Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 08.03.2004) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 8. März 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher unerlaubter Ausfuhr in 21 Fällen und wegen des Förderns einer unerlaubten Ausfuhr in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte, der eine Verfahrensrüge erhebt und die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts veranlaßte der Angeklagte als Geschäftsführer der Firma T. GmbH, einem Unternehmen zur Herstellung und dem Verkauf spezieller Werkzeuge für die Herstellung von Patronenlagern in Waffen, die Ausfuhr solcher Werkzeuge an Waffenhersteller im Ausland, darunter auch nach Kroatien. Obgleich ihm bekannt gewesen sei, daß die Ausfuhr solcher Werkzeuge genehmigungspflichtig ist, habe er in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis Anfang Februar 2000 in 21 Fällen solche Werkzeuge an Waffenhersteller im Ausland liefern lassen und in zwei Fällen die Werkzeuge zur Abholung in den Geschäftsräumen bereitgestellt, von wo aus sie dann durch die Abnehmer selbst ins Ausland verbracht worden seien.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge liegt folgendes zugrunde: Die Zeugin E. T. ist seit September 2001 mit dem Bruder R. des Angeklagten verheiratet. Beide waren bis zu ihrem Ausscheiden im Sommer des Jahres 2000 ebenfalls in der Firma T. GmbH tätig, die Zeugin E. T. dabei insbesondere mit der Abwicklung von Warenausfuhren ins Ausland betraut. Aufgrund dessen war sie nach Entdeckung der Vorgänge mehrfach – teilweise als Zeugin, teilweise als Beschuldigte – dazu vernommen worden. In der Hauptverhandlung hat sie dann jedoch von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht, so daß die Verwertung der vorangegangenen Angaben in Frage steht. So wurde sie, nachdem sie bereits am 23. Mai 2002 durch einen Beamten des Zollfahndungsamtes Nürnberg und am 5. Juli 2002 durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Kaufbeuren als Zeugin vernommen worden war, am 12. August 2003 erneut – dieses Mal als Beschuldigte – durch einen Beamten des Zollfahndungsamtes Nürnberg, Herrn ZOI G., vernommen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Vernehmungen war sie aber zu Angaben nicht bereit, nachdem der Vernehmungsbeamte sich auf ihre Bitte nicht in der Lage sah, ihr eine Abschrift des zu erstellenden Vernehmungsprotokolls nach der Vernehmung auszuhändigen. Dabei sagte er ihr aber, falls sie es sich noch anders überlege, könne sie auch eine schriftliche Stellungnahme einreichen. Am 26. August 2003 ging beim Zollfahndungsamt München – Dienstort Nürnberg – ein Faxschreiben der Zeugin T. ein. In dem Faxschreiben, das folgende Überschrift trägt: „Schriftliche Stellungnahme zur Ladung vom 12.8.2003 (Strafverfahren)”, beschuldigt sie den Angeklagten sinngemäß, er habe Kenntnis von der Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung für die Werkzeuge gehabt, weil sie ihm bereits 1995 oder 1996 nach dem Besuch eines Seminars dieses Erfordernis mitgeteilt habe.
Zur Überführung des Angeklagten hat sich das Landgericht auf die Angaben der Zeugin in diesem Faxschreiben gestützt, weil es nach Ansicht der Strafkammer nicht im Zusammenhang mit einer Vernehmung entstanden, sondern von der Zeugin aus freien Stücken verfaßt worden sei.
