Leitsatz (amtlich)
a) Zahlt der nicht persönlich schuldende Eigentümer (Sicherungsgeber) auf die Grundschuld, so geht die gesicherte Forderung nicht kraft Gesetzes auf ihn über.
b) Der aus der Grundschuld befriedigte Sicherungsnehmer kann die gesicherte Forderung gegen den persönlichen Schuldner nicht mehr geltend machen, wenn er dadurch doppelte Befriedigung erlangen würde. Das ist nicht der Fall, wenn der Sicherungsnehmer die Grundschuldzahlung des Sicherungsgebers mit dessen Einverständnis auf eine ungesicherte andere Forderung angerechnet hat. Einen entgegenstehenden Willen des Sicherungsgebers muß der persönliche Schuldner beweisen.
Normenkette
BGB § 1191
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 23.05.1986) |
LG Heidelberg |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 23. Mai 1986 in der berichtigten Fassung des Beschlusses vom 22. Oktober 1987 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin gewährte dem Beklagten und seiner – inzwischen von ihm getrennt lebenden – Ehefrau Darlehen von insgesamt 135.000 DM, die der Einrichtung eines von der Ehefrau betriebenen Friseursalons dienten. Diese Zahlung beruhte auf vier am 27. Mai 1982 geschlossenen Verträgen: 1. Kredit in laufender Rechnung bis zur Höhe von 15.000 DM (Konto Nr. … 1), 2. Tilgungsdarlehen von 35.000 DM (Konto Nr. … 5), 3. Abzahlungsdarlehen von 50.000 DM (Konto Nr. … 2), 4. Abzahlungsdarlehen von 35.000 DM (Konto Nr. … 9). In den Verträgen Nr. 2 bis 4 war als Sicherheit „Grundschuld gem. bes. Zweckerklärung” vereinbart. Die Grundschuld in Höhe von 120.000 DM nebst 15 % Zinsen hatten die Ehefrau des Beklagten und ihr Vater an einem ihnen in Erbengemeinschaft gehörenden Grundstück am 21. April 1982 der Klägerin bestellt. In der von den beiden Sicherungsgebern am 27. Mai 1982 unterzeichneten „Zweckerklärung für Grundschulden” ist der Sicherungszweck wie folgt bestimmt:
„Die Grundschuld nebst Zinsen dient zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen die Eheleute Heinz und Renate P. … – nachfolgend Kreditnehmer genannt (ist der Kreditnehmer eine Personenmehrheit, auch Forderungen gegen jede Einzelperson) – aus der Geschäftsverbindung …”
Name und Anschrift der Kreditnehmer sind mit Schreibmaschine in den Formulartext eingefügt.
Weiter enthält der Sicherungsvertrag die Formularklausel, daß Zahlungen „auf die gesicherten persönlichen Forderungen und nicht auf die Grundschuld” verrechnet werden.
Am 7. Februar 1984 verkauften die Ehefrau des Klägers und ihr Vater das Grundstück. Der Kaufpreis war auf ein Treuhandkonto der Volksbank A. zu zahlen. Diese zahlte davon am 18. Juli 1984 einen Betrag von 156.000 DM an die Klägerin. Auf dem Überweisungsträger ist als „Verwendungszweck” angegeben: „P.-O. Treuhand-Kaufvertrag vom 7.1.84 Urk. Nr. 106/1984 Josef O.”; als „Auftraggeber” sind „P.-H. A.” (Verkäufer) bezeichnet. Die Klägerin gab die Grundschuld frei.
Den Erlös von 156.000 DM verrechnete die Klägerin auf Forderungen, die ihr nur gegen die Ehefrau des Beklagten in der Zeit nach Abschluß der Sicherungsabrede aus Kontoüberziehungen entstanden waren. In Höhe einer weiteren Forderung von 136.404,06 DM nebst Zinsen aus den vier Darlehensverträgen vom 27. Mai 1982 erwirkte sie gegen die Ehefrau des Beklagten am 17. August 1984 einen Vollstreckungsbescheid.
Mit der Klage hat die Klägerin, gestützt auf die am 11. Mai 1984 gekündigten Darlehensverträge vom 27. Mai 1982, beantragt, den Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner mit seiner Ehefrau 143.866,74 DM nebst 10,25 % Zinsen seit 1. Januar 1985 zu zahlen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 143.865,92 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat ihr nur im Umfang von 25.505,12 DM nebst Zinsen entsprochen, nämlich beschränkt auf die Forderung aus dem ersten Darlehensvertrag (Kredit in laufender Rechnung, Konto Nr. … 1).
