des Erlaubniszwangs geschlossen werden.
3. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung läßt sich auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten (§ 563 ZPO). Der Kläger hat sein Unterlassungsbegehren zwar auch darauf gestützt, daß das beklagte Land deshalb als Störer hafte, weil es Rechtsanwälte, an die sich die Ausschreibung ebenfalls gerichtet habe, zu einem Standesverstoß aufgefordert habe; denn in der Ausschreibung sei die Höhe der Vergütung nicht genannt, so daß sie auch auf eine Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren durch mitbietende Anwälte abziele. Mit dieser – vom Berufungsgericht folgerichtig ungeprüft gelassenen – Erwägung läßt sich indessen ein Verstoß gegen die Gebote des anwaltlichen Standesrechts nicht mehr begründen. Zwar ist es nach § 49b Abs. 1 BRAO grundsätzlich unzulässig, geringere Gebühren zu vereinbaren und zu fordern, als es die Gebührenordnung für Rechtsanwälte vorsieht. Nach der Neuregelung des § 3 Abs. 5 Satz 1 BRAGO kann ein Rechtsanwalt aber nunmehr in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschal- und Zeitvergütungen vereinbaren, die niedriger sind. Im übrigen war es auch schon vorher in begrenztem Umfang ausnahmsweise zulässig, daß ein Rechtsanwalt vor der Ausführung von Aufträgen ohne Kenntnis des Gegenstandswertes künftig zu erbringender Leistungen Pauschalhonorare verabredete (BGH, Urt. v. 23.2.1995 - IX ZR 42/94 - Umdr. S. 11 ff. und 24 ff.). Jedenfalls könnte es bei der jetzigen Rechtslage nicht als standeswidrig angesehen werden, wenn Rechtsanwälte – auch zu einem unter den gesetzlichen Gebühren liegenden Honorar – auf eine Ausschreibung der vorliegenden Art eingingen, solange sie – wofür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind – nicht Honorare verlangten, die in keinem angemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftungsrisiko stünden.
III. Nach alledem war auf die Revision des beklagten Landes das angefochtene Urteil aufzuheben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, Ullmann, Starck, Pokrant
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.05.1998 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539786 |
BB 1999, 288 |
DB 1998, 2596 |
NJW 1999, 497 |
GRUR 1999, 259 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2477 |
AnwBl 1999, 61 |
WRP 1999, 98 |
NJWE-WettbR 1999, 73 |