2. Die Revision sieht in der Verwertung der schriftlichen Stellungnahme der Zeugin T. vom 20. August 2003 mit Recht einen Verstoß gegen § 252 StPO. Verweigert ein Zeugnisverweigerungsberechtigter in der Hauptverhandlung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO das Zeugnis, so darf auch seine Einlassung in einem früheren, gegen ihn selbst gerichteten Verfahren nicht gegen den nunmehr angeklagten Angehörigen verwendet werden (BGHSt 20, 384; NStZ 2003, 217). Der Auffassung der Strafkammer, das Schreiben vom 20. August 2003 sei nicht im Zusammenhang mit einer Vernehmung entstanden, folgt der Senat nicht. Dies ist bereits aus der Überschrift des Schreibens herzuleiten, wodurch ein direkter Bezug zur Ladung zur Beschuldigtenvernehmung und dem gegen die Zeugin damals geführten Ermittlungsverfahren hergestellt wird. Insbesondere handelt es sich nicht um Angaben, die sie „aus freien Stücken” und nicht im Bewußtsein ihrer späteren Verwendungsmöglichkeit im Verfahren abgegeben hat (BGH NStZ-RR 2001, 171, 172; BGHR StPO § 252 – Verwertungsverbot 16). Wie die Strafkammer selbst festgestellt hat, war die Vernehmung der Zeugin T. am 12. August 2003 abgebrochen worden, nachdem sich der Ermittlungsbeamte nicht in der Lage sah, dem Wunsch der Zeugin nach Aushändigung einer Abschrift des Vernehmungsprotokolls nachzukommen. Indem er sie dabei darauf hingewiesen hatte, sie könne, falls sie es sich noch anders überlege, auch eine schriftliche Stellungnahme einreichen, hat er eine motivationsfördernde Wirkung ausgeübt und dadurch die dann zwei Wochen später eingegangene Stellungnahme initiiert. Auch der zeitliche Abstand zwischen dem Zeitpunkt des Vernehmungsversuchs und dem Eingang der schriftlichen Stellungnahme ist vorliegend nicht so groß, daß dadurch ein Zusammenhang mit der Vernehmung in Frage gestellt würde.
Das Landgericht hat seine Überzeugung, der Angeklagte habe spätestens seit Ende 1997 über die Genehmigungspflicht der Ausfuhren Bescheid gewußt, allein auf das nichtverwertbare Schreiben (BGHSt 22, 219, 220) der Zeugin T. vom 20. August 2003 gestützt, so daß das Urteil auf der fehlerhaften Verwertung der Angaben in diesem Schreiben beruht.
III.
Entgegen der Ansicht der Revision kam vorliegend keine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1 StPO in Betracht; denn die Strafkammer hat die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht ausreichend ausgeschöpft. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen möglich sind, die zu einer Verurteilung führen können. Zwar ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, daß die ausführliche Zeugenvernehmung der Zeugin T. vom 23. Mai 2002 durch einen Beamten des Zollfahndungsamtes Nürnberg in Folge der Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung nicht verwertbar ist. Das Landgericht hat jedoch die Aussage des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Kaufbeuren nicht vollständig ausgeschöpft, der die Zeugin am 5. Juli 2002 nach ordnungsgemäßer Belehrung vernommen hat. Dieser hat sich zwar nicht mehr konkret an den Inhalt der Bekundungen der Zeugin damals erinnert, konnte aber angeben, „daß sich die Zeugin E. T. wider seinen Erwartungen damals sehr aussagefreudig zeigte (und) dabei ihre – den Angeklagten und auch sie selbst im Ergebnis belastenden – Aussagen vor dem Zollfahnder G. bestätigte” (UA S. 16). Daraus folgt, daß sich der Ermittlungsrichter an den Kern und das Ergebnis der damaligen Aussage der Zeugin durchaus erinnert hat und daher diese Erklärung dem Tatrichter als Beweismittel zur Verfügung gestanden hätte (vgl. BGHSt 14, 310, 312). Inwieweit hierdurch der Inhalt des Protokolls der Aussage der Zeugin am 23. Mai 2002 seine Bestätigung findet, wird der neue Tatrichter zu klären und seiner Überzeugungsbildung zugrundezulegen haben.
Unterschriften
Nack, Wahl, Kolz, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2556096 |
wistra 2005, 351 |
NStZ-RR 2005, 268 |
NStZ-RR 2007, 4 |
StV 2005, 536 |
StraFo 2005, 380 |