Mit der Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Betrag von 156.000 DM sei auf die Grundschuld gezahlt worden. Dadurch sei entweder zugleich die gesicherte Forderung getilgt worden oder die Klägerin jedenfalls verpflichtet gewesen, die Zahlung hierauf zu verrechnen. Die Grundschuld habe aber nur die Forderungen von 120.000 DM nebst Zinsen aus den mit dem Beklagten und seiner Ehefrau als Gesamtschuldnern geschlossenen Darlehensverträgen Nr. 2 bis 4 gesichert, nicht hingegen die später allein der Ehefrau gewährten Überziehungskredite von 173.283,37 DM. Nach der Unklarheitenregel in § 5 des AGB-Gesetzes könne die von der Ehefrau und ihrem Vater unterzeichnete Zweckerklärung nur dahin verstanden werden, daß lediglich solche Forderungen in den Sicherungsbereich einbezogen werden sollten, die gegen beide Ehegatten zusammen bestehen. Eine andere Auslegung widerspräche den §§ 3, 9 des AGB-Gesetzes. Infolgedessen sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die Zahlung auf die Darlehen aus den Verträgen Nr. 2 bis 4 zu verrechnen.
II.
Diese Ausführungen halten der Revision nicht stand.
1. Unangegriffen und rechtlich einwandfrei ist die Feststellung, daß die Ehefrau des Beklagten und ihr Vater den Betrag von 156.000 DM aus dem Verkauf des ihnen in Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks auf die darauf lastende Grundschuld gezahlt haben. Rechtsfehlerhaft ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, mit Ablösung der Grundschuld sei entweder zugleich die gesicherte Gesamtschuld des Beklagten und seiner Ehefrau aus den Darlehensverträgen Nr. 2 bis 4 getilgt worden oder die Klägerin als Ergebnis der Inhaltskontrolle des Sicherungsvertrages jedenfalls verpflichtet gewesen, auf diese Forderung – und nicht auf den allein gegen die Ehefrau entstandenen Anspruch aus einem Überziehungskredit – die Zahlung anzurechnen.
a) Eine doppelte Tilgungsbestimmung dahingehend, daß mit Ablösung der Grundschuld zugleich die Darlehensgesamtschuld erfüllt werden sollte, haben die Ehefrau des Beklagten und ihr Vater nicht getroffen. Nur wenn der mit dem persönlichen Schuldner identische Sicherungsgeber auf die Grundschuld zahlt, ist nach der Rechtsprechung des Senats auch ohne ausdrückliche Bestimmung in der Regel davon auszugehen, daß zugleich die gesicherte Forderung erfüllt wird (Urt. v. 9. Mai 1980, V ZR 89/79, NJW 1980, 2198; BGHZ 80, 228, 230; Urt. v. 12. November 1986, V ZR 266/85, NJW 1987, 838). Hier indessen waren die in einer Erbengemeinschaft verbundene Ehefrau des Beklagten und deren Vater Eigentümer und Sicherungsgeber, in dieser Gesamthandsverbindung aber nicht persönliche Schuldner. Die Darlehensgesamtschuld ist mithin nicht durch Erfüllung erloschen.
b) Die Forderung aus den Darlehensverträgen Nr. 2 bis 4 ist mit Ablösung der Grundschuld auch nicht kraft Gesetzes auf die Sicherungsgeber übergegangen. Ein solcher Forderungsübergang ist in § 1143 Abs. 1 BGB lediglich für den Fall geregelt, daß der nicht persönlich schuldende Eigentümer den Hypothekengläubiger befriedigt. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Grundschuld ist nach zutreffender herrschender Auffassung ausgeschlossen (RGZ 150, 371, 374; KG NJW 1961, 414, 415; H. Westermann, Sachenrecht 5. Aufl. § 115 II 2 b; Erman/Räfle, BGB 7. Aufl. § 1192 Rdn. 5; offengelassen in BGHZ 80, 228, 230). Denn § 1143 Abs. 1 BGB beruht auf dem Grundsatz der untrennbaren Verbindung zwischen Hypothek und gesicherter Forderung. Diese Vorschrift ist daher auf die in ihrem sachenrechtlichen Bestand von der persönlichen Forderung unabhängige Grundschuld nicht übertragbar (§ 1192 Abs. 1 BGB).
Entgegen einer vereinzelt früher vertretenen Auffassung (Theorie der „Zweckgemeinschaft” zwischen Grundschuld und persönlicher Schuld: Heck, Grundriß des Sachenrechts, 1930, S. 413; Küchler, Sicherungsgrundschuld, 1939, S. 31 ff) kommt ein Forderungsübergang auch nicht in analoger Anwendung der für Gesamtschulden geltenden Regelung des § 426 Abs. 2 BGB in Betracht. Zwischen dem persönlichen Schuldner und dem Eigentümer, der zur Sicherung der fremden Verbindlichkeit eine Grundschuld stellt, besteht bei der Verschiedenartigkeit von Forderung und dinglichem Recht sowie nach dem sich daraus ergebenden unterschiedlichen Inhalt der Haftung keine einem Gesamtschuldverhältnis vergleichbare Lage (H. Westermann a.a.O. § 114 II 1 c; Matschl NJW 1962, 2132, 2133; Huber, Die Sicherungsgrundschuld, 1965, S. 32 ff; heute allg. Auff.).
c) Gleichwohl könnte die aus der Grundschuld befriedigte Klägerin nicht mehr die persönliche Forderung gegen den Beklagten geltend machen, wenn sie schon durch Zahlung auf die Grundschuld volle Deckung erlangt hätte (RGZ 150, 371, 374). Die Klägerin wäre dann zwar Inhaberin der Forderung geblieben; es widerspräche aber im Verhältnis zum Schuldner dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Gläubiger aus dem formal fortbestehenden Forderungsrecht Zahlung beanspruchen könnte, obgleich er schon aus der die Forderung abdeckenden Grundschuld Befriedigung erlangt hat (im Ergebnis so auch Reinicke/Tiedtke NJW 1981, 2145, 2146 unter II 2; Palandt/Bassenge, BGB 47. Aufl. § 1191 Anm. 3 h bb).
Aus dem im Berufungsurteil festgestellten Sachverhalt ergibt sich jedoch nicht, daß die Klägerin durch Inanspruchnahme des Beklagten doppelte Befriedigung erhalten würde.
Die Klägerin hat die Grundschuldzahlung der Erbengemeinschaft auf die Forderung gegen die Ehefrau des Beklagten aus dem Überziehungskredit angerechnet. Auch wenn diese Forderung, wie das Berufungsgericht annimmt, nach der Unklarheitenregel des § 5 des AGB-Gesetzes nicht von der formularmäßigen Zweckerklärung erfaßt oder wegen Verstoßes gegen das Verbot überraschender Klauseln (§ 3 AGBG; vgl. dazu BGHZ 102, 152) nicht wirksam in die Sicherungsabrede einbezogen worden sein sollte, so könnte sich darauf der Beklagte nicht ohne weiteres berufen. Einwendungen aus dem Sicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Erbengemeinschaft hätten nur dieser, nicht hingegen dem an dem Vertrag unbeteiligten Beklagten zustehen können (Senatsurt. v. 8. Dezember 1978, V ZR 221/77, NJW 1979, 717). Die Parteien des Sicherungsvertrages aber können den Sicherungszweck der Grundschuld jederzeit durch individuelle Abrede erweitern, somit auch eine Anrechnung auf eine andere als die ursprünglich gesicherte Forderung vereinbaren. Dies kann auch dadurch geschehen, daß der Sicherungsgeber (Eigentümer) nachträglich, auch stillschweigend, der vom Sicherungsnehmer (Gläubiger) vorgenommenen Verrechnung zustimmt.
Das Berufungsurteil enthält keine Feststellungen dazu, daß die Anrechnung der Grundschuldzahlung auf die von der Ehefrau des Beklagten allein geschuldete Forderung – anstatt auf die Gesamtschuld – dem Willen der Erbengemeinschaft, also dem der Ehefrau und ihres Vaters widersprochen hätte. Es versteht sich auch nicht von selbst, worauf die Revision entsprechend dem vorinstanzlichen Vorbringen der Klägerin hinweist, daß die Erbengemeinschaft mit dieser Art der Verrechnung nicht einverstanden war. Denn der vom Beklagten getrennt lebenden Ehefrau entstand durch die Anrechnung auf ihre Einzelverbindlichkeit kein Nachteil; von dieser Sicht kann auch ihr Vater ausgegangen sein. Die Ehefrau des Beklagten hat dann auch den gegen sie ergangenen Vollstreckungsbescheid auf Zahlung der bei der vorgenommenen Art der Verrechnung noch offengebliebenen Gesamtschuld hingenommen. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, einen gegenteiligen Willen oder eine abweichende Verrechnungsvereinbarung nachzuweisen.
2. Das angefochtene Urteil kann folglich mit der darin gegebenen Begründung keinen Bestand haben.
Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif.
Das Berufungsgericht hat sich – bei seinem Standpunkt folgerichtig – nicht mit der Behauptung des Beklagten befaßt, die Klägerin habe ihm mit Schreiben vom 9. Februar 1984 zugesagt, die Grundschuldzahlung auf die Darlehensgesamtschuld anzurechnen. Der Inhalt dieses Schreibens bedarf unter Berücksichtigung der dazu vorgetragenen Umstände tatrichterlicher Auslegung. Sollte sich daraus ergeben, daß sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten zur Anrechnung auf die Gesamtschuld verpflichtet hat, so hätte sie die spätere Grundschuldzahlung der Erbengemeinschaft nicht von sich aus auf die Einzelverbindlichkeit der Ehefrau anrechnen dürfen. Die Klägerin wäre daher aus dem Gesichtspunkt positiver Vertragsverletzung gehindert, die noch strittige Gesamtschuld gegen den Beklagten geltend zu machen.
In der neuen Berufungsverhandlung wird der Beklagte auch Gelegenheit haben, sein früheres Vorbringen zur Bedeutung der in den Darlehensverträgen enthaltenen Bezugnahme auf die Zweckerklärung der Erbengemeinschaft zu wiederholen.
Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Hagen, Dr. Eckstein, Vogt, Räfle, Frau Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Lambert-Lang ist krankheitshalber an der Unterschrift verhindert. Hagen
Fundstellen
Haufe-Index 1830928 |
BGHZ |
BGHZ, 154 |
NJW 1988, 2730 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1988, 1096 |
DNotZ 1989, 358 |
JZ 1988, 1020